VWZ_2013

Transcrição

VWZ_2013
Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
Dr. Horst Kunhenn
Institut für Technische Betriebswirtschaft (ITB)
Einführung und Grundlagen
1) Einführung und Grundlagen
-
Organisatorische Hinweise
-
Inhaltlicher Aufbau der Veranstaltung
-
Ausgewählte Literaturhinweise
-
Erwartungshaltung der Teilnehmer
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
2
Organisatorische Hinweise
•
Veranstaltungstermine Wintersemester 2013 / 2014:
Dienstags, 09:15 – 12:30, HGI 107
•
Lehrveranstaltung für den Masterstudiengang
Wirtschaftsingenieurwesen
•
Foliendownload
•
Leistungsnachweis:
1,5 stündige Abschlussklausur am Ende des Semesters
•
Sprechstunde:
vor den Veranstaltungen
nach Vereinbarung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
3
Organisatorische Hinweise
1)
Veranstaltungen setzen sich zusammen aus:
Lehrelementen
ggfs. Kurzreferaten
gemeinsamen Diskursen
2)
Vorarbeiten:
Vor jeder Veranstaltung bitte mit den entsprechenden
Fragestellungen vertraut machen
3)
Leistungsnachweis:
1,5 stündige Klausur
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
4
Kurze Vorstellungsrunde
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
5
Ziele der Veranstaltung
Vermittlung grundlegender
Zusammenhänge der
Volkswirtschaftslehre
sowie der Schnittstellen zur
Betriebswirtschaftslehre
Vermittlung der Zusammenhänge wirtschaftspolitischer
Ziele und Programme
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
6
Ziele der Veranstaltung
Und welche Ziele haben Sie
darüber hinaus?
Meine Ziele:
- Viel Diskurs / Diskussion
- keine „Frontalveranstaltung“
- Reflexion an tagesaktuellen
Themen (Finanzkrise)
- Anregungen und Kritik
erhalten
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
7
Inhalte der Veranstaltung
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
1.2
Wohlfahrtsökonomische Überlegungen und Bedingungen
1.3
Abgrenzung der Mikro- und der Makroökonomie
1.4
Mikroökonomie
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
1.4.3
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
1.4.4
Beispiele für Sättigungseffekte
1.4.5
Marktformen und deren Auswirkungen
1.4.6
Tankstellenmarkt und Bundeskartellamt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
8
Inhalte der Veranstaltung
1.5
Makroökonomie
1.5.1
Einkommen und Konsum
1.5.2
Arbeitsangebot und –nachfrage
1.5.3
Geldmarkt und Zinsen
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
1.6
Marktversagen – Ursachen und Eingriffsmöglichkeiten
1.6.1
Einführung und Problemstellung
1.6.2
Externe Effekte
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
1.6.4
Informationsasymmetrien
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
9
Inhalte der Veranstaltung
2
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
2.1 Grundlagen und Definitionen
2.2 Bruttoinlandsprodukt als zentraler Bestandteil
der VGR
2.3 Ein Bundesland zieht Bilanz
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
10
Inhalte der Veranstaltung
3
Die Rolle des Staates in der Volkswirtschaft
3.1 Wirtschaftssysteme als übergeordneter Rahmen
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
Marktwirtschaft
Planwirtschaft
Soziale Marktwirtschaft
Konvergenz der Systeme
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
11
Inhalte der Veranstaltung
3.2
Ziele der Wirtschaftspolitik
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
3.2.5
Freiheitspostulat
Gesamtwirtschaftliche Ziele gemäß StWG
Erweiterung des Zielkataloges des StWG
Beschreibung und Operationalisierung der Ziele
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
3.2.4.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
3.2.4.4 Wirtschaftswachstum
3.2.4.5 Verteilungsgerechtigkeit
3.2.4.6 Nachhaltigkeit
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Abhängigkeiten am Beispiel der „Phillips-Kurve“
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
12
Inhalte der Veranstaltung
3.3
Möglichkeiten und Grenzen staatlichen Eingreifens
in die Ökonomie
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.4
Grundmodelle in der Marktwirtschaft
3.3.1.1 Neoklassik
3.3.1.2 Keynes
Wirtschaftspolitische Instrumente
3.3.2.1 Fiskalpolitik
3.3.2.2 Geldpolitik
3.3.2.3 Außenwirtschaftspolitik
3.3.2.4 Instrumente gegen Arbeitslosigkeit
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Nationale und internationale Institutionen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
13
Literatur
Grundlagenwerke
(umfassend; hier jeweils nur für die vorlesungsrelevanten Teile):
Woll, A.: Volkswirtschaftslehre, 15. Auflage, München 2007.
Bofinger, P.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage,
München u.a. 2010.
Mussel, G. / Pätzold, J.: Grundfragen der Wirtschaftspolitik,
7. Auflage, München 2008.
Fritsch, M.: Marktversagen und Wirtschaftspolitik,
8. Auflage, München 2011.
Zusätzliche Literatur, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sowie
Internetquellen im Script
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
14
Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen
der Volkswirtschaftslehre
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
15
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Vorstellungen von
„Volkswirtschaftslehre“?!
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
16
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Volkswirtschaftslehre
Lehrbuchdefinitionen :
Die Volkswirtschaftslehre (oft auch: Nationalökonomie) ist eine
zusammenfassende Bezeichnung für einzelne Gebiete der
Wirtschaftswissenschaft, deren Erkenntnisgegenstand (Objekt)
generell Erscheinungen des Wirtschaftslebens sind (Woll, S. 3)
Die VWL untersucht die Gesetze, die hinter diesen
Marktphänomenen liegen. bzw. verkürzt:
Wissenschaft vom Markt (Bofinger, S. 33f.)
Die Volkswirtschaftslehre zielt … auf gesamtwirtschaftliche
Fragestellungen wie Wachstum und Verteilung, Arbeitslosigkeit
und Inflation oder Steuern und Staatsausgaben (Baßeler, U.;
Heinrich, J.; Utecht, B.: Grundlage und Probleme der
Volkswirtschaft, 18. Aufl., Stuttgart 2006, S.1)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
17
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Volkswirtschaftslehre
Zwischenfazit
- VWL ist schwer eindeutig zu definieren
- auch in VWL – Lehrbüchern wird daher oftmals einer
Begriffsdefinition ausgewichen
- der Erkenntnisgehalt vorhandener Lehrbuchdefinitionen
ist eingeschränkt
- VWL umfasst eine Vielzahl von Teildisziplinen
- VWL und Betriebswirtschaftslehre sind nicht überschneidungsfrei
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
18
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Anekdotisches zur Ökonomie:
(Quelle: Die Welt der Wirtschaft / enträtselt von André Fourcans, Frankfurt/Main, New York 1998)
„Am ersten Tag schuf Gott die Sonne.
Worauf der Teufel nachzog und den Sonnenbrand schuf.
Am zweiten Tag schuf Gott das Geschlecht.
Der Teufel schlug zurück und schuf die Ehe.
Am dritten Tag schuf Gott einen Ökonomen.
Was für eine Herausforderung für den Teufel.
Er dachte lange nach, und schließlich schuf er …
Einen zweiten Ökonomen“
Einstein soll einmal gesagt haben, daß er eigentlich Wirtschaft studieren
wollte, sich aber, da dieses Fach zu schwierig für ihn war, lieber der
Physik zuwandte.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
19
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Vorstellungen von
„Volkswirtschaftslehre“
geklärt?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
20
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Volkswirtschaftslehre
Sowohl die VWL als auch die BWL stellen eine
Aneinanderreihung von Optimierungsproblemen
In unterschiedlichen Teildisziplinen dar.
In der VWL sind oftmals Gleichgewichtszustände die
angestrebten Optimalzustände
(z.B. Gleichgewichte auf Arbeits- und Gütermärkten).
Daneben sind angestrebte Zustände auch Stabilität
(z.B. Preisniveaustabilität) und (moderates) Wachstum.
Auch hier geht es um Optimierungsfragen.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
21
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Volkswirtschaftslehre
- Beschäftigt sich mit der Bedarfsdeckung
- Häufig liegt ein Mißverhältnis zwischen Bedarfen
(Nachfrage) und vorhandenen Ressourcen (Angebot) vor
Beispiele:
Überangebote an Gütern oder
Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel
- Es geht daher darum, „den Mangel zu verteilen“, bzw.
- ökonomisch gesehen – um Knappheiten von Ressourcen
- Also um eine möglichst optimale Verteilung knapper Ressourcen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
22
1 Begriffliche und inhaltliche Grundlagen der VWL
Volkswirtschaftslehre
Hinreichende Bedingung für eine möglichst effektive Verteilung
knapper Ressourcen ist eine Arbeitsteilung in der Wirtschaft
Das heißt, die Erstellung von Gütern und Dienstleistungen sollte
von denjenigen Wirtschaftssubjekten vorgenommen werden,
die dazu am effektivsten in der Lage sind. Dies umfasst auch
regionale Effektivitätskriterien. Dadurch werden komparative
Kostenvorteile realisiert.
aber: wie kann diese möglichst optimale Ressourcenverteilung
in einer arbeitsteiligen Wirtschaft
mit unzähligen Transaktionen gewährleistet werden?
Was ist das geeignete Koordinationsinstrument?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
23
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Markt
- das geeignete Koordinationsinstrument ist der Markt
Definition:
Transaktions- und Informationskosten
sparendes Arrangement, das zu einem
Gleichgewicht der Pläne von Anbietern
und Nachfragern führt1
…sämtliche Austauschprozesse, die aus dem
Zusammentreffen von Anbietern und
Nachfragern (Akteure) erwachsen2
- d.h. der Markt koordiniert die Einzelpläne
der Wirtschaftseinheiten
1
2
Bofinger, S. 600.
Fritsch, S. 6.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
24
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Wirtschaftseinheiten – um wen geht es?
„Wirtschaftseinheiten sind alle Personen und Institutionen mit ihren für
die Beschreibung des Wirtschaftskreislaufs wichtigen wirtschaftlichen
Tätigkeiten und damit verbundenen Vorgängen (produzieren, verteilen,
konsumieren, investieren, finanzieren).“1
Diese Einheiten werden zu folgenden Sektoren zusammengefasst:2
- Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (Unternehmen)
- Finanzielle Kapitalgesellschaften (Banken, Versicherungen)
- Staat (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung)
- Private Haushalte (inkl. Einzelunternehmer, Freiberufler, u.ä.)
- Private Organisationen ohne Erwerbszweck
1
Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Wiesbaden 2011, S. 3
2
vgl. ebenda
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
25
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Diskutieren Sie die Elemente der
Definition des Begriffes Markt
und deren Bedeutung für die
Wirtschaftseinheiten
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
26
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Markt
- Zwei Gruppen von Märkten:
Faktormärkte (Arbeit, Boden, Kapital)
Gütermärkte
- Insgesamt existiert eine Vielzahl von Märkten
- Hier werden Angebot und Nachfrage
durch Preise koordiniert
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
27
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Faktormärkte:
Arbeit (vgl. auch 1.5.2; 3.2.2)
- Haushalte treten als Anbieter, Unternehmen
als Nachfrager auf
(Achtung: häufig Verwechselung dieser Perspektive!)
- Daneben treten Intermediäre wie Gewerkschaften, Verbände
sowie der Staat als Nachfrager und Regulator auf
- Arbeitsangebot und –nachfrage hängen in der Modellwelt vom
Reallohn ab
- Ein ausgeglichener Arbeitsmarkt (Vollbeschäftigung)
ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
28
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Faktormärkte:
Boden
- Mittlerweile von der Bedeutung her nachrangig
wie auch der verwandte volkswirtschaftliche
Sektor Landwirtschaft, Forsten und Fischerei
(vgl. 2.3)
- Auch hier treten Haushalte als Anbieter und Unternehmen als
Nachfrager auf
- Boden kann passiv genutzt werden (Fläche für Unternehmen)
oder selbst „produzieren“ (Landwirtschaft / Rohstofferschließung)
- Besondere Eigenschaft des Bodens ist die Immobilität
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
29
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Faktormärkte:
Kapital (vgl. 1.5.3; 3.3.2)
- Haushalte treten direkt oder indirekt (über die
sogenannten institutionellen Anleger wie Banken,
Fonds oder Versicherungen) als Anbieter auf
- Unternehmen und Staat bilden die Nachfrageseite und benötigen
Kapital, um Investitionen zu tätigen
- Investitionen der Unternehmen und Ersparnisse der Haushalte
sind im Idealfall gleich hoch
- Geldangebot und -nachfrage sowie Investitions- und Sparneigung
hängen in der Modellwelt vom Zinsniveau ab
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
30
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Neuer Faktormarkt Information?!
- Neben der klassischen Unterteilung der
Faktormärkte in Arbeit, Boden und Kapital
tritt mittlerweile oftmals der Faktor Information
auf (in Ergänzung der Systematisierung
oder in Substitution des kaum noch
relevanten Faktors Boden)
- Hier treten alle Wirtschaftssubjekte
in unterschiedlichen Intensitäten als
Anbieter und Nachfrager auf;
aus der Faktormarktperspektive sind
die Unternehmen die Nachfrager
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
31
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Gütermärkte:
Perspektivenwechsel:
die Unternehmen stellen die Anbieter,
die Haushalte die Nachfrager dar
Unterteilung in:
- Konsumgüter
- Investitionsgüter
- Dienstleistungen
- Information
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
32
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Marktfunktionen:1
Verteilung der Markteinkommen
entsprechend der Marktleistung
- wird bestimmt durch Produktivität auf der Anbieterseite und
- Zahlungsbereitschaft auf der Nachfragerseite
- Umkehrschluss:
Verhinderung nicht-leistungsgerechter
Einkommen
ist das so?
- Führt zu Anreizen zur Leistungssteigerung
- impliziert nicht zwangsläufig ein ethisches Gerechtigkeitsprinzip
und macht verteilungspolitische Eingriffe des
Staates nicht unbedingt überflüssig
warum?
1
zu den Marktfunktionen vgl. Fritsch, S. 15f.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
33
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Marktfunktionen:
Erstellung und Verteilung des
Angebotes an Waren und Dienstleitungen entsprechend den
Präferenzen der Konsumenten
(Prinzip der Konsumentensouveränität;
vgl. 1.4.2)
führt zur Maximierung des Maßes an individueller
Bedürfnisbefriedigung im Rahmen der jeweiligen
Faktorausstattung und der jeweiligen Einkommensverteilung
Bedeutung?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
34
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Marktfunktionen:
Lenkung der Produktionsfaktoren
in ihre jeweils produktivste
Verwendungsmöglichkeit
(„Faktorallokation“)
- Kostenminimierend
- Wertschöpfungsmaximierend
- Produktionsvolumen und Produktionstechnik
sind vorgegeben
Bedeutung?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
35
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Marktfunktionen:
Anpassung an sich ändernde
Rahmenbedingungen
(Anpassungsflexibilität)
- Anpassung z.B. an Veränderungen der Nachfragestruktur
- Oder der Produktionstechnik
- Anpassung soll gewährleisten, dass die ersten drei
Marktfunktionen auch im Zeitablauf erfüllt werden
Bedeutung?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
36
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Marktfunktionen:
Förderung des technischen
Fortschritts bei Produkten und
Produktionsmethoden
(Innovationsfunktion)
- Erhöht den Output bzw. das Niveau der
Bedürfnisbefriedigung bei gegebenem Input
- beschleunigt das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen
Wohlfahrt
Bedeutung?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
37
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Marktfunktionen:
Zusammenfassend stellt der Markt die
sogenannte „unsichtbare Hand“ dar,
die die Wirtschaftsabläufe steuert.
Aber:
„der Markt an sich hat keine Moral“;
er motiviert nicht zwingend zu sozial und ökologisch
erwünschtem Handeln (vgl. dazu die Ausführungen
zu Marktversagen in 1.6);
daher ist eine Wirtschaftspolitik in Form einer
Rahmensetzung („Spielregeln“) erforderlich,
innerhalb derer sich die Wirtschaftssubjekte
frei entfalten können („Spielzüge“) (vgl. 3.3.3)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
38
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Individuelle Nutzenmaximierung als Antrieb:
Gemäß der klassischen Ökonomie agieren die WirtschaftsSubjekte auf den Märkten mit der Intention der individuellen
Nutzenmaximierung. Daraus folgt auch für die Gesamtwirtschaft
ein maximaler Gesamtnutzen
Zitat Adam Smith (Klassiker der Nationalökonomie):
„Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten
wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre
eigenen Interessen wahrnehmen“
(Smith, A.: Der Wohlstand der Nationen, 1776/1978, München, S. 17)
Für die Lebenslage der Menschen kommt es daher auf die
nichtintendierten Ergebnisse intentionaler Handlungen an.
(Homann, K.: Geld und Moral in der Marktwirtschaft, in: Hesse, H./Issing, O. (Hrsg.):
Geld und Moral, München 1994, S. 23 vgl. auch 3.3.3)
Bedeutung?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
39
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Wichtige Ökonomen:
Vorbemerkungen:
- Im Folgenden wird an passenden Stellen kurz auf wichtige Ökonomen
der letzten Jahrhunderte hingewiesen
- Dazu werden überblickartig deren wesentliche Standpunkte
aufgeführt
- In Summe ist die Zusammenstellung nicht vollständig – es gibt weit
mehr wichtige Ökonomen und Standpunkte, deren umfassende
Darstellung hier jedoch den Rahmen sprengen würde
Weiterführende Literaturhinweise:
Piper, N. (Hrsg.): Die großen Ökonomen, Stuttgart 1994
von Suntum, U.: Die unsichtbare Hand – Ökonomisches Denken
gestern und heute, Berlin u.a. 1999
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
40
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Wichtige Ökonomen:
Adam Smith
(1723 – 1790)
Klassiker der Nationalökonomie;
Standpunkte:
- Durch das Bestreben nach individueller
Nutzenmaximierung handelt der Einzelne
auch im Sinne des Gesamtinteresses,
sofern er nicht gegen die Gesetze der
Gerechtigkeit verstößt
- Steuerung durch die „unsichtbare Hand“
- Arbeitsteilung (auch international)
führt zu steigendem Wohlstand
Hauptwerk: Der Wohlstand der Nationen
(1776; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
41
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Aber:
obwohl der Markt anerkanntermaßen Transaktionskosten
reduziert, verbleiben Transaktionskostenelemente in Form von:1
- Anbahnungskosten (Informationsgewinnung)
- Vereinbarungskosten (Verhandlungen, Verträge)
- Abwicklungskosten (Transport, Management)
- Kontrollkosten (Einhaltung von Vereinbarungen)
- Anpassungskosten (während der Laufzeit der Vereinbarung)
1
vgl. Fritsch, S. 10.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
42
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Preisfunktionen:1
Knappheitsmesser- oder Signalfunktion
Der Preis des weniger nachgefragten Gutes
fällt, der des stärker nachgefragten steigt.
die Preisänderungen zeigen, wie sich die
Knappheitsverhältnisse verschieben. Es kommt
nicht auf die absolute Höhe eines Preises,
sondern auf die Änderungen der relativen Preise an.
1
zu den Preisfunktionen vgl. Woll, S. 62
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
43
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Preisfunktionen:
Planabstimmungsfunktion
Der Preismechanismus sorgt für die
Abstimmung der Pläne sowohl auf einem
Markt als auch auf allen dazu in
Beziehung stehenden Märkten.
Angebot und Nachfrage werden aufeinander
abgestimmt. Auch hier wirkt die „unsichtbare Hand“.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
44
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Preisfunktionen:
Allokationsfunktion
Die Produktionsfaktoren wechseln
von der Produktion mit abnehmender
zu der mit zunehmender Rentabilität
Analogie zur entsprechenden Marktfunktion
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
45
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Preisfunktionen:
Zeitüberbrückungsfunktion
Mit der laufenden Marktabstimmung
werden vergangene Entscheidungen
korrigiert
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
46
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Preisfunktionen:
Verteilungsfunktion
Die Entgelte der Produktionsfaktoren
(dazu gehört auch das Entgelt für den
Faktor Arbeit, also Löhne und Gehälter)
spiegeln die durch die Nachfrageänderung
ausgelöste Preisbewegung wider
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
47
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Preisfunktionen:
Zusammenfassung
⇒ Preise dienen den Marktbeteiligten
als wichtiges Signal zur Ausrichtung
ihrer Dispositionen
⇒ Hohe Analogien zu den Marktfunktionen
⇒ Sie sind von den subjektiven Werten
eines Gutes zu differenzieren
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
48
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Abgrenzung von Wert und Preis:
- Der Preis eines Wirtschaftsgutes entsteht auf dem Markt
- Er ist objektiv (in der Realität zumindest scheinobjektiv aber
intersubjektiv nachprüfbar)
- Der Wert ist subjektiv und beinhaltet Präferenzen der Akteure
am Markt (z.B. Güter mit hohem emotionalem Wert wie
Erbstücke oder ein altes, gut gepflegtes Fahrzeug)
- Diese Werte werden aber nur von einzelnen Akteuren
(ggfs. nur von einem einzelnen) geteilt
- Durch diese subjektiven Präferenzen wird vom idealtypischen
vollkommenen Markt abgewichen (vgl. 1.4.2)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
49
1.1
Knappheit, Markt und Wettbewerb
Steuerung des Marktes durch Wettbewerb
ANBIETER
MARKT
NACH–
FRAGER
WETTBEWERB
Untereinander
Untereinander
Mit der „Gegenseite“
Wettbewerb gibt es nicht nur auf Märkten, sondern in
vielerlei Ausprägungen (Sport, Unternehmen, etc.)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
50
1.2
Wohlfahrtsökonomische Überlegungen und Bedingungen
Übergeordnetes Ziel der Ökonomie
(möglichst optimale Verteilung knapper Ressourcen)
liegt darin, den maximalen Gesamtnutzen
der beteiligten Akteure herbeizuführen
Gemäß der klassischen Ökonomie geschieht das
dadurch, dass alle Wirtschaftssubjekte versuchen,
ihren individuellen Nutzen zu maximieren
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
51
1.2
Wohlfahrtsökonomische Überlegungen und Bedingungen
… das bedeutet konkret:
-
Marktgleichgewicht bei
-
Maximalem Gesamtnutzen
aber nicht
- Rückschlüsse über individuelle Situationen
- Verteilungsgerechtigkeit
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
52
1.2
Wohlfahrtsökonomische Überlegungen und Bedingungen
Operationalisiert wird der Zustand
des maximalen Gesamtnutzen durch das
Pareto – Optimum,
das besagt …
Der Nutzen eines Marktteilnehmers ist durch weitere
Transaktionen nicht mehr zu steigern, ohne dass ein
anderer Marktteilnehmer in seinem Nutzen
eingeschränkt wird


Mit anderen Worten: es existieren keine weiteren
„win – win – Transaktionen“, die den gegenseitigen
Gesamtnutzen weiter erhöhen könnten
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
53
1.2
Wohlfahrtsökonomische Überlegungen und Bedingungen
Wichtige Ökonomen:
Vilfredo Pareto
(1848 – 1923)
Begründer der Wohlfahrtsökonomie;
Standpunkte:
- Starker Verfechter des Freihandels
- Abkehr von der Lehrmeinung, Nutzen sei
exakt quantitativ meßbar
- Grundmodell: Theorie der Wahlakte
- Daraus abgeleitet: Aussagen über
optimale Bedürfnisbefriedigung
- Ökonomie ist nicht rein rational erklärbar
Hauptwerk: Allgemeine Soziologie
(1916; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
54
1.2
Wohlfahrtsökonomische Überlegungen und Bedingungen
Prämissen des Pareto – Kriteriums:
Individueller Nutzen ist nicht kardinal meßbar, d.h. nicht
quantifizierbar und nicht für die Grundrechenarten anwendbar
(keine quantifizierbaren Abstände, wie z.B. „doppelt so gut“)
Individueller Nutzen ist nur ordinal meßbar, d.h. nur in Form
von „besser“ oder „schlechter“ – Beziehungen
Das schließt den Konfliktfall aus, dass ein Wirtschaftssublekt
„erheblich besser“ und ein anderes nur „wenig schlechter“
gestellt wird (Felder 3 und 4 der folgenden Abbildung)
Dies führt zu Diskussionen wie trotz Schlechterstellung eines
Wirtschaftssubjektes ggfs. ein höherer Gesamtnutzen herbeigeführt
werden kann (z.B. durch Kompensationsleistungen)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
55
1.2
Wohlfahrtsökonomische Überlegungen und Bedingungen
Schematische Darstellung des Pareto – Optimums:
A
f
Legende:
b
3
1
d
c
e
a
2
4
- Skalen A und B: Nutzen der
Wirtschaftssubjekte A und B
- a: Ausgangssituation
- b, c, d, e: Pareto superiore
Situationen
- Feld 1: Pareto superiorer Raum
- Feld 2: Pareto inferiorer Raum
- f: nicht definierte Situation
- Felder 3 und 4: nicht definiert
B
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
56
1.3
Abgrenzung der Mikro- und der Makroökonomie
„Die VWL befasst sich mit ganz unterschiedlichen Märkten
und ist in zwei große Hauptgebiete unterteilt“ 1
- Dabei handelt es sich um die Mikro – und die Makroökonomie
- Die beiden Bereich sind nicht überschneidungsfrei
- „Mikroökonomische Sachverhalte sind das wirtschaftliche Geschehen
in den Haushalten und Unternehmen, die Preisbildung und Verteilung …“ 2
- „… makroökonomische die Geldversorgung, der Wirtschaftskreislauf
und seine Störungen sowie das Wachstum der Wirtschaft als Ganzes“ 2
- Die daraus resultierenden Untersuchungsgegenstände und
Teildisziplinen der Mikro- und der Makroökonomie
verdeutlicht die folgende Skizze.
1
Bofinger, S. 38.
2 Woll, S. 5f.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
57
1.3
Abgrenzung der Mikro- und der Makroökonomie
Mikroökonomie
Makroökonomie
Untersuchungsgegenstand:
Untersuchungsgegenstand:
- Einzelmärkte
- Gesamtmärkte
(Partialanalyse)
(Totalanalyse)
Teildisziplinen:
Teildisziplinen:
- Theorie der Haushalte
- Geldtheorie
- Theorie der Unternehmen
- Finanztheorie
- Preistheorie
- Beschäftigungstheorie
- Verteilungstheorie
- Konjunkturtheorie
- Wachstumstheorie
- Außenwirtschaftstheorie
Aber: nicht trennscharf / Überschneidungsbereiche!
