Salle Fischermann - Friedrich-Ebert
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Salle Fischermann - Friedrich-Ebert
GESCHICHTE LIVE Vol. I FES, Bonn, Godesberger Allee 28. Januar 2015 Salle Fischermann erzählt Schülern der Gesamtschule Kürten vom Überleben im KZ und der Zeit danach 1 / 2015 Wie kam Salle Fischermann in die FES? von Filipe Ist Schuld vererbbar? – Das ist eine Frage, die wir uns allen nach der deutschen Vergangenheit, besonders im Bezug zum NS-Regime, gestellt haben sollten. Ich kam vor einigen Tagen als Schülerpraktikant an die Friedrich-Ebert Stiftung, ohne genau zu wissen, was mich erwartet. Nachdem ich im „Forum Jugend und Politik“ freundlich begrüßt und eingeführt wurde, stellten mir die Mitarbeiter ihre Projekte vor. Auch wenn alle sehr interessant und zukunftsorientiert klangen, stach ein Projekt besonders hervor: das Zeitzeugengespräch mit Salle Fischermann, einem ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers Theresienstadt. Die Vorbereitung beginnt: unter die Stühle von über 200 Schülern aus 7 Schulen müssen Stifte und Papier gelegt werden, damit sie Salle Fischermann nach dem Gespräch ihre Eindrücke und Empfindungen mitteilen können. Zudem müssen Namensschilder für den Interviewer („Prof. Friedehelm Boll, Autor und Experte für die Geschichte der Konzentrationslager), und den Interviewten (Salle Fischerman) aufgestellt und Tagesabläufe und Hinweise überall in der Nähe des großen Saales ausgehangen werden. 3 Es ist soweit: Über 200 Schüler werden ruhig, als Ina Koopmann nach einer kurzen Einführung das Wort an Friedhelm Boll und Salle Fischermann übergibt. Ich habe so eine Stimmung noch nie erlebt. Hunderte Schüler hören gespannt, gefasst, traurig und fasziniert zugleich dem Zeitzeugen zu, stellen ihm viele, interessante Fragen, sehen sich einen seiner Dokumentarfilme über das KZ Theresienstadt an und denken über die Frage nach: Ist Schuld vererbbar? Mein Kopf sagt mir nein, doch Schuld ist nichts, was im Kopf geschieht. Wie wurde Salle Fischermann in das KZ-Theresienstadt deportiert? von Julia und Vincent Salle Fischermann wurde in Kopenhagen geboren, seine Familie bestand aus sechs Kindern und den Eltern. 1943 wurden Mitglieder der Familie in das KZ Theresienstadt deportiert. Bevor sie dorthin mussten, hatten er und seine Familie ein wunderbares Leben. Sein Vater hatte eine eigene Firma, bei welcher auch der Bruder mitarbeitete. Salle und seine Geschwister gingen jeden Tag zur Schule und spielten häufig gemeinsam. In Dänemark, 1940 von den Deutschen besetzt, bekamen sie bis 1943 nicht viel von dem Krieg mit, weil das Land für die Nahrungsexporte auch nach Deutschland wichtig war. Doch dann kam es zu Generalstreiks und Sabotagen, bis die Regierung zurücktrat. In dieser Zeit war Dänemark ohne eigene Verwaltung. Nun wurden auch Juden von hier deportiert. Von ungefähr 7000 Juden wurden 450 ins KZ Theresienstadt gebracht. Viele Leute sind mit dem Schiff nach Schweden geflüchtet. Salle Fischermanns Onkel, der Bruder seines Vater, hörte in einer Synagoge, dass alle Juden fliehen sollten. Er hatte viele Geschäfte und gab einem Angestellten 15.000 Dänische Kronen mit der Bitte, er solle zu seinem Bruder gehen und ihm das Geld geben, um Schifffahrt und Flucht zu bezahlen. Doch diese Person kam niemals bei Salles Familie an. Zu der Zeit war eine Cousine aus Norwegen zu Besuch, welche mit der Hilfe eines deutschen Soldaten erst nach Schweden und dann nach Dänemark geflüchtet war. Bei der Cousine in Norwegen wurden