Geschichte - Chronik Berlins

Transcrição

Geschichte - Chronik Berlins
Lichterfelde ist ein Ortsteil im Bezirk SteglitzZehlendorf von Berlin. Lichterfelde liegt südlich des
Ortsteils Dahlem, grenzt im Osten an Steglitz und nach
Westen an Zehlendorf. Lichterfelde unterteilt sich in die
Ortslagen Giesensdorf und Lichterfelde Süd sowie die
beiden Villenkolonien Lichterfelde West und Lichterfelde
Ost, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um
das alte Dorf und das Rittergut Lichterfelde entstanden.
Lichterfelde-West zählt zu den beliebtesten Wohngegenden
der Stadt.
Das um 1900 entwickelte Wappen von Lichterfelde zeigt drei
Lichter (Kerzen), die die drei
Bestandteile des heutigen Stadtteils symbolisieren, die Dörfer, die alten Ortsteile und die
Villenkolonien.
Geschichte
Das Dorf Lichtervelde wurde im 13. Jahrhundert wohl von flämischen Ansiedlern
gegründet. Lichterfelde erfuhr eine starke Bevölkerungsveränderung und -zunahme mit
Entwicklung der Villenkolonien Lichterfelde West und Lichterfelde Ost nach 1860. 1882
werden die einzelnen Siedlungen zu Groß-Lichterfelde vereinigt. Bei der großen
Stadterweiterung von 1920 wird Lichterfelde mit seinen Nachbargemeinden nach GroßBerlin eingemeindet. Während der Teilung Berlins gehörte Lichterfelde zum USamerikanischen Sektor.
Die Dorfkirche Lichterfelde wurde im 14.
Jahrhundert aus Feldsteinen errichtet und um
1780 erneuert. Die Dorfkirche Giesensdorf ist um
1250 errichtet worden. 1609 erhielt sie größere
Fenster. Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg
stark zerstört. Beim Wiederaufbau wurde der
hölzerne Glockenturm nicht wieder neu errichtet,
sondern die Glocken wurden in einem Dachreiter
untergebracht. Die neugotische Nazareth-Kirche
zu Ehren der Heiligen Familie entstand 1901. Die
Lichterfelder Dorfaue war Standort eines weit
bekannten und im Jahr 1898 enthüllten
Reiterstandbildes von Kaiser Wilhelm I., gefertigt
von Ernst Wenck, das kriegsbedingt verlagert bis
heute in einem Depot in Spandau aufbewahrt
wird.
Lichterfelde war von 1882 bis 1918 Sitz der Preußischen Hauptkadettenanstalt. In Lichterfelde
verkehrte die erste elektrische Straßenbahn der Welt. Lichterfelde Süd ist der Standort des FliegeBerges, von dem der Flugpionier Otto Lilienthal seine ersten Flugversuche mit selbstgebauten
Gleitflugapparaten startete. Seit 1932 befindet sich dort eine Lilienthal-Gedenkstätte. Der Physiker
Manfred von Ardenne führte in seinem Haus in Lichterfelde Ost 1930 die ersten elektronisch
aufgenommenen und wiedergegebenen Fernsehbilder vor.
Von Juni 1942 bis 1945 befand sich in Lichterfelde ein Außenlager des KZ Sachsenhausen. Das für
1500 Häftlinge ausgelegte Lager befand sich an der Wismarer Straße in der Nähe des Teltowkanals,
unweit von Wohnhäusern der Offiziere der „Leibstandarte Adolf Hitler“. Eine „Säule des Erinnerns“
macht auf diesen Platz aufmerksam. In dem mit seinem hohen adeligen Bevölkerungsanteil lange
deutschnational geprägten Lichterfelde West traf sich während des Dritten Reichs der sogenannte
„Grafenclub“ der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ um Peter Graf Yorck von Wartenburg in dessen
Wohnung in der Hortensienstraße 50.
KIRCHEN IN L ICHTERFELDE
Struktur und Bebauung
Lichterfelde West, 1860 gegründet, ist bekannt als das älteste Villenviertel Berlins und bis heute
geprägt durch herrschaftliche Villen der Gründerzeit, große Gärten, kleine Alleen und gepflasterte
Straßen. Die Villenkolonie ist eine Gründung des Unternehmers Johann Anton Wilhelm von Carstenn,
der auf eigene Kosten auch die Bahnhöfe Lichterfelde Ost (1868) und Lichterfelde-West (1872)
erbauen ließ.
