Testbericht (Erschienen im Magazin ”B-Kids” 4/2011) - Pro
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Testbericht (Erschienen im Magazin ”B-Kids” 4/2011) - Pro
Hilfsmittel Kleinster individueller Rollstuhl von PROACTIV: LITTY 4you Die DRS RolliKids (www.rollikids.de) konnten den neuesten, kleinsten individuellen Rollstuhl von PROACTIV, den Litty 4you testen. Unsere Testfahrerin Sophia ist sehr willensstark, kritisch und skeptisch Neuem gegenüber. Der Stuhl wurde von Ute Herzog, Übungsleiterin des ASV Bonn und Fachbereichsvorsitzende der DRS rollikids, sowie Herausgeberin des Buches „Rollstuhlversorgung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ speziell für sie ausgemessen und angepasst – und als er dann fertig in der Turnhalle steht: Ist Sophia überhaupt nicht begeistert! „Der gefällt mir nicht!“ Der LITTY 4you von PROACTIV. Ihr anschließendes Urteil: „Ich möchte den Stuhl gar nicht mehr hergeben.“ W ir hatten sie doch genau befragt. Sie hat extra die Zweifarbenlackierung Rot / Weiß ausgesucht und die tollen roten Reifen und nun das! Nach gutem Zureden war Sophia aber dann doch bereit, den Stuhl während der Herbstferien zwei Wochen für uns zu testen. Schnell war das Fußbrett auf ihre Unterschenkellänge eingestellt – und der Test konnte beginnen. Ihr anschließendes Urteil: „Ich möchte den Stuhl gar nicht mehr hergeben.“ Doch der Reihe nach: Sophia geht jeden Mittwoch zum Rollstuhlsport nach Bonn – als wir von B-Kids gefragt wurden, ob wir nicht ein kleines pfiffiges Kind wüssten, das den neuen kleinsten individuell gefertigten Rollstuhl von PROACTIV testen möchten, fiel die Wahl schnell auf Sophia. Sie hat eine erworbene Querschnittlähmung, ist für ihr Alter von zehn Jahren relativ klein, sie sagt ihre Meinung aber gern deutlich. So war ihre erste Reaktion dann doch recht irritierend. „Der gefällt mir nicht, den nehm´ ich nicht, da ist mein anderer Rolli (PROACTIV Buddy) viel besser.“ Erst mit der Zeit wurde klar, was Sophia so unschön fand. Es war das für sie unbekannte offene Rahmenkonzept. Da gab es für sie plötzlich keine Rohre mehr an denen man sich hoch ziehen konnte. „Wo soll ich mich da 10 B-Kids 4/11 festhalten“ beim Transfer und beim Reinklettern vom Boden. Und gaben ihr bisher die großen Bremshebel viel Halt beim Einsteigen und Fahren – so sind da beim Litty nur kleine dezente Knöpfchen. Zudem saß sie etwas höher und gerader und hatte keinen Gurt. Diese ungewohnte Sitzposition erfordert aktives Sitzen – ihr fehlt der gewohnte Halt, den ihr die etwas größere Sitzneigung des Buddy und der Gurt gaben. Aktivere Sitzhaltung Doch mit der Zeit fand Sophia ihre „neue Mitte“ und gewöhnt sich an das etwas andere Sitzgefühl. Sie spürt die größere Wendigkeit und Drehfreudigkeit des Stuhls und auch das geringere Gewicht. Wir ließen den Sitzgurt bei der Bestellung absichtlich weg, denn so ein Gurt gibt zwar eine gewisse Sicherheit, ist aber bei Stürzen vielleicht sogar gefährlich, da das Kind beim Fallen nach vorne den Rolli hinter sich herziehen würde. Auch hier gilt es genau hinzuschauen, ob man nicht lieber darauf verzichten sollte, und nur dann fixieren, wenn nötig (wie z.B. in ihrem Buddy mit bike). Weniger ist hier mehr und es bietet die Möglichkeit, dass die Kinder ihren Halt selbst finden. Auch die Physiotherapeutin von Sophia bemerkte anerkennend die „bessere“ und aktivere Sitzhaltung Anzeige ankuppeln und abfahren.. ..wohin du willst! Ist wendig und macht Spaß. Sophia nach dem Wechsel von einem Stuhl in den anderen. So ist es ganz wichtig, dass Kinder, die einen wirklich gut angepassten Stuhl bekommen, auch den Umgang damit lernen. Laut SGB IX hat jeder, der eine Neuversorgung mit einem Rollstuhl erhält, auch das Recht auf eine Schulung im Gebrauch des Hilfsmittels – und dies erfordert Zeit! Seit vielen Jahren bieten hier die Rollstuhl- und Mobilitätstrainingskurse des DRS genau diese Möglichkeit. In spielerischer Atmosphäre lernen die Rollstuhlnutzer in einem einwöchigen Kurs unter fachlicher Anleitung die wesentlichen Grundlagen des Rollstuhlfahrens, bekommen Tipps zum Hilfsmittelgebrauch, zu Wartung und Pflege und vielem anderen