nur die Männer deportiert. Am 2. Oktober 1943 klopfte es bei Salle Fischermann und seiner Familie an der Tür. Es war klar, dass das die Polizei war. Salles Mutter ging mit ihrem Mann auf den Balkon, von welchem er fliehen konnte. Danach machte sie die Tür 4 auf, da sie davon ausging, dass wie in Norwegen nur die Männer deportiert werden. Als sie öffnete, traten drei Wehrmachtsmänner und ein SS-Soldat ein. Der älteste Bruder und die Schwester von Salle Fischermann waren um diese Zeit arbeiten. Der SS-Soldat befahl der Familie, Kleidung und Essen für zwei Tage einzupacken. Sie wurden zu einem Lastwagen gebracht, mit dem sie zum Hafen befördert wurden, wo sie auf ein Schiff umstiegen, welches sie weiter transportierte. Nachdem die Schifffahrt beendet war, ging es in einem Viehwaggon weiter. Darin waren auch Menschen aus Altersheimen eingepfercht. Die Reise dauerte zweieinhalb Tage. Bei der Ankunft im KZ Theresienstadt erhielt jeder einen eigenen Code. Salle Fischermanns Code war XXV/2/52. XXV steht für Dänemark, 2 für den zweiten Transport und 52 war seine persönliche Nummer. In Theresienstadt wurden die dänischen Juden im Vergleich zu anderen relativ gut behandelt aufgrund des Abkommens über Nahrungstransporte zwischen Dänemark und Deutschland. Alles in allem war auch dies schrecklich genug. Wie gestalteten sich die Tage im KZ Theresienstadt? von Fabian und Mirco Einen „typischen“ Tag gab es für Salle Fischermann im KZ Theresienstadt nicht, jeder Tag war unterschiedlich aufgrund der besonderen Verhältnisse dort. Der Tag begann für den damals 13-Jährigen um 7 Uhr morgen mit einer Tasse Kaffee oder wie er sagt, mit etwas, das „aus einem großem Eimer schwarzen Wassers“ geschöpft wurde. Danach hatte er verschiedene Arbeiten auszuführen. Bis er 14 Jahre alt geworden war, ging Salle zu einer geheimen Schule im KZ, da Bildung eigentlich verboten war. Jedoch konnte er wegen der Verhältnisse nicht viel lernen. Als er dann 14 war, musste er raus zum arbeiten. Er führte einfache Arbeiten aus wie Wäsche einzusammeln, er musste aber auch helfen beim Verladen von Kindern und anderen Häftlingen für den Transport in ein anderes KZ, ein Vernichtungslager. Außerdem beschrieb er die Wagen, auf denen die Menschen durch das KZ transportierten wurden, die an Hunger und Krankheiten gestorben waren. Die Toten wurden in zwei verschiedene Garagen gebracht – eine für Christen und eine für Juden. Die Leichen wurden alle einzeln verbrannt, nachdem sie auf Goldzähne untersucht und diese herausgebrochen worden waren. Salle hatte immer Zugang zu seiner Mutter und seinen drei Geschwistern, doch schliefen sie getrennt voneinander. Das KZ-Theresienstadt diente dazu, um das Leben in den anderen KZs zu beschönigen. Es wurde besonders hergerichtet, um dort einen Propagandafilm zu drehen. Ab diesem Zeitpunkt arbeitete Salle bei dem Film mit, hielt das Licht und trug die Kabel. Als das Internationale Rote Kreuz Theresienstadt dann besuchte, bekamen Salle und seine Familie eine ge- 5 meinsame Wohnung im KZ – mit Möbeln und „sogar mit echten Pflanzen“, wie er berichtete. Doch wie er erzählte, war dies alles nur wegen des Filmes. Die Wohnung durften sie nach Abschluss der Dreharbeiten behalten. Der Tag von Salle endete mit einem kleinem Stück Brot, das er nur alle drei Tage erhielt. Ein besonderer Tag, den Salle Fischermann im KZ Theresienstadt erlebte, war der Tag der Befreiung. Einige Zeit davor erhielten die dänischen Juden einen Brief, mit dem sie über die Befreiung informiert wurden. Alle