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adventurebaycharters.com.au
Guide: Lincoln Bay
148 c 04/2010
Die Thun nichts:
Sie sind zwar immer
hungrig, aber verschlucken sich nicht
gern an Menschen.
Ein Tourist wagt sich
in eine Thunfischfarm
vor Port Lincoln
Schwimm mit
dem Sushi
Abenteuer. Ein ausgewachsener Thunfisch kostet so
viel wie ein Luxuswagen. Und das ist nicht der einzige
Grund, ihm mit Ehrfurcht zu begegnen. Ein Tauchgang
vor Südaustralien, dem Land der Tuna-Millionäre
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In dieser brodelnden Fischsuppe bin ich
nichts als die kleinste Krabbe. Durch das
dunkle Wasser des Pazifiks jagen so viele
silbern glänzende Blauflossen-Thun­
fische, dass es nur so schäumt. Fressmaschinen. Sie scheinen aus nichts außer
Maul und Muskeln zu bestehen. Aber
verschlingen nichts, was nicht in einem
Happen hinuntergeht. Angeblich.
Instinktiv ziehe ich Finger, Zehen und
Gliedmaßen ein, rolle mich zusammen
wie ein Fötus. Offenbar habe ich mit der
Taktik Erfolg. Sie halten Abstand. Dabei
bin ich doch hinabgetaucht, um ihnen
einen kleinen Imbiss zu servieren.
Ich recke den Kopf über Wasser, greife mir eine Handvoll Sardinen aus dem
Eimer. In die kreisende Masse kommt
­Leben. Fische jagen auf mich zu wie im
Zeitraffer, mit dem Tempo einer U-Bahn
auf Spitzengeschwindigkeit. Thunfische
hängen locker jeden Hai ab, beschleu­
nigen schneller als ein Porsche, auf bis
zu 70 Stundenkilometer. Im letzten Moment drehen sie ab – und reißen mir
­dabei die Sardine aus der Hand.
Nächster Snack, nächste Attacke.
Schmerz. Aus meinem Finger strömt
Blut. Für Haie wäre das jetzt eine Einladung zum Lunch. Thunfische halten sich
artig an die Regel: Es wird nichts gegessen,
woran man sich verschlucken könnte.
Zurück an Bord der „Adventure Lady“, einige Seemeilen vor Port Lincoln
in Südaustralien. Die Wunden sind nur
oberflächlich und schnell versorgt. Überhaupt, es konnte ja nichts passieren. Die
Fischfarm ist 20 Meter tief und hat einen
Durchmesser von 45 Metern. Ein robustes Netz hält die Thunfische drinnen –
und die Haie draußen.
Es sei denn, die reißen mal ein Loch
hinein. Wenn das passiert, müssen die
Profitaucher ran, dann ist so ein Ausflug
zu den rund einen Meter langen und um
die 45 Kilo schweren Junior-Thunfischen
doch mal heikel. Aber das ist es wert, ein
ausgewachsener 250-Kilo-Fisch bringt
auf dem Tokioter Fischmarkt den Wert
eines Aston Martin: bis zu 130 000 Euro.
Und damit sind wir beim eigentlichen
Abenteuer von Port Lincoln: reich werden. An diesem Außenposten mit 13 000
Einwohnern, 250 Kilometer westlich
Net Income:
Hagen Stehr lebt
seit 50 Jahren in
­Australien und ist das
Sprachrohr der Thunfisch-Millionäre. In
den schwimmenden
Bassins vor der Küste
(u.) tummeln sich
­Hunderte Fische – und
tauchende Touristen
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von Adelaide, werden unerschrockene
Männer noch mit Fischen Millionär.
Manche Einheimische knurren, die
gefährlichsten Räuber der australischen
Südküste seien nicht die Weißen Haie,
sondern sechs Männer, die einmal in der
Woche gemeinsam Kaffee trinken. Die
Mitglieder des „Cappuccino Club“. Sechs
ältere Herren namens Sam Sarin, Hagen
Stehr, Joe Puglisi, Mario Valcic, Tony Santic und Laurie Gobin, allesamt Einwanderer: aus Ex-Jugoslawien, Italien und
Deutschland. Zusammen bringen sie es
auf ein Vermögen von gut einer Milliarde
australischen Dollar (rund 650 Millionen
Euro), hat die australische Presse überschlagen.
„Ich bin ein arroganter Bastard“
Wenn es um den Reichtum ginge, wäre
Sam Sarin der unumstrittene Boss des
Cappuccino Club. Er befiehlt die größte
Fischereiflotte vor Ort, besitzt die überwiegende Mehrheit der Gewerbeimmobilien der Gegend, darunter mit dem Port
Lincoln Hotel auch das beste Haus am
Platz. Das dazugehörige Gourmetrestaurant hat er nach sich selbst benannt.