Die Villen in Lichterfelde-West zeichnen sich durch eine große Vielfalt zum Teil phantasievoller
Baustile aus, bis hin zu Jugendstilbauten, die um 1900 entstanden. Nach 1900 wurde LichterfeldeWest nach Norden hin durch die Entwicklung von Dahlem als weiterem Villenviertel nach BerlinGrunewald hin angeschlossen.
Johann Anton Wilhelm von Carstenn finanzierte dem preußischen Staat auch den Umzug der
Preußischen Hauptkadettenanstalt in großzügige Gebäude an der Finckenstein-Allee. Im dritten Reich
war dort die Leibstandarte Adolf Hitler der SS untergebracht. Heute ist dort unter anderem eine
Zweigstelle des Bundesarchivs. Von 1880 bis
1920 hatte auch das Gardeschützen-Bataillon
seinen Standort in Lichterfelde West in der
neuen Gardeschützenkaserne, die heute Teile
des Bundesnachrichtendienstes beherbergt.
Lichterfelde West verzeichnet seit dem Umzug
der Bundesregierung nach Berlin die höchste
Steigerungsrate
bei
Immobilienund
Mietpreisen im ehemaligen West-Berlin. Die
erhaltene historische Bausubstanz steht
inzwischen weiträumig unter Denkmalschutz.
Die Villenkolonie profitiert seit dem Mauerfall
wieder von der direkten S-Bahnverbindung
nach Mitte und dem Regierungsviertel (Linie
S1).
Lichterfelde Ost, das im Osten an den Ortsteil Lankwitz grenzt, ist nach ähnlichem Muster als
Villenkolonie angelegt, hat jedoch im Zweiten Weltkrieg stärkere Beschädigungen davon getragen.
Insbesondere ursprünglich repäsentativ gestaltete Gartenanlagen um den Bäkefluß und heutigen
Teltowkanal fielen Gewerbegebieten zum Opfer. Dennoch findet sich auch in Lichterfelde Ost eine
stattliche Zahl erhaltener Gründerzeitvillen. Die alten Alleen sind weitest gehend intakt. In der
Gärtnerstraße findet sich das Herrenhaus Correns, auch „Siemens-Villa“ genannt, ein ehemaliges
Villenanwesen der Familie Siemens, heute Musikarchiv der Deutschen Bibliothek.
Die übrigen Bereiche von Lichterfelde zeichnen sich durch Einfamilienhäuser und Mietbebauung aus.
In Lichterfelde Süd findet sich eine Hochhaussiedlung, die so genannte Thermometersiedlung.
Lichterfelde hat außerdem kleinere Gewerbeareale beiderseits des Teltowkanals.
Im Oktober 2007 wurde am Bahnhof Lichterfelde Ost das Einkaufszentrum LIO eröffnet.
VILLEN IN L ICHTERFELDE
Der Architekt und langjährige Vorsitzende des Werkbundes Julius Posener, der in Lichterfelde-West
aufwuchs, beschreibt die Villenkolonien so:
Lichterfelde ist heute noch voll von kauzigen Häusern aller Art: Burgen, Miniatur-Palazzi,
Schweizerhäuschen, Backsteinschlössern, in deren hohen, ein wenig düsteren Räumen alte Oberste,
Staatssekretäre, Privatgelehrte ihr Wesen trieben, Erinnerung pflegten: Sammlungen, Memoiren […]
Die Häuser haben sogar einen Geruch, den der Kenner als „lichterfelderisch“ erinnert.
Neben den Villenkolonien ist die bekannteste
Attraktion in Lichterfelde der Botanische Garten
mit dem Botanischen Museum. Der Botanische
Garten Berlin zählt mit einer Fläche von über 43
Hektar und etwa 22.000 verschiedenen
Pflanzenarten
zu
den
größten
und
bedeutendsten botanischen Gärten der Welt
und ist der größte in Europa. Einen Besuch
lohnt
auch
der
nach
einem
Gartenarchitekturwettbewerb von 1908 bis 1911
nach einem Entwurf von Friedrich Bauer
angelegte Parkfriedhof Lichterfelde am Thuner
Platz, der nicht zuletzt wegen seiner schönen
Anlage schon in den zwanziger Jahren des 20.