sollten sich in einer Kaserne sammeln, um von den Schweden aus dem KZ befreit zu werden. Salle schöpfte durch diese Nachricht neue Hoffnung; so ganz hatte er sie eh nie verloren. Er war von dem Tag an, an dem er deportiert worden war, davon ausgegangen, dass er unbeschadet und mit seiner gesamten Familie das KZ verlassen würde. Dem war auch so, denn Salle verließ Theresienstadt mit allen Familienmitgliedern, die mit ihm deportiert worden waren. Am besagten Tag wurde von dänischen Häftlingen am Horizont ein schwedischer Bus gesichtet, der alle dänischen Juden aus dem KZ befreien sollte. Niemand konnte sie an der Ausreise hindern, denn der Krieg war für die Deutschen verloren und die SS hatte keine Macht mehr über die Häftlinge. Das war die Antwort, auf die Frage, welcher Tag ihm besonders im Gedächtnis geblieben war. Welche besondere Rolle spielte das KZ Theresienstadt? von Jana und Larissa Theresienstadt hatte eine Sonderrolle unter den Konzentrationslagern. Anders als Ausschwitz war es eine Art Vorzeigelager. Theresienstadt wurde für die Öffentlichkeit hergerichtet, um den Schein eines guten Lebens fernab von allen Kriegsangelegenheiten vorzuführen. Die Realität sah für die Inhaftierten allerdings anders aus. Theresienstadt war ein Durchgangslager, in dem insbesondere Menschen aus Ländern festgehalten wurden, die wichtig für Deutschland waren und somit nützlich für den Austausch von Gefangenen sein konnten. Es galt: Wer gebraucht wird, wird bevorzugt. Zum Beispiel durften nur die Menschen aus Dänemark, Norwegen oder Ländern mit vergleichbarem Stellenwert für Deutschland Pakete mit Essen bekommen. Die Juden aus der Sowjetunion oder Polen waren in den Augen der Nazis minderwertiger. Viele Paketempfänger teilten ihre Rationen mit den benachteiligten Mitgefangenen, in den Lagern herrschte Solidarität. In Theresienstadt haben die Menschen Arbeit zugeteilt bekommen. Und um Platz für neue Insassen zu schaffen, wurden immer wieder Gruppen von Menschen ins Vernichtungslager Ausschwitz gebracht – mit ausgewählt vom Lagerältesten. Allen wurde erzählt, dass sie dort als Arbeitskraft gebraucht wurden und ihren Angehörigen und Freunden Briefe schreiben könnten. Natürlich kam nie ein Brief an. Die deportierten Menschen wurden vergast beziehungsweise anderweitig umgebracht. 6 Die Lügen der SS haben bald nicht mehr gewirkt auch wegen Merkwürdigkeiten –wie die Koffer, die nicht mitgenommen und die auch nicht wie versprochen nachgeschickt wurden. Mit den Lügen wurden Aufstände und Unruhe während der Abtransporte vermieden. Der Zeitzeuge Salle Fischermann nannte die Zahl von 41.000 Menschen, die zwischen 1943 und 1945 auf diese Weise umgebracht. Ursprünglich waren 60.000 in Theresienstadt inhaftiert. Hunger, Seuchen und schlechte Hygienebedingungen haben zur Dezimierung der Gefangenen beigetragen. Beispielsweise wurde Gemüse von Häftlingen angebaut, um das vermeintlich reiche Nahrungsangebot vorzuzeigen. Dabei durften die Lebensmittel ausschließlich von der SS verspeist werden. Die Insassen in Theresienstadt hatten größtenteils einen höheren Stellenwert für die Nazis, in Bezug auf möglichen späteren Nutzens und hatten deshalb oft eine, wenn auch geringfügig besseres Leben. Im Vergleich zu anderen Häftlingen in anderen Konzentrationslagern. Konzentrationslager und auch Zwangsarbeiterkasernen waren über das gesamte Deutschland verteilt. Dass die Vernichtungslager alle im Osten lagen, hat damit zu tun, dass man die Ermordung der Juden auf Abstand halten wollte zu