Wortführer des Klubs allerdings ist der
deutschstämmige Hagen Stehr. Er haut
gern Sätze raus wie „Nicht das Internet ist
die Zukunft, sondern Aquakultur“. Das
ist mehr als nur Rhetorik: Das US-Magazin „Time“ setzte eine Erfindung von
Stehr auf Platz zwei der „einflussreichsten Innovationen des Jahres 2009“. Er
hat gerade als Erster das Kunststück vollbracht, Thunfische in Gefangenschaft zu
züchten. Das galt als unmöglich. Genau
die richtige Aufgabe für einen wie Stehr.
Braun gebrannt, barfuß und in Shorts
thront er in einem Büro, das an die Brücke eines Schiffs erinnert, den struppigen
weißen Schopf wie vom Winde zerzaust.
Auch sein Deutsch ist verblichen. Nach
50 in breitem, australischem Jargon verbrachten Jahren spricht Stehr fast nur
noch zupackendes Englisch, allerdings
mit hartem germanischem Akzent. Per
Zuruf und Telefon kommandiert der
69-Jährige von einem riesigen Schreibtisch aus seine Flotte, mit Computern hat
der alte Seefahrer nichts am Hut.
Maus und Tastatur sind kein Werkzeug für einen Abenteurer wie Stehr. Mit
17 Jahren büxte er aus dem strengen Elternhaus in Salzgitter aus. „Meine Mutter
sagt immer, dass ich es in Deutschland
nur zum Straßenkehrer gebracht hätte“,
sagt Stehr heute. Er kämpfte mit der fran-
Agentur Focus/Magnum Photos/Trent Parke;; Visum/Wildlight
Text: Barbara Bierach
zösischen Fremdenlegion den Algerienkrieg. Er desertierte und fuhr zur See,
bis er 1960 in Port Lincoln einlief und
für immer blieb.
Dabei lautet sein Lebensmotto: „Alles,
nur niemals stillstehen!“ Passt zu gut:
Auch die Thunfische, denen er seinen
Reichtum verdankt, leben nach dieser
Maxime. Ebenso wie Haie sind sie ständig
in Bewegung, verbrennen dabei enorme
Energie – was ihren unbändigen Hunger
erklärt.
Den Leitspruch hat sich Stehr von
George Patton abgehört, einem US-General des Zweiten Weltkriegs, den der
Deutsche für dessen Führungsstärke und
große Klappe bewundert. „Ein arroganter Bastard. Genau wie ich. Aber was
soll’s, wer Erfolg hat, hat auch recht.“
Dabei kann Stehr auch ganz bescheiden: „Gern würde ich jetzt erzählen, dass
ich überaus clever bin. Aber das stimmt
nicht, ich hatte nur das Glück, den richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu erwischen.“ Als er in Port Lincoln ankam, versuchte er sein Glück mit der Suche nach
Gold und Bodenschätzen. Er tauchte
nach Abalonen. Bis er den Wert der Fi-
Frozen Assets:
Das fette Thunfischfleisch hat
wenige mutige
Australier sehr
reich gemacht
schereilizenzen erkannte. „So manch eine, für die ich seinerzeit 15 Dollar bezahlt
habe, ist heute 40 Millionen wert.“
Nicht nur der Cappuccino Club, fast
alle hier leben vom Meer. 60 Prozent der
von australischen Booten gefangenen
Menge an Fisch und Schalentieren stammen aus Port Lincoln. Der Südpazifik allerdings ist ein launischer Partner, der es
übel nimmt, wenn er ausgebeutet wird.
Fast wäre es aus gewesen mit den ein­
träglichen Geschäften von Stehr und den
anderen Haudegen.
Ursprünglich machten die Fischer ihr
Geld mit Netz und Haken – und in harter
Konkurrenz zueinander. „Wir hatten in
Port Lincoln fast Bürgerkrieg“, erzählt
Stehr. Als zu Beginn der 90er-Jahre der
Fisch immer seltener wurde und die
Fangquoten immer kleiner, besannen
sich die Chefs der großen Flotten. Sie begannen zu kooperieren. „Heute sind wir
gute Freunde, fehlt nur noch, dass wir
uns abküssen!“
Die sechs Jäger gründeten ihren Klub
und entwickelten eine einzigartige Aufzuchtmethode. Heute gehen sie nur noch
∂
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griffbereit, falls sich doch einer anschleicht. Das Letzte, was ihm an Risiko
und Abenteuer noch geblieben ist.
Über Haie muss sich Hagen Stehr bald
keine Sorgen mehr machen. Und über
Thunfisch-Piraten schon gar nicht. Er hat
es geschafft, die Südlichen Blau­flossen in
Gefangenschaft zum Laichen zu bringen.
Stehrs Forscher steckten zwei Dutzend
je rund 200 Kilo schwere Thunfische in
Tanks an Land und gaukelten ihnen die
Reise vor, die sie sonst im Wasser zurücklegen: an der Südküste entlang nach
Westaustralien, an Perth vorbei, bis hoch
nach Indonesien und zurück.