Jahrhunderts
zum
Prominentenfriedhof
avancierte. Das ehemalige Gutshaus von
J.A.W. von Carstenn mit seiner kleinen Grünanlage findet sich am Hindenburgdamm (sogenanntes
Carstenn-Schlößchen) und wird heute vorwiegend zu sozialen Zwecken genutzt. Die ursprüngliche
Inneneinrichtung ist zerstört, Teile der Gartenanlage sind erhalten und können besichtigt werden
(„Schloßpark Lichterfelde“).
Verkehr
Von
der
Hauptkadettenanstalt
in
Lichterfelde West fuhr ab dem 16. Mai
1881 die erste elektrische Straßenbahn
der Welt zum Bahnhof der Anhalter
Bahn in „Groß Lichterfelde Ost“. Die von
Werner von Siemens und Johann Georg
Halske
konstruierte
„Elektrische
Eisenbahn“
fuhr
zunächst
im
Probebetrieb auf der zum Bau der
Hauptkadettenanstalt
genutzten
Strecke, später dann im regulären
Betrieb. Der Unternehmer Carstenn
unterstützte das Unterfangen, versprach
er sich doch durch die revolutionäre Entwicklung Publizität für die Villenkolonien und eine bessere
Vermarktung der Grundstücke. Carstenn hatte zuvor die Bahnhöfe Lichterfelde Ost und 1882
Lichterfelde West finanziert.
Der öffentliche Nahverkehr wird heute durch S-Bahnen
und Busse bewältigt. Lichterfelde wird von der
Wannseebahn sowie der Anhalter Bahn durchschnitten
und ist damit optimal an das Berliner Stadtzentrum
angeschlossen. Es gibt fünf S-Bahnhöfe: Lichterfelde
West (Linie S1), Botanischer Garten (S1), Lichterfelde
Ost (S25 und Regionalbahnhof), Osdorfer Straße (S25)
sowie Lichterfelde Süd (S25).
BAHNHÖFE IN L ICHTERFELDE
SEHENSWÜRDIGKEITEN









Villenkolonie Lichterfelde-West mit Westbazaar (S1 Lichterfelde West)
Botanischer Garten (S1 Botanischer Garten)
Preußische Kadettenanstalt Berlin-Lichterfelde, heute Bundesarchiv. Nur wenige Teile sind
öffentlich zugänglich (Finckensteinallee)
Gutshaus Lichterfelde von J.A.W. von Carstenn (Hindenburgdamm)
Herrenhaus Correns / „Siemens-Villa“, heute Deutsches Musikarchiv (Gärtnerstraße)
Heimatmuseum, Drakestraße 64a
Parkfriedhof Lichterfelde, Prominentenfriedhof des frühen zwanzigsten Jahrhunderts (Thuner
Straße)
Alter Friedhof Lichterfelde (Moltkestraße)
Fliegeberg und Otto-Lilienthal-Gedenkstätte (Schütte-Lanz-Straße)
PERSÖNLICHKEITEN

















Manfred von Ardenne, Physiker
Bully Buhlan (eigentlich Hans-Joachim Buhlan), Sänger
Johann Albrecht von Bülow, General
J.A.W. von Carstenn, Kaufmann und Stadtentwickler
Käthe Dorsch, Filmschauspielerin
Götz George, Schauspieler
Theodor Heuss, Politiker
Max Kaus, Maler und Graphiker
Gustav Lilienthal, Architekt
Otto Lilienthal, Flugpionier (bestattet auf dem Friedhof Lankwitz, Langestraße 8–9)
Karl Liebknecht, Politiker
Adolf Martens, Materialwissenschaftler
Miss Platnum (eigentlich Ruth Maria Renner), deutsche Soul-Sängerin
Julius Posener, Architekturhistoriker
Hans Rosenthal, Schauspieler und Entertainer
Heinrich Seidel, Ingenieur und Schriftsteller (bestattet auf dem Friedhof Moltkestraße 42)
Werner Ferdinand von Siemens