den „arischen“ Deutschen. Was heißt Durchgangslager? von Kian Weil immer neue Juden nach Theresienstadt deportiert wurden, musste eine bestimmte Anzahl von Häftlingen weichen. Ausgewählte Juden wurden nach Auschwitz gebracht. Die Schutz-Staffel (SS) unterdrückte die Häftlinge vehement, plante die Deportation nach Auschwitz detailliert und ließ die Häftlinge glauben, dass sie in ein anderes Lager versetzt werden, in dem sie gebraucht werden. Durch Lügen konnte die SS den zurückgebliebenen Häftlingen glaubwürdig machen, dass sie weiterhin mit den Deportierten in Kontakt über den Postweg stehen würden. Diese und viele weitere Lügen wurden nach der Zeit aufgedeckt und die Häftlinge realisierten, dass die Deportation aus Theresienstadt das Todes urteil bedeutete. Wer nach Auschwitz musste, wurde von den Häftlingen selbst entschieden. Es existierte ein Häftlings-Bürgermeister, dieser wurde auch der Lagerälteste genannt. Er konnte unter Führung der Schreibstube bestimmten, welche Häftlinge deportiert werden sollen. Wer in der Schreibstube saß, hatte ein Mitbestimmungsrecht. In Theresienstadt wurden diese Posten zumeist von tschechischen Häftlinge besetzt. Keiner der Häftlinge war vor der Deportation sicher, ob jung, alt, krank oder gesund, jeder konnte aussortiert werden. Sogar bedeutende Persönlichkeiten, Wissenschaftler oder Komponisten wurden nicht verschont. Mit diesem inhumanen Auswahlverfahren hatte die SS die totale Gewalt über die Häftlinge und konnte somit einen enormen Druck auf die Gefangenen ausüben. Ihr Ziel war Ermordung aller europäischen Juden. 7 8 9 Was erzählt ein Propagandafilm über das KZ? von Anke und Lisa Der Film beginnt mit glücklichen Kindern, die einen rundum zufriedenen Eindruck machen. Kurzerhand unterbricht Herr Fischermann die idyllische Szenerie. Er berichtet, dass nur 6 von 2000 Kindern überlebten, nachdem diese in das Konzentrationslager Ausschwitz abtransportiert worden waren. Es werden Felder gezeigt, auf denen Juden arbeiten. Sie beschaffen sich angeblich ihre Nahrungsmittel eigenhändig. Doch die Arbeiter wurden zuvor damit bedroht, sofort nach Ausschwitz transportiert zu werden, wenn sie es wagten, etwas mitgehen zu lassen. Eine Familie sitzt am Esstisch und nimmt ihre mittägliche Mahlzeit zu sich, so erschafft der Film „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ die Illusion von einem harmonischen Familienleben. Salle Fischermann erläutert, es seien einander Fremde, die Platz an einem Tisch nahmen, ebenfalls nur für die Propaganda. Weitere Szenen zeigen eine harmonische Umgebung, in der unzählige Blumen blühen und die Sonne strahlt, genauso wie diejenigen Menschen, die diese Ortschaft bewohnen. Dies war jedoch mehr Schein als Sein, denn die gezeigten Bilder widersprechen der Wirklichkeit, die die jüdischen Menschen täglich durchlebten. Die verfilmte Idylle verdeutlicht Hitlers Propagandapläne bezüglich des alltäglichen Lebens im Konzentrationslager Theresienstadt, während die Kommentare von Salle Fischermann die gepriesenen Zustände widerlegen und somit die Wahrheit aufdecken. 