mehr. ATEC Ing. Büro AG CH-6403 Küssnacht a.R. Tel. 0041 41 850 40 50 Fax 0041 41 850 66 50 www.swisstrac.ch Hilfsmittel LITTY 4you Diese Flackerrädchen sieht man einfach besser, gerade jetzt in der dunkleren Jahreszeit. Dass der Litty leichter ist als der Buddy, merkten die Eltern beim Verladen des Rollis ins Auto – das Kind aber noch wesentlich deutlicher beim Fahren, und hier besonders beim Beschleunigen, Abbremsen und Drehen. Sophia wiegt ca. 16 kg. Den Litty gibt es ab knapp 7 Kilo, die Variante für Sophia kam auf unter 10 Kilo bedingt durch die uns wichtigen Edelstahlgreifreifen und die notwendigen 22“ Räder, den zwei Schiebegriffen und den Speichenschützern. Ihr Buddy wiegt mit Radstandsverlängerung und Bauchgurt gut 13 Kilo. Wenn ich mir das so vorstelle, dann müsste mein Rolli vergleichsweise über 50 Kilo wiegen – da wird einem klar, dass es wirklich auf jedes Kilo weniger ankommt. So ist es gut, dass die Schiebegriffe leicht abgenommen werden können; das sollte man wenn nicht von Nöten auch tun, ähnliches gilt für die Stützräder. Als Zubehör hatten wir uns für die Sicherheitsleuchtrollen-Vorderräder entschieden. Zum einen aus dem Sicherheitsaspekt heraus. Diese Flackerrädchen sieht man einfach besser, gerade jetzt in der dunkleren Jahreszeit. Zum anderen habe ich selten soviel positive Resonanz der Umwelt erfahren wie auf diese Rädchen. Egal ob jung ob alt, alle finden das Blinken einfach cool. Dies baut Berührungsängste ab und sorgt bei dem Nutzer für eine große, schöne Akzeptanz seines Hilfsmittels. Verbesserungsfähig Wir wählten bei dem Stuhl zwei Schiebegriffe, weil die nicht so weit nach hinten raus stehen, wie der Einhandschiebegriff. Leider ließen sich diese nicht ganz versenken, da die Befestigung genau in einer Flucht mit den Stützradbefestigungen ist – das ist sehr schade –; Abhilfe könnte da eine versetzte Befestigung bieten. Zudem würden wir uns wünschen, dass den Antikippräder wenigstens ein kleines Lager spendiert würde, die leichten Rollen drehen sich kaum und kratzen eher über den Boden, als dass sie rollen. Sehr gefallen hat uns, dass die Stützräder das Ankippen bis zum Kipppunkt und damit das Kippeln-Üben zulassen und so weit nach hinten heraus gehen, dass ein Über- 12 B-Kids 4/11 kippen sicher verhindert wird. Zudem lassen sich die Kippräder nach oben wegklappen und sehr leicht komplett abbauen – s.a. Gewicht. Wie bei jedem individuell angepassten Rollstuhl ist natürlich das genaue Ausmessen von größter Wichtigkeit – hier muss sich viel Zeit genommen werden. Gut ist auch, wie es bei Sophia war, wenn man einen vergleichbaren Stuhl zum Ausprobieren hat. Trotz der individuellen Fertigung lassen sich beim Litty aber nach wie vor die Sitzhöhe und -neigung, die Neigung der Rückenschale, die Sitztiefe und der Schwerpunkt verstellen, die Fußstellung und Unterschenkellänge sowieso. Zudem gibt es bei Bedarf einen Umbausatz, um die Sitzbreite nachträglich zu verändern. Fazit: Der neue Litty von PROACTIV ist ein, gerade für kleine und schmale Kinder, pfiffiger Stuhl. Durch das offene Rahmenkonzept und die integrierte Sitzeinheit wird er leichter als ein vergleichbarer „klassischer“ Rolli. Er lässt sich trotz der individuellen Ausrichtung noch gut einstellen und positionieren. Es bedarf aber einer guten Beratung und Einweisung, genau das hat Sophia uns ja auch deutlich bestätigt. Nachsatz: Was wir bei Kindern als dringende Notwendigkeit ersehen, ist die Versorgung mit zwei Stühlen. Einen Stuhl für gutes Sitzen und gutes Fahren, wie den Litty in der Schule, zu Hause sowie beim Schul- und Vereinssport. Und einen Stuhl für gutes Sitzen und den robusteren Einsatz, für Feld, Wald und Wiese, mit einer Adaption für Handbike, wie z.B. den Buddy. Sehr gerne lassen wir Sophia den Litty „4her“ noch weiter testen. Wir sind neugierig, wie sie beide Stühle nutzt und was sie zu einem späteren Zeitpunkt noch an Kritik und Anregungen für uns bringt. Zwischendurch werden noch andere Kinder mit ähnlichen Maßen den Stuhl ausprobieren können – in der Schule und zuhause, beim Rollisport oder auf den unterschiedlichen Kursen der rollikids. Text & Fotos: [email protected]