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
58
1.4
Mikroökonomie
Mikroökonomie
Makroökonomie
Untersuchungsgegenstand:
Untersuchungsgegenstand:
- Einzelmärkte
- Gesamtmärkte
(Partialanalyse)
(Totalanalyse)
Teildisziplinen:
Teildisziplinen:
- Theorie der Haushalte
- Geldtheorie
- Theorie der Unternehmen
- Finanztheorie
- Preistheorie
- Beschäftigungstheorie
- Verteilungstheorie
- Konjunkturtheorie
- Wachstumstheorie
- Außenwirtschaftstheorie
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
59
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Einzelmärkte (Partialanalyse)
- Untersucht werden die Bedingungen und Interaktionen
auf einem Markt für ein Wirtschaftsgut
- D.h. es handelt sich zwar um einen Einzelmarkt;
dennoch treten eine Vielzahl von Akteuren (Anbieter und Nachfrager) auf
- Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Preisbildung auf
Einzelmärkten und deren Einflussgrößen
- sowie auf unterschiedliche Marktformen
- und Maßnahmen, um unvorteilhafte Marktkonstellationen zu vermeiden
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
60
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Standard – Angebot – Nachfrage - Diagramm
Preis (p)
Prohibitivpreis
- Angebot und Nachfrage eines
Wirtschaftsgutes hängen vom
Preis ab
AngebotsAngebotsüberhang kurve
- Der Schnittpunkt der beiden
gegenläufigen Kurven markiert
das Gleichgewicht auf dem
entsprechenden Markt
Nachfragekurve
Nachfrageüberhang
Sättigungsmenge
- Der Prohibitivpreis und die
Sättigungsmenge limitieren
die Nachfrage
Menge (x)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
61
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Einflussgrößen von
Angebot
Nachfrage
- Preis
- Preis
-
-
Preis Produktionsfaktoren
Preis anderer Wirtschaftsgüter
Technischer Fortschritt
Unternehmerische Faktoren
- …
Einkommen
Qualität
Präferenzen
Preis Substitutionsgut
Preis Komplementärgut
Netzeffekte
-…
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
62
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Wichtige Ökonomen:
Jean B. Say
(1767 - 1832)
Erster Angebotstheoretiker;
Standpunkte:
- Saysches Theorem: „jedes Angebot
schafft sich seine Nachfrage selbst“
- Nämlich dadurch, dass zur durch die
Produktion Einkommen erwirtschaftet
wird, das wiederum Nachfrage hervorruft
- D.h. langfristig gibt es kein Überangebot
(kurzfristig kann es Überangebot geben,
bei gleichzeitigem Unterangebot für ein anderes Gut)
- Langfristig gibt es daher auch keine Arbeitslosigkeit
Hauptwerk: Traité d´Économie Politique
(1803; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
63
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Die Einflussgrößen der Nachfrage beeinflussen die
Preiselastizität der Nachfrage
- Die Preiselastizität der Nachfrage analysiert, wie sich die Nachfrage
nach einem Gut bei einer Preisänderung verändert
- Im Normalfall sinkt die Nachfrage bei einem Preisanstieg;
der Nachfragerückgang kann aber
proportional (proportionale Elastizität; E = 1),
überproportional (hohe Elastizität; E > 1 < ∞) oder
unterproportional (geringe Elastizität; 0 < E < 1) ausfallen
- Extremfälle sind ein kompletter Nachfrageausfall
(vollkommene Elastizität; E = ∞) oder
überhaupt keine Nachfrageänderung (vollkommene Unelastizität; E = 0)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
64
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Preiselastizität der Nachfrage
Formel:
Δ x
Δ p
×
p
x
d.h. %uale Veränderung der Menge eines Gutes
%uale Veränderung des Preises eines Gutes
Interpretationsbeispiele:
- Vollkommene Unelastizität:
Nichtraucher bei Veränderung des Zigarettenpreises
Liebhaberpreis für ein einzigartiges Kunstwerk
- Geringe Elastizität: schwer oder gar nicht substituierbare Güter des
Grundbedarfes; schwer verzichtbar (vgl. 1.4.3)
- Hohe Elastizität: einfach substituierbare Güter (große Homogenität;
von vielen Anbietern angeboten)
- Vollkommene Elastizität: fester und unveränderlicher Preis für ein Wirtschaftsgut (eher fiktiv; Nominalwert einer Gedenkmünze in hoher Auflage)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
65
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
p
p
Preiselastizitäten
der Nachfrage
Vollkommen
elastisch
Vollkommen
unelastisch
p
x
p
x
p
Proportional
elastisch
elastisch
x
unelastisch
x
x
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
66
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Sonderfall: Kreuzpreiselastizität:
Die Kreuzpreiselastizität untersucht, wie sich die Nachfrage eines Gutes
bei einer Preisänderung eines anderen Gutes verändert.
Sind die Güter unabhängig voneinander, liegt keine Elastizität vor
(Kreuzpreiselastizität = 0; keine Konkurrenz- und Substitutionsbeziehungen).
Bestehen Substitutions- oder Komplementärbeziehungen,
beeinflusst der Preis eines Gutes die Nachfrage eines anderen
(Kreuzpreiselastizität > 0; im Extremfall ∞ , d.h. extreme Konkurrenz
und Substituierbarkeit)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
67
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Sonderfall: Kreuzpreiselastizität:
Formel:
Beispiele:
Δ x1
Δ p2
×
p2
x1
d.h.
%uale Veränderung der Menge des Gutes 1
%uale Veränderung des Preises des Gutes 2
Erhöhung der Nachfrage nach Margarine bei einem
Preisanstieg bei Butter (Substitutionsgüter)
Erhöhung der Nachfrage nach Dieselkraftstoff bei einem
Preisanstieg bei Ottokraftstoff (Substitutionsgüter i.w.S.)
Erhöhung der Nachfrage nach Kfz-Versicherungen bei
einer Preissenkung bei PKW (Komplementärgüter)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
68
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Grundprinzip der Konsumentensouveränität
Das Prinzip der Konsumentensouveränität besagt, dass der Markt eines
Gutes durch die Nachfrage gesteuert wird.
Voraussetzung ist, dass die Nachfrager in der Auswahl der Produkte
völlig freie Wahl haben.
Dies findet unter den Modellbedingungen vollkommener Märkte und
vollständiger Konkurrenz statt.
Die Wirtschaftssubjekte handeln somit streng rational, mit dem Ziel
der individuellen Nutzenmaximierung.
Die Preisbildung auf vollkommenen Märkten wird im Folgenden
Beschrieben.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
69
1.4.1
Angebot und Nachfrage auf individuellen Märkten
Zuvor jedoch:
Interpretieren Sie den Zustand
der Konsumentensouveränität.
Sind die Konsumenten auf
realen Märkten die Souveräne?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
70
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Vorbemerkungen - Eigenschaften vollkommener Märkte:
- Die Güter sind homogen
- Keine Präferenzen der Wirtschaftssubjekte
- Vollständige Transparenz / Informationsstände
- Unendliche Reaktionsgeschwindigkeit
- Vollständige Konkurrenz
- Freier Marktzugang
- Konsumenten handeln nutzen- ;
Produzenten gewinnmaximierend
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
71
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Interpretieren Sie die
Modelleigenschaften des
vollkommenen Marktes
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
72
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Preisbildung im Unternehmen
Ausgangsfrage:
Wie würden sich Unternehmen verhalten, wenn sie
die Preise für ihre Güter autonom festsetzen könnten?
=>
Gewinnmaximierend
Wie wird das Gewinnmaximum ermittelt ?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
73
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Preisbildung im Unternehmen
Herleitung des Gewinnmaximums:
Gewinn = Erlös – Kosten = p × x – kv × x – kf
sowohl Erlös als auch Kosten sind von der Menge x abhängig
Im Gewinnmaximum gilt daher: G(x) = E(x) – K(x) =! Max
bzw.: dG = dE - dK = 0
dx dx dx
bzw.: dE = dK
dx dx
bzw. Grenzerlös = Grenzkosten
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
74
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Preisbildung im Unternehmen
Vom Gewinnmaximum zum Gleichgewichtspreis:
Die Bedingung Grenzerlös = Grenzkosten ist allerding vom Anbieter
nur in einer Monopolsituation realisierbar (vgl. 1.4.4)
Im Modell der vollständigen Konkurrenz und unter der Prämisse der
Konsumentensouveränität müssen die Preisbildungsannahmen
weitergeführt werden
Ein Unternehmen ist hier nicht autonom in der Preissetzung,
sondern muß die Reaktionen der anderen Anbieter und der
Nachfrager einbeziehen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
75
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Preisbildung im Unternehmen
Der Erlös beträgt wiederum p × x , also entspricht der Grenzerlös
dE
dx
dem Preis p
Im Gewinnmaximum auf dem vollkommenen Markt
entspricht dann der Preis den Grenzkosten:
dE
=p=
dx
dK
dx
Die Versuche der Nachfrager und Anbieter, auf einem Markt ihre Nutzen
zu maximieren, führen auf dem vollkommenen Markt zum nutzenmaximalen
Marktgleichgewicht
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
76
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Preisbildung im Unternehmen
p
- Graphische Darstellung
der hergeleiteten
Sachverhalte
- Punkt A zeigt das Gleichgewicht von Angebot und
Nachfrage auf dem vollkommenen Markt
Nachfragekurve
C
Grenzkosten
A
B
Grenzerlös
x
- Punkt B zeigt die Übereinstimmung von Grenzkosten
und Grenzerlös und würde
im Monopolfall zu einer
reduzierten Nachfrage und
einem erhöhten Preis
(Punkt C) führen (vgl. 1.4.4)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
77
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Gleichgewicht und Nutzenmaximum
Preis (p)
Prohibitivpreis
- Angebots- und Nachfragegleichgewicht auf dem
vollkommenen Markt
Angebotskurve
- Zum Prohibitivpreis würde
keine Einheit des Gutes
mehr abgesetzt
Nachfragekurve
Sättigungsmenge
- Selbst bei einem Preis von
Null würde nicht mehr als
die Sättigungsmenge
nachgefragt
Menge (x)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
78
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Gleichgewicht und Nutzenmaximum
p
Prohibitivpreis
Angebotskurve
- Im Schnittpunkt der beiden
Kurven ist der Markt nicht
nur im Gleichgewicht;
es wird auch das Nutzenmaximum realisiert
Konsumentenrente
Produzentenrente
Nachfragekurve
Sättigungsmenge
- Die Summe aus Konsumenten und Produzentenrente
fällt hier am höchsten aus
x
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
79
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Gleichgewicht und Nutzenmaximum
p
Prohibitivpreis
- Die Konsumentenrente
bringt zum Ausdruck, wie
viele Nachfrager bereit
wären, einen höheren Preis
zu zahlen
Angebotskurve
Konsumentenrente
- Die Produzentenrente zeigt,
wie viele Anbieter bereit
wären, zu einem geringeren
Preis anzubieten
Produzentenrente
Nachfragekurve
Sättigungsmenge
x
- Konsumenten- und
Produzentenrente resultieren aus Unterschieden
zwischen Preis und
Wertschätzung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
80
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
„Schlafmützenkonkurrenz“
- Vollkommene Märkte führen statisch zu einem Marktgleichgewicht
mit Nutzenmaximum
- Aus dynamischer Sicht liegen jedoch auch Suboptimalitäten vor:
=>
=>
keine Anreize zu verkaufsfördernden Marketingaktivitäten
keine Anreize für Innovationen
denn Preis und Menge werden automatisch durch den Markt festgelegt;
für darüber hinaus gehende Anstrengungen zur Erlangung von
Wettbewerbsvorteilen fehlt es an Motivation
- Es kommt nicht zum Prozess der „schöpferischen Zerstörung“, der
Keimzelle für Innovationen
- Es liegt eine sogenannte „Schlafmützenkonkurrenz“ vor
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
81
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Wichtige Ökonomen:
Joseph Schumpeter
(1883 - 1950)
Vorreiter der Innovationsforschung;
Standpunkte:
- Kapitalismus unterliegt einer hohen Dynamik
- Daher: Entwicklung von statischen zu
dynamischen Modellen
- Die Dynamik äußert sich in Prozessen der
„schöpferischen Zerstörung“
- Kapitalistische Märkte sind daher stets im
Ungleichgewicht
- An dieser Dynamik wird der Kapitalismus
letztendlich zugrunde gehen
Hauptwerk: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung
(1911; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
82
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Die Modellwelt sagt nichts über ethisch–moralische Sachverhalte aus
Kaufentscheidungen –
wertorientiert oder werteorientiert?
Zielkonflikt zwischen Kostenreduzierung
und dem Beitrag, Märkte mehr an ethisch –
moralischen Zielen zu orientieren
Welche Verantwortung hat der Konsument
und welche ist ihm zumutbar?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
83
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Diskutieren Sie
das (eventuelle) Spannungsfeld
individueller Kostenreduzierung
und Werteorientierung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
84
1.4.2
Preisbildung im vollkommenen Markt
Wie kommen nun Angebot und Nachfrage über den Preis in Einklang?
Beispiel: Preisbildung auf dem Aktienmarkt
Kurs
Angebot
Nachfrage
Kurs
40
0
110
49
41
5
97
42
13
83
43
25
71
44
38
63
45
52
52
46
68
41
47
85
28
48
105
12
49
125
0
48
47
46
45
44
43
42
41
40
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
Transaktionen
Die meisten Transaktionen kommen bei einem Aktienkurs von 45 zustande;
dieser Gleichgewichtskurs ergibt sich an der Börse
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
85
1.4.3
Beispiele für Sättigungseffekte
Nutzenfunktion und abnehmender Grenznutzen
U
U`
x
U: Nutzen des Konsums von Gut x
x
U`: Grenznutzen einer zusätzlich
konsumierten Einheit des Gutes x
(erste Ableitung der Nutzenfunktion U)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
86
1.4.3
Beispiele für Sättigungseffekte
Nutzenfunktion und abnehmender Grenznutzen
- Mit zunehmendem Konsum (x) steigt der Nutzen (U) des
konsumierenden Wirtschaftssubjektes
- Der Nutzen steigt jedoch nicht gleichmäßig, sondern zunächst
über- und dann unterproportional
- D.h. bei wenigen konsumierten Gütern / Leistungen ist der Grenznutzen
(mathematisch die Steigung / Ableitung der Nutzenfunktion) relativ hoch
- Bei zusätzlich konsumierten Gütern / Leistungen sinkt der Grenznutzen;
im Extremfall wird er negativ
- Vereinfachtes Beispiel: ein Glas Wasser bei großem Durst
(extrem: bei Verdurstungsgefahr in der Wüste) hat sehr hohen Nutzen;
das fünfte oder zehnte aber nur noch geringen, keinen oder
negativen Zusatznutzen (Übelkeit)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
87
1.4.3
Beispiele für Sättigungseffekte
Wichtige Ökonomen:
Leon Walras
(1834 - 1910)
Entwickler des Gleichgewichtmodells;
Standpunkte:
- Von der objektiven zur subjektiven Wertlehre
- daraus folgend: Grenznutzen - Theorie
- dynamischens Angebots-NachfrageGleichgewichtsmodell
- Koordinator: „der Auktionator“ als Analogie
- Marktgleichgewicht führt zu Wohlfahrtsmaximum, gewährleistet aber keine gerechte
Verteilung des Wohlstandes
Hauptwerk: Éléments d'économie pure ou théorie de la richesse sociale
(1874; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
88
1.4.3
Beispiele für Sättigungseffekte
Ertragsgesetzlicher Produktionsverlauf
- Klassische Produktionsfunktion (z.B. in der
Landwirtschaft)
- Mit zunehmendem
Faktoreinsatz (Arbeit,
Maschinen, Dünger)
steigt der Ertrag
Quelle: www.wirtschaftslehre.ch
- Der Wendepunkt markiert
den höchsten Ertragszuwachs bei einer
zusätzlichen Einheit
des Faktors
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
89
1.4.3
Beispiele für Sättigungseffekte
Ertragsgesetzlicher Produktionsverlauf
- Ab hier beginnt der
Durchschnittsertrag
(Verhältnis von Einsatz zu
Ertrag) zu sinken, bis der
absolute Maximalertrag
erreicht ist
- es folgen rückläufige
Erträge trotz steigendem
Faktoreinsatzes
(z.B. durch ineffizienten
Arbeitseinsatz
oder Überdüngung)
Quelle: www.wirtschaftslehre.ch
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
90
1.4.3
Beispiele für Sättigungseffekte
Atypisches Nachfrageverhalten (bei steigendem Preis steigt die
Nachfrage) mit völlig gegensätzlichen Ursachen:
p
„Giffen – Gut“:
die Nachfrage steigt mit
steigendem Preis bei
gleichbleibendem Einkommen
Beispiel: Grundnahrungsmittel
(z.B. Brot) bei geringem
Gesamteinkommen;
steigt der Brotpreis so muß auf
höherwertige Güter (z.B.
Fleisch) verzichtet und mehr
Brot nachgefragt werden, um
die Grundversorgung zu
gewährleisten
Snob Effekt
Giffen - Gut
typische
Nachfragekurve
q
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
91
1.4.3
Beispiele für Sättigungseffekte
Atypisches Nachfrageverhalten (bei steigendem Preis steigt die
Nachfrage) mit völlig gegensätzlichen Ursachen:
p
„Snob – Value – Effekt“:
bestimmte Luxusgüter
(z.B. teure Uhren) werden erst ab
einem hohen Einstiegspreis
nachgefragt und die Nachfrage
steigt weiter mit dem Preis
– allerdings nur moderat –
in der Erwartung, dass sich
insgesamt nur wenige
Nachfrager den Luxusartikel
leisten können
Snob Effekt
Giffen - Gut
typische
Nachfragekurve
q
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
92
1.4.4
Marktformen und deren Auswirkungen
Einführung:
- Eine Prämisse des vollkommenen Marktes liegt im
Vorhandensein einer Vielzahl von Anbietern und Nachfragern
- In der Realität ist das eine mögliche und auch existierende
Marktform, nämlich ein Polypol
- Daneben existieren aber weitere theoretische und reale
Marktformen
- Die jeweilige Marktform beeinflusst wesentlich das Verhalten
der einzelnen Anbieter und Nachfrager
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
93
1.4.4
Marktformen und deren Auswirkungen
Marktformenschema
Angebotsseite
Ein Marktteilnehmer
Wenige Marktteilnehmer
Viele Marktteilnehmer
Nachfrageseite
Ein Marktteilnehmer
Beidseitiges Monopol
Eingeschränktes
Nachfragemonopol
Nachfragemonopol
Wenige Marktteilnehmer
Eingeschränktes
Angebotsmonopol
Beidseitiges Oligopol
Nachfrageoligopol
Viele Marktteilnehmer
Angebotsmonopol
Angebotsoligopol
Vollständige
Konkurrenz
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
94
1.4.4
Marktformen und deren Auswirkungen
Wichtige Ökonomen:
Heinrich v. Stackelberg
(1905 – 1946)
Entwickler einer Marktformenlehre
Standpunkte:
- Ablehnung der vollständigen Konkurrenz ohne
Preisbeeinflussungsmöglichkeiten
- Auf realen Märkten liegen zumeist Oligopole vor
- Hier herrschen Gleichgewichtslosigkeit und
Marktkämpfe
- Dann muß der Staat eingreifen, um Marktergebnisse wie bei vollständiger Konkurrenz herbeizuführen – idealerweise ein autoritärer / faschistischer Staat (Mitglied von NSDAP (1931) und SS)
Hauptwerk: Marktform und Gleichgewicht
(1934; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
95
1.4.4
Marktformen und deren Auswirkungen
Marktformenschema
Neben dem einfachen Neun-Felder-Schema existieren
Ausgestaltungsvarianten:
„Stellt man zusätzlich auf die relative Größe der Marktteilnehmer ab,
lassen sich noch das Teilmonopol (ein Großer, mehrere Kleine)
und das Teiloligopol (wenige Große, mehrere Kleine) unterscheiden.
Die Zahl der denkmöglichen Marktformen erhöht sich dann auf 25
(WALTER EUCKEN)“
(Woll, S. 63)
Der in 1.4.6 thematisierte Tankstellenmarkt ist ein Beispiel
für ein Teiloligopol
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
96
1.4.4
Marktformen und deren Auswirkungen
Wichtige Ökonomen:
Walter Eucken
(1891 – 1950)
Ordoliberaler sozialer Marktwirtschaftler
Standpunkte:
- Wirtschaftspolitik als Rahmensetzung für
die Gewährleistung von Freiheiten
- Umkehrschluss: keine prozesspolitischen
Eingriffe der Wirtschaftspolitik
- Wirtschaftliche Macht und Machtgruppen sind
zu verhindern bzw. einzuschränken
- Unterscheidung von Wirtschaftssystemen
Anhand der Verteilung wirtschaftlicher Macht
Hauptwerk: Die Grundlagen der Nationalökonomie
(1939; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
97
1.4.4
Marktformen und deren Auswirkungen
Bestimmen Sie reale Beispiele
für die unterschiedlichen
Marktformen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
98
1.4.4
Marktformen und deren Auswirkungen
Die Realität spricht somit häufig gegen die Prämissen
der Konsumentensouveränität und der
Preisbildung auf dem vollkommenen Markt,
die wiederum zum gesamtwirtschaftlichen Optimum führen;
dieses kann demnach durch „unausgewogene“
Marktkonstellationen gefährdet sein,
was wiederum zu Regulierungen führt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
99
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Preis (p)
Angebotskurve
Konsumentenrente
Absprachepreis
Wohlfahrtsverlust
Produzentenrente
Angebots- / Nachfragediagramm bei Preisabsprache - allgemein
Durch die Preisabsprache
erhöhen zwar die Produzenten
ihren Gewinn, jedoch auf
Kosten eines
Wohlfahrtsverlustes in der
Gesamtbetrachtung
=> Die Einschränkung des
Wettbewerbes führt zu
suboptimalen Ergebnissen
Menge (q)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
100
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Preisbildung im Monopol
Im Monopol braucht der (alleinige) Anbieter keine Reaktionen der
(nicht vorhandenen) Konkurrenz in seiner Preisbildung zu berücksichtigen.
Er wird daher den gewinnmaximierenden Preis anstreben (vgl. 1.4.2),
d.h. den Preis, der den Grenzkosten entspricht.
Dieser reduziert im Modellfall die Nachfrage und führt nicht zum
gesamtwirtschaftlichen Nutzenmaximum (vgl. die folgende Abbildung).
Der Monopolist kann zudem versuchen, Preise zu differenzieren
oder bewußt vom Gewinnmaximum abweichen (beispielsweise um
drohender Konkurrenz den Marktzugang zu erschweren).
Achtung: diese modellhaften Möglichkeiten sind in der Praxis
Regulierungen unterworfen (vgl. die Ausführungen zum GWB)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
101
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
p
Preisbildung im Monopol
Keine Reaktionen anderer
Anbieter, daher wird die
Gewinnmaximierung
Angestrebt, für die gilt:
Grenzerlös = Grenzkosten
(Punkt B; vgl. 1.4.2).
Nachfragekurve
C
Grenzkosten
A
Für Preis und Menge des
betrachteten Gutes gilt
dann Punkt C – der
sogenannte
„Cournotsche Punkt“
B
Grenzerlös
x
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
102
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Wichtige Ökonomen:
Antoine-Augustin Cournot
(1801 – 1877)
Quantitativer Wirtschaftstheoretiker
Standpunkte:
- Vordenker der mathematisch orientierten
(Mikro)Ökonomie
- Wirtschaftssubjekte handeln gewinnmaximierend
- Ableitung des Gewinnmaximums des
Monopolisten („Cournotscher Punkt“)
- Herleitung der Nachfragefunktion
- Reichtum ≠ Wohlstandsmaximum
Hauptwerk: Recherches sur les principes mathématiques
de la théorie des richesses (1838; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
103
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Arten von Monopolen
1) Natürliche („geborene“) Monopole:
Ausgangssituation: bei der Herstellung eines Gutes liegen sowohl
sehr hohe Fixkosten als auch sehr hohe Skalenerträge (economies
of scale) vor; d.h. viele kleine Unternehmen können nicht zu so
günstigen Preisen anbieten wie ein großes (Monopolist)
=> Subadditivität;
Beispiele: lokale leitungsgebundene Versorgungsnetze (Strom, Wasser, Schienenverkehr)
2) Künstliche („gekorene“) Monopole:
Unterschiedliche Ursachen:
Marktmacht und daraus resultieren Marktzutrittsbeschränkung
Bewusste staatliche Regulierung
Schutzrechte / Patente
(Temporärer) Vorsprung durch Innovation
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
104
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Preisbildung im Oligopol
Vorbemerkung:
„Man kann sagen, dass das Oligopol die vorherrschende
Marktform einer modernen Wirtschaft ist“
Baßeler, U.; Heinrich, J.; Utecht, B.: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft,
18. Auflage, Stuttgart 2006, S. 181)
Wie beurteilen Sie die Validität und die
Implikationen dieser These?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
105
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Preisbildung im Oligopol
Versuchs- und Irrtumsprozess dahingehend, dass der Oligopolist
versucht, das Verhalten der (bekannten) Konkurrenten zu antizipieren
In der Preistheorie gibt es dafür unterschiedliche Erklärungsansätze
Spieltheoretisch kann es - ohne Informationsaustausch untereinander zu einer Gefangenen–Dilemma–Situation führen, insbesondere in
einem Duopol–Fall, also mit nur zwei Anbietern
Ohne auf die theoretischen Ansätze im einzelnen einzugehen,
ist hier daher von Relevanz, dass die Marktkonstellation die
Oligopolisten motiviert, Informationen auszutauschen und im
Extremfall Preisabsprachen zu treffen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
106
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Zwischenfazit
In unausgewogenen Märkten (speziell Anbietermonopol und –oligopol)
kann es zu Preisbildungen kommen, die nicht zu einem
Wohlfahrtsmaximum führen.
Die Unternehmen sind hier bestrebt, den Sachverhalt auszunutzen,
dass konkurrierende Anbieter nicht oder nur in geringer Zahl existieren.
Daraus kann eine Ausschaltung oder Behinderung eines funktionierenden
Wettbewerbs resultieren, mit dem Ergebnis, dass die beschriebenen
Markt- und Preisfunktionen nicht erfüllt werden.
Daraus folgt ein Regulierungsbedarf, um auch bei diesen Marktformen
einen möglichst gut funktionierenden Wettbewerb zu gewährleisten
bzw. Mißbrauch von Marktmacht zu verhindern.
In Deutschland: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
107
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
In Deutschland sind das das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“
(GWB), das Bundeskartellamt und die Monopolkommission
§§
Zweck des GWB:
Gewährleistung eines möglichst ungehinderten und vielfältigen
Wettbewerbes und damit Beitrag zur Gesamtnutzenmaximierung
Umkehrschluss:
Festlegung rechtlicher Mittel, um wohlfahrtsmindernde Einschränkungen
des Wettbewerbs zu verhindern
Ursprüngliches Inkrafttreten: 01.01.1958
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
108
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Inhalte des GWB:
Erster Teil:
Wettbewerbsbeschränkungen
unser Interessenbereich
Zweiter Teil:
Kartellbehörden
Dritter Teil:
Verfahren
Vierter Teil:
Vergabe öffentlicher Aufträge
Fünfter Teil:
Anwendungsbereich des Gesetzes
Sechster Teil:
Übergangs- und Schlussbestimmungen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
109
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Inhalte des GWB: Wettbewerbsbeschränkungen
§ 1 GWB verbietet wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen:
„Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von
Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte
Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder
Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.“
=>
Generelles Kartellverbot
(wenige Ausnahmen, z.B., wenn Vereinbarungen
„…zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen
Fortschritts beitragen…“ (§2 GWB) oder sogenannte
„Mittelstandskartelle“ (§3 GWB))
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
110
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Inhalte des GWB: Marktbeherrschung,
wettbewerbsbeschränkendes Verhalten
§ 19 GWB verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer
marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen.
Ein Unternehmen gilt als marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder
Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
1. ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb
ausgesetzt ist oder
2. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
111
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Inhalte des GWB: Marktbeherrschung,
wettbewerbsbeschränkendes Verhalten (§19)
Es wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es
einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat.
Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie
1. aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen
Marktanteil von 50 vom Hundert erreichen, oder
2. aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen
Marktanteil von zwei Dritteln erreichen
=>
Wichtig für die Sektoruntersuchung Kraftstoffe (1.4.6)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
112
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Inhalte des GWB: Marktbeherrschung,
wettbewerbsbeschränkendes Verhalten (§19)
Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes
Unternehmen …
1. die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer …
erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt;
2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von
denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher
Wahrscheinlichkeit ergeben würden; ...