10 Salle Fischermann stellt in der 40-minütigen Dokumentation „Wenn lang die Bilder schon verblassen! KZ Theresienstadt – Propagandafilm und Wirklichkeit“ die wahren Geschehnisse dem im Propagandastreifen idealisierten Leben im KZ entgegen. Der damals 14-jährige Salle war gezwungen, an der Produktion des Films teilzunehmen. Wegen des Films war zuvor ein halbes Jahr Zeit lang Theresienstadt umgestaltet worden. Es entstanden Geschäfte, eine Schule, unter anderem auch eine Bibliothek – als hätten die Häftlinge eine „perfekte“ Unterkunft! Wie verliefen Befreiung und die Zeit danach? von Christina Nach 18 Monaten Gefangenschaft im KZ sieht ein Mitgefangener des damals 15- jährigen Salle Fischermann am Horizont einen schwedischen Bus. Während er den anderen Bescheid gibt, werden an die dänischen Gefangenen Zettel verteilt – sie sollen sich alle in der Kaserne zusammenfinden. Im Bewusstsein der kurz bevorstehenden Befreiung wird gesungen, getanzt und gelacht. In den Bussen fahren sie, via Potsdam, in Richtung der dänischen Grenze, wo die ehemaligen Inhaftierten willkommen geheißen werden und Schokolade geschenkt bekommen. Auch während der Fahrt durch Dänemark hören sie immer wieder „Willkommen zu Hause“-Rufe. Weil der Krieg aber noch nicht zu Ende ist – die Befreiung der dänischen Inhaftierten aus Theresienstadt fand kurz vor Kriegsende statt –, durften die Befreiten nicht in Dänemark bleiben. Sie wurden weiter nach Schweden gefahren, in die Nähe von Malmö, wo sie ihre Kleidung ablegen durften und neue bekamen. In Schweden erhielten Salle Fischermann und die anderen Befreiten erstmals nach der Gefangenschaft im Konzentrationslager wieder ein richtiges Mittagsessen. Drei Wochen später war der Krieg zu Ende, was es Salle Fischermann, seiner Mutter und drei Geschwistern, die mit ihm im KZ gefangen waren, ermöglichte, nach Dänemark zurückzukehren. Erst nach Kriegsende erfährt er, dass sein Vater und einer seiner Brüder während seinem Aufenthalt in Theresienstadt verstorben sind. 11 In ihr früheres Zuhause kann die Familie nicht zurückkehren, jegliche Besitztümer wurden in ihrer Abwesenheit geraubt. Nach vier Wochen bekommen sie eine neue Wohnung, in der Salle Fischermanns Mutter ihn und seine drei übrigen Geschwister alleine großzieht. Heute ist Salle Fischermann glücklich verheiratet und hat zwei Kinder. Kontakt zu anderen einstigen KZ-Inhaftierten hat er als Vorsitzender des Vereins der Überlebenden immer noch. Wie er selbst sagt, empfindet er keinen Hass auf die Deutschen für das, was ihm angetan wurde. Er lebt vielmehr nach dem Motto: Behandle andere, wie du selbst behandelt werden möchtest. Auf die Frage, warum er den Mut aufbringt und von seinen Erlebnissen berichtet, erzählt er die Geschichte, wie er einst von einem Mann, dessen Nationalität er auf Grund eines Versprechen nicht nennen möchte, gefragt wurde, ob der Holocaust denn wirklich so schlimm gewesen wäre. Als er daraufhin seine Geschichte erzählt, war dieser zu Tränen gerührt. Wie war das Feedback? von Sebastian Nach dem Vortrag von Salle Fischermann wurden alle Schüler dazu aufgefordert, ihre Eindrücke aus dem Vortrag festzuhalten auf einem Zettel. Die interessierten Zuhörer beschrieben Herrn Fischermann als selbstbewusste Person, welche sie durch seine Erzählungen beeindruckt hat. Besonders erstaunlich war für viele, wie positiv Fischermann sein Leben rückblickend betrachtet – trotz seiner Zeit im KZ Theresienstadt. Die lebendige Weise, in der das Wissen und die Erfahrungen von Fischermann im Interviews und der Fragerunde vermittelt wurde, hat den meisten Anwesenden sehr gut gefallen. Die anschaulichen Erzählungen von Fischermann sorgten für eine gespannte Atmosphäre und halfen dabei, den KZ-Alltag zu verstehen. Viele der Anwesenden drückten ihre Bewunderung für Salle Fischermanns Bemühungen aus, über den Holocaust zu berichten und sich gegen die Unterdrückung und Fremdenhass einzusetzen. Häufig wurde die Stärke