Vor dem Gesetz-Kafka

Transcrição

Vor dem Gesetz-Kafka
Yannick Tott
„Vor dem Gesetz“ - Analyse
Die Parabel „Vor dem Gesetz“ wurde 1915 von Franz Kafka veröffentlicht und handelt von
einem Mann vom Lande, der Einlass in das Gesetz fordert, vom Türsteher jedoch zum
Warten aufgefordert wird. Der Mann wartet so lange, bis er kurz vor seinem Tod erfährt,
dass dieser Eingang nur für ihn bestimmt war und jetzt geschlossen wird.
Es handelt es sich um eine auktoriale Erzählperspektive, denn der Erzähler beschreibt die
Gegebenheiten neutral und ohne Wertung. Außerdem ist er allwissend und schildert selten
die Gedanken der Personen.
Zunächst betrachte man die Bemühungen, die der Mann vom Lande unternimmt, um
Einlass in das Gesetz zu erhalten.
Als Erstes bittet er den Türhüter um Einlass (Z.1), der ihm jedoch verwehrt wird. Danach
bückt sich der Mann (Z.5), um zu sehen was sich hinter dem Tor versteckt. Da ihm das
aber auch nicht weiterhilft, entschließt sich der Mann zu warten, bis er die Erlaubnis zum
Eintritt erhält (Z.12). Er sitzt dort Tage und Jahre und ermüdet den Türhüter mit seinen
Fragen (Z.13). Hinzu kommt, dass er versucht den „Türhüter zu bestechen“ (Z.18) und
selbst die Flöhe aus reiner Verzweiflung um Hilfe bittet (Z.24). Als er schließlich kurz vor
seinem Tod steht, stellt er noch eine letzte Frage: „Alle streben doch nach dem Gesetz.
Wieso kommt es, dass in den vielen Jahren niemand außer mir Einlass verlangt hat?“ (Z.
32/33)
Anhand dieser Tätigkeiten des Mannes lässt sich feststellen, dass er zwar unbedingt
Einlass in das Gesetz haben möchte, da er nicht aufgibt, er aber dennoch wenig Initiative
ergreift. Der Mann hätte beispielsweise einfach am Türhüter vorbeirennen können, denn
das Tor stand die ganze Zeit offen. Jedoch sind alle Bemühungen zögerlich und reichen
nicht aus, in das Gesetz zu gelangen. Dies kann anhand der Sprache verdeutlicht werden,
denn alle Verben (in meiner Analyse die unterstrichenen Verben), die Kafka verwendet,
um die Bemühungen des Mannes darzustellen, sind Ausdruck für Passivität und
Hilflosigkeit.
Im nächsten Schritt betrachte man das Verhalten des Türhüters.
Der Türhüter lehnt den Eintritt zunächst ab, amüsiert sich über den Mann und droht ihm
mit seiner Macht und einer noch höheren Hierarchie: „Und ich bin nur der unterste
Türhüter“ (Z.7). Außerdem lockt er ihn: „Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz
meines Verbotes hineinzugehen“ (Z.6). Hinzu kommt, dass der Türhüter dem Mann einen
Schemel gibt (Z.12). Das spiegelt zwar Fürsorge wieder, jedoch ist diese im Falle des
Türhüters mit einem starken Macht- und Abhängigkeitsmotiv verbunden. Somit reicht der
Türhüter dem Mann nur einen Schemel, um diesen zu erniedrigen. Des Weiteren stellt der
Türhüter „öfters kleine Verhöre an“ (Z.15) und nimmt die Bestechung des Mannes nur an,
um diesen zu beruhigen (Z.18/19). Anhand dessen wird deutlich, dass der Türhüter den
Mann und sein Begehren nicht ernst nimmt. Außerdem ist der Türhüter wesentlich aktiver
und nutzt seine höher gestellte Position sichtlich aus. Diese Feststellung wird von den
verwendeten Sprache unterstützt.
Der Türhüter verhält sich bürokratisch, denn er nimmt seine Funktion als Wächter sehr
genau. Er stellt quasi die Probleme dar, denen wir täglich ausgeliefert sind und die uns
begrenzen. In dieser Parabel sind es vor allem die persönlichen Probleme des Mannes,
denn er steht sich selbst im Weg, da „das Tor zum Gesetz offensteht“. Der Mann hätte sein
Zeil konsequent durchsetzten können.
Nun kann man die Frage, was das Gesetz eigentlich ist, gut beantworten. Es handelt sich
dabei um etwas, wonach alle streben („Alle streben doch nach dem Gesetz“, Z.32), die
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Lösung für alle Probleme. Dadurch, dass jeder zu diesem Gesetz gelangen möchte, muss
es sich hierbei um eine grundsätzliche Frage des Menschen handeln. Der Mann vom
Lande sucht nach Gerechtigkeit und Absolution, diese gibt es jedoch nicht. Es gibt keine
Lösung die unbegrenzt ist und für jedes Individuum gilt. Da der Mann nie beim Namen
genannt wird, verkörpert er „jedermann“.
Zu den Räumlichkeiten lässt sich festhalten, dass Kafka es so darstellt, als könnte man
leicht das Gesetz durch eine, für nur einen Menschen bestimmte, Tür betreten. Durch
diese Tür kann Kafka das ausdrücken, was es eigentlich gar nicht gibt, was dennoch
vergeblich gesucht wird. Der Mann sucht nach dem Gesetz, wartet bis zu seinem Tod auf
seinen Einlass, denn er ist der Meinung, dass es die Gerechtigkeit und Absolution
tatsächlich gibt.
Abschließend kann man festhalten, dass Kafka mit dieser Parabel verdeutlichen wollte,
dass viele Menschen ein Leben lang nach etwas Unerreichbaren streben und letztendlich
daran kaputtgehen.