3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert,
als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren
Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, …
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
113
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Inhalte des GWB: Marktbeherrschung,
wettbewerbsbeschränkendes Verhalten (§19)
Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes
Unternehmen …
4.
sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt
Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen
zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem
vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn das
marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung
aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder
nicht zumutbar ist.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
114
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Befugnisse der Kartellbehörden
(insbesondere des Bundeskartellamtes):
Kartellbehörden sind das Bundeskartellamt, das Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie und die nach Landesrecht zuständigen
obersten Landesbehörden (§48 GWB)
Befugnisse (§32ff. GWB):
-
Abstellung und nachträgliche Feststellung von Zuwiderhandlungen
Einstweilige Maßnahmen (bei akutem Handlungsbedarf; befristet)
Verpflichtungszusagen
Entzug der Freistellung
Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und einzelner Arten von
Vereinbarungen (z.B. die Sektoruntersuchung Kraftstoffe; vgl. 1.4.6)
- Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht
- Vorteilsabschöpfung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
115
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Fusionskontrolle (Quelle: Bundeskartellamt.de)
Um nachteilige Auswirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen
auf den Wettbewerb vorab auszuschließen, unterliegen
Unternehmenszusammenschlüsse der Fusionskontrolle durch die
Wettbewerbsbehörden.
Im Rahmen der Fusionskontrolle prüfen diese die Auswirkungen eines
Zusammenschlusses auf den Wettbewerb der jeweils betroffenen Märkte.
Ob das Bundeskartellamt oder die Europäische Kommission in ihrer
Funktion als europäische Wettbewerbsbehörde zuständig ist, ist von den
Umsätzen der jeweiligen Unternehmen abhängig.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
116
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Deutsche Fusionskontrolle (Quelle: Bundeskartellamt.de)
Die Unternehmen müssen ein Zusammenschlussvorhaben beim
Bundeskartellamt anmelden, wenn sie mit ihren Umsätzen die im GWB
genannten Umsatzschwellen überschreiten.
Erwirtschaften alle beteiligten Unternehmen gemeinsam einen weltweiten
Umsatz von mehr als 500 Mio. Euro und erzielen mindestens zwei
beteiligte Unternehmen jeweils erhebliche Umsätze in Deutschland - ein
Unternehmen in Höhe von mehr als 25 Mio. Euro und ein weiteres
Unternehmen in Höhe von mehr als 5 Mio. Euro – dann müssen die
Unternehmen den Zusammenschluss beim Bundeskartellamt anmelden.
Gehört ein Unternehmen einer Unternehmensgruppe an, muss das
Bundeskartellamt die Umsätze der gesamten Unternehmensgruppe
einbeziehen. Auf diese Weise wird die insgesamt verfügbare
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der beteiligten Unternehmen bei der
Prüfung der wettbewerblichen Auswirkungen berücksichtigt.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
117
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Deutsche Fusionskontrolle (Quelle: Bundeskartellamt.de)
Als Zusammenschluss im Sinne des GWB gelten Verbindungen zwischen
Unternehmen, die es einem Unternehmen ermöglichen, einen
erheblichen Einfluss auf das Verhalten eines anderen Unternehmens im
Wettbewerb auszuüben.
Mögliche Ausgänge eines Fusionskontrollverfahrens:
- Freigabe
- Freigabe unter Auflagen (z.B. Verkauf von Unternehmensteilen zur
Eingrenzung der Marktmacht nach einer Fusion)
- Untersagung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
118
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Aufgaben der Monopolkommission (Quelle: Monopolkommission.de)
Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Beratungsgremium für die
Bundesregierung auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik und
Regulierung. Ihre Stellung und Aufgaben sind in den §§ 44 bis 47 des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt.
Danach erstellt die Monopolkommission alle zwei Jahre ein Hauptgutachten,
in dem sie den Stand und die absehbare Entwicklung der
Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt,
die Anwendung der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle
würdigt sowie zu sonstigen aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen
Stellung nimmt.
Die Monopolkommssion erstellt ferner Sondergutachten
(aktuell erschienen z.B. zu den Themen Entflechtung, Post,
Telekommunikation, Bahn und Energie).
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
119
1.4.5
Preisbildung in unausgewogenen Märkten
Themen des aktuellen Hauptgutachtens der Monopolkommission
(19. Hauptgutachten
der Monopolkommission
2010/2011,
erschienen
im Juli 2012;
Quelle:
Monopolkommission.de)
Titel:
„Stärkung
des Wettbewerbs bei
Handel und
Dienstleistungen“
Inhalt:
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
120
1.4.6
Kartellamtsstudie zum Tankstellenmarkt
Welche Handlungsbedarfe
führten zu der
„Sektoruntersuchung Kraftstoffe“
des Bundeskartellamtes?
Im Folgenden siehe gesonderte
Präsentation des Bundeskartellamtes
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
121
1.4.6
Kartellamtsstudie zum Tankstellenmarkt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
122
1.4.6
Kartellamtsstudie zum Tankstellenmarkt
PKW-Kraftstoffverbrauch (in Mrd. Liter) deutscher Privathaushalte in den Jahren 2000, 2005 bis 2008
35
33,3
29,5
30
28,5
27,5
26,8
25
20
15
10
9,1
8
9,8
9,7
5,3
5
0
2000
2005
2006
Benzin
2007
2008
Diesel
Quelle: Statistisches Bundesamt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
123
1.4.6
Kartellamtsstudie zum Tankstellenmarkt
Marktanteile
2010;
Summe
„Oligopolisten“
70,5%
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
124
1.4.6
Kartellamtsstudie zum Tankstellenmarkt
Marktanteile
2011;
Summe
„Oligopolisten“
70,0%
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
125
1.4.6
Kartellamtsstudie zum Tankstellenmarkt
Marktanteile 2012; Summe „Oligopolisten“: 69,0%
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
126
1.5
Makroökonomie
Mikroökonomie
Makroökonomie
Untersuchungsgegenstand:
Untersuchungsgegenstand:
- Einzelmärkte
- Gesamtmärkte
(Partialanalyse)
(Totalanalyse)
Teildisziplinen:
Teildisziplinen:
- Theorie der Haushalte
- Geldtheorie
- Theorie der Unternehmen
- Finanztheorie
- Preistheorie
- Beschäftigungstheorie
- Verteilungstheorie
- Konjunkturtheorie
- Wachstumstheorie
- Außenwirtschaftstheorie
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
127
1.5
Makroökonomie
Gesamtmärkte (Totalanalyse)
- Untersucht werden die Bedingungen und Interaktionen des
gesamtwirtschaftlichen Verhaltens
- Wie entstehen Gleichgewichte auf Gesamtmärkten und welche
Maßnahmen sind bei Ungleichgewichten oder Marktversagen
zu treffen?
- Ebenfalls von hoher Relevanz: Fragestellungen, die die Rolle des
Staates in der Volkswirtschaft thematisieren
(Art und Intensität staatlicher Aktivitäten in der Volkswirtschaft)
- Wichtige und im Folgenden thematisierte Gesamtmärkte:
Gütermarkt
Geldmarkt
Arbeitsmarkt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
128
1.5.1
Einkommen und Konsum
Konsum- und Sparfunktion
- Zunächst wird aus makroökonomischer Perspektive (also für die
gesamte Volkswirtschaft) das Konsum- und Sparverhalten der
Haushalte aggregiert untersucht
- Sowohl der Konsum (C) als auch die Ersparnis (S) sind abhängig
vom zur Verfügung stehenden (Volks) Einkommen (Y)
- Die Erfüllung der Grundbedürfnisse wird durch den
„autonomen Konsum“ (C0) markiert.
- Darüber hinaus wir nur ein Teil (c) des zusätzlichen Einkommens
konsumiert (hier vereinfacht linear dargestellt)
c stellt die Konsumquote innerhalb einer Volkswirtschaft dar
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
129
1.5.1
Einkommen und Konsum
C
S
Konsum- und Sparfunktion
- Der verbleibende
Einkommensanteil wird
gespart und steht,
sofern im Wirtschaftskreislauf verbleibend, für
Investitionen der Unternehmen zur Verfügung
Konsum: C = C0 + cY
C0
- Ersparnis setzt somit erst
dann ein, wenn der
autonome Konsum
finanziert ist.
Sparen: S = Y – C
= - C0 + (1-c)Y
(Einkommen)
Y
- Bis zu diesem Punkt
werden Ersparnisse
aufgezehrt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
130
1.5.1
Einkommen und Konsum
1
1
2010:
11,4%
1
2011:
11,1%
2012:
10,7%
Quelle: Deutsche Bundesbank
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
131
1.5.1
Einkommen und Konsum
Sparquote in wichtigen Industrieländern *)
Zeit
Deutschland
Großbritannien Frankreich
USA
Japan
2000
9,2
4,7
15,1
2,9
8,7
2001
9,4
6,0
15,8
2,7
5,1
2002
9,9
4,8
16,9
3,5
5,0
2003
10,3
5,1
15,3
3,5
3,9
2004
10,4
3,7
15,7
3,4
3,6
2005
10,5
3,9
14,7
1,4
3,9
2006
10,6
3,4
14,9
2,4
3,8
2007
10,8
2,6
15,4
2,1
2,4
2008
11,7
2,0
15,5
4,1
2,2
2009
11,1
6,0
16,5
5,9
5,0
2010
11,4
5,4
16,0
5,7
.
Quellen: Nationale Statistische Ämter. Datenstand: Juni 2011. — * Ersparnis in % des
verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte; Niveau wegen unterschiedlicher
Berechnungsmethoden nur bedingt vergleichbar.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
132
1.5.1
Einkommen und Konsum
Mögliche Gründe
für die hohe
Sparquote
in China?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
133
1.5.1
Einkommen und Konsum
Investitionsfunktion
i
- Die Höhe der UnternehmensInvestitionen (I) hängt von der
Höhe des Zinsniveaus (i) ab
- Mit steigendem Zins sinkt die
Investitionsneigung der
Unternehmen, da die
Refinanzierungskosten steigen
- Damit steigen auch die
Ansprüche an die Vorteilhaftigkeit einer Investition;
ein höherer Kalkulationszins
reduziert signifikant den
I Kapitalwert einer Investition
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
134
1.5.1
Einkommen und Konsum
IS - Diagramm
i
Im volkswirtschaftlichen
Gleichgewicht entspricht
die Höhe der Ersparnisse
(S), die – wie erläutert –
einkommensabhängig ist,
der Höhe der Investitionen (I)
Dies impliziert:
I(i) = S(Y)
1) Der Konsum wird von den
Unternehmen zur Herstellung von Gütern und
Dienstleistungen sowie
zur Gewinnerzielung
Y
verwendet
2) Die Ersparnisse der Haushalte werden bei den Geschäftsbanken
angelegt und von diesen an die Unternehmen als Kredite für
Investitionen weitergegeben
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
135
1.5.1
Einkommen und Konsum
Zusammensetzung des Volkseinkommens
- Mit dem Konsum und den Investitionen sind zwei wesentliche
Komponenten der Verwendungsgleichung des Volkseinkommens
thematisiert
- Hinzu kommen (vereinfacht) der staatliche Verbrauch (G) sowie
der Saldo aus Export (X) und Import (M)
- Daraus ergibt sich für die Verwendungsgleichung des
Volkseinkommens:
Y=C+G+I+X–M
- Diese vereinfachte Formel läßt sich weiter ausdifferenzieren,
z.B. in unterschiedliche Investitionskategorien oder Kategorien
von Staatsausgaben
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
136
1.5.2
Arbeitsangebot und Nachfrage
Arbeitsangebot und -nachfrage
- Erneut ein Standard - Angebots- und Nachfragediagramm
- Zum Verständnis: das Arbeitsangebot bildet die Arbeitnehmer ab,
die Arbeitsnachfrage die Unternehmen
- Sowohl Arbeitsangebot als auch Arbeitsnachfrage sind,
in umgekehrtem Verhältnis vom Reallohnniveau abhängig
- Das Reallohnniveau wird ausgedrückt durch das nominale
Lohnniveau (w) dividiert durch das Preisniveau (p);
d.h. das Reallohnniveau sinkt, wenn ein Nominallohnanstieg
durch Inflation überkompensiert wird
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
137
1.5.2
Arbeitsangebot und Nachfrage
Arbeitsangebot und -nachfrage
w/p
Arbeitsangebot
Arbeitsnachfrage
- Das Arbeitsangebot (Ns)
steigt mit zunehmendem
Reallohnniveau (w/p);
für die Arbeitsanbieter steigt
der Anreiz, ihre Arbeitskraft
anzubieten
Ns
- Umgekehrt steigt die
Arbeitsnachfrage (Nd) mit
sinkendem Reallohnniveau;
für die Unternehmen wird es
attraktiver Arbeit nachzufragen
und weniger attraktiv, diese
zu substituieren
Nd
N
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
138
1.5.2
Arbeitsangebot und Nachfrage
Arbeitsangebot und -nachfrage
In der Realität ist der Arbeitsmarkt in Deutschland nicht homogen,
sondern in mehrfacher Hinsicht segmentiert:
- regional
kennzeichnend hierfür: signifikant unterschiedliche
regionale Arbeitslosenquoten (vgl. 3.2.2)
- sektoral
kennzeichnend hierfür: in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen
gibt es Arbeitsangebots- oder Arbeitsnachfrageüberhänge
- berufsgruppenspezifisch
kennzeichnend hierfür: in unterschiedlichen Berufsgruppen
gibt es Arbeitsangebots- oder Arbeitsnachfrageüberhänge
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
139
1.5.2
Arbeitsangebot und Nachfrage
Auch das Reallohnniveau, das in der Modellwelt das Arbeitsangebot
und die Arbeitsnachfrage determiniert variiert regional, sektoral und
berufsgruppenspezifisch.
Beispiele:
- den Lebenshaltungskosten angepasste regional unterschiedliche
Reallohnniveaus („München vs. Ländliches Brandenburg“)
- unterschiedliche Tariflöhne in den Wirtschaftszweigen
(„IGBCE vs. Postzusteller“) oder unterschiedliche Haustarife in
Großunternehmen
- knappheitlich bedingte hohe Reallöhne für bestimmte Berufsgruppen
(„Ingenieurmangel“; „War for talents“)
Sind vor diesem Hintergrund Mindestlöhne sinnvoll?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
140
1.5.2
Arbeitsangebot und Nachfrage
Auswirkungen von Mindestlöhnen im Modell
- Ähnlich wie bei einer Preisabsprache (vgl. 1.4.4) führt auch ein
Mindestlohn, der über dem Gleichgewichts – Lohnniveau liegt
zu einem Ungleichgewicht mit wohlstandsreduzierendem Effekt
- Zwar erhöht sich die „Produzentenrente“ (in diesem Fall der
„Arbeitsproduzenten“ also der Arbeitnehmer)
- Die Arbeitgeber reduzieren jedoch die Arbeitsnachfrage
(also den „Arbeitskonsum“) aufgrund des gestiegenen Lohnniveaus
- Das Resultat ist ein Wohlstandverlust sowie Arbeitslosigkeit
aufgrund der Angebotslücke
- Diese liegt sogar über dem Gleichgewichtspunkt, da zum relativ
hohen Mindestlohn mehr Angebot an Arbeitskräften
vorliegt als im Gleichgewichtsniveau
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
141
1.5.2
w/p
Arbeitsangebot und Nachfrage
Konsumentenrente
Auswirkungen
Arbeitslosigkeit
Mindestlohn
von Mindestlöhnen
Arbeitsangebot
im Modell
Produzentenrente
Wohlfahrtsverlust
Arbeitsnachfrage
N
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
142
1.5.2
Arbeitsangebot und Nachfrage
Arbeitsangebot und –nachfrage:
Mindestlöhne?
www.verdi.de
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
143
1.5.2
Arbeitsangebot und Nachfrage
Diskutieren Sie die
politische und gewerkschaftliche
Forderung nach Mindestlöhnen
vor dem Hintergrund der
modelltheoretischen Implikationen;
welche anderen Argumente sprechen
für oder gegen Mindestlöhne?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
144
1.5.3
Geldmarkt und Zinsen
Money, so they say,
is the root of
all evil today.
But if you ask
for a raise
it's no surprise
that they're
giving none away.
(Pink Floyd: Money /
The Dark Side of the Moon)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
145
1.5.3
Geldmarkt und Zinsen
Geldangebot und -nachfrage
- Erneut ein Standard - Angebots- und Nachfragediagramm
- Die Geldnachfrage (L) ist durch das Volkseinkommen limitiert
- Die Geldnachfrage (L) sinkt bei bei gegebenem Einkommen
mit steigendem Zinssatz (i), d.h. bei hohen Zinssätzen wird mehr
angelegt (weniger Geldnachfrage), bei geringen Zinssätzen wird
mehr Liquidität gehalten (hohe Geldnachfrage)
- Ein Anstieg des Einkommens führt bei gleichbleibendem Zinssatz
zu einer Erhöhung der Geldnachfrage
- Eine Geldmengenausweitung geht im Normalfall mit einem Anstieg
des Preisniveaus (eventuell Inflation) einher, d.h. eine Ausweitung
der Geldmenge führt nicht zwangsläufig zu mehr Kaufkraft bzw.
Realem Einkommen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
146
1.5.3
Geldmarkt und Zinsen
Geldangebot und -nachfrage
i
Geldangebot
M
- Das Geldangebot (M) steigt
mit zunehmendem Zinssatz
(die Geschäftsbanken bieten
mehr Geld zu hohen Zinsen an)
- Im volkswirtschaftlichen
Gleichgewicht entspricht
die Höhe der Geldnachfrage
(L) der Höhe des
Geldangebotes (M)
Geldnachfrage
L
- Ein Einkommensanstieg
wird durch eine Erhöhung
des Zinsniveaus kompensiert
(und umgekehrt)
L, M
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
147
1.5.3
Geldmarkt und Zinsen
Geldangebot und -nachfrage
i
L= M
- Ähnlich wie auf dem Gütermarkt (vgl. 1.5.1) variieren
die Gleichgewichtspunkte
des Geldangebotes und der
Geldnachfrage mit dem
Zinssatz und dem Volkseinkommen – allerdings in
umgekehrter Form
- Steigende Zinssätze führen
im Einklang mit höherem
Volkseinkommen zu einem
Y
höheren Gleichgewichtsniveau und umgekehrt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
148
1.5.3
Geldmarkt und Zinsen
Geldmenge (Quelle: Bundesbank)
Bestand an Geld in Händen inländischer Nichtbanken. Wegen der
Unschärfe des Geldbegriffs gibt es verschiedene statistische
Abgrenzungen der Geldmenge. Das Eurosystem unterscheidet die
folgenden Geldmengenbegriffe:
M1=
Bargeldumlauf (ohne Kassenbestände der Monetären
Finanzinstitute (MFIs) plus täglich fällige Einlagen der im
Währungsgebiet ansässigen Nicht-MFIs.
M2=
M 1 plus Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei
Jahren und Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis zu
drei Monaten.
M3=
M 2 plus Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten,
Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen mit
einer Laufzeit bis zu zwei Jahren. Dieses Aggregat steht bei
der Geldpolitik des Eurosystems im Vordergrund.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
149
1.5.3
Geldmarkt und Zinsen
Geldmenge M3 – deutscher Beitrag
Jahresendwerte in Mrd. Euro; Quelle: Deutsche Bundesbank
2000
1.348,6
2006
1.660,9
2001
1.433,4
2007
1.837,8
2002
1.436,3
2008
2.017,8
2003
1.490,0
2009
1.986,2
2004
1.505,4
2010
2.073,8
2005
1.583,2
2011
2.195,7
2012
2.331,0
http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_zeitreihen.php?lang=de&open=&func=row&tr=TSD303
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
150
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Zwischenfazit
• Die makroökonomischen Märkte
- Gütermarkt,
- Arbeitsmarkt und
- Geldmarkt
sind thematisiert worden
• Die Angebots- und Nachfragebeziehungen wurden aufgezeigt
• Ebenso die Gleichgewichtsbedingungen auf den Teilmärkten
Wie sieht nun ein übergreifendes Gesamtgleichgewicht aus?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
151
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Güter-, Geld- und Arbeitsmarktgleichgewicht in der Modellwelt
i
LM
Güter- und
Geldmarkt
Faktorpreisverhältnis
IS
Das Vierquadrantenschema fasst die in den
vorangegangenen
Abschnitten beschriebenen Teilmarkt-Gleichgewichte zusammen
w/p
Y
Nd
Ns
Arbeitsmarkt
N
Die Produktionsfunktion
und das Faktorpreisverhältnis dienen zur
„Übersetzung“ der
einzelnen Dimensionen
Produktionsfunktion
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
152
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Exkurs: Modelle - Bausteine und Werkzeugkästen der Ökonomie
- Quantitative Darstellungsweise von ökonomischen Sachverhalten,
die sich in mathematischen Funktionen und deren
Varianten / Ableitungen abbilden läßt
- Theoretische Konstrukte mit vielerlei laborhaften Prämissen, wie
= vollkommene Märkte,
= keine sachlichen oder persönlichen Präferenzen,
= gleiche Informationsstände bei vollständiger Markttransparenz
= unendliche Reaktionsgeschwindigkeit
- Versuche, die vielfältigen individuellen und gruppenspezifischen
Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte zu prognostizieren und
deren gesamtwirtschaftliche Wirkungen abzubilden
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
153
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Exkurs: Modelle - Bausteine und Werkzeugkästen der Ökonomie
Zwischenfazit: die Modellwelt ist wichtig zur Deskription und
Plausibilisierung ökonomischer Sachverhalte
Aber:
individuelle Verhaltensmuster und (unterschiedliche)
Wertvorstellungen sind dadurch weder abbildbar
noch erklärbar
auch dynamische Modelle können die Vielzahl von
(Wechsel) Wirkungen in der ökonomischen Realität
nicht abbilden
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
154
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Modellbasierte volkswirtschaftliche Prognosen sind
Planungsvorgänge und unterliegen Ungewißheitsbedingungen,
die sich wie folgt zusammenfassend systematisieren lassen:
1) Zukunftsorientierung (auch einfache zukunftsbezogene Sachverhalte
sind ungewiß – ganz zu schweigen von hochkomplexen
makroökonomischen Zusammenhängen)
2) Unvollständiger Informationsstand (auch das beste Wissenschaftsund IT – System kann weder statisch und noch weniger dynamisch
alle relevanten Informationen erfassen und in ihren Wirkungszusammenhängen verarbeiten)
Eine modifizierte Trendextrapolation bietet ebenfalls keine Lösung,
da sie genau dann versagt, wenn sie als Prognose zur Unterstützung
politischer und ökonomischer Entscheidungsträger besonders wichtig
wäre, nämlich, wenn Störungen oder Krisen drohen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
155
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Keine Prognose
Ökonomen im Erklärungsnotstand
14. April 2009 Der Chef des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) macht ernst: Sein Institut
werde keine Prognose für das kommende Jahr veröffentlichen,
kündigte Klaus Zimmermann am Dienstag an. In der gegenwärtigen
Situation außergewöhnlich großer Unsicherheiten sei eine
quantitative Prognose für 2010 nicht sinnvoll.
Modelle stoßen „an die Grenzen des Machbaren“
DIW-Chef Zimmermann Der DIW-Chef Zimmermann möchte sogar darauf verzichten.
veröffentlicht keine
Mit den üblichen Methoden ließe sich die rasche Ausbreitung
Prognose für 2010
der derzeitigen Krise und ihre Tiefe nicht mehr nachvollziehen.
„Strukturmodelle, die in normalen Zeiten verlässliche Prognosen liefern, stoßen bei
histori-schen Wachstumseinbrüchen an die Grenzen des Machbaren.“ Angesichts der
Unsicher-heit bestehe die Gefahr, dass die Ökonomen in Herdenverhalten fielen und im
Gleichschritt immer tiefere Prognosen veröffentlichten. Daran wolle sich das DIW nicht
mehr beteiligen. Die meisten Institute erwarten für 2010 nur eine schwache Erholung
der Wirtschaft. Nach der OECD-Prognose wird es ein leichtes Plus von 0,2 Prozent sein.
Quelle: FAZ.net
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
156
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Diskutieren Sie die Thematik
„Ökonomen im Erklärungsnotstand“
Analogie: brauchen wir einen Arzt,
der nicht mehr diagnostiziert,
wenn der Fall schwierig wird?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
157
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Quantifizierungstendenzen in der wissenschaftlichen Ökonomie
Ungeachtet der Probleme, insbesondere makroökonomische
Wirkungszusammenhänge modellhaft abzubilden, liegen in der
wissenschaftlichen Ökonomie signifikante Quantifizierungstendenzen vor.
Dies gilt sowohl für die Volks- als auch die Betriebswirtschaftslehre
Die quantitative Abbildung ökonomischer Sachverhalte gilt heute als
Qualitätskriterium für wissenschaftliche Arbeiten (ohne solche Ansätze
bestehen kaum Chancen auf Veröffentlichungen in Journals mit
exzellenter Reputation), aber:
⇒
⇒
⇒
⇒
der Versuch einer quantitativen Totalmodellierung und daraus
abgeleiteten quantitativen Prognosen kann gar nicht oder nur
dann funktionieren, wenn keine Trendbrüche auftreten
dann ist der Erkenntnisgehalt dieser Ansätze aber vernachlässigbar
daher: Mut zur verbal – argumentativen Analyse
diese kann dann durchaus Basis für quantitative Prognosen sein
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
158
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Wichtige Ökonomen:
Paul A. Samuelson
(1915 – 2009)
Der Lehrbuchökonom des 20. Jahrhunderts
Standpunkte:
- Verhaltensweisen in der Ökonomie andern sich
ständig; die Theorien müssen sich dem
anpassen
- fundiert keynesianische Ansätze in der
quantitativen Modellwelt
Hauptwerk: Economics
(1948; Original; mittlerweile 19. Aufl.;
deutsch: Volkswirtschaftslehre;
weltweit das bedeutendste und
weitverbreitetste VWL-Lehrbuch)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
159
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Modellwelt vs. Realität
Wie sieht es nun zur Zeit auf den behandelten Märkten aus?
- Der Arbeitsmarkt zeigt insgesamt einen nachhaltigen Angebotsüberhang
(Arbeitslosigkeit); dieser variiert jedoch regional und in einzelnen
Sektoren herrscht sogar Nachfrageüberhang (Beispiel Ingenieurmangel)
- Die Gütermärkte zeigen tendenziell zumindest temporär ebenfalls einen
Angebotsüberhang
- Der Geldmarkt wird durch massive Konjunkturprogramme
und Staatsverschuldungen aufgebläht
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
160
1.5.4
Das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes
Modellwelt vs. Realität
Erklärungsansätze für Marktungleichgewichte in der Theorie sind
- zum einen, dass die Märkte von sich aus
wieder zum Gleichgewicht tendieren
- zum anderen, dass der Staat eingreifen muß,
um z.B. Arbeitslosigkeit trotz
Gütermarktgleichgewicht zu verändern
(diese Ansätze sind Gegenstand von Abschnitt 2.3.1)
Haben nun in der Realität die Märkte versagt?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
161
1.6
Marktversagen – Ursachen und Eingriffsmöglichkeiten
Marktversagen existiert:
Auch von überzeugten Anhängern der Marktwirtschaft
wird Marktversagen nicht als Phänomen bestritten
Allerdings nur für wenige, spezielle Situationen und Kontexte,
die im Folgenden beschrieben werden
Wann liegt Marktversagen vor?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
162
1.6.1
Einführung und Problemstellung
In der Ökonomie wird Marktversagen thematisiert
und wie folgt systematisiert:
Marktversagen i.e.S. aufgrund1
- Externer Effekte
- Mangelnder Teilbarkeit
- Informationsasymmetrien
Welche Sachverhalte sind damit gemeint?
1
diese Dreiersystematisierung erfolgt in Anlehnung an Fritsch
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
163
1.6.1
Einführung und Problemstellung
Zusätzlich werden hier zwei Sachverhalte thematisiert,
die ebenfalls häufig als Marktversagen interpretiert werden:
- Mangelnde Verteilungsgerechtigkeit
(ist aber faktisch kein Marktversagen,
da keine Marktfunktion)
- andauernde und/oder signifikante Ungleichgewichte
(Grenzfall: Markt- vs. Politikversagen)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
164
1.6.2
Externe Effekte
Externe Effekte
Liegen vor, wenn Aktivitäten eines Wirtschaftssubjektes positive
oder negative Auswirkungen auf andere Wirtschaftssubjekte hat,
die nicht automatisch durch den Markt- / Preismechanismus
reguliert werden.
Bei externen Effekten funktioniert das Ausschlussprinzip nicht oder
nur begrenzt. Das Ausschlussprinzip besagt, dass bei wirtschaftlichen
Transaktionen Leistung und Gegenleistung erfolgen. Wer nicht leistet
oder gegenleistet ist vom Nutzen ausgeschlossen.
Greift das Ausschlussprinzip nicht, liegt entweder
„Nutzen ohne Gegenleistung“ („Trittbrettfahrersyndrom“)
oder
„Schaden ohne Kompensation“ vor.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
165
1.6.2
Externe Effekte
Externe Effekte: Trittbrettfahrersyndrom
Das Ausschlussprinzip funktioniert nicht; der „Trittbrettfahrer“ erhält
eine Leistung ohne Gegenleistung.
Beispiel (in Anlehnung an Fritsch, S. 91)
Eine Wirtschaftseinheit steht vor der Entscheidung, einen Beitrag von 5
zur Erstellung eines Allgemeingutes zu entrichten, von dem jeder
in Höhe von 10 profitiert. Daraus folgt folgende Entscheidungsmatrix:
Alle anderen
zahlen
zahlt
zahlen nicht
5 (= 10 - 5)
-5 (= 0 - 5)
10 (= 10 - 0)
0 (= 0 - 0)
Der Einzelne
zahlt nicht
Isoliert betrachtet ist das „Trittbrettfahren“ die dominante Strategie (C);
dann kommt aber auch die Erstellung des Gutes nicht zustande (D).
(Analogie zum Gefangenendilemma; Unterschied: Informationsaustausch)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
166
1.6.2
Externe Effekte
Externe Effekte: Allmendegut
Kennzeichnung Allmendegüter: können ohne Entgelt genutzt werden,
stehen aber nur begrenzt zur Verfügung (Konkurrenz in der Nutzung)
Beispiel (in Anlehnung an Fritsch, S. 93)
Fischereibestände werden von zwei Fischern genutzt. Benutzen beide ein
feines Netz, kommt es zur Überfischung; benutzen beide ein grobes Netz,
erhalten sich die Bestände. Benutzt A ein feines und B ein grobes Netz,
profitiert A auf Kosten von B und umgekehrt. Entscheidungsmatrix:
Fischer B
grobes Netz feines Netz
grobes Netz
Fischer A
feines Netz
3
4
3 0
0 1
4
1
Isoliert betrachtet ist das „feine Netz“ die dominante Strategie;
kollektiv führt sie jedoch zur Selbstschädigung.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
167
1.6.2
Externe Effekte
Externe Effekte
Markante Beispiele (1):
Öffentliche Güter (z.B. Sicherheit)
- würden diese (ausschließlich) durch den Markt geregelt,
käme es zu Trittbrettfahrersyndromen =>
Ausschlussprinzip eingeschränkt oder unwirksam
- daher werden sie öffentlich finanziert und bereitgestellt
- häufig sind öffentliche Güter politisch definiert
(z.B. Strassennutzung oder Bildung) und könnten auch
ganz oder teilweise durch den Markt reguliert werden
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
168
1.6.2
Externe Effekte
Exkurs: Öffentliche Güter und Ausschlussprinzip
Für öffentliche Güter gilt:
- Ausschlussprinzip greift nicht
- Keine Rivalität im Konsum
Daraus wird abgeleitet, dass öffentliche Güter vom Staat bereitzustellen
sind. Es gibt jedoch keine genaue Abgrenzung des Sachverhaltes
„öffentliches Gut“. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen:
- spezifischen öffentlichen Gütern und
- unspezifischen öffentlichen Gütern (hier herrscht zwar Rivalität im
Konsum, das Ausschlussprinzip greift jedoch nicht
(Beispiel Allmendegut))
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
169
1.6.2
Externe Effekte
Exkurs: Öffentliche Güter und Ausschlussprinzip
Sonderfall: meritorische Güter; hierfür gilt:
Ausschlussprinzip und Rivalität im Konsum sind grundsätzlich gegeben,
ein unregulierter Markt führt aber zu unerwünschten Ergebnissen
(Gründe: externe Effekte oder Informationsasymmetrien):
- zu wenig Nachfrage (Kulturgüter, Alters- und Gesundheitsvorsorge)
- zu viel Nachfrage (Alkohol, Drogen)
Daher erfolgt eine staatliche Regulierung der Märkte.
Problematisch ist hier, wer und in welcher Form die Güter an sich und
die „richtigen“ Marktverhältnisse festlegt
(„wieviel subventionierte Opernhäuser brauchen wir?“;
„sollten weiche Drogen legalisiert oder Alkohol und Zigaretten noch
stärker besteuert werden?“)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
170
1.6.2
Externe Effekte
Externe Effekte
Markante Beispiele (2):
Umwelteffekte
- zumeist „Schaden ohne Kompensation“,
z.B. durch Schadstoffemissionen wie
Lärm, Luft- oder Gewässerverunreinigung
- aber auch „Nutzen ohne Gegenleistung“,
z.B. durch Umweltpflege eines Einzelnen,
aus der die Gesamtheit Nutzen zieht
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
171
1.6.2
Externe Effekte
Externe Effekte
Wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten bei externen Effekten:
Generell:
Anzustreben ist eine
Internalisierung der externen Effekte,
d.h. die Einbeziehung von Externalitäten
in Marktprozesse zur Vermeidung der ansonsten
auftretenden gesamtwirtschaftlichen Ineffizienzen
dies funktioniert - wie gezeigt - nicht automatisch,
sondern bedarf wirtschaftspolitischer Impulse
Wie könnte eine solche Internalisierung funktionieren?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
172
1.6.2
Externe Effekte
Externe Effekte
Effektivitätskriterien zur Beurteilung wirtschaftspolitischer
Eingriffsmöglichkeiten bei externen Effekten:1
- Statische Effizienz (eine Eingriffsform erreicht ein vorgegebenes Ziel
unter statischen Rahmenbedingungen auf kostenoptimale Weise)
- Dynamische Effizienz (eine Eingriffsform setzt Anreize zur Vermeidung
negativer Externalitäten (effektiver als Ausräumung) bzw. zu Entwicklung
und Einsatz innovativer Verfahren)
- Treffsicherheit (eine Eingriffsform erreicht möglichst genau ein
theoretisches oder politisch vorgegebenes Optimum)
1
vgl. Fritsch S. 99f.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
173
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Moralische Appelle1
- Freiwillige Nutzungsbeschränkung oder Einsatz von
Vermeidungstechnologien
- Kosten einseitig; Nutzen für mehrere
- im Extremfall: Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit durch
Verschlechterung der Kostensituation
=>
- Wirksamkeit sehr begrenzt, insbesondere bei Marktvorgängen;
wenn überhaupt, dann im Freizeitbereich oder in kleinen
Gruppen mit hoher „Sichtbarkeit“
- Ausnahme: bei vorliegen positiver Nebeneffekte,
z.B. Imagegewinn durch PR-Wirksamkeit;
dann können Wettbewerbsvorteile entstehen
1
vgl. Fritsch S. 101f.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
174
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Staatliche Bereitstellung1
- vgl. hierzu die Ausführungen zu den öffentlichen Gütern
- Öffentliche Güter sind oft politisch definiert und unterliegen nicht
zwangsläufig der Nichtanwendung des Ausschlussprinzips
- Problem der Bestimmung der optimalen Menge der
Bereitstellung eines öffentlichen Gutes
- Auch bei staatlicher Bereitstellung sollte aus Effektivitätsgründen die
Erstellung des Gutes privatisiert werden (stärkere Anreize, aus
Gewinnerzielungsabsicht, möglichst effektiv zu produzieren und
Innovationen voranzutreiben; ist bei staatlicher Produktion nicht
oder nur begrenzt gegeben)
1
vgl. Fritsch S. 102ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
175
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Fusion der Beteiligten bzw. kollektive Bereitstellung1
- Zusammenschluss aller Betroffenen und Beteiligten zu einer
Wirtschaftseinheit; dadurch per definitionem Internalisierung
- Faktisch allerdings kaum denkbar
- Würde eventuell zu unerwünschter Marktmacht führen
- Würde hohe Transaktionskosten verursachen
- Ausnahme: dezentrale „Klub – Lösungen“ (Vereine, aber auch
Kammern und Verbände u.U. mit Zwangsmitgliedschaft)
- Weiteres praktisches Beispiel: Abgrenzung kommunaler
Gebietskörperschaften (z.B. Einbeziehung von Vororten mit
einkommensstarker Bevölkerung in Kernstädte)
1
vgl. Fritsch S. 105f.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
176
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Ge- und Verbote / Auflagen1
- Auf den ersten Blick einfaches Internalisierungsverfahren
- Unerwünschte Verhaltensweisen werden eingegrenzt oder
ganz unterbunden, erwünschte Verhaltensweisen erzwungen
- Problem: richtige Dosierung
- Wiederum ein Optimierungsproblem: „welche Schadensmenge ist
als wohlfahrtspolitisch optimal anzustreben“
- Real wird ein gesamtwirtschaftlich optimales Emissionsniveau mit
Ge- und Verboten bzw. Auflagen allenfalls zufällig erreicht und die
Erreichung ist gar nicht nachzuweisen
- Praktische Regelungen orientieren sich häufig am „Stand der Technik“
1
vgl. Fritsch, S. 106f.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
177
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Steuern bzw. Subventionen1
- Theoretischer Idealfall: Besteuerung einer Produktion,
die negative externe Effekte hervorruft in der Höhe, dass ein
gesamtwirtschaftliches Optimum erreicht wird (sog. „Pigou – Steuer“)
- Umkehrschluss: entsprechende Subventionierung, wenn positive
externe Effekte vorliegen
- Problem: die theoretisch exakte wohlfahrtsoptimale Produktionsmenge
ist kaum oder gar nicht und nur mit hohen Informationskosten ermittelbar
- Praxislösung ist der sog. Preis-Standard-Ansatz: auf die Ermittlung
eines Optimums wird verzichtet; „vielmehr unterstellt man von
vornherein, dass ein bestimmtes Internalisierungsziel von der Politik
vorgegeben wird“ (Fritsch, S. 111)
1
vgl. Fritsch, S. 108ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
178
1.6.2
Externe Effekte
Wichtige Ökonomen:
Arthur C. Pigou
(1877 – 1959)
Erste Theorie für staatliche Eingriffe in die
Ökonomie
Standpunkte
- Kritik an der klassischen Ansicht, die Märkte
würden ein Wohlfahrtsoptimum herbeiführen
- Der Staat muß eingreifen, um Wohlfahrt zu
maximieren
- Insbesondere in der Besteuerung der
Ausbeutung natürlicher Ressourcen
- Darüber hinaus: Umverteilung von Einkommen
durch progressive Besteuerung
Hauptwerk: Economics of Welfare
(1920; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
179
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Verhandlungen1
Grundsätzlich:
Schädiger und Geschädigter verhandeln über adäquate
Kompensationszahlungen
Im Idealfall ergibt sich dann ein wohlfahrtspolitisches
Optimum
(Coase-Theorem: die Beteiligten können externe Effekte
effektiv durch Verhandlungen internalisieren)
Grundprobleme: Schädiger und Geschädigter müssen eindeutig
identifizierbar sein
Hohe Transaktionskosten bei der Aushandlung und
letztendlichen Kontrahierung
1
vgl. Fritsch, S. 118ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
180
1.6.2
Externe Effekte
Wichtige Ökonomen:
Ronald Coase
(geb. 1910)
Transaktionskosten und Property Rights
Standpunkte:
- Entwickler des Transaktionskostenmodells
(Unternehmer müssen Informationen
sammeln und Verträge abschließen)
- Durch steigende Organisationskosten sind
Unternehmen größenlimitiert
- Negative externe Effekte können durch
Verhandlungslösungen internalisiert werden
- Nutzt keine quantitativen, sondern verbalargumentative Ansätze
Hauptwerk: The Nature of the Firm
(1937; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
181
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Verhandlungen1
Zwei Fälle:
1) Mit Schadenshaftung des Schädigers:
Grundsätzlich ist die Schädigung untersagt
der Schädiger kann sich aber das Recht zur Schädigung erkaufen
der Geschädigte wird nur dann zustimmen, wenn die Kompensation
den Schaden mindestens ersetzt; der Schädiger wird nur dann zahlen,
wenn die Kompensation niedriger als die Vermeidungskosten ausfällt;
im Idealfall also wohlfahrtsoptimal
2) Ohne Schadenshaftung des Schädigers
Der Schädiger ist uneingeschränkt zur Verursachung negativer externer
Effekte berechtigt; hier müßte der Geschädigte dem Schädiger eine
Kompensation leisten, die mindestens den Vermeidungskosten entspricht
1
vgl. Fritsch, S. 118ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
182
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Handelbare Schädigungsrechte (Zertifikate) 1
- Kombination aus Elementen der Verhandlungslösung und der
Auflagenlösung nach Preis-Standard-Ansatz
- Staat legt Umfang der Schädigung fest; in diesem Umfang erfolgt
eine erstmalige Verteilung der Zertifikate (durch Auktion oder zunächst
entgeltlos quotal an vorhandene Schädiger)
- Wichtig: die Zertifikate müssen frei handelbar sein; dann ergibt sich im
Folgenden ein den Knappheitsverhältnissen des Umweltgutes
entsprechender Preis
- Unternehmen mit hohen Vermeidungskosten müssen Zertifikate erwerben;
Unternehmen mit geringen Vermeidungskosten (bessere Vermeidungstechnik können durch Veräußerung von Zertifikaten Erlöse erwirtschaften
=>
Motivation zur Entwicklung integrierter Umwelttechnologien
1
vgl. Fritsch, S. 101ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
183
1.6.2
Externe Effekte
Exkurs: Kategorien von Umwelttechniken
1) End of pipe – Techniken
Hier werden Umweltschäden am Ende einer Prozesskette möglichst
ausgeräumt; klassische Beispiele sind alle Arten von Filtertechniken,
die Schadstoffe vor der Emission in ein Umweltmedium binden
2) Integrierte Techniken
Hier werden Umweltschäden möglichst gleich vermieden;
Beispiele sind kreislaufwirtschaftliche Ansätze (z.B. geschlossene
Wassersysteme bei der Papierherstellung oder Wiederverwertung
von Wertstoffen; das Leitbild einer Kreislaufwirtschaft im Sinne
eines vollständig geschlossenen Systems ist jedoch als idealtypisch
zu klassifizieren und kann insofern nur approximiert werden) aber
auch integrierte Techniken wie Kraft-Wärme-Kopplung
Integrierte Techniken sind somit qualitativ hochwertiger und
ökonomisch sowohl zur Eigennutzung als auch zur Vermarktung
erstrebenswerter
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
184
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte
Haftungsrecht 1
- Umfasst Regeln, die festlegen, wann und in welcher Höhe ein
Geschädigter vom Schädiger zu kompensieren ist; zwei Fälle:
- Gefährdungshaftung (umfassendes Haftungsrecht):
Schädiger hat volle Schadenersatzpflicht, ungeachtet der Verschuldung
- Verschuldungshaftung:
Schadenersatzpflicht nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit
- Der potenzielle Schädiger wird aus ökonomischer Sicht die Kosten der
Schadenvermeidung und der eventuellen Haftung gegeneinander
abwägen und soweit in Schadenvermeidung investieren, bis sie den
erwarteten Schaden (Schadenhöhe x Schadenwahrscheinlichkeit)
erreichen
1
vgl. Fritsch, S. 126ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
185
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte - Zusammenfassung1
Instrument
Statische
Effizienz
Dynamische
Effizienz
Treffsicherheit
Moralische
Appelle
Fragwürdig
Allenfalls
schwach
ausgeprägt
sehr
unsicher
Signifikante Wirkungen
allenfalls in kleinen
Gruppen
Staatliche
Bereitstellung
i.d.R.
eingeschränkt
i.d.R.
eingeschränkt
i.d.R.
eingeschränkt
Nur, wenn nicht
anders möglich
Fusion /
kollektive
Bereitstellung
Potenziell
gut; u.U.
Machtproblem
Potenziell
gut; u.U.
Machtproblem
Potenziell
Gut
Fusion nur in Ausnahmefällen geeignet; kollektive
Bereitst. nur, wenn Ausschluss mögl. u. sinnvoll
Ge- und
Verbote
Auflagen
i.d.R.
schlecht
schlecht
eingeschränkt
Nur in Ausnahmefällen
geeignet
1
Fritsch, S. 132
Gesamteinschätzung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
186
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte - Zusammenfassung1
Instrument
Steuern /
Abgabe
Subventionen
zur Reduktion
einer
Schädigung
Subventionen
zur Stimulierung positiver
ext. Effekte
1
Fritsch, S. 132
Statische
Effizienz
gut
gut
gut
Dynamische
Effizienz
Treffsicherheit
gut
eingeschränkt
fragwürdig
(Anreiz zur
Schädigung)
gut
eingeschränkt
eingeschränkt
Gesamteinschätzung
Gut geeignet;
Problem der adäquaten
Bezugsgröße
Theoretisch bedingt
geeignet; Problem der
geeigneten Bezugsgröße;
fragwürdige
Verteilungswirkungen
Gut geeignet;
Problem der adäquaten
Bezugsgröße
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
187
1.6.2
Externe Effekte
Instrumente zur Internalisierung externer Effekte - Zusammenfassung1
Instrument
Statische
Effizienz
Dynamische
Effizienz
Treffsicherheit
Verhandlungen
Gesamteinschätzung
Mit SH theoret. bestes In-
- mit Schadenshaftung (SH)
gut
- ohne Schadenshaftung
gut
Handelbare
Rechte
(Zertifikate)
sehr
gut
gut
potenziell
gut
fragwürd. (Anreiz potenziell
zur Schädigung)
gut
gut (bei entsprechender
Kurspflege)
gut
Haftungsrecht
strument; prakt. nur schwer
umsetzbar (ungleich verteilte Transaktionskosten;
Informationsprobleme)
Konzeptionell gut geeignet;
Probleme der praktischen
Anwendung
Prinzipiell geeignet; prakt. ist
- Gefährdungshaftung
gut
relativ
gut
eingeschränkt
i.d.R. nur eine teilw. Internalis.
zu erreichen; schafft die Basis
- Verschuldungshaftung
i.d.R.
schlecht
Relativ
schlecht
eingeschränkt
zur ggfs. sinnvollen Anwendung
weiterer Internalisierungsverf.
1
Fritsch, S. 132
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
188
1.6.2
Externe Effekte
Diskutieren Sie die
Eignung der behandelten
Instrumente zur
Internalisierung externer Effekte
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
189
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Mangelnde Teilbarkeit
Liegt vor, wenn bei der Produktion eines Gutes bzw. der Erstellung einer
Leistung Größenvorteile eine wesentliche Rolle spielen.
Die Auswirkungen führen zu Marktformen, die vom Ideal der vollständigen
Konkurrenz abweichen (vgl. 1.4.4). Auf der Anbieterseite entstehen Oligopole
bis hin zu sogenannten „natürlichen Monopolen“.
Dabei entsteht wiederum die Gefahr einer Preisbildung, die dauerhaft nicht
zum Wohlfahrtsmaximum führt
(vgl. das Beispiel der Preisabsprache in 1.4.4).
Hinzu kommen weitere gesamtwirtschaftliche Nachteile
wie mangelnde Innovationsbereitschaft.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
190
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Mangelnde Teilbarkeit
Subadditivität von Kosten:
Ein Gut kann von einem Anbieter kostengünstiger angeboten werden
als von mehreren
Die Durchschnittskosten sinken stetig (anders beispielsweise als in der
ertragsgesetzlichen Produktionsfunktion (vgl. 1.4.3)); das Ausmaß
der Größenvorteile ist erheblich und eine hohe Nachfrage setzt erst zu
relativ geringen Preisen ein
„Subadditivität besagt nichts anderes,
als dass die Gesamtkosten für die Produktion von Teilmengen
eines Gutes (oder mehrerer Güter) höher sind
als bei der Produktion der gesamten Menge ´in einer Hand´.“
(Fritsch, S. 164)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
191
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Mangelnde Teilbarkeit
Beispiele für mangelnde Teilbarkeit:
- Klassisches Beispiel:
Leitungsnetze (Stromversorgung, Schienenverkehr)
- Großaggregate (z.B. Kraftwerke)
- Gewinnung und Logistik (Pipelines, Tanker) fossiler Rohstoffe
=>
Hohe Fixkosten, die auf eine möglichst hohe Ausbringungsmenge
verteilt werden müssen
=>
Hohe Irreversibilität einmal getroffener Investitionsentscheidungen
(sunk costs; hohe Marktaustrittsbarrieren)
=>
Tendenz zu Oligopolen bis hin zu natürlichen Monopolen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
192
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Mangelnde Teilbarkeit
Erfordernis wirtschaftspolitischer Maßnahmen in Abhängigkeit von
Subadditivität und Irreversibilität:1
Subadditivität
Irreversibilität
gering
1
hoch
Markt mit Tendenz
zu Inflexibilität
Vor Konkurrenz geschütztes
natürliches Monopol
=> evtl. Probleme durch
Anpassungsmängel
=> i.d.R. wirtschaftspol.
Eingriff wünschenswert
„Normaler“ Markt
Durch potenzielle Konkurrenz
diszipliniertes natürl. Monopol
=> kein Eingriff erforderlich
=> kein Eingriff erforderlich
gering
Fritsch, S. 185
hoch
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
193
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Mangelnde Teilbarkeit
Jeweils hohe Subadditivität und Irreversibilität in verschiedenen
Wirtschaftsbereichen:1
Verteilung von Strom oder Gas (nicht Erzeugung!)
Verteilung von Fernwärme (nicht Produktion)
Verteilung von Wasser (nicht Produktion)
Telefon – Ortsnetz (nicht Fernverkehr / Endgeräte)
Verteilung Kabel – TV
Weginfrastruktur Bahn (nicht Verkehrsleitsystem / Transport)
Pipeline
1
Fritsch, S. 186
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
194
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Wirtschaftspolitische Eingriffmöglichkeiten
bei mangelnder Teilbarkeit:
Hier sind zunächst die unter 1.4.5 beschriebenen wettbewerbspolitischen
Maßnahmen zu nennen, die eine Diskriminierung von Konkurrenten und
Nachfragern verhindern sollen:
- Kartellverbot
- Verbot des Mißbrauchs von Marktmacht (s. nächste Folie)
- Unterbinden von abgestimmtem Verhalten
- Fusionskontrolle zur Verhinderung von Konzentration und Entstehung
von Marktmacht
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
195
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten
bei mangelnder Teilbarkeit:
Marktmachtbedingte Beschränkungen verhindern ist hier von besonderer
Relevanz (vgl. 1.4.5)
Dazu gehört neben den bereits genannten Tatbestände des § 19 GWB
die Unterbindung von
- Boykotten potenzieller Konkurrenten
- Preisdifferenzierung durch Monopolisten oder marktmächtige
Oligopolisten zur Verhinderung des Marktzugangs potenzieller
Konkurrenten
- Exklusiv-Verträgen mit dem Zweck des Ausschlusses potenzieller
Konkurrenten
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
196
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten
bei mangelnder Teilbarkeit:
Aus den bisherigen Schilderungen folgt, dass potenzielle Wettbewerber
mit erheblichen Marktzutrittsbeschränkungen konfrontiert sind.
Einem möglichen Ausräumen von Marktzutrittsbeschränkungen kommt
demzufolge ebenfalls eine hohe Bedeutung zu:
Zweck: Motivation potenzieller zusätzlicher Marktteilnehmer
zum Markteintritt
Im Umkehrschluss sollten möglichst keine staatlichen Restriktionen
einen Marktzutritt verhindern
Eine Ausnahme können staatlich definierte Monopole sein, die einen
Marktzutritt sogar unmöglich machen, wobei der Monopolist aber
auch einer entsprechenden staatlichen Kontrolle unterliegt, die einen
Mißbrauch der Marktmacht unterbindet
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
197
1.6.3
Mangelnde Teilbarkeit
Wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten
bei mangelnder Teilbarkeit:
Eingrenzung „natürlicher“ Monopole (vgl. 1.4.4)
1)
In der Wertschöpfungskette auf monopolistische Kernbereiche
=> Unterbindung vertikaler Integration durch Fusionskontrolle;
dem Monopolisten wird untersagt, vor- oder nachgelagerte
Unternehmen zu akquirieren
2)
Im Marktverhalten durch die Auferlegen von Verhaltensmaßregeln
=> vgl. auch hier die in § 19 GWB und der vorangegangenen Folie
thematisierten Tatbestände
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
198
1.6.4
Informationsasymmetrien
Informationsasymmetrien
In der Modellwelt werden vollkommene Märkte
mit unendlichen Reaktionsgeschwindigkeiten,
einheitlichen Informationsständen
und Präferenzen unterstellt.
In der Realität liegen unvollständige
Informationsstände, Informationsdefizite
oder Informationsasymetrien vor,
die im Extremfall zu Marktversagen führen können.
Beispiele sind Intransparenzen über
Preise und / oder Qualitäten von Gütern.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
199
1.6.4
Informationsasymmetrien
Informationsasymmetrien
Meist verfügen die Anbietern von Gütern
über einen höheren Informationsstand
als die Nachfrager.
Günstigenfalls wird dann versucht, über
Kommunikations- und Kontrahierungspolitik
die Informationsdefizite bei den Nachfragern
soweit zu reduzieren, dass es zu
Markttransaktionen kommt.
Wie?!
Ungünstigenfalls werden
Informationsvorsprünge instrumentalisiert,
um Nachfrager zu täuschen und zu benachteiligen.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
200
1.6.4
Informationsasymmetrien
Informationsasymmetrien
Klassisches Beispiel „The Market for Lemons“ von Akerlof (1970)
über den Gebrauchtwagenmarkt1.
=>
Qualitätsintransparenz kann zum Markzusammenbruch führen:
Interpretation:
Auf einem funktionierenden lokalen Gebrauchtwagenmarkt
machen sich Anbieter mit Fahrzeugen schlechter Qualität breit.
Die bis dahin vertrauensvollen Nachfrager werden nach mehreren
„Fehlkäufen“, die sich herumsprechen, immer mißtrauischer;
sie sind nur noch bereit, zu sehr geringen Preisen Gebrauchtwagen
zu kaufen, um das Risiko eines Fehlkaufes zu kompensieren;
1Akerlof,
George-A.: The Market for "Lemons", in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 84 (1970), S. 488-500.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
201
1.6.4
Informationsasymmetrien
Informationsasymmetrien
Klassisches Beispiel „The Market for Lemons“ von Akerlof (1970)
über den Gebrauchtwagenmarkt1.
Interpretation:
zu diesen Preisen sind aber die Anbieter guter Gebrauchtwagen
nicht mehr bereit zu verkaufen; die nach und nach abnehmenden
Transaktionen konzentrieren sich auf schlechte Fahrzeuge;
misstrauenbedingt werden keine fairen Preise für qualitativ
gute Gebrauchtwagen gezahlt; der Markt bricht schließlich zusammen.
Daher spielt Vertrauen – zumeist basiert auf positiven Erfahrungen – eine
wesentliche Rolle zur Funktion solcher Märkte.
1Akerlof,
George-A.: The Market for "Lemons", in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 84 (1970), S. 488-500.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
202
1.6.4
Informationsasymmetrien
Wichtige Ökonomen:
George A. Akerlof
(geb. 1940)
Kritiker der idealtypischen Rationalität
Standpunkte:
- Märkte funktionieren nicht automatisch
effizient
- Insbesondere dann nicht, wenn Informationsasymmetrien dazu führen, dass keine
angemessenen Preise zustande kommen
- Berücksichtigung gesellschaftlicher Normen
und sozialpsychologischer Ansätze in der
Ökonomie, die in der (Neo)Klassik
vernachlässigt werden
Hauptwerk: The Market for "Lemons”, 1970
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
203
1.6.4
Informationsasymmetrien
Gütertypen und Informationsasymmetrien:1
Gütertyp
Charakteristika
Neoklassischhomogenes Gut
Qualität ist bereits vor Vertragsabschluss vollständig bekannt
null
Such- bzw.
Inspektionsgut
Qualität vor Vertragsabschluss
zu geringen Kosten erkennbar
gering
Erfahrungsgut
Qualität wird erst nach dem
Konsum des Gutes vollständig
bekannt, vor Vertragsschluss
ist sie nur unter relativ hohen
Kosten zu beurteilen
Qualität kann weder vor VertragsVertrauens- oder abschluss eingeschätzt werden,
Glaubensgut
noch ist sie nach dem Konsum
des Gutes bekannt
1Fritsch,
S. 253
Grad der potenziellen
Informationsasymmetrie
mittel
hoch
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
204
1.6.4
Informationsasymmetrien
Wirtschaftspolitische Eingriffsmöglichkeiten
bei Informationsasymmetrien:
Transparenz- und sicherheitserhöhende Regelwerke, wie
- Transparenzschaffung durch Normen / (Qualitäts-)Standards
- Informationsverpflichtungen für den Hersteller / Anbieter
(aber: mögliches Verständnis- / Komplexitätsproblem
- Rücktrittsrechte für den Käufer
- Garantie- und Haftungsvorschriften für „Nach-Kauf-Sicherheit“
Am wichtigsten sind jedoch die genannten erfahrungsbedingten Vertrauensbeziehungen, die allerdings kein wirtschaftspolitisches Instrument darstellen.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
205
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Mangelnde Verteilungsgerechtigkeit
- Wird häufig als Form von Marktversagen angeführt
- Ist aber kein Marktversagen, da der Marktmechanismus nicht in
Anspruch nimmt, Verteilungsgerechtigkeit herbeizuführen
(vgl. 1.1 und 1.2)
- Im folgenden wird das Thema „Verteilungsgerechtigkeit“
im Rahmen der Ziele der Wirtschaftspolitik (vgl. 3.2) thematisiert
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
206
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Wichtige Ökonomen:
Karl Marx
(1818 – 1883)
Theoretiker des Kommunismus
Standpunkte:
- Es kommt nicht auf Interpretation,
Sondern auf Veränderung an
- Das (tote) Kapital wird durch die
Arbeiterklasse belebt
- Den Mehrwert erhalten die Kapitalisten
- Immer mehr Kapitalismus führt dann
aber zu Überproduktion und Krisen
- Daraus entsteht der Sozialismus
Hauptwerk: Das Kapital (Band 1)
(1867; Original
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
207
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Nachhaltige Ungleichgewichte –
Marktversagen oder Politik(er)versagen?
Bei nachhaltigen Marktungleichgewichten (z.B. andauernder Arbeitslosigkeit)
herrscht in der Ökonomie keine Einigkeit darüber, ob hier der Markt oder
die Politik(er) durch falsche Rahmensetzungen „versagt“ haben
Diese divergierenden Ansichten zwischen
„Keynesianern“
(die Märkte tendieren zu dauerhaften Ungleichgewichten) und
„Neoklassikern“
(die Märkte tendieren zu dauerhaften Gleichgewichten)
werden unter 3.3 thematisiert
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
208
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Exkurs 1:
Marktversagen durch unethisches Verhalten?
Beispiel Hypothekenkredite
Was ist hier passiert?
Passt das Beispiel zur Synopse der Formen von Marktversagen?
Impulszitat:
„Es sind, wie ich sie am liebsten nenne, Neutronenkredite, die wie eine
Neutronenbombe Menschen töten, aber Gebäude intakt lassen“
(James K. Galbraith, US-Ökonom und Sohn des berühmten John K.
Galbraith über die falsche Bewertung von faulen Krediten, zitiert in
Wirtschaftswoche, Nr. 14, 2009, S. 130)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
209
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Wichtige Ökonomen:
John K. Galbraith
(1908 – 2006)
Moderner Wohlfahrtsökonom
Standpunkte:
- Überangebot an Gütern geht einher mit
Versorgungsmängeln und Armut
- Grund sind wachstumsorientierte
Unternehmensstrategien
- Der Macht der Unternehmen stehen jedoch
starke Gegenmächte entgegen (z.B. Gewerkschaften; => countervailing power)
- Mehr Staatsaktivität für mehr soziale
Symmetrie
Hauptwerk: The affluent society
(dt.: Gesellschaft im Überfluss; 1958; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
210
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Exkurs 2:
Marktversagen durch unethisches Verhalten?
Beispiel „Finanzinstrumente“ / „Finanzprodukte“
Was ist hier passiert?
Passt das Beispiel zur Synopse der Formen von Marktversagen?
Impulszitat:
„Die Computer ermöglichten alsbald auch die Schaffung
hochkomplizierter und deshalb in ihren Risiken undurchsichtiger
Finanzinstrumente, sogenannter Derivate, darunter vielerlei Zertifikate.
Die angloamerikanische Finanzindustrie hat dafür den hochtrabenden
Namen „Finanzprodukte“ in Gebrauch genommen“
(Helmut Schmidt in Die Zeit, Nr. 4 2009)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
211
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Exkurs 2: Marktversagen durch unethisches Verhalten?
Sonderfall „ungedeckte Leerverkäufe“ – exemplarische Funktionsweise:
Spekulant A vereinbart mit Anleger B, diesem nach einer festgelegten Frist
(Beispiel: nach sechs Monaten) ein Anzahl von Aktien zu einem Kurs zu
verkaufen, der unter dem aktuellen Tageskurs liegt (Beispiel: 1.000 Aktien,
die heute zu 100 Euro gehandelt werden zu einem Preis von 90 Euro).
Allerdings besitzt A diese Aktien gar nicht („Leer“). Er baut darauf und
setzt alle Mittel in Bewegung, dass der Aktienkurs sinkt, ungeachtet der
tatsächlichen Entwicklung des Unternehmenswertes. Dann kauft er nach
Ablauf der Frist die Aktien zum nunmehr gefallenen Kurs (z.B. 80 Euro)
und verkauft sie zum vereinbarten höheren Preis.
Hat A genug Marktmacht oder gibt es genug andere Spekulanten mit
Interesse daran, dass der Aktienkurs sinkt, wird er auch sinken, obwohl
- wie beschrieben – der reale Unternehmenswert diese Entwicklung
nicht begründet.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
212
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Exkurs 2: Grundproblem für diese Art von Finanzinstrumenten:
Entkoppelung von Wertschöpfung (des Underlying) und
Wertentwicklung (des Finanzinstrumentes)
D.h., die Finanzinstrumente und somit das darin investierte Kapital
setzen nicht auf die Entwicklung eines Wertschöpfung erzielenden
Wirtschaftsgutes (z.B. Unternehmen, Rohstoff aus Knappheitsperspektive),
sondern auf ein entkoppeltes Underlying (z.B. Indizes, Rohstoffe aus
Spekulationsperspektive).
Solche Finanzinstrumente intendieren keine win-win-Situationen
(durch Wertschöpfung gewinnen sowohl Unternehmen als auch Anleger),
sondern können, da keine Wertschöpfung zugrundeliegt, nur zu win-looseSituationen führen, haben somit Wettcharakter und gehören entsprechend
Gehandelt und sanktioniert. Dies ist jedoch von der Politik – trotz entsprechender Ankündigungen nach der Finanzkrise 2008 – versäumt worden.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
213
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Exkurs 2: Grundproblem für diese Art von Finanzinstrumenten:
Entkoppelung von Wertschöpfung (des Underlying) und
Wertentwicklung (des Finanzinstrumentes)
Weiteres Beispiel für diesen Sachverhalt:
Cross Border Leasing
als (gescheiterter) Versuch, Arbitragegewinne zu realisieren.
Was wurde hier versucht?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
214
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Synopse der möglichen Reaktionen auf Marktversagen
Die möglichen Reaktionen / Eingriffsmöglichkeiten weisen eine große
Bandbreite unterschiedlicher Intensitäten auf:
- Nichtstun und auf die „Selbstheilungskräfte“ der Märkte
durch die „unsichtbare Hand“ vertrauen
- „weiche Faktoren“ wie moralische Appelle
- Ordnungspolitische Maßnahmen (Rahmensetzung)
- Preis- / prozesspolitische Eingriffe
Art und Umfang der Reaktionen werden durch die Politik determiniert
⇒
Wie sieht daher die Rolle des
Staates in der Ökonomie aus?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
215
2
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
2 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
216
2.1
Grundlagen und Definitionen
Was versteht man unter Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnungen (VGR)?
„Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen haben die Aufgabe,
für einen bestimmten Zeitraum ein möglichst umfassendes,
übersichtliches, hinreichend gegliedertes, quantitatives Gesamtbild
des wirtschaftlichen Geschehens in einer Volkswirtschaft zu geben.
Dabei wird die wirtschaftliche Betätigung aller Wirtschaftseinheiten
erfasst, die ihren ständigen Sitz bzw. Wohnsitz im Wirtschaftsgebiet
haben (Inlandskonzept)“
(Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Wiesbaden 2011, S. 3)
Vom Inlandskonzept ist das „Inländerkonzept“ zu unterscheiden,
dass auf Nationalitäten abzielt. Ein Deutscher mit Sitz und wirtschaftlicher Aktivität im Ausland wird demnach nicht in der deutsche VGR
erfasst; ein Nicht-Deutscher mit Sitz und wirtschaftlicher Aktivität in
Deutschland dagegen ja.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
217
2.1
Grundlagen und Definitionen
Zentrale Größe der VGR ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) (vgl. 2.2)
Die VGR bestehen aus:
- der Input-Output-Rechnung (Leistungsverflechtungen; welcher Bereich leistet für
welchen anderen, inkl. Wertschöpfungsrechnung und Gesamtaufkommen an Gütern)
- der Finanzierungsrechnung (zeigt, in welchem Umfang und in welcher Form private
Haushalte, Unternehmen und Staat finanzielle Mittel bereitstellen oder beanspruchen)
- der Erwerbstätigenrechnung (Ermittlung der Personen, die eine auf wirtschaftlichen
Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben bzw. in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis stehen)
- der Arbeitsvolumenrechnung
aller Erwerbstätigen) und
(Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit
- der Vermögensrechnung (Bilanzierung des Anlagevermögens in der Volkswirtschaft
sowie des Schuldensaldos ggü. dem Ausland und dem Volksvermögen)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
218
1.6.5
Ergänzungen und Exkurse
Wichtige Ökonomen:
Wassily Leontief
(1905 - 1999)
Entwickler der Input-Output-Analyse
Standpunkte:
- Diskrepanz zwischen ökonomischer Theorie
und Fakten
- Theorie verwendet reduktionistische Variablen
und Kriterien wie BIP oder Preisniveaus
- Diese korrespondieren nicht mit der
Komplexität der Realität
- Detaillierte Input-Output-Analysen zur Abbildung
der Transaktionsbeziehungen der volkswirtschaftlichen Sektoren erforderlich
Hauptwerk: Input-Output Analysis
(1951; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
219
2.1
Grundlagen und Definitionen
Die Vermögensrechnung als Bestandteil der VGR:
Vermögensbilanz
Mrd. EUR am Jahresanfang
Verm ögensarten
1992
2000
2007
2008
2009
2010
Gesamte Volkswirtschaft
Aktiva ..........................................................................
6.812
10.132
13.916
14.723
15.076
15.188
Alle Anlagegüter ......................................................
4.832
6.324
7.346
7.700
8.012
7.989
Sachanlagen ...........................................................
Nutztiere und Nutzpflanzungen .......................
Ausrüstungen ....................................................
Bauten ..................................................................
Wohnbauten .....................................................
Nichtw ohnbauten ............................................
Im m aterielle Anlagegüter ...................................
4.798
8
774
4.017
2.193
1.824
34
6.275
7
897
5.371
3.093
2.278
49
7.283
8
980
6.295
3.725
2.570
63
7.636
8
1.016
6.613
3.926
2.688
64
7.948
8
1.086
6.854
4.067
2.787
64
7.924
8
980
6.936
4.139
2.797
64
Bauland .......................................................................
1.168
1.469
2.105
2.150
2.206
2.199
Forderungen gegenüber dem Ausland ..............
812
2.338
4.465
4.873
4.859
5.000
Passiva .......................................................................
6.812
10.132
13.916
14.723
15.076
15.188
Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland ......
634
2.347
4.101
4.496
4.402
4.367
Volksverm ögen (= Reinverm ögen) ......................
6.179
7.784
9.815
10.227
10.675
10.821
Quelle:
Statistisches
Bundesamt
2011
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
220
2.1
Grundlagen und Definitionen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
221
2.1
Grundlagen und Definitionen
Rechtliche Grundlage und internationale Vergleichbarkeit:
Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Europäischen Parlaments und Rates
Alle EU – Mitgliedsländer müssen VGR nach dem Europäischen System
Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 1995 berechnen.
Internationale Vergleichbarkeit im EU – Raum ist somit gewährleistet.
Nutzer der VGR (1):
Die VGR stellen wichtige Daten für die Beurteilung und Gestaltung der
Wirtschafts-, Finanz-, Sozialpolitik und weiterer Politikbereiche bereit.
Auf die Angaben der VGR stützen sich Politik, Wirtschaft und Verwaltung
Bei ihren Arbeiten und Entscheidungen. Sie dienen als Grundlage für
Gutachten, Wachstumsprognosen, Steuerschätzungen, Rentenanpassungen,
Tarifverhandlungen u.ä.
(Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Wiesbaden 2011, S. 4)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
222
2.1
Grundlagen und Definitionen
Nutzer der VGR (2):
Nationale Nutzer sind vor allem die Bundesregierung
(speziell das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi),
das Bundesministerium für Finanzen (BMF) sowie das Bundeskanzleramt),
die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der
Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wirtschaftsforschungsinstitute,
Universitäten und Medien.
Hauptnutzer der VGR auf internationaler Ebene sind das Statistische Amt
der Europäischen Gemeinschaft (Eurostat), die Europäische Zentralbank
(EZB), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der internationale Währungsfonds (IWF).
(zu den Institutionen vgl. 3.4)
(Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Wiesbaden 2011, S. 4)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
223
2.2
Bruttoinlandsprodukt als zentraler Bestandteil der VGR
Ja, ja, ja jetzt
wird wieder in
die Hände
gespuckt.
Wir steigern
das Bruttosozialprodukt.
(genauer: das Bruttoinlandsprodukt)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
224
2.2
Bruttoinlandsprodukt als zentraler Bestandteil der VGR
Zentrale Größe der VGR ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP),
welches alle im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen abzüglich
der Vorleistungen misst.
Die wichtigste Größe ist dabei die Veränderungsrate des preisbereinigten
Bruttoinlandsprodukts, die die wirtschaftliche Entwicklung ausdrückt und
auch als Wirtschaftswachstum bezeichnet wird.
Die Inlandsproduktrechnung setzt sich zusammen aus
- der Entstehungs-,
- der Verwendungs- und
- der Verteilungsrechnung
(Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Wiesbaden 2011, S. 3)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
225
2.2
Bruttoinlandsprodukt als zentraler Bestandteil der VGR
Bruttoinlandsprodukt (Mrd. €; Quartalswerte; unten: Jahreswerte)
Quelle: Statistisches Bundesamt
2.242
2.327
2.432
2.481
2.375
2.496
2.593
2.644
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
226
Entstehung,
Verwendung und
Verteilung des
Bruttoinlandsprodukts
2012 (in Mrd. Euro)
Quelle: Statistisches Bundesamt
227
2.2
Bruttoinlandsprodukt als zentraler Bestandteil der VGR
Bruttoinlandsprodukte im Vergleich (2010; Mrd. €)
Deutschland
Frankreich
Großbritannien
Italien
Griechenland
Spanien
Niederlande
Österreich
Euroraum
EU
Zum Vergleich:
USA
Japan
China
2.496
1.948
1.454 (in GBP; Wert in € bei 0,9 GBP/€: 1.309)
1.549
230
1.063
591
284
9.204
12.281
14.658
5.459
5.878
(in US$; Wert in € bei 1,4 $/€: 10.470)
(in US$; Wert in € bei 1,4 $/€: 3.899)
(in US$; Wert in € bei 1,4 $/€:
4.199)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
228
2.3
Ein Bundesland zieht Bilanz
Bilanz des Bundeslandes Hessen zum 31.12.2009
AKTIVA
Mio €
A Anlagevermögen
I
Immaterielle VG
II Sachanlagen
III Finanzanlagen
24.115
82
18.940
5.093
B Umlaufvermögen
I
Vorräte
II Forderungen u. sonst. VG
III Wertpapiere des UV
IV Flüssige Mittel
11.140
264
10.480
7
389
C RAP
D Nicht durch EK gedeckter
Fehlbetrag
Bilanzsumme
317
PASSIVA
A Eigenkapital
I Nettoposition
II Jahresergebnis
III Nicht durch EK
gedeckter Fehlbetrag
B SoPo Zuweisungen/Zuschüsse
Mio €
-57.879
-6.991
64.870
220
C Rückstellungen
davon für Pensionen u.ä.
52.069
40.112
D Verbindlichkeiten
davon Anleihen
48.142
21.551
64.870
E RAP
100.443
Bilanzsumme
11
100.443
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
229
2.3
Ein Bundesland zieht Bilanz
Bilanzanalyse
des Landes
Hessen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
230
3
Die Rolle des Staates in der Volkswirtschaft
3 Die Rolle des Staates in der Volkswirtschaft
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
231
3.1
Wirtschaftssysteme als übergeordneter Rahmen
Grundfrage:
wie wird eine arbeitsteilige Wirtschaft
mit tausenden Unternehmen,
millionen Haushalten
und milliarden Transaktionen gesteuert?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
232
3.1
Wirtschaftssysteme als übergeordneter Rahmen
Grundsätzlich geht es um die Koordination der
Einzelpläne der Wirtschaftseinheiten:
Zentral
Koordination der Einzelpläne
der Wirtschaftseinheiten
Dezentral
Dementsprechend gestalten sich die grundlegenden
Wirtschaftssysteme
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
233
3.1
Wirtschaftssysteme als übergeordneter Rahmen
Begriffsdefinitionen:1
Wirtschaftssystem:
… der theoretische Lösungsansatz der volkswirtschaftlichen Grundprobleme…, d.h. die Modellvorstellungen über die Möglichkeiten zur Bewältigung der auftretenden wirtschaftlichen Probleme.
„Ein Wirtschaftssystem bezeichnet also ein
erdachtes, rein logisches Gebilde, d.h. den als
sinnvolle Einheit erscheinenden Typus einer
wirtschaftlichen Ordnung.“
⇒
1
Theoretisch und hoch aggregiert; wenig operational
vgl. Wagenblaß, H.: Volkswirtschaftslehre, öffentliche Finanzen und Wirtschaftspolitik,
8. Aufl., Heidelberg 2008, S. 35f. und die dort angegebene Literatur
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
234
3.1
Wirtschaftssysteme als übergeordneter Rahmen
Begriffsdefinitionen:1
Wirtschaftsordnung: … gibt Auskunft über die in der Realität bestehende
Lösung der wirtschaftlichen Probleme eines Landes.
Wirtschaftsordnung ist der Inbegriff aller qualitativen
Normen, die das Wirtschaftsgeschehen bestimmen
und ordnen.
Solche qualitativen Normen können einerseits
Rechtsnormen sein, die sich auf die Wirtschaft
beziehen, andererseits auch Verhaltensweisen
(Konventionen) der Wirtschaftssubjekte, sei es in
Form von speziellen privatrechtlichen Vereinbarungen … oder von allgemein gewohnheitsmäßigem
Handeln …
1
vgl. Wagenblaß, H.: Volkswirtschaftslehre, öffentliche Finanzen und Wirtschaftspolitik,
8. Aufl., Heidelberg 2008, S. 35f. und die dort angegebene Literatur
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
235
3.1
Wirtschaftssysteme als übergeordneter Rahmen
Begriffsdefinitionen:1
Wirtschaftsverfassung: Wird nur auf die gesetzlichen Normen zur
Ordnung des Wirtschaftsgeschehens abgehoben,
spricht man von Wirtschaftsverfassung.
Wirtschaftsverfassung umfasst … die in
Verfassung, Gesetzen und Rechtsverordnungen
enthaltenen, auf das Wirtschaften bezogenen
Normen.
Die Wirtschaftsverfassung ist also ein Teil,
wenn auch der maßgeblichste, der Wirtschaftsordnung eines Landes.
1
vgl. Wagenblaß, H.: Volkswirtschaftslehre, öffentliche Finanzen und Wirtschaftspolitik,
8. Aufl., Heidelberg 2008, S. 35f. und die dort angegebene Literatur
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
236
3.1.1
Marktwirtschaft
Grundformen von Wirtschaftssystemen:
Dezentrale Koordination der Einzelpläne der Wirtschaftseinheiten
=>
(klassische) Marktwirtschaft
Weitere konstituierende Prinzipien der (klassischen) Marktwirtschaft:
Wichtigstes konstituierendes Prinzip: Freiheiten in Bezug auf
wirtschaftliche Aktivitäten, z.B.
-
Konsumentensouveränität,
Freizügigkeit,
Freiheit der Berufswahl,
Vertragsfreiheit
(nicht zwingend übereinstimmend mit politischen Freiheiten
und rechtlichen Freiheiten ohne Bezug zur Wirtschaftsordnung)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
237
3.1.1
Marktwirtschaft
Weitere konstituierende Prinzipien
der (klassischen) Marktwirtschaft:
Dezentrale Koordination der Einzelpläne der Wirtschaftseinheiten bedeutet:
- Entscheidungen über Produktion und Allokation liegen bei den
Wirtschaftseinheiten
- Die Nachfrager dominieren durch ihre Konsumentensouveränität
- Markt als Koordinationsinstrument
- Idealtypische Marktform: vollständige Konkurrenz
Problem: „Tendenz zu Nullgewinnen“ (vgl. )
- vorwiegend Privateigentum an Produktionsfaktoren
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
238
3.1.1
Marktwirtschaft
Rolle des Staates in der (klassischen) Marktwirtschaft:
- Der Staat setzt den ordnungspolitischen Rahmen
inkl. der Wirtschaftsverfassung
- Im Umkehrschluss: Keine prozesspolitischen Eingriffe in Preise
und Mengen, sondern Steuerung durch Markt und Wettbewerb
- Der Staat sorgt für sichere Rahmenbedingungen
Zusammengefasst setzt der Staat die Spielregeln fest,
innerhalb derer die Wirtschaftseinheiten ihre Spielzüge vollziehen
und wird lediglich in folgenden Funktionen aktiv:
1) Schutz nach innen und außen
2) Rechtsetzung und Rechtsprechung
3) Bereitstellung öffentlicher Güter
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
239
3.1.1
Marktwirtschaft
Dezentrale Koordination der Einzelpläne der
Wirtschaftseinheiten bedeutet somit einerseits:
Individuelles und eigenverantwortliches
planen und agieren der Wirtschaftseinheiten
Es bedeutet aber auch:
erhebliche Risiken für die Wirtschaftseinheiten, wie:
Nichterfüllung von Bedürfnissen,
Verdienstausfall,
Konkurs
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
240
3.1.1
Marktwirtschaft
Schlagworte
„LaissezfairePrinzip“
„Nachtwächterstaat“
=> Staat hat in einer Art
„Nachtwächterfunktion“
lediglich für Ruhe und
Ordnung zu sorgen
(trifft auch für die klassische
Marktwirtschaft nur
eingeschränkt zu)
=> Den Wirtschaftseinheiten
wird im Rahmen der
Spielregeln Aktionsfreiheit gelassen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
241
3.1.1
Marktwirtschaft
Erneutes Optimierungsproblem:
Wie können nun die der klassischen Marktwirtschaft
inhärenten Risiken reduziert werden,
die Bedürfnisbefriedigung zum einen gesteigert
und zum anderen gerechter gemacht werden,
Unter Beibehaltung möglichst vieler Freiheiten?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
242
3.1.2
Planwirtschaft
Das der klassischen Marktwirtschaft entgegenstehende
Wirtschaftssystem ist die zentrale Planwirtschaft
Wichtigstes konstituierendes Prinzip der zentralen Planwirtschaft
ist die zentrale planerische Entscheidung über Produktion und Allokation.
Eine zentrale Planinstanz entscheidet über die Produktionsprogramme an
Gütern und Dienstleistungen, ausgehend von der vermeintlichen
Kenntnis der optimalen Bedürfnisbefriedigung der Wirtschaftseinheiten.
Grundlegendes Problem:
Planungsprozesse unterliegen zwei Dimensionen der Ungewißheit:
1) Zukunftsbezug
2) Unvollständigkeit der Informationen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
243
3.1.2
Planwirtschaft
Aus dem grundlegenden Prinzip der zentralen planerischen
Entscheidungen über Produktion und Allokation resultieren
weitere konstituierende Prinzipien der zentralen Planwirtschaft:
- Prinzip der Planerfüllung
- Daraus folgen eingeschränkte Freiheiten der Wirtschaftseinheiten
- Hierarchische statt dezentraler Steuerung
(top down vs. bottom up)
- vorwiegend Kollektiveigentum an Produktionsfaktoren
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
244
3.1.2
Planwirtschaft
Rolle des States in der zentralen Planwirtschaft:
- Planfestlegung
- Planumsetzung
- Ggfs. Sanktionierung bei Nichteinhaltung
- Steuerung der Produktionsfaktoren
Darüber hinaus kommen dem Staat auch die Rollen zu, die er in der
Marktwirtschaft hat:
- Schutz nach innen und außen
- Rechtsetzung und Rechtsprechung
Die Funktion der Bereitstellung öffentlicher Güter erübrigt sich aufgrund
der zentralen Planung der Bereitstellung sämtlicher Güter und Leistungen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
245
3.1.2
Planwirtschaft
Idealtypischer Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus 1
(vereinfacht nach Karl Marx):
- Grundsätzlich orientiert sich Marx an der Hegelschen Dialektik
(These => Antithese => Synthese)
- Klassenkonflikte sind die Treiber sozialer und ökonomischer Entwicklung
- Im Kapitalismus realisieren die Kapitalisten Mehrwert durch stetige
Erhöhung der Produktivität der Arbeiter
- dies führt in zyklischen Bewegungen zu einem Anwachsen des
Konzentrationsgrades in der Ökonomie und zu einer ansteigenden
Arbeitslosigkeit
- und schließlich zum Zusammenbruch des Kapitalismus
wie vollzieht sich nun der konkrete Übergang zum Sozialismus?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
246
3.1.2
Planwirtschaft
Idealtypischer Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus 2
(vereinfacht nach Karl Marx):
- Der Kapitalismus ist auf stetiges Wachstum angewiesen,
was ihn aber letztendlich zum Scheitern bringt
- In der Phase des Spätkapitalismus liegt eine hohe Konzentration
in der Ökonomie vor, so dass es nur verhältnismäßig wenige
Eigentümer an den Produktionsfaktoren gibt
- Auch der Markt- / Preismechanismus funktioniert durch den hohen
Konzentrationsgrad nur noch eingeschränkt
- Daher ist es relativ einfach, die Produktionsfaktoren in
Kollektiveigentum übergehen zu lassen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
247
3.1.2
Planwirtschaft
Idealtypischer Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus 3
(vereinfacht nach Karl Marx):
Problem:
der von Marx angedachte Übergang ist zwar theoretisch
schlüssig; in der Realität waren die Rahmenbedingungen
hierfür aber so nicht gegeben
Beispiel:
Russland im Revolutionsjahr 1917 =>
Klassengesellschaft auf niedrigem ökonomischen
Entwicklungsstand statt ständig gewachsenem Kapitalismus
mit hohem Konzentrationsgrad
Behebungsversuch von Lenin: staatsmonopolistischer Kapitalismus
(Stamokap): Weiterentwicklung des Kapitalismus bei
staatlicher Kontrolle der Monopole und Kontrolle der
Kapitalisten durch Arbeiterräte
Reale ökonomische Entwicklung in der Sowjetunion:
extreme Industrialisierung und Kollektivierung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
248
3.1.2
Planwirtschaft
Konsequenz der zentralen planerischen Entscheidung
über Produktion und Allokation:
Suboptimale Produktions- und Allokationsprozesse
- Keine noch so gut planende Instanz ist in der Lage,
die Milliarden Transaktionen innerhalb einer Volkswirtschaft
im Vorhinein so festzulegen, dass ein Optimum annäherungsweise
erreicht wird (und wenn, dann beruht es einerseits auf Zufall und ist
andererseits auch nicht validierbar)
- Durch die Einschränkung eigenverantwortlichen und den Individualnutzen
erhöhenden Verhaltens fehlt es an entsprechenden Anreizsystemen
für die Wirtschaftseinheiten (die wohlfahrtssteigernden
„nicht intendierten Folgen intendierten Handelns“
(vgl. 1.1 sowie 3.3.3) bleiben aus)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
249
3.1.2
Planwirtschaft
Daher stellt sich erneut die Frage, wie eine
Balance zwischen
der Förderung von Freiheiten
und der Reduktion von Risiken
herbeigeführt werden kann, mit anderen Worten:
Eine Aktivierung des Selbstinteresses der Wirtschaftseinheiten
(ungleich Egoismus) als Motivation zur Leistung und
letztendlich zur Förderung des Gemeinwohls (ungleich Planwirtschaft)
bei Abfederung existenzieller Risiken, insbesondere der
Wirtschaftseinheiten mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit
(ungleich klassische Marktwirtschaft)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
250
3.1.3
Soziale Marktwirtschaft
Konstituierende Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft erster Grundsatz: „freie Märkte“
- Basis bilden die o.g. konstituierenden Prinzipien der
klassischen Marktwirtschaft
- Funktionierende Markt- / Preismechanismen und freie Marktzugänge
gewährleisten eine optimale Bedürfnisbefriedigung
- Weitgehendes Privateigentum an Produktionsfaktoren und
Wettbewerbsstrukturen bieten den Unternehmern Anreize,
kostengünstig zu produzieren und zur effizienten Bedürfnisbefriedigung
beizutragen
- Gleichzeitig wird zu Innovation und technischem Fortschritt motiviert
und eine Verteilung von Einkommen und Gewinn nach individueller
Leistung herbeigeführt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
251
3.1.3
Soziale Marktwirtschaft
Konstituierende Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft –
zweiter Grundsatz: „sozialer Ausgleich“:
- Über den ordnungspolitischen Rahmen hinaus
erfolgen Korrekturen des Staates
o zur Absicherung der Bürger
o zum Ausräumen von Marktversagen
o zur Erreichung wirtschaftspolitischer Ziele
- Art und Ausprägung der staatlichen Aktivitäten
treten in unterschiedlichsten Ausprägungen in Bezug auf
Eingriffsart und -intensität auf
- Grundsätzlich sollte aber das Subsidiaritätsprinzip gelten
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
252
3.1.3
Soziale Marktwirtschaft
Ludwig Erhard
(CDU; 1897 – 1977;
1949 – 1963 erster
Bundeswirtschaftsminister;
1963 – 1966 Bundeskanzler)
Gilt als „Vater der sozialen
Marktwirtschaft“ in Deutschland
Bildquelle: Stiftung Haus der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
253
3.1.3
Soziale Marktwirtschaft
Schlagworte
„Neoliberalismus“
„Ordoliberalismus“
-
… sind Ausgestaltungsformen der sozialen Marktwirtschaft
Hauptvertreter: Walter Eucken
stärkere Betonung des „freie Märkte“ – Grundsatzes
aber immer auch in Verbindung mit dem „sozialer Ausgleich“ – Grundsatz
Argumentation: je erfolgreicher die wirtschaftspolitische Komponente,
desto weniger intensiv ist die sozialpolitische Komponente erforderlich
- har nichts mit Ausbeutung oder Machtmißbrauch zu tun, was im Kontext
der Wirtschafts- und Finanzkrise häufig behauptet wird
=>
Zu unrecht stigmatisiert
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
254
3.1.3
Soziale Marktwirtschaft
Wichtige Ökonomen:
Alfred Müller-Armack
(1901 - 1978)
Namensgeber der sozialen Marktwirtschaft
Standpunkte:
- Zielharmonie (und nicht –konflikt) zwischen
wettbewerblich-marktwirtschaftlicher Ordnung
und sozialem Fortschritt
- Daher ist das Prinzip der Freiheit auf dem Markt
mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden
- Dies geschieht in Form einer sozialen Marktwirtschaft, die den Wunsch nach Freiheit und sozialer Gerechtigkeit mit den Einsichten in das Instrumentarium des Marktapparates in Einklang bringt
Hauptwerk: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik
(1966; Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
255
3.1.4
Konvergenz der Systeme
Kontinuum der Wirtschaftssysteme
Dezentral
„Kapitalismus“
Klassische
Marktwirtschaft
Zentral
„Neoliberalismus“
„Marktsozialismus“
Soziale
Marktwirtschaft
„Sozialismus“
Zentrale
Planwirtschaft
⇒ Unterschiedliche Ausprägungen / Überschneidungen
(z.B. Ausmaß von Kollektivgütern und Transferleistungen)
⇒ Idealtypisch geprägt; die realen Ausprägungen stellen die
Wirtschaftsordnungen dar
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
256
3.1.4
Konvergenz der Systeme
Die Konvergenztheorie der Wirtschaftssysteme
Bereits 1946 konstatierte Walter Eucken:
„Das ist das wichtige Ergebnis der neusten Wirtschaftsgeschichte.
Beide Wirtschaftsformen
[gemeint sind Zentralverwaltungswirtschaft und freie Wirtschaft]
berühren sich im übrigen auch in ihrem Aufbau sehr nahe.
Der IG-Farbenkonzern oder die großen Kohlensyndikate haben sich ohne
weiteres in die deutsche Zentral-Verwaltungswirtschaft des Krieges
eingeführt, und zwischen amerikanischen Trusts und russischen zentralen
Planstellen besteht nur ein kleiner Unterschied.
>Kapitalismus< und >Sozialismus< bekämpfen sich in der Doktrin;
de facto gehen sie ineinander über.“
(Walter Eucken im Januar 1946, zitiert in: Piper, N. (Hrsg.):
Die grossen Ökonomen, Stuttgart 1994, S. 197)
Gleichzeitig erklärt Eucken die Methoden sowohl der Zentralverwaltungswirtschaft als auch der freien Wirtschaft für gescheitert.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
257
3.1.4
Konvergenz der Systeme
Was halten Sie von Euckens
Einschätzungen?
Bedenken Sie dabei auch den
historischen Kontext
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
258
3.1.4
Konvergenz der Systeme
Die Konvergenztheorie der Wirtschaftssysteme
- Die Konvergenztheorie entstammt aus den 50er/60er
Jahren und besagt, dass sich Markt- und Planwirtschaft
in der Realität einander annähern, nicht zuletzt deswegen,
da in beiden Systemen die gleichen sich ändernden
Rahmenbedingungen bewältigt werden müssen
- Zur damaligen Zeit des „Kalten Krieges“ zeigten sich
in den westlichen Marktwirtschaften verstärkt soziale
Elemente (z.B. in Schweden) und umgekehrt marktliche
Elemente in den osteuropäischen Ländern
(z.B. der sogenannte „Gulaschkommunismus“ in Ungarn,
Marktsozialismus in Jugoslawien)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
259
3.1.4
Konvergenz der Systeme
Die Konvergenztheorie der Wirtschaftssysteme
- Demnach würde sich idealtypisch ein Einpendeln
in einer Ausgestaltungsform innerhalb der Bandbreite
der sozialen Marktwirtschaft ergeben
- Analogien:
Innovation als Versuchs- und Irrtumsprozess
Hegelsche Dialektik (These => Antithese => Synthese),
die von Karl Marx übernommen wurde (vgl. 3.1.2)
Wie beurteilen Sie die Validität der
Konvergenztheorie?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
260
3.1.4
Konvergenz der Systeme
Fazit:
Systeme in Reinkultur kommen nicht vor
Es kommt auf die Ausgestaltung
der jeweiligen Wirtschaftsordnung
und Wirtschaftsverfassung an
Diese unterliegt situativen Bedingtheiten
(z.B. Verstaatlichung in der Finanzkrise
in einem System der (sozialen) Marktwirtschaft)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
261
3.2
Ziel der Wirtschaftspolitik
Was sollten Ziele der Wirtschaftspolitik sein?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
262
3.2.1
Freiheitspostulat
„Die Freiheit ist ein
wundersames Tier
… man schließt sie
ein und augenblicklich
ist sie weg.“
(Georg Danzer: Die Freiheit)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
263
3.2.1
Freiheitspostulat
Freiheiten sind ein grundlegendes Prinzip
der sozialen Marktwirtschaft
Dabei handelt es sich um
- Wahlfreiheit; nicht im politischen Sinne, sondern in Bezug auf
o den Gütermarkt (als Anbieter wie auch als Nachfrager) sowie
o den Arbeitsmarkt (Freiheit der Berufswahl)
- Vertragsfreiheit
- Freiheit des (Privat) Eigentums
- Freizügigkeit
(nicht zwingend übereinstimmend mit politischen Freiheiten
und rechtlichen Freiheiten ohne Bezug zur Wirtschaftsordnung; vgl. 3.1.1)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
264
3.2.1
Freiheitspostulat
Freiheiten sind ein grundlegendes Prinzip
der sozialen Marktwirtschaft
„Vom Ziel der Freiheit her gesehen ist deswegen
die Erhaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung
die wichtigste Aufgabe der Wirtschaftspolitik“
(Woll, S. 79)
Weitere wirtschaftspolitische Ziele sind in einem konkreten Gesetz
Kodifiziert, dem „Gesetz zur Förderung der Stabilität
und des Wachstums der Wirtschaft (StWG)“ von 1967
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
265
3.2.2
Gesamtwirtschaftliche Ziele gemäß StWG
§1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität
und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) von 1967 besagt:
„Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen
Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts
zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der
Marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig
-
zur Stabilität des Preisniveaus,
zu einem hohen Beschäftigungsstand,
und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht
bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum
beitragen“
Daraus resultiert das sogenannte „magische Viereck“ der Wirtschaftspolitik
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
266
3.2.2
Gesamtwirtschaftliche Ziele gemäß StWG
Kontext 1967:
- Erste „Wirtschaftskrise“ nach dem kontinuierlichen Aufschwung des
„Wirtschaftswunders“ der 50er Jahre
- War zur damaligen Zeit alarmierend, würde heute aber nicht als Krise
gewertet
- Beispieldaten für 1967:
Arbeitslosenquote:
2,2%
(1966: 0,7%)
nach heutiger Interpretation immer noch
Vollbeschäftigung
Wirtschaftswachstum: -0,2%
(1966: 2,8%)
- Gleichzeitig:
Inflationsgefahr durch stark ansteigende
Löhne und Preise
- daher wurden durch restriktive Geldpolitik Kredite verteuert, was zu
einem Rückgang privater und öffentlicher Investitionen führte
- zudem erfolgte ein Sparprogramm der Bundesregierung zur
Kompensation von Einnahmeausfällen durch Steuersenkungen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
267
3.2.2
Gesamtwirtschaftliche Ziele gemäß StWG
Das magische Viereck
Preisniveaustabilität
Stetiges und
angemessenes
Wirtschaftswachstum
Hoher
Beschäftigungsstand
AußenwirtSchaftliches
Gleichgewicht
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
268
3.2.3
Erweiterung des Zielkataloges des StWG
Das magische Viereck wird in aktuelleren Beiträgen zur Ökonomie
häufig um ein bzw. zwei Ziele erweitert, nämlich:
- Verteilungsgerechtigkeit und
- Nachhaltigkeit
so dass ein Sechseck mit unterschiedlichen Abhängigkeiten resultiert
Preisniveaustabilität
Stetiges u.
angemessenes
Wi.wachstum
Preisniveaustabilität
Hoher
Beschäftigungsstand
AußenwirtSchaftliches
Gleichgewicht
Verteilungsgerechtigkeit
Stetiges u.
angemessenes
Wi.wachstum
Hoher
Beschäftigungsstand
Nachhaltigkeit
AußenwirtSchaftliches
Gleichgewicht
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
269
3.2.3
Erweiterung des Zielkataloges des StWG
Aktuelles weiteres wirtschaftspolitisches Ziel:
Ausgeglichener Staatshaushalt –
Einhaltung der Maastricht-Kriterien
Manifestiert durch „Schuldenbremsen“ in Staatsverfassungen
Begriffsbestimmung laut Bundesfinanzministerium:
Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern
in Zukunft grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auskommen.
Diese Regelung wurde im Grundgesetz verankert.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
270
3.2.4
Beschreibung und Operationalisierung der Ziele
Im Folgenden werden die in 3.2.1 – 3.2.3 hergeleiteten
wirtschaftspolitischen Ziele …
- eingehender beschrieben und analysiert
(z.B. in Bezug auf Relevanz und Folgen bei Nichterreichung)
- anhand von Kenzahlen und Zeitreihen aus den amtlichen
Statistiken quantifiziert
- in Bezug auf den Erreichungsgrad diskutiert
- in einem ersten Schritt mit eventuell passfähigen Maßnahmen
zur Zielerreichung in Verbindung gebracht (ausführlich dann in 3.3)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
271
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Preisniveaustabilität
- Bedeutet im übertragenen Sinne
die Vermeidung von Inflation
- Zielt nicht auf Einzelmärkte (Preis eines bestimmten Gutes),
sondern auf das Gesamt-Preisniveau einer Volkswirtschaft ab
- Zur Messung dient daher ein Warenkorb, der den Großteil
der zur Lebenshaltung konsumierten Waren und Leistungen abbildet;
dieser ist über die Zeit in der Zusammensetzung und Gewichtung der
Elemente untereinander dynamisch
- Dem Ziel der Preisniveaustabilität kommt in Deutschland
- historisch bedingt - eine hohe Bedeutung zu
(Währungsreformen; Hyperinflation)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
272
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Preisniveaustabilität
Ziel ist es nicht, das Preisniveau konstant zu halten;
ein moderater Anstieg des Preisniveaus ist ökonomisch erwünscht,
um die Dynamik der Wirtschaft aufrechtzuerhalten
(Zielharmonie mit dem Ziel des stetigen und angemessenen
Wirtschaftswachstums).
Bei moderat steigenden Preisen sind Konsumenten und Unternehmen
motiviert zu konsumieren und zu investieren.
Daher gilt als Grenze für Preisniveaustabilität nicht „Null%“.
Nach herrschender Meinung herrscht bis zu einem Preisanstieg
von 2% Preisniveaustabilität
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
273
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Preisniveaustabilität
Ein Nichterreichen der Preisniveaustabilität /
Eintreten von Inflation hat eine Vielzahl von Negativwirkungen
auf die Volkswirtschaft, die die wirtschaftspolitische Relevanz rechtfertigen,
wie z.B.
- Fehlallokationen von Gütern und Faktoren
aufgrund falscher Preissignale
- „Nachzieheffekte“ für Löhne, Transferleistungen und Sparvermögen;
ein Inflationsausgleich setzt hier erst zeitlich versetzt ein
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
274
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Preisniveaustabilität
Weitere Negativwirkungen bei Nicht Erreichen von Preisniveaustabilität:
- Missverhältnisse zwischen gegebenen Krediten und Tilgungen;
im Falle der Inflation Benachteiligung der Kreditgeber
- Missverhältnisse im Außenhandels - Preisniveau, falls keine analogen
Devisenkurseffekte entstehen
Demgegenüber steht die Hypothese der Phillips – Kurve, die besagt,
dass ein Absinken der Arbeitslosigkeit durch Inflation „erkauft“
werden kann (vgl. 3.2.4.8)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
275
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Preisniveaustabilität
Auch Deflation, d.h. ein Absinken des Preisniveaus ist volkswirtschaftlich
mit Negativwirkungen verbunden und insofern nicht erstrebenswert:
Durch die Erwartung sinkender Preise drosseln sowohl die privaten
Haushalte ihre Konsumaktivitäten als auch die Unternehmen ihre
Investitionsaktivitäten auf das unbedingt erforderliche.
Die Wirtschaft erlahmt, technischer Fortschritt und Innovationen
verlangsamen ebenfallsEs entsteht ein Zielkonflikt mit dem Ziel des stetigen und angemessenen
Wirtschaftswachstums.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
276
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Ursachen für Preisniveau un stabilität / Inflation
Grundsätzlich ist jede Inflation geldmengeninduziert:
- Die Geldmenge steigt – bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit
des Geldes – stärker als die Gütermenge einer Volkswirtschaft oder
- Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigt bei gegebener
Geld- und Gütermenge
Diese Sachverhalte resultieren letztendlich aus Veränderungen in
Angebot und / oder Nachfrage auf den Gütermärkten.
Es ist zu unterscheiden zwischen einer
- Nachfrageinflation und einer
- Angebotsinflation
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
277
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Ursachen für Preisniveau un stabilität / Inflation
- Nachfrageinflation:
bei annähernder Vollauslastung der Produktionskapazitäten erhöhen
sich eine oder mehrere Nachfragekomponenten
(Konsumgüter-, Investitionsgüter-, Staats- oder Exportnachfrage)
da eine Ausweitung der Produktionskapazitäten zumindest kurzfristig
nicht möglich ist, erhöhen sich die Preise der entsprechenden
Gütergruppen und somit das Gesamtpreisniveau
Gegenmaßnahmen wären nachfragereduzierende Eingriffe wie
Steuererhöhungen, Senkung der Staatsausgaben oder
Währungsaufwertung
Die Nachfrageinflation kann allerdings nur Preisniveauanstiege in
konjunkturellen Hochphasen erklären.
In der Realität tritt aber auch Inflation ohne Vollauslastung der
Produktionskapazitäten auf
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
278
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Ursachen für Preisniveau un stabilität / Inflation
- Angebotsinflation:
Ursache für eine Angebotsinflation (auch Verteilungskampfinflation)
ist der Versuch der gesellschaftlichen Gruppen, ihre reale Einkommensposition zu verbessern1
Ausprägungsformen:
die Arbeitnehmer erhöhen ihre Lohnkosten,
der Staat erhöht (Kosten-)Steuern,
importierte Kosteninflation, z.B. durch Ölpreise
Unternehmer nutzen Marktmacht für Preisanstiege
Der Versuch der Verbesserung der realen Einkommensposition wird
somit zumindest teilweise durch eine Preisniveauanstieg kompensiert.
Gegenmaßnahmen sind den Produktivitätsanstieg nicht übersteigende
Faktorkosten (inkl. Kostensteuern) und Verhinderung von Marktmachtmißbrauch durch Wettbewerbspolitik
1
vgl. Mussel / Petzold, S. 129
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
279
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
280
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Index der Verbraucherpreise,
Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat in %
Quelle: Statistisches Bundesamt
Grenzwert
„Preisniveaustabilität“
Gefahr: steigendes Preisniveau durch die hohe Geldmengenausweitung im
Kontext der Finanzkrise Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
281
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Was sind Ihres Erachtens die Gründe
für den aktuellen Anstieg
des Preisniveaus?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
282
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
283
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
284
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
285
3.2.4.1 Preisniveaustabilität
Ist der Warenkorb in Zusammensetzung
und Gewichtung für Studenten valide?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
286
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Hoher Beschäftigungsstand
- Bedeutet im Umkehrschluss die Vermeidung von Arbeitslosigkeit
- Wird determiniert durch die
o Anzahl der registrierten Arbeitslosen
o Anzahl der Beschäftigten
o Anzahl der offenen Stellen
- und gemessen durch die Arbeitslosenquote:
Arbeitslosenquote auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen =
Arbeitslose
alle zivile Erwerbstätige + Arbeitslose
X 100
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
287
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Hoher Beschäftigungsstand
Auch hier ist das Ziel nicht „gleich Null“.
Bei einer Arbeitslosenquote von 2 bis 3% wird noch von Vollbeschäftigung
gesprochen; hierbei handelt es sich um einen Sockel an
„Sucharbeitslosigkeit“.
Mögliche Gründe:
Umzug
Unternehmensaufgabe
Ausbildungsende
Persönliche Weiterentwicklung
Diese kann sogar erwünscht sein, um eine optimalere Allokation
zu erreichen (kurzfristige Sucharbeitslosigkeit, um eine passendere
Beschäftigung zu finden)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
288
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Hoher Beschäftigungsstand
Ein hoher Beschäftigungsstand bzw. eine Arbeitslosenquote,
die nicht höher als 2 – 3% ausfällt, ist von hoher wirtschaftsund sozialpolitische Relevanz:
Bei Arbeitslosigkeit ist kein wohlfahrtspolitisches Optimum erreicht.
Entsprechende Transferleistungen sind im Rahmen der sozialen
Marktwirtschaft erforderlich.
Daneben liegen negative soziale Auswirkungen auf unterschiedlichen
Ebenen vor:
individuelle, familiäre, örtliche, regionale als auch gesellschaftliche Ebene
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
289
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
290
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
291
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
292
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
293
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
294
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
295
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Arten / Ursachen von Arbeitslosigkeit
Verbreitung
Gesatmtwirtschaftliches
Phänomen
Zeitdauer
Teilwirtschaftliches
Phänomen
Kurzfristig
Friktionelle Arbeitslosigkeit
Saisonale Arbeitslosigkeit
Vorübergehend
(temporär)
Konjunkturelle Arbeitslosigkeit
Strukturalisierte konjunkturelle
Arbeitslosigkeit
Wachstumsdefizitäre AL
Strukturelle Arbeitslosigkeit i.e.S.
Anhaltend
(zählebig)
Strukturelle Arbeitslosigkeit im weiteren Sinne
Quelle: Mussel / Pätzold, S. 37
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
296
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Arten und Ursachen von Arbeitslosigkeit – Erläuterung:1
Vorbemerkung: hier erfolgt eine reine Deskription; Maßnahmen gegen die
Entsprechenden Formen der AL werden in 3.3.2.4 beschrieben.
- Friktionelle AL:
Sockel-AL, die gesamtwirtschaftlich sogar erwünscht sein kann (s.o.),
sofern die Vollbeschäftigungsquote von 2-3% AL nicht überschritten wird
- Saisonale AL:
Kurzfristige Sockel – AL; gesamtwirtschaftlich nicht erwünscht aber
ebensowenig vermeidbar
- Konjunkturelle AL:
In Folge eines konjunkturellen Abschwungs sinkt die Güter- und daraufhin
die Arbeitsnachfrage branchenübergreifend; gleicht sich in der nächsten
Aufschwungphase wieder aus
1
in Anlehnung an Mussel / Pätzold, S. 36ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
297
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Arten und Ursachen von Arbeitslosigkeit – Erläuterung:1
- Strukturalisierte konjunkturelle AL:
Auf bestimmte Wirtschaftszweige, Regionen oder Berufsgruppen
beschränkte konjunkturelle AL, z.B. Baubranche, ländliche Regionen
in den „neuen“ Bundesländern, Speisenzubereitung, Hochbau
- Wachstumsdefizitäre AL:
Anhaltend zu geringes Wirtschaftswachstum über alle Branchen,
Regionen und Berufsgruppen (allerdings mit unterschiedlichen
Betroffenheitsgraden)
- Strukturelle AL im engeren Sinne:
Anhaltende Unterbeschäftigung in bestimmten Branchen, Regionen
oder Berufsgruppen
1
in Anlehnung an Mussel / Pätzold, S. 36ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
298
3.2.4.2 Hoher Beschäftigungsstand
Wie ist die Beschäftigungssituation
in Deutschland vor dem Hintergrund
dieser Klassifizierung einzuordnen?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
299
Innerhalb Deutschlands
liegen signifikante
regionale Unterschiede
in Bezug auf die Höhe der
Arbeitslosenquote vor
(vgl. vorherige Folie)
Auch innerhalb der
Bundesländer herrscht
teilweise Heterogenität
in Bezug auf die Höhe
der Arbeitslosenquote
300
3.2.4.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
- Fokussiert auf eine Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz
(Im- und Export von Gütern und Leistungen);
diese ist wiederum Bestandteil der Zahlungsbilanz
(vgl. die folgende Folie)
- im weiteren Sinne werden auch Kapitalbilanz
sowie internationale Transaktionen
(z.B. Entwicklungs- oder Katastrophenhilfe) berücksichtigt
- auch hier ist das Ziel nicht ein dauerhafter Ausgleich im Sinne
eines „Nullsaldo“ der Leistungsbilanz;
angestrebt wird vielmehr ein langfristiges Gleichgewicht
der Leistungsbilanz
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
301
3.2.4.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht - Leistungsbilanz
Leistungsbilanz
soll
haben
Handelsbilanz
Güterexport
Dienstleistungsbilanz
Dienstleistungsexport
Übertragungsbilanz
laufende unentgeltliche
erhaltene Übertragungen
Güterimport
Dienstleistungsimport
laufende unentgeltliche
geleistete Übertragungen
Saldo aus grenzüberschreitendem
Erwerbs- und Vermögenseinkommen
Fehlbetrag
Überschuss
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
302
3.2.4.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht – Zahlungsbilanz
Die Zahlungsbilanz umfasst neben der Leistungsbilanz noch
folgende Teilbilanzen:
- Kapitalbilanz (Kapital- / Devisenim- und –exporte)
- Devisenbilanz
(Veränderung der Währungsreserven der Zentralbank)
- Vermögensübertragungen einmaliger / außergewöhnlicher Art
(im Gegensatz zu den laufenden Übertragungen in der
Übertragungsbilanz der Leistungsbilanz)
- Saldo / Restpostenbilanz
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
303
3.2.4.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Wie sind hier im Zeitalter der globalen
Arbeitsteilung die „Systemgrenzen“?
Was ist von der positiv besetzten Rolle
Deutschlands als „Exportweltmeister“ zu halten?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
304
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
305
Außenhandelsbilanz
in Mrd. Euro
(Monatswerte!)
Quelle:
Statistisches
Bundesamt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
306
3.2.4.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Außenwirtschaftliches
Gleichgewicht:
Starke globale Unterschiede in
- Absoluter Höhe
- Zusammensetzung in Bezug
auf Güter und Dienstleistungen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
307
3.2.4.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Fazit „Außenwirtschaftliches Gleichgewicht“
Ziel erreicht?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
308
3.2.4.4 Wirtschaftswachstum
Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
- Wirtschaftswachstum ist prinzipiell wohlstandsfördernd, da
o auf der Versorgungsseite ein höheres Niveau erreicht wird
o auf der Verteilungsseite weniger Friktionen auftreten,
wenn die Grundgesamtheit dessen, was zur Verfügung steht, wächst
- Wirtschaftswachstum ist zudem Voraussetzung für einen hohen
Beschäftigungsstand; ein mögliches Beschäftigungswachstum
ist jedoch tendenziell kleiner als das Wirtschaftswachstum,
das auch durch technischen Fortschritt determiniert wird
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
309
3.2.4.4 Wirtschaftswachstum
Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
- Operationalisiert wird Wirtschaftswachstum durch den Grad der
Auslastung der Produktionskapazitäten, d.h. der Faktoren Arbeit,
natürliche Ressourcen und Kapital
- Gemessen wird das Wirtschaftswachstum in Form der Entwicklung
des Bruttoinlandsproduktes (inflationsbereinigt)
- Wirtschaftswachstum ist in Einklang mit dem
Nachhaltigkeitsziel zu bringen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
310
3.2.4.4 Wirtschaftswachstum
Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
=>
=>
Was ist „angemessen“?
Ist Wohlstand ohne Wachstum möglich?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
311
3.2.4.4 Wirtschaftswachstum
Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum:
Bruttoinlandsprodukt (Mrd. €; Quartalswerte)
Quelle: Statistisches Bundesamt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
312
3.2.4.4 Wirtschaftswachstum
Stetiges und
angemessenes
Wirtschaftswachstum:
Bruttoinlandsprodukt
(Veränderung in %)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
313
3.2.4.5 Verteilungsgerechtigkeit
Verteilungsgerechtigkeit
- Grundprinzip: Verteilung nach Leistung
- Hiervon kann es ungewollte Ausnahmen geben, wenn:
o Leistungsfähigkeit vorhanden ist, es aber an Einsatzmöglichkeiten fehlt
(Unterbeschäftigung)
o Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind, die Leistungsfähigkeit aber
eingeschränkt ist (z.B. durch Behinderung)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
314
3.2.4.5 Verteilungsgerechtigkeit
Verteilungsgerechtigkeit
- In diesen Fällen erfolgen Transferleistungen durch den Staat
(bei vorhandener Leistungsfähigkeit und Einsatzmöglichkeiten sollten
diese nicht erfolgen, d.h. es ist eine Anreizkomponente zu implementieren)
- Transferleistungen können zweckgebunden (z.B. für Mieten)
oder frei disponibel sein (direkter monetärer Transfer)
- Eine von Allen empfundene Verteilungsgerechtigkeit ist nicht realisierbar
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
315
3.2.4.5 Verteilungsgerechtigkeit
Verteilungsgerechtigkeit
Zusammengefasst liegen Handlungsbedarfe vor, wenn Leistungsfähigkeit
und / oder Leistungsbereitschaft eingeschränkt sind.
Liegen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft vor, sind entsprechende
Einsatzmöglichkeiten zu gewährleisten (Vermeidung von Arbeitslosigkeit).
Was sind geeignete Anreiz- und / oder
Sanktionsinstrumente, wenn die Leistungsfähigkeit
und / oder die Leistungsbereitschaft eingeschränkt sind?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
316
3.2.4.5 Verteilungsgerechtigkeit
Verteilungsgerechtigkeit
Fazit:
Leistung ist ausschlaggebend
„Gleichmacherei“ ist wohlfahrtsökonomisch unsinnig
Absicherung im Sinne der sozialen Marktwirtschaft
(Prinzip 2) bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit oder
mangelnden Einsatzmöglichkeiten ist erforderlich
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
317
3.2.4.6 Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit (Sustainability; sustainable development):
Definition „sustainable development“ der sogenannten
Brundtland – Kommission von 1987:
„process of change in which
the use of resources,
the structure of investments,
the orientation of technical progress
and the institutional structures
are made consistent with future and present needs“
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
318
3.2.4.6 Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit (Sustainability; sustainable development):
Umsetzung durch stoffpolitische Konzepte
⇒ von der Durchfluss- zur Kreislaufwirtschaft
(Stoffstromorientierung; geschlossene Systeme)
⇒ von der Material- und Energieverschwendung zu höherer Produktivität
und Energieeffizienz
⇒ von „end–of-pipe-Techniken“ zu integrierten Umweltschutztechniken
(Schadensvermeidung statt Schadensabsorbierung)
Aber:
Problem des Ausschlussprinzips (vgl. 1.6)
Funktioniert nur global, nicht in einzelnen Volkswirtschaften
Hat zu enorm hoher Regelungsdichte im Umweltbereich geführt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
319
3.2.4.6 Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit (Sustainability; sustainable development):
Nachhaltigkeit ist sowohl in quantitativer als
auch in qualitativer Hinsicht zu gewährleisten
Beispiel Forstwirtschaft:
=>
Quantitative Nachhaltigkeit:
es wird nur die Menge abgeholzt /
gerodet, die auch nachwächst
(Problem: Systemgrenzen)
=>
Qualitative Nachhaltigkeit:
es wird darauf geachtet, dass die
nachwachsende Menge im Vergleich zur abgeholzten / gerodeten
mindestens ökologisch gleichwertig ist (kein Roden von Urwäldern
und Ersatz durch schnellwachsende Monokulturen)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
320
3.2.4.6 Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit (Sustainability; sustainable development):
Anzustreben ist ein Zustand, indem gleich mehrere wirtschaftspolitische
Ziele harmonieren und die Zielerreichung simultan gesteigert werden kann:
- Nachhaltigkeit durch die Entwicklung und Förderung innovativer und
integrativer Umweltschutztechnologien
- Positiver Beschäftigungseffekt durch Einsatz und Export dieser
Technologien
- Wirtschaftswachstum und Außenhandelsimpuls
Auch:
„Doppelte Dividende“ (mehr Nachhaltigkeit und gleichzeitig
positiver Beschäftigungs- und Wachstumseffekt)
Dem entgegen steht der Vorwurf der Standortbenachteiligung /
Produktionsverteuerung durch strenge Umweltregelungen zur
Internalisierung externer Effekte
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
321
3.2.4.6 Nachhaltigkeit
Diskussion:
Doppelte Dividende vs.
Standortbenachteiligung
durch Umweltregelungen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
322
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Konvergenzkriterien für Beitrittskandidaten der Währungsunion
(Maastricht – Kriterien; Stabilitätspakt 1992)
- Preisniveaustabilität:
Die Inflationsrate darf nicht größer sein als der Mittelwert der drei Länder
mit der geringsten Preissteigerungsrate + 1,5% - Punkte
- Haushaltsstabilität:
Neuverschuldung:
max.
3% des BIP
Schuldenstand:
max.
60% des BIP
(temporäre Ausnahmen möglich)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
323
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Konvergenzkriterien für Beitrittskandidaten der Währungsunion
(Maastricht – Kriterien; Stabilitätspakt 1992)
- Wechselkursstabilität:
Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems; keine Abwertung und keine Schwankungen >15% im Vergleich
zum Währungssystem in den letzten zwei Jahren
- Zinssatzstabilität:
Der Zinssatz langfristiger Staatsanleihen eines Landes darf nicht mehr
als 2 Prozentpunkte über dem Mittelwert
der drei Länder mit der höchsten
Preisniveaustabilität liegen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
324
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Kriterien für Mitglieder der Währungsunion
(Stabilitäts- und Wachstumspakt 1997):
Dauerhaft geltende Regelungen für die „Euro – Länder“:
- Neuverschuldung:
max.
3% des BIP
- Schuldenstand:
max.
60% des BIP
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
325
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
1997
2000
2005
2010
2011
2012
EU 27
-2,6
0,6
-2,5
-6,5
-4,4
-4,0
Euro 17
-2,7
0,0
-2,5
-6,2
-4,2
D
-2,6
1,3
-3,3
-3,3
-1,0
-3,7
0,2
F
-3,3
-1,5
-2,9
-7,1
-5,2
-4,8
GB
-2,2
3,6
-3,4
-10,2
-8,3
I
-2,7
-0,8
-4,3
-4,6
-3,9
-6,3
Quelle: eurostat
-3,0
GR
k.A.
-3,7
-5,2
-10,5
-9,1
-10,0
E
-3,4
-1,0
1,0
-9,3
-8,5
P
-3,4
-2,9
-5,9
-9,8
-4,2
-10,6
-6,4
IRL
1,1
4,7
1,6
-31,2
-13,1
NL
-1,2
2,0
-0,3
-5,1
-4,7
-7,6
-4,1
A
-1,8
-1,7
-1,7
-4,5
-2,6
-2,5
2,2
-0,2
1,6
0,2
1,0
-0,3
EST
Neuverschuldung
in % des BIP
ausgewählter
EU – Länder:
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
326
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
2011: 2.085 Mrd. €
2012: 2.166 Mrd. €
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
327
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Staatsverschuldung - Werte ausgewählter Länder 2011:
(in% des BIP; Quelle: Eurostat)
Deutschland
Frankreich
Großbritannien
Italien
Griechenland
Spanien
Portugal
Irland
Niederlande
Österreich
Estland
81
86
86
120
165
69
108
108
65
72
6
Zum Vergleich (Quelle: statista, IMF):
USA
103
Japan
230
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
328
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Allgemeines zur Schuldenbremse (Quelle: Bundesfinanzministerium)
Ziel der Schuldenbremse ist es, die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte
von Bund und Ländern und die finanziellen Handlungsspielräume zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben zu sichern. Die Föderalismuskommission II hat
sich für die folgenden Neuerungen bei der Schuldenbremse ausgesprochen:
- Im Grundgesetz wird der Grundsatz eines ohne Einnahmen aus Krediten
ausgeglichenen Haushalts festgeschrieben.
- Beim Bund ist eine strukturelle Verschuldung nur noch in Höhe von
0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zulässig.
- Konjunkturellen Effekten wird besser Rechnung getragen:
Eine konjunkturbedingte Erhöhung der Kreditaufnahme in Abschwungphasen muss in Aufschwungphasen auch wieder ausgeglichen werden.
- Eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere
außergewöhnliche Notsituationen sichert die notwendige
Handlungsfähigkeit des Staates zur Krisenbewältigung.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
329
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Allgemeines zur Schuldenbremse (Quelle: Bundesfinanzministerium)
- Drohende Haushaltsnotlagen sollen künftig schneller erahnt und so
besser bekämpft werden. Dazu wird ein Stabilitätsrat geschaffen, der die
Haushalte von Bund und den einzelnen Ländern überwacht und ein
Sanierungsverfahren einleiten kann.
Die Neuregelung (Art. 109 und Art. 115 GG) gelten für Bund und Länder
ab dem Jahr 2011. Im Rahmen einer Übergangsregelung (Art. 143d Abs. 1 GG)
ist festgelegt, dass für den Bund noch bis einschließlich 2015 und für die
Länder bis einschließlich 2019 Abweichungen möglich sind.
Über Konsolidierungshilfen wird es den ärmeren Bundesländern Bremen,
Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein möglich gemacht,
die Vorgaben der Schuldenbegrenzung ab dem Jahr 2020 zu erfüllen.
Weiterhin soll zur Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und
Ländern ein gemeinsamer Stabilitätsrat eingesetzt werden, der insbesondere
der Vermeidung von Haushaltsnotlagen dienen soll (Art. 109a GG).
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
330
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Wie beurteilen Sie die gesetzlichen
Maßnahmen zur „Schuldenbremse“?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
331
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
„Teufelskreis des Downgrading“
1) Wegen hohen Schuldenstandes kann ein Land nur noch zu immer
weiter steigenden Zinsaätzen Staatsanleihen aufnehmen
2) Die Ausfallversicherungen für die entsprechenden Staatsanleihen
(Credit Default Swaps – CDS) verteuern sich
3) Die Rating – Agenturen stufen das Land herab
4) Die Zinsen erhöhen sich weiter
5) Die CDS verteuern sich weiter
6) Erneute Herabstufung
7) …
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
332
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
333
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Aktuelle
Länderratings
(Internet)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
334
3.2.4.7 Ausgeglichener Staatshaushalt
Diskussion:
Für oder gegen
Eurobonds?!
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
335
Ziele der Wirtschaftspolitik
Zwischenfazit : Zielerreichung und Handlungsbedarfe
Ziel
Status
Handlungsbedarf
Freiheiten
erreicht
mittel
Preisniveaustabilität
erreicht
mittel
Hoher Beschäftigungsstand
verfehlt
hoch
Außenwirtschaftliches
Gleichgewicht
verfehlt
gering
Stetiges und angemessenes
Wirtschaftswachstum
erreicht
mittel
nicht anwendbar
mittel
Nachhaltigkeit
verfehlt
hoch
Ausgeglichener Staatshaushalt
verfehlt
hoch
Verteilungsgerechtigkeit
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
336
3.2.4.8 Abhängigkeiten am Beispiel der Phillips-Kurve
Phillips - Kurve
Preisniveau
- Unterstellt einen Zielkonflikt
bzw. Subsituierbarkeit zwischen
Preisniveaustabilität und
Vollbeschäftigung
(Möglichkeit des „Erkaufens“
einer geringeren Arbeitslosigkeit
durch höhere Inflation)
- Ist aber – wenn überhaupt –
nur kurzfristig erfolgversprechend,
da idealtypisch folgende kurzfristige
Wirkungskette in Gang gesetzt wird:
Konjunkturpaket zur Erhöhung der
Beschäftigung => positiver
Arbeitslosigkeit
Beschäftigungseffekt =>
GüterNachfrage steigt => Preisniveau steigt, d.h. in der Tat geringere
Arbeitslosigkeit durch in Kauf nahme eines höheren Preisniveaus
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
337
3.2.4.8 Abhängigkeiten am Beispiel der Phillips-Kurve
Phillips - Kurve
Preisniveau
- Mittel- und langfristig verpufft die
Wirkung durch folgende Erweiterung
der Wirkungskette:
Anstieg der Arbeitskosten
(Lohn-Preis-Spirale) => Rationalisierungsaktivitäten der Unternehmen
=> die Arbeitsnachfrage sinkt =>
die Arbeitslosigkeit steigt wieder
bei erhöhtem Preisniveau
- Bei Verstetigung spricht man von
Stagflation d.h. Inflation bei
stagnierender oder sogar
steigender Arbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit
- Empirisch ist die Phillips – Kurve
nicht belegt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
338
3.2.4.8 Abhängigkeiten am Beispiel der Phillips-Kurve
Diskutieren Sie eventuelle Abhängigkeiten zwischen
Arbeitslosigkeit und Preisniveaustabilität
Impulszitat von Helmut Schmidt:
"Mir scheint, daß das Deutsche Volk – zugespitzt –
5% Preisanstieg eher vertragen kann, als 5% Arbeitslosigkeit."
(Süddeutsche Zeitung, 28. Juli 1972, S. 8 auch zitiert als: "Lieber fünf Prozent Inflation als
fünf Prozent Arbeitslosigkeit." - zugeschrieben von www.spiegel.de (Stand 04/07))
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
339
3.2.4.8 Abhängigkeiten am Beispiel der Phillips-Kurve
Wichtige Ökonomen:
William Phillips
(1914 - 1975)
Elektroingenieur und Ökonom
Standpunkte:
- Darstellung eines Zusammenhanges
zwischen Preisniveau und Arbeitslosigkeit
mittels einer empirischen Langfristanalyse
des Wachstums der Löhne und der
Arbeitslosigkeit in Großbritannien
- Keynesianer
- Konstruierte einen Analog-Computer
Hauptwerk: die nach ihm benannte
Phillips – Kurve (1958)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
340
3.3
Möglichkeiten und Grenzen
staatlichen Eingreifens in die Ökonomie
Prinzipien und Eingriffsphilosophien: Grundlagen
- Grundsätzlich sollte eine Koordination des Wirtschaftskreislaufes
über die Märkte erfolgen
- Ergänzungen durch den Staat / die Wirtschaftspolitik sind erforderlich,
zumindest für eine Absicherung im Sinne der sozialen Marktwirtschaft
(Prinzip 2)
- Grundsätzlich gilt das Subsidiaritätsprinzip
(die kleinste und dem Problem am nächsten liegende Einheit sollte auch
mit der Problemlösung betraut werden;
=> Eigenverantwortung vor staatlichen Eingriffen
- dazu gehört auch eine Konzentration des Staates auf die Ordnungspolitik
(keine Prozesspolitik, z.B. in Form von Preis- oder Mengeneingriffen)
zur Gewährleistung der wirtschaftspolitischen Ziele
- Bei akuter Gefährdung der Zielerreichung: ergänzende Maßnahmen
(insbesondere zur Konjunktursteuerung)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
341
3.3.1
Grundmodelle in der Marktwirtschaft
Keynesianer
Nachfrageorientiert
aktive Rolle des Staates
Ursprung: Weltwirtschaftskrise 1929ff
Neoklassiker
Angebotsorientiert
passive Rolle des Staates
Dominant: 80er Jahre
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
342
3.3.1.1 Neoklassik
Neoklassik: Prinzipien und Eingriffsphilosophie
- Vertrauen auf die Selbstregulierungskraft der Märkte
- Gütermarktliches Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung ergibt sich
langfristig bei funktionierenden Märkten automatisch
- Voraussetzung: nach oben und unten flexibles Lohnniveau zur
Anpassung von Beschäftigungsungleichgewichten;
Unfreiwillige Arbeitslosigkeit nur bei Lohnfixierungen
- Abweichungen vom Gleichgewicht sind temporär und regulieren sich
langfristig (Konjunkturzyklen)
- Daher: Angebotsorientierung – langfristige Verstetigung
(Angebot schafft Beschäftigung und Nachfrage)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
343
3.3.1.1 Neoklassik
Neoklassik: Prinzipien und Eingriffsphilosophie
- Priorität der Preisniveaustabilität (Preis- / Zinsanstiege reduzieren
Investitionen und führen zu kurzfristigen Ungleichgewichten, die dann
wieder durch Lohnsenkungen und Preissenkungen kompensiert werden)
- Daher: Dominanz der Geldpolitik (eine wesentliche Ausrichtung der
Neoklassik ist der sogenannte „Monetarismus“)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
344
3.3.1.1 Neoklassik
Neoklassik: Rolle des Staates
- Grundsätzliche Annahme: langfristige Stabilität des privaten Sektors
(Konsum, Investitionen)
- Daher möglichst wenig staatliche Eingriffe über die
ordnungspolitische Rahmensetzung hinaus
- Zunehmende Staatsausgaben sind mittel- und langfristig nicht
zielführend, da sie durch sinkende Unternehmensinvestitionen
in Folge von Preis- und Zinsanstieg kompensiert werden
- Wesentliche Wirtschaftliche Aufgaben des Staates:
o wirtschaftliche Hemmnisse ausräumen
o Konstanz, Verlässlichkeit und Zurückhaltung
o Limitierung der Staatsausgaben und der Abgabenquote
o Förderung des Wettbewerbs
o Förderung von Innovationen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
345
3.3.1.1 Neoklassik
Wichtige Ökonomen:
Milton Friedman
(1912 - 2006)
Der Monetarist
Standpunkte:
- Opponent gegenüber keynesianischer
Wirtschaftspolitik
- Erhöhung der Staatsschulden wirkt
restriktiv auf Investitionen
- Nicht der Markt, sondern die Politik
verursacht Unstabilitäten
- Wachstumsorientierte Stellschraube des
Staates ist die Geldmenge
- Betonung von Freiheit und Individualismus
Hauptwerk: Capitalism and Freedom - 1962
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
346
3.3.1.2 Keynes
Keynesianismus: Historischer Kontext
- Ausgangssituation 1929 und in den Folgejahren führte die
Weltwirtschaftskrise zu einer Ungleichgewichtssituation,
die durch die klassische Ökonomie nicht mehr erklärt werden konnte
(im Nachhinein ist zu bemerken, dass unmittelbar vor der Weltwirtschaftskrise Markt und Wettbewerb aufgrund massiver Konzentrationstendenzen
nicht mehr funktioniert haben)
- In diesem Kontext entstanden Werk und Lehrmeinung von
John Maynard Keynes (Hauptwerk: „The General Theory of Employment,
Interest and Money“ von 1936)
- Dominant von der Entstehung (30er Jahre) bis in die 70er Jahre
des 20. Jahrhunderts
- Gewinnt im Rahmen der aktuellen Finanzkrisen
sprunghaft wieder an Bedeutung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
347
3.3.1.2 Keynes
Wichtige Ökonomen:
John M. Keynes
(1883 - 1946)
Der Reformer
Standpunkte:
- Der Markt tendiert nicht automatisch zu einem
übergreifenden Gleichgewicht
- Langfristige Ungleichgewichte – insbesondere
Arbeitslosigkeit – sind möglich
- In diesem Fall sollte der Staat verstärkt als
Nachfrager auftreten und die Konjunktur
ankurbeln
- „in the long run we are all dead“
Hauptwerk: The General Theory of Employment, Interest and Money
1936 (Original)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
348
3.3.1.2 Keynes
Keynesianismus: Prinzipien und Eingriffsphilosophie
- Der private Sektor tendiert zu Ungleichgewichten, insbesondere ist ein
Gütermarktgleichgewicht bei Unterbeschäftigung möglich
- Zugrundeliegende Vermutungen – psychologisch bedingte
Verhaltensweisen der privaten Wirtschaftssubjekte:1
o sinkende Grenzneigung zum Konsum (mit steigendem Einkommen
sinkt die Konsumquote)
o steigende Liquiditätspräferenz bei sinkendem Zinsniveau
(Geld wird dem Wirtschaftskreislauf entzogen)
o Investitionen hängen mehr von Zukunftserwartungen der Unternehmer
als vom Zinsniveau ab
1
in Anlehnung an Wagenblaß, H.: Volkswirtschaftslehre, öffentliche Finanzen und
Wirtschaftspolitik, 8. Auflage, Heidelberg 2008, S. 321
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
349
3.3.1.2 Keynes
Keynesianismus: Prinzipien und Eingriffsphilosophie
Dann setzt folgender Wirkungsmechanismus ein:1
Ausgangspunkt: Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung
=>
=>
=>
=>
Abnehmende Grenzkonsumneigung bei steigendem Volkseinkommen
Nachfrageausfall in Höhe des mehr gesparten Betrages
Liquiditätspräferenz führt ebenfalls zu verminderter Nachfrage
Trotz dadurch sinkenden Zinsniveaus wird nicht mehr investiert,
da die Unternehmen aufgrund der reduzierten Nachfrage von
reduzierten Gewinnerwartungen ausgehen
=> kumulativer Prozess mit sinkender Produktion, Volkseinkommen und
Beschäftigung
=> Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung bei nach unten starren Löhnen
1
in Anlehnung an Wagenblaß, H.: Volkswirtschaftslehre, öffentliche Finanzen und
Wirtschaftspolitik, 8. Auflage, Heidelberg 2008, S. 321
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
350
3.3.1.2 Keynes
Keynesianismus: Rolle des Staates
- Im beschriebenen Ungleichgewichtsfall ist der private Sektor nicht allein
in der Lage, ein Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung herbeizuführen
- Daher sind staatliche Eingriffe erforderlich, auch durch vermehrte
Schuldenaufnahme (deficit spending)
- Priorität auf Vollbeschäftigung als Ziel und
- Fiskalpolitik als Instrument („Fiskalisten“)
- Nachfrageorientierung
- Kurzfristige und antizyklische Ausrichtung
(„in the long run we are all dead“)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
351
Synopse der
Stabilisierungspolitischen
Konzeptionen
(Quelle: Mussel / Pätzold, S. 20)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
352
3.3.2
Wirtschaftspolitische Instrumente
Wirtschaftspolitische Instrumente – Übersicht
Hier erfolgt eine instrumentenorientierte Einteilung in
- Fiskalpolitik
- Geldpolitik und
- Außenwirtschaftspolitik sowie
- einer speziellen Abhandlung über Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit
(anhaltende Verfehlung des Zieles des hohen Beschäftigungsstandes)
Andere in der Literatur verwendete Systematisierungen
sind zweckorientiert und unterscheiden z.B. zwischen
Konjunktur-, Wachstums-, Stabilitäts- oder Beschäftigungspolitik
Diese Zweckorientierung wird durch die Instrumentenorientierung
mitberücksichtigt (z.B. expansive Fiskalpolitik als Instrument einer
expansiv orientierten Konjunkturpolitik)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
353
3.3.2
Wirtschaftspolitische Instrumente
Wirtschaftspolitische Instrumente – Übersicht
Grundlegendes Prinzip:
Alle Maßnahmen müssen systemkonform sein
(d.h. für Deutschland:
vereinbar mit der sozialen Marktwirtschaft)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
354
3.3.2.1 Fiskalpolitik
Fiskalpolitik:
„Änderung der Staatseinnahmen und Staatsausgaben
zum Zweck der Konjunktursteuerung“1
Zu unterteilen in Maßnahmen auf der Einnahmen- und auf der
Ausgabenseite
1
vgl. Mussel / Pätzold, S. 43
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
355
3.3.2.1 Fiskalpolitik
Fiskalpolitik - Maßnahmen auf der Einnahmenseite:
Änderung der Besteuerung durch
- Veränderung von (Grenz-)Steuersätzen;
je nach Zielsetzung Differenzierung
auf Steuerarten (direkte oder indirekte Steuern) oder
Steuersubjekte (z.B. „Reiche“ oder Erben)
- Neueinführung bzw. Abschaffung von Steuerarten
- Zu beachten:
Grundsätze von Leistungsfähigkeits- oder Äquivalenzprinzip
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
356
3.3.2.1 Fiskalpolitik
Fiskalpolitik - Maßnahmen auf der Ausgabenseite:
- Nachfrageorientiert über direkte Staatsausgaben z.B. in Infrastruktur,
Forschungs- und Entwicklungsförderung, Aus- und
Weiterbildungsförderung oder direkte Transfers an private Haushalte
- Angebotsorientiert durch Investitionsanreize,
Förderung unternehmerischer Forschung und Entwicklung
oder Subventionen (letzteres stark umstritten: Eingriff in die
Wettbewerbsstrukturen, entwicklungshemmend)
- Limitierung: Finanzierbarkeit / Staatsverschuldung (vgl. 3.2.4.7)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
357
3.3.2.1 Fiskalpolitik
Fiskalpolitik: Wirkung im IS – LM - Diagramm
i
Variante 1:
Volle Wirksamkeit
LM
IS0
Durch eine Erhöhung
der Staatsausgaben
verschiebt sich die
IS-Kurve nach rechts
IS1
i01
Y0
Y1
Y
Das Volkseinkommen
erhöht sich bei
gleichbleibendem
Zinssatz (LM-Kurve
vollkommen elastisch;
keine negativen Wirkungen auf die Unternehmensinvestitionen)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
358
3.3.2.1 Fiskalpolitik
Fiskalpolitik: Wirkung im IS – LM - Diagramm
i
LM
IS0
IS1
Variante 2:
Eingeschränkte Wirksamkeit
(crowding out)
Durch die Erhöhung der
Staatsausgaben erhöht
sich das Zinsniveau
(LM-Kurve elastisch).
i1
i0
Die Unternehmensinvestitionen werden
reduziert.
Y0
Y1
Das Volkseinkommen steigt
zwar, aber nicht so stark
Y wie in Variante 1.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
359
3.3.2.1 Fiskalpolitik
Fiskalpolitik: Wirkung im IS – LM - Diagramm
i
LM
Variante 3:
Unwirksamkeit
(vollständiger crowding out)
i1
i0
IS1
IS0
Y01
Durch die Erhöhung der
Staatsausgaben erhöht
sich das Zinsniveau so
stark (LM-Kurve vollkommen
unelastisch), dass ein
Effekt auf das Volkseinkommen ausbleibt.
Y
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
360
3.3.2.1 Fiskalpolitik
Multiplikatoreffekt:
- Will der Staat eine Nachfragelücke durch expansive Fiskalpolitik
kompensieren, reicht es aus, lediglich einen Teilbetrag zu
investieren
- Die verbleibende Lücke schließt sich mittelfristig durch einen
Multiplikatoreffekt
- Dieser fällt umso größer aus, je höher die Konsumquote der
Wirtschaftseinheiten ausgeprägt ist
- Beispiel:
Konsumquote 80%
Erhöhung der Staatsausgaben um 100
(volle Wirksamkeit auf das Volkseinkommen in Periode 1)
in Periode 2ff. erhöht sich dann der Effekt um jeweils 80%
des Vorjahreswertes, so dass für den Multiplikator gilt:
ΔY = 1 / (1 - c) (im Beispiel: 1 / (1-0,8) = 1 / 0,2 = 5
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
361
3.3.2.2 Geldpolitik
„… denken Sie
an uns, wir freun`
uns auf Ihr Geld“
(Die Toten Hosen:
Umtausch ausgeschlossen /
Kauf Mich!)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
362
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitik:
Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbank zur
Erreichung wirtschaftspolitischer Ziele
⇒ Vordringliches Ziel: Preisniveaustabilität
⇒ ggfs. auch wachstums- oder beschäftigungspolitische Ziele
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
363
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitik - Vorbemerkung:
Eine wirksame Geldpolitik setzt voraus, dass das Geld
(insbesondere bei einer Ausweitung der Geldmenge) auch dem
Wirtschaftskreislauf zur Verfügung steht und nicht als reine
zusätzliche Liquidität von den Wirtschaftseinheiten gehalten wird.
Demgemäß werden verschiedene Kassenhaltungsmotivationen der
Wirtschaftseinheiten (insbesondere der privaten Haushalte) unterschieden:
1) Transaktionskasse: das Geld dient Kaufs- und Verkaufszwecken
und steht dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung
2) Spekulationskasse: zusätzlich von Keynes definiert:
das Geld wird in bar gehalten und steht dann nicht dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung (Opportunitätskosten: entgangene Zinserträge)
3) Vorsichtskasse: Geldhaltung für unvorhergesehene Transaktionen
(schwer abgrenzbar; geht ggfs. unmittelbar in 1) über)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
364
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitik:
- wird in Deutschland bzw. der Eurozone nicht durch die Politik,
sondern durch die Zentralbank (EZB; vgl. 3.4) vorgenommen
- Steuerungskomponenten:
(Geld) Menge
Preis (Zins)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
365
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitische Instrumente - Offenmarktpolitik:
wichtigstes geldpolitisches Instrument
Vorgehensweise: An- oder Verkauf von Wertpapieren durch die
Zentralbank an die Geschäftsbanken
Zweck:
primär:
Geldmengensteuerung
sekundär:
Konjunktursteuerung
(gilt für alle geldpolitischen Instrumente)
Ausrichtung:
Ankauf von Wertpapieren durch die Zentralbank:
Geldmengenerhöhung (den Geschäftsbanken steht
mehr Geld zur Kreditvergabe zur Verfügung)
und umgekehrt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
366
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitische Instrumente – Refinanzierungspolitik:
Vorgehensweise: Festsetzen der Leitzinsen durch die Zentralbank
Ausrichtung:
Leitzinserhöhung:
Verteuerung des Geldes
Drosselung der Konjunktur
Reduktion der Investitionen
Umlenken der Geldanlage von Unternehmensanteilen
(Aktien) in festverzinsliche Anlagen (Renten)
und umgekehrt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
367
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitische Instrumente – Mindestreservepolitik:
Vorgehensweise: Festlegung der vorgeschriebenen Höhe der
unverzinslichen Einlagen der Geschäftsbanken
bei der Zentralbank
(Mindestreserve in % der sogenannten Sichteinlagen,
d.h. des Geldes, dass die Wirtschaftseinheiten
unmittelbar von den Geschäftsbanken abrufen können)
Ausrichtung:
Erhöhung des Mindestreservesatzes entzieht dem
Wirtschaftskreislauf Geld mit den bereits beschriebenen
restriktiven Auswirkungen
Ausprägung:
Eurozone:
USA:
China:
2%
10%
20% (!)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
368
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitische Instrumente - Fazilitäten:
Vorgehensweise: Möglichkeit für die Geschäftsbanken, kurzfristig Geld
von der Zentralbank zu erhalten oder dort anzulegen
für die Geschäftsbanken nur interessant, wenn
Anlageformen mit attraktiveren Zinsen (z.B. Kredite)
nicht zur Verfügung stehen
Ausrichtung:
kurzfristig ausgelegt mit den entsprechenden
expansiven (Ausweitung der Fazilitäten) oder
restriktiven Wirkungen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
369
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitik: Wirkung im IS – LM - Diagramm
Variante 1:
Wirksamkeit
i
LM1
LM0
IS
i0
Durch eine Erhöhung
der Geldmenge
verschiebt sich die
LM-Kurve nach rechts
Das Volkseinkommen
erhöht sich bei
sinkendem Zinsniveau
(IS-elastisch)
i1
Y0
Y1
Y
Die Wirksamkeit der
Geldpolitik wird von den
Keynesianern in Frage
gestellt (Begründung in
Variante 2 und 3)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
370
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitik: Wirkung im IS – LM - Diagramm
i
IS
Durch eine Erhöhung
der Geldmenge
verschiebt sich die
LM-Kurve nach rechts
LM0
LM1
i0
i1
Y01
Variante 2:
Unwirksamkeit
(Investitionsfalle)
Das Volkseinkommen
erhöht sich aber nicht,
da die Unternehmen trotz
sinkendem Zinsniveau
aufgrund negativer Erwartungen und geringer
Auslastung nicht mehr
investieren (IS-Kurve
Y vollkommen unelastisch)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
371
3.3.2.2 Geldpolitik
Geldpolitik: Wirkung im IS – LM - Diagramm
i
LM0
Variante 3:
Unwirksamkeit
(Liquiditätsfalle)
LM1
Durch eine Erhöhung
der Geldmenge
verschiebt sich die
LM-Kurve nach rechts
IS
i01
Y01
Y
Das Volkseinkommen
erhöht sich aber nicht,
da das zusätzliche Geld
komplett in der Spekulationskasse verschwindet
und nicht gespart /
investiert wird
(LM-Kurve vollkommen
elastisch)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
372
3.3.2.3 Außenwirtschaftspolitik
Außenwirtschaftspolitik:
Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Ausräumung
außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte
Vorbemerkung:
Die Maßnahmen haben in Deutschland seit jeher eine untergeordnete
Bedeutung im Vergleich zu den bereits beschriebenen fiskal- und
geldpolitischen Maßnahmen sowie den noch zu beschreibenden
Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit.
Durch die EU- und Eurozonen-Mitgliedschaft hat sich die Bedeutung
weiter reduziert.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
373
3.3.2.3 Außenwirtschaftspolitik
Außenwirtschaftspolitik: 1
Marktbezogene Maßnahmen
- Wechselkurspolitik:
Wechselkurse entstehen grundsätzlich auf dem Devisenmarkt, der
- ohne Beeinflussung – dem Ideal eines vollkommenen Marktes
sehr nahe kommt
(Devisenüberhang => Abwertung der entsprechenden Währung)
Durch entsprechend großvolumige Devisenan- oder –verkäufe
kann eine inländische Zentralbank nun versuchen, die Knappheitsverhältnisse so zu verändern, dass eine Wechselkursänderung
herbeigeführt wird
1
Systematisierung in Anlehnung an Mussel / Pätzold, S. 207 ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
374
3.3.2.3 Außenwirtschaftspolitik
Außenwirtschaftspolitik: 1
Marktbezogene Maßnahmen
(die folgenden Maßnahmen beziehen sich jeweils auf Inlandseite;
die Auslandseite ist als Datum gegeben)
- Beeinflussung des internationalen Preisgefälles
- Beeinflussung des internationalen Einkommensgefälles
- Beeinflussung des internationalen Zinsgefälles
=>
1
allesamt problematisch im Hinblick auf mögliche
Eingriffsform und Wirkung
Systematisierung in Anlehnung an Mussel / Pätzold, S. 207 ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
375
3.3.2.3 Außenwirtschaftspolitik
Außenwirtschaftspolitik: 1
Administrative / Dirigistische Maßnahmen
- Tarifäre Handelshemmnisse (Zölle)
- Nicht – tarifäre – Handelshemmnisse (Kontingente)
- Devisenbewirtschaftung
(Kontrolle bishin zum Verbot des freien Handels mit Devisen)
Zu beachten:
1
Noch problematischer und wirtschaftspolitisch
nicht opportun
Häufig Zielkonflikte,
insbesondere mit inländischen Wachstumszielen
Protektionistische Maßnahmen sind kontraproduktiv
Systematisierung in Anlehnung an Mussel / Pätzold, S. 207 ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
376
3.3.2.4 Instrumente gegen Arbeitslosigkeit
Vorbemerkungen:
Es erfolgt eine Darstellung möglicher Maßnahmen gegen die unter
3.2.4.2 beschriebenen Arten und Ursachen von Arbeitslosigkeit.1
Die Maßnahmen werden zunächst wertfrei aufgeführt, sind aber in
Einzelfällen höchst strittig (z.B. strukturerhaltende Subventionen
oder Protektionismus)
Eine kritische Würdigung erfolgt in der Diskussion.
Insbesondere ist zu diskutieren, ob eine Maßnahme insgesamt
wohlstandfördernd wirkt oder nur zu Verschiebungen führt
(im Extremfall zu sogenannten „Kannibalisierungseffekten“)
Keine Überschneidungsfreiheit zu den bisher beschriebenen
fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen, deren Zweck ebenfalls
in der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit liegen kann
1
Dementsprechend erfolgen auch diese Ausführungen in Anlehnung an Mussel / Pätzold, S. 38ff.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
377
3.3.2.4 Instrumente gegen Arbeitslosigkeit
Maßnahmen gegen friktionelle und saisonale Arbeitslosigkeit
Hinsichtlich der friktionellen Arbeitslosigkeit sind Maßnahmen nicht
erforderlich, da diese (Sockel-)Arbeitslosigkeit sogar ökonomisch
erwünscht sein kann.
Saisonale Arbeitslosigkeit ist zwar nicht erwünscht, kann aber vom
Ursprung her nicht durch wirtschaftspolitische Maßnahmen
verhindert, sondern höchstens durch kurzfristige Umlenkungsversuche
flankiert werden.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
378
Lösungsraum
möglicher
Maßnahmen gegen
konjunkturelle
Arbeitslosigkeit
Quelle:
Mussel / Pätzold, S. 57
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
379
Lösungsraum
möglicher
Maßnahmen gegen
strukturelle
Arbeitslosigkeit
Quelle: Mussel / Pätzold,
S. 73
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
380
3.3.2.4 Instrumente gegen Arbeitslosigkeit
Abschließende kritische Würdigung
der möglichen Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
381
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie
wie handeln nun Politiker in der Realität?
Vorbemerkung: im folgenden handelt es sich um verallgemeinernde
Aussagen; individuelle Abweichungen von diesen Aussagen sind
möglich und sogar erwünscht
Gemäß der klassischen Ökonomie erfolgt eine Maximierung des
Gesamtnutzens dadurch, dass alle Wirtschaftseinheiten versuchen,
ihren individuellen Nutzen zu maximieren (vgl. 1.2)
Dieses Prinzip funktioniert – allerdings nur subsidiär, d.h. bezogen auf
eine einzelne Wirtschaftseinheit (Person, Haushalt, Familie(nunternehmen))
und bedingt noch bei Interessenvertretern kleinerer Wirtschaftseinheiten
wie Kleinunternehmen, Vereinen oder Schulen).
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
382
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie – Grundproblem:
Verfolgung des individuellen Nutzens als Voraussetzung für eine
Maximierung des Gesamtnutzens funktioniert nicht bei Interessenvertretern großer Einheiten
Dazu gehören Politiker (umso stärker, je weniger subsidiär, also je
größer die zu vertretende Einheit; Beispiel: Europa- oder
Bundesabgeordnete im Gegensatz zu Kommunalpolitikern)
aber auch andere „Berufsfunktionäre“, z.B. in Sportverbänden oder
Gewerkschaften
Hier kommt es oft zwangsläufig zu
Interessenkonflikten der Interessenvertreter
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
383
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie:
Der ökonomisch völlig nachvollziehbare natürliche Drang zur
Ausweitung des Eigeninteresses führt fast zwangsläufig zu
Interessenkonflikten mit den zu vertretenden Einheiten
(idealtypische Ausnahmen: absolute Interessenharmonie oder
eindeutige Dominanz der zu vertretenden Interessen gegenüber
dem Eigeninteresse)
Was ist nun das Eigeninteresse des Politikers / Berufsfunktionärs?
=>
Möglichst lange im Amt bleiben / Wiederwahl, verbunden mit:
-
Erlangen (Komfortabler) Bezüge
Aufbau einer (ebenfalls komfortablen) Altersvorsorge
Erhalt weiterer Privilegien
Status- / Machterhalt
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
384
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie:
Um dies zu ermöglichen, werden lieber vermeintlich einfache und für die
Wähler vermeintlich angenehme Entscheidungen getroffen und eventuell
erforderliche aber unbequeme Entscheidungen vermieden
Beispiel: lieber günstig Kredite aufnehmen und die Staatsschuld erhöhen,
als in einer Aufschwungphase zu sparen
dadurch funktioniert Konjunkturpolitik in Deutschland bisher
immer nur in eine Richtung:
in Abschwungsphasen wird die Verschuldung erhöht, um die
Wirtschaft anzukurbeln (in Ordnung)
in Aufschwungphasen wird es aber unterlassen, zu sparen
die Staatsschuld wieder abzubauen
Unterstützt wird dieses Handlungsschema durch die nach wie
vor günstigen Konditionen für deutsche Staatsanleihen
(AAA; <3% langfristige Verzinsung)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
385
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie:
Zwischenfazit:
„Lieber billig Schulden aufhäufen
als unbequeme / unpopuläre Sparpakete umsetzen“
Ihre Meinung?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
386
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie:
Inhaltliches Zwischenfazit:
Politiker handeln also ökonomisch völlig rational,
indem sie ihre Eigeninteressen verfolgen.
Dies ist jedoch nicht immer im Sinne des Souveräns
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
387
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie:
Analogie zur Principal – Agent – Theorie in der Betriebswirtschaftslehre:
Die Principal – Agent – Theorie beschreibt ähnliche Interessenkonflikte
zwischen den eigentlichen Anteilseignern eines Unternehmens
(den Prinzipalen, in der Realität aber häufig Kleinaktionäre mit sehr wenig
Einfluß) und dem Management (den Agenten, in der Realität häufig dem
Vorstand eines großen Unternehmens).
Ähnlich wie bei den Politikern, kann es bei den Agenten zu Interessenkonflikten kommen, die dazu führen, dass Entscheidungen getroffen
werden, die zwar im Interesse des Agenten sind, nicht aber notwendigerweise im Interesse der Prinzipalen.
Hinzu kommen Informationsasymmetrien zugunsten des Agenten –
ebenfalls eine Analogie zum politischen Interessenvertreter.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
388
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Neue Politische Ökonomie:
Analogie zur Principal – Agent – Theorie:
Lösungsansatz in der Betriebswirtschaftslehre:
Etablierung entsprechender Kontrollgremien
(z.B. Aufsichtsräte), die gewährleisten sollen,
dass die Agenten im Sinne der Prinzipale handeln
(de jure funktionsfähig;
de facto eingeschränkt funktionierend)
Problem:
so nicht auf die Politik übertragbar
Lösung im Politikbereich wäre verantwortungsethisches Handeln,
mit den dazu gehörigen Prinzipien, das im folgenden beschrieben wird.
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
389
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Ökonomie und Ethik –
Ergänzende oder konfligierende Prinzipien
Voreingenommenheiten und
fehlende wechselseitige Kenntnisse?
(Tietmeyer, 1994, S. 115)
Oder unüberbrückbare Diskrepanzen?
Thesensammlung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
390
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Ordnungsmoral (Schilderung in Anlehnung an Homann)
1) Scheinbare Unvereinbarkeit von Wettbewerb und Moral
Beide Phänomene können jedoch gleichzeitig zur Geltung kommen:
1.
2.
Moralische Intention als Rahmenordnung (Spielregeln)
Produktiver Wettbewerb innerhalb der Rahmenordnung (Spielzüge)
=>
Ordnungsmoral („Moral ohne moralische Handlungsmotive“) durch
nicht intendierte Ergebnisse intentionaler Handlungen
(im positiven wie im negativen Sinne)
=>
Moralisch untragbare Ergebnisse sind das Resultat von Ordnungsdefiziten (erfordert Bedingungswandel statt Gesinnungswandel)
2) Keine Moral ohne Kontrollen
(die Mittel zur Erreichung frei gesetzter Ziele werden eingeschränkt)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
391
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Ordnungsmoral (Schilderung in Anlehnung an Homann)
3) Wettbewerbs“spiele“ werden als Gefangenendilemmata ausgelegt,
die die Ursache des Erfolges aber auch der ungelösten Probleme der
Marktwirtschaft darstellen:
Dilemmastrukturen sind ambivalent, woraus zu folgern ist,
=>
erwünschte Wirkungen zum Zuge kommen zu lassen
=>
unerwünschte Wirkungen durch Ordnungspolitik zu vermeiden
4) Geld ist von der gesamtwirtschaftlichen Steuerungsfunktion her zu
beurteilen (dagegen: Entpersönlichung, Entfremdung,
Vermögensanhäufung, Werteverfall als Folgen der Geldwirtschaft?)
5) Normativer Diskurs erforderlich: Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil (langfristig Pareto-superiore Regelungen statt Nullsummenparadigma)
=>
Anschlussfähigkeit der Ökonomie an Sozialphilosophie
und Ethik erforderlich
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
392
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
„Nicht intendierte Wirkungen intendierten Handelns“
- Sind Triebfeder des wirtschaftlichen Handelns und ermöglichen
einen Anstieg des wirtschaftlichen Gesamtnutzens (vgl. 1.1)
- Es kann aber auch zu negativen nicht intendierten Wirkungen
intendierten Handelns kommen
- In der Wirtschaftspolitik ist es schwierig, die nicht intendierten
Folgen von Regelungen zu identifizieren und in ihrem Ausmaß
zu prognostizieren
- Dennoch ist eine solche Abschätzung unbedingt erforderlich
(Beispiel: Regelungsfolgenabschätzung, ex ante – Evaluation)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
393
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Beimischung von Biokomponenten zu Kraftstoffen
Konkrete Beispiele:
Besteuerung von Kraftstoffen
Kosten / Marge
Ökosteuer
Produkt
Abgaben
(MinÖlSt, MwSt, EBV)
Kraftstoffpreiszusammensetzung
Quelle: Aral.de, Stand: 05.11.2011 für einen Liter Ottokraftstoff: 1,539 Euro
Welche intendierten und nicht intendierten Wirkungen liegen hier vor?
In welchem Spannungsfeld bewegen sich die Maßnahmen?
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
394
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Zwischenfazit:
=>
Der Staat als Balancehalter zwischen:
individuellen Freiheiten
fahrlässigem oder vorsätzlichem
gesamtwirtschaftlich
schädlichem Verhalten
=>
Postulat der Ordnungspolitik
=>
Subsidiarität
=>
Spielregeln (Staat) und
Spielzüge (Wettbewerb)
Aber:
wer beurteilt die Angemessenheit von Spielregeln?
„brauchen wir die Abseitsregel?“
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
395
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Beispiel 1 für fehlgeschlagene „Spielregeln“
US GAAP, Bilanzskandale und die Folgen (SOx act)
US GAAP (Generally accepted accounting principles) stellen eine Vielzahl von
Rechnungslegungsstandards dar, die nicht in einem Gesetz wie dem HGB
kodifiziert sind, sondern durch unabhängige Expertengremien bzw, durch
„case law“ (im Gegensatz zu „code law“) etabliert sind.
Diesem Regelwerk (house of US GAAP) und der darauf beruhenden Wirtschaftsprüfungspraxis wurde eine hohe Qualität und Sicherheit zugesprochen, bis …
Bilanzskandale zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit Unternehmenspleiten
(Worldcom, Enron, etc.) und Milliardenverlusten u.a. von Pensionsfonds
Folge: Ein massiver regelungstechnischer Eingriff des Staates (SarbanesOxley-Act) mit rigiden Vorschriften für interne Kontrollsysteme, die alle in den
USA börsengehandelten Unternehmen einhalten und nachweisen müssen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
396
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Beispiel 2 für fehlgeschlagene „Spielregeln“
Basel 2: Eigenkapitalvorschriften
und die Risikoabsicherung der Banken
Gültig seit Anfang 2007
Ebenfalls mit hohen Erwartungen an Qualitätsund Sicherheitsstandards der Rechnungslegung
von Kreditinstituten, bis…
… wenige Monate später die Finanzkrise akut
wurde und insbesondere der Bankensektor
hunderte von Milliarden an „faulen“ Krediten
und Wertpapieren abschreiben mußte
Daher mittlerweile Basel 3 erarbeitet
(Umsetzung ab 2013 geplant)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
397
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Beispiel 3 für fehlgeschlagene „Spielregeln“
Die Konvergenzkriterien
Keine weiteren Ausführungen, da bereits in 3.2.4.7 thematisiert
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
398
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
„… alle halten mich für klug,
hoffentlich merkt keiner
den Betrug!
Denn das ist alles nur
geklaut „
(Die Prinzen / Alles nur geklaut)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
399
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Verantwortungsethik als wirtschaftspolitische Maxime
(Schilderung in Anlehnung an Tietmeyer)1
1) Zwischen Ökonomie und Ethik besteht kein Widerspruch, sondern ein
Aufeinanderangewisensein (also mehr als nur Ergänzung)
wie wird nun der Wirtschaftsverlauf so gelenkt, dass er ethische
Anforderungen erfüllt?
1.
durch einen individual-ethischen Ansatz?
=>
in großen Gemeinschaften utopisch
2.
durch Gestaltung der Wirtschaftsordnung durch die Politik
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
400
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Verantwortungsethik als wirtschaftspolitische Maxime
(Schilderung in Anlehnung an Tietmeyer)
Elemente des Leitbildes der Verantwortungsethik:
-
Folgenorientierung
-
Sachkenntnis über Wirkungszusammenhänge
(erforderlich aber begrenzt)
-
Beschränkung auf (konstante) Rahmengestaltung
-
Verpflichtung zur Aufklärung
(auch über „unangenehme“ Sachverhalte)
-
keine (innovationsfeindliche) „Vetoethik“
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
401
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Verantwortungsethik als wirtschaftspolitische Maxime
(Schilderung in Anlehnung an Tietmeyer)
2) Das Leitbild der Verantwortungsethik:
-
soziale Gerechtigkeit nicht im Sinne von Verteilungs-,
sondern Leistungs-/ Tauschgerechtigkeit
(Ausgleich unterschiedlicher Präferenzen)
-
flankiert durch subsidiäre, korrigierende Sekundärverteilung
-
Mut zur Entscheidung über Prioritäten und Posterioritäten
(Ausgabenlenkung und –limitierung)
-
realistische Schritte statt ständiger Fernorientierung
(Glaubwürdigkeit)
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
402
3.3.3
Ethische Aspekte der Wirtschaftspolitik
und Neue Politische Ökonomie
Wo – auf dem Kontinuum
zwischen laissez faire und Verstaatlichung liegt nun die (optimale) Intensität
staatlichen Eingreifens in die Ökonomie
vor dem Hintergrund, auch ethisches Verhalten zu fördern?
Abschließende Thesensammlung
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
403
3.4 Nationale und internationale Institutionen
EZB (Europäische Zentralbank):
gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedstaaten der europäischen
Währungsunion;
politisch unabhängige geld- und währungspolitische Institution
IWF (Internationaler Währungsfond):
Sonderorganisation der UNO;
Beratung und Kreditvergabe für Länder mit makroökonomischen Problemen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
404
3.4 Nationale und internationale Institutionen
Weltbank:
Sonderorganisation der UNO;
Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung weniger entwickelter Länder
durch finanzielle und technische Hilfe sowie Beratung;
im Gegensatz zum IWF strukturell / mikroökonomisch orientiert
WTO (World Trade Organisation):
Internationale Organisation;
globale Regelung von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen
mit dem Ziel des Abbaus von Handelshemmnissen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
405
3.4 Nationale und internationale Institutionen
OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development):
Internationale Organisation von 30 höher entwickelten Ländern mit
Netzwerkcharakter zur gegenseitigen Verbesserung
der Wirtschaftsentwicklung
G 7/8/20 etc.:
reine Beratungsnetzwerke ohne eigene Entscheidungskompetenz
aber wichtig dahingehend, dass die meist hochkarätigen Teilnehmer
Handlungsempfehlungen in ihre nationalen Gremien zur Umsetzung
übernehmen
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
406
3.4 Nationale und internationale Institutionen
EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität):
temporärer Rettungsschirm seit Mai 2010 (Laufzeit drei Jahre)
Kredite werden durch Aufnahme von Anleihen gedeckt
Kreditnehmer müssen signifikante Sparmaßnahmen nachweisen
ESM (Europäischer Stabilitäts – Mechanismus):
dauerhafter Rettungsschirm ab Sommer 2013 (Auslaufen EFSF)
Im Gegensatz zur EFSF mit eigenem Grundkapital
genaue Ausgestaltung bleibt abzuwarten
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
407
3.4 Nationale und internationale Institutionen
Sachverständigenrat zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung:
Die „fünf Wirtschaftsweisen“, die jährlich (15.11.) ein Gutachten erstellen,
zu dem die Bundesregierung im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichtes
Stellung nimmt
Aktuelle Zusammensetzung (Stand: Oktober 2011):
- Wolfgang Franz (Vorsitzender)
Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)
- Peter Bofinger (per Satzung auf Empfehlung der Gewerkschaften)
- Lars Feld (Leiter des Walter Eucken Instituts)
- Christoph M. Schmidt (Leiter des Rheinisch – Westfälischen
Instituts für Wirtschaftsforschung)
- Beatrice Weder di Mauro
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
408
Abschlussdiskussion
„CRISIS?
WHAT CRISIS?“
FRAGEN UND
ANMERKUNGEN
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
409
Referatsthemen
1)
Doppelte Dividende
2)
Eurobonds
3)
Mindestlohndebatte
4)
Marktungleichgewichte Tankstellenmarkt
5)
Funktionsweise Pigou – Steuer
6)
Coase – Theorem / Property Rights
7)
Cross – Border - Leasing
Dr. Kunhenn: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge
410