betont, die Herr Fischermann zeigt, wenn er sich immer wieder mit der dunkelsten Epoche der deutschen Geschichte und auch seines eigenen Lebens beschäftigt und darüber berichtet. Auch wenn ein paar Schüler den gezeigten Film als zu lang und zäh bezeichneten, ist der überwiegende Teil der Rückmeldung durchweg positiv ausgefallen. Ein großer Teil der Zuhörer bezeichnet Salle Fischermann als bewundernswert, und viele freuten sich über die Möglichkeit, mit einem Zeitzeugen zu reden und bei dieser Gelegenheit, Geschichte mitzuerleben. Ein Großteil der Anwesenden bedankt sich bei Salle Fischermann und besieht ihn und seine Familie mit den besten Wünschen für das weitere Leben. 12 13 Fragen für die Zukunft Welcher Umgang mit dem Erlebten? Wie ging es weiter? Wie verarbeiten Zeugen der NS-Zeit ihre Erlebnisse? Ich habe mir die Frage ausgesucht, weil ich gerne wissen möchte was im Kopf von den Menschen vorgeht und was sie heute noch empfinden. Wie gehen Sie mit dem Thema um? Sagen sie, dass es ein Tabuthema ist oder denken Sie, dass man diese Geschichte mit anderen teilen sollte? Werden sie oft an die Erlebnisse erinnert oder können sie diese auch mal vergessen? Es wäre spannend zu erfahren, wie das Leben heute für die Zeitzeugen ist. Larissa Was frage ich einen 88 Jahre alten Mann, der den Krieg hautnah miterlebt und das Elend der Menschen am eigenen Leib erfahren hat? Für mich wäre es interessant zu wissen, wie das Leben nach dem Krieg gewesen ist, denn es war sicher nicht einfach, mit all dem Elend zurecht zu kommen und dieses zu verarbeiten. Außerdem würde ich gerne wissen, wie das Leben während des Krieges, als Soldat an der Ostfront abgelaufen ist. Wie die Lebensumstände waren und welche Gedanken einem durch den Kopf gingen, wenn man einen gegnerischen Soldaten vor sich hatte und ihn, um selbst zu überleben, erschießen musste. Doch diese Antwort werde ich wahrscheinlich nie bekommen, denn mein Ur-Opa spricht nicht gerne über die Zeit des Krieges und hat die Eindrücke noch nicht verarbeitet. Mirco Was taten die Aufseher? Gab es Aufseher, die helfen wollten und was geschah mit ihnen? Wie war das Gefühl, die Grausamkeiten der Aufseher mitansehen zu müssen und vielleicht auch mitmachen zu müssen, ohne etwas tun zu können? Oder konnte man eingreifen? Diese Fragen finde ich sehr interessant, weil die Perspektiven eines Aufsehers eine ganz andere ist, als die eines Inhaftierten und somit einen völlig anderen Blickwinkel auf die gesamte Situation werfen könnte. Jana 14 Was erzählen die Täter? Aufgrund des vergangenen Zeitzeugengesprächs, würde mich interessieren, was die Nazis dazu bewegt hat, Juden zu vernichten und vehement gegen sie zu agieren. Außerdem würde ich in Erfahrung bringen wollen, wie Nazis mit diesem Lebensabschnitt abschließen können und ob Sie ihr Gewissen weiterhin plagt. Die oben genannten Aspekte, werfen weitere Fragen auf, welche durch ein Treffen mit einem Zeitzeugen, der zu dieser Zeit in einem KZ als Aufseher agierte, beantwortet werden könnten. Kian Welche Rangordnung? Wie leben mit dem Tod vor Augen? Aus welchem Grund gab es eine Hierarchie unter den jüdischen Häftlingen in Theresienstadt? Wieso hatten beispielsweise dänische Gefangene einen „höheren Wert“ im Gegensatz zu polnischen oder russischen Juden? Diese Frage ist essentiell für das Verständnis der Machenschaften des NS-Regimes. Von Interesse wäre auch die Frage, wie die Gefangenen für den Transport nach Theresienstadt ausgewählt wurden. Wie kam die sogenannte „Elite“ zustande? Ich