„Liebe machen kann nur, wer entspannt ist, das ist beim Fisch genau wie
bei den Menschen“, sagt Stehr. Also simulieren seine Züchter Strömungsverhältnisse, Wassertemperatur, Salzgehalt, sogar Mondphasen und Sternbilder, damit
der Thunfisch glaubt, er bewege sich in
der freien Natur.
Boss der Flossen:
„Big Mumma“ begegnet man besser mit
Vorsicht. Nach Tauchen
mit Weißen Haien und
Thunfischen muss der
Puls wieder runter.
Am besten beim Planschen mit Seelöwen an
den Saint Joseph Banks
fische zu jagen. Damit wird die zugeteilte
Quote ausgeschöpft. Der Fang wird den
Rest des Jahres in treibende Bassins gepackt, bis die Tiere fett gefüttert sind und
die japanischen Kühlschiffe vorbeikommen, um die Ernte abzuholen.
Die Japaner: treue Kunden, durchtriebene Händler. Ihr Hunger nach Sa­
shimi, dem rohen, äußerst fetten, roten
Bauchfleisch des Blauflossen-Thunfischs,
ist unersättlich – und bisweilen auch ungesetzlich. Immer wieder missachten sie
die Fangquoten und bedrohen so die ganze Art. Einige Konzerne mussten sich vor
ein paar Jahren sogar wegen Piraterie
verantworten. Kaum einer stänkerte lauter dagegen als Stehr. Ein Selfmade-Millionär wie er will bloß eines nicht: enden
wie die Kollegen Garnelenfischer.
Keine schöne Geschichte: Die können heute nur noch an 50 Tagen im Jahr
hinausfahren und ihre Netze auswerfen,
weil die Bestände arg gelitten haben. DaGuide: Lincoln Bay
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für haben sie jetzt die Australischen Seelöwen entdeckt – zur Freude der Touristen. Und jetzt fahren also Krabbenfischer
wie Peter Sturman die Besucher auf die
Sir-Joseph-Banks-Inselgruppe, wo die
Seelöwen zu Dutzenden in der Sonne
­dösen. Sobald das Boot auftaucht, wälzen
sich die mächtigen Tiere ins Wasser. Menschen in Taucheranzügen springen ihnen
entgegen. Für 20 Minuten wird herumgealbert, die Tiere imitieren alles: Purzelbäume, Pirouetten, Planscherei. Schnappen die Menschen nach Luft, strecken
auch die Seelöwen ihre Barthaare über
Wasser. Um das putzige Wasserspiel vor
Haien zu schützen, treibt in den Wellen
ein spezielles Kabel, das ein elektrisches
Feld aufbauen soll. Außerdem ist der
­Ankerplatz im flachen Wasser gewählt.
„Haie greifen meist von unten an und
brauchen mindestens zehn Meter Wassertiefe“, sagt Skipper Sturman. Er scannt
die Umgebung, die Trillerpfeife immer
Dieses Kinoprogramm für Fische würde
man ja gern mal sehen. Aber keine
­Chance. Die Anlage, 150 Kilometer nördlich von Port Lincoln, ist abgeschirmt wie
ein Hochsicherheitsgefängnis. Das Programm verschlang bisher 30 Millionen
Euro, sagt Stehr.
Künftig will er mit seiner Firma Cleanseas das Doppelte der australischen
Fangquoten produzieren, das wären über
10 000 Tonnen im Jahr und entspräche
einem Marktwert von mehreren Milliarden Euro. Schon 2013 will er sein Zuchtsushi auf den Markt bringen, wenn alles
gut geht und die Thunfische sich fleißig
weitervermehren.
Aber was soll schon schiefgehen in
einem Evolutionsklima wie hier? Wo in
den warmen Salzseen in der Umgebung
die extrem seltenen Stromatolithen gedeihen, Gebilde aus Bakterien und Kalkstein, die ein bisschen so aussehen wie
Blumenkohl. Sie gelten als älteste Lebensform unseres Planeten.
Und letztlich könnte ausgerechnet
Stehr den immer hungrigen Blauflossen
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das Überleben sichern.
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oder Melbourne), www.qantas.com.au. Von dort weiterfliegen
mit Regional Express nach Port Lincoln, www.rex.com.au;
Port Lincoln Hotel mit Restaurant Sarin’s, DZ ab 89 Euro,
0061/8/86 21 20 00, www.portlincolnhotel.com.au;
Tauchen mit Thunfischen (Februar bis September) und Seelöwen
(ganzjährig) über Adventure Bay Charters, 0061/488/42 88 62,
www.adventurebaycharters.com.au;
Tauchen mit Haien (ganzjährig): Shark Cage Diving,
0061/8/86 82 39 39, www.sharkcagediving.com.au
Don Fuchs ; sharkcagediving.com.au
Ab 2013 soll es Zuchtsushi geben

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