USA AKTUELL Zinswende bei Überschussliquidität: Wie geht das?

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USA AKTUELL Zinswende bei Überschussliquidität: Wie geht das?
Helaba Volkswirtschaft/Research
USA AKTUELL
17. Juli 2014
Zinswende bei Überschussliquidität: Wie geht das?
AUTOR
Patrick Franke
Telefon: 0 69/91 32-47 38
[email protected]
REDAKTION
Dr. Stefan Mitropoulos


Die Tage des Wertpapierkaufprogramms der Fed sind gezählt. Die Zinswende rückt näher.
Da Anleiheverkäufe auf absehbare Zeit unwahrscheinlich sind, stellt sich die Frage, wie die
Notenbank die Geldpolitik straffen kann, während das Bankensystem gleichzeitig auf einem
riesigen Bestand an Überschussreserven sitzt.
Die Fed ist zuversichtlich, dass sie über die notwendigen Instrumente verfügt. Diese sind
jedoch ungetestet und für die Marktteilnehmer neu. Damit ist die Unsicherheit über die bevorstehende Normalisierung der US-Geldpolitik überdurchschnittlich hoch.

HERAUSGEBER
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/
Leitung Research
Helaba
Landesbank
Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44
Auf der FOMC-Sitzung Mitte Juni haben die Notenbanker ausdrücklich unseren Fahrplan vom
Anfang des Jahres bestätigt: Wenn alles nach Plan läuft (und danach sieht es aus), wird auf der
Sitzung im Oktober das Ende des aktuellen Wertpapierkaufprogramms verkündet. Spätestens
dann dürfte sich die Diskussion über das „Und was kommt jetzt?“ intensivieren.
Jenseits der Fragen, wann der Zinserhöhungsprozess beginnt und mit welchem Tempo er erfolgt –
Themen, die wir bereits an anderer Stelle behandelt haben – wird interessant sein, wie sich die
Bilanzsumme der Fed nach dem Ende des Kaufprogramms entwickeln dürfte und welche Maßnahmen die Notenbank ergreifen wird, um die Wirksamkeit der Geldpolitik trotz der erheblichen
Überschussliquidität zu gewährleisten. Der Unterschied zu vergangenen geldpolitischen Zyklen
besteht nämlich nicht nur in der diesmal sehr langen Periode ungewöhnlich niedriger Zinsen. Hinzu
kommt, dass wegen der Explosion der Liquidität im Bankensystem das traditionelle geldpolitische
Instrumentarium nicht ausreichen wird, um den Expansionsgrad wie erwünscht zurückzuführen.
In dieser Publikation beschreiben wir die Probleme, vor denen die Fed aufgrund ihrer aufgeblähten
Bilanzsumme steht und skizzieren, wie sie damit umzugehen plant. Dazu stellen wir in einem
Rückblick kurz dar, wie die Geldpolitik in den USA traditionell funktionierte und was auf absehbare
Zeit anders sein wird. Da sich die Fed selbst noch im Diskussionsprozess befindet über den besten Weg, die Geldpolitik zu normalisieren, und da diese in Frage kommenden Instrumente in der
Praxis bisher nicht wirklich getestet werden konnten, ist die Unsicherheit hoch. Ein grundlegendes
Verständnis der Problematik und Kenntnis dieser Instrumente ist aber für eine Einschätzung der
Geldpolitik in den nächsten Jahren essenziell.
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in
dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
Ein Berg von Überschussreserven
Ausgewählte Passivpositionen des Federal Reserve System, Mrd. Dollar (Monatsdurchschnitte)
5000
5000
4500
"Reverse Repos"
4000
4500
4000
3500
3500
Überschussreserven
3000
3000
2500
2500
2000
2000
Guthaben der Bundesregierung
1500
1500
Mindestreserven
1000
500
1000
500
Bargeld
0
0
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
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1
USA AKTUELL
Die Bilanz der Fed: Erhöhter Pegelstand im Geldspeicher?
Im Jahr 2008 begann die Fed damit, ihre Bilanzsumme drastisch zu erhöhen. Dies diente in der