würde gern wissen, wie es in Auschwitz war. Wie man sich gefühlt hat, wenn man jeden Moment sterben konnte? Was man denkt, wenn man weiß, dass jeden Moment Leute sterben und man zusieht, wie Menschen zur Tötung geführt werden? Weil ich mir vorstellen kann, dass so etwas nicht spurlos an jemandem vorübergeht. Julia Lisa und Anke Wie reisen im Viehwaggon? Ich würde gerne wissen, wie es ist, in einem Viehwaggon in ein KZ zu fahren. Wie es sich anfühlt, nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Tier oder etwas Schlechtes behandelt zu werden. Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand so grausam ist und Menschen so behandeln kann? Vincent Was war mit den Nicht-Juden? Wussten sie, was mit ihren Nachbarn, Bekannten oder Freunden geschah, nachdem sie verschwanden? Trauerten sie oder bemerkten sie es kaum? Machten sie sich auf die Suche nach Antworten oder nahmen sie es einfach hin und glaubten den Propaganda-Videos? Oder gab es doch vereinzelte Versuche von Nicht-Juden Häftlinge aus einem KZ zu befreien? Es ist wichtig zu wissen, ob zumindest einige von den Nicht-Juden ihre Solidarität zeigten und etwas unternahmen oder, ob alle, wissend was mit den Juden angerichtet wird, beide Augen zudrückten und es geschehen ließen. Filipe Wie geht Verarbeitung? Wie hat man es schaffen können all die schlimmen Qualen im KZ zu überstehen und das Beste daraus zu machen? Dies würde mich sehr interessieren. Mit welchen Gedanken hat man sich früher rumschlagen müssen? Wie hat man es geschafft, immer daran zu glauben, dass man doch überlebt? Welchen geistigen Willen muss man gehabt haben, um mit dieser Situation fertig zu werden? Ich finde die Zeitzeugen bewundernswert, da sie so offen über Dinge reden, die sie erlebt und durchgemacht haben. Ich wüsste nicht, ob ich das so offen könnte. Das zeigt den harten Willen den sie gehabt haben müssen, um zu überleben. Fabian 15 Was heißt dann Pegida? Wie reagiert man als NS-Zeitzeuge auf Aktionen wie die Pegida-Demonstrationen oder andere Äußerungen dieser Art? Kann man die Gedanken nachvollziehen? Fühlt man sich als Inhaftierter erinnert und hat man Angst, dass es wieder so werden könnte wie damals? Dieser Fragen interessieren mich sehr, weil das Thema momentan leider wieder aktuell ist und ich mir nur schwer vorstellen kann, wie ich darauf reagieren würde, wenn ich damals schon selbst dabei gewesen wäre. Besonders, weil eigentlich jedem klar sein sollte seitdem, wohin Fremdenfeindlichkeit führt, fände ich es interessant zu erfahren, was ein Zeitzeuge davon hält. Christina Wie kam Salle Fischermann zur FriedrichEbert-Stiftung? / Wie wurde Salle Fischermann in das KZ Theresienstadt deportiert? / Wie gestalteten sich die Tage im KZ Theresienstadt? / Welche besondere Rolle spielte das KZ Theresienstadt? / Was heißt Durchgangslager? / Was erzählt ein Propagandafilm über das KZ? / Wie verliefen Befreiung und die Zeit danach? / Wie war das Feedback? / Fragen für die Zukunft © 2015 Geschichte live herausgegeben von der Friedrich Ebert Stiftung, Bonn im Rahmen des Forums Jugend und Politik ›Für Demokratie und Menschlichkeit – Vergangenheit erinnern, Zukunft gestalten‹ anläßlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz Verantwortliche Redakteure: Sebastian Dahl, Fabian Frank, Larissa Friederichs, Filipe Sampaio e Castro, Kian Schall, Mirco Selbach, Christina Wolff, Jana Backhaus, Anke Hoene, Lisa Ramünke, Vincent Vonderbank, Julia Weber Redaktionsassistenz: Matthias Dell / Gestaltung: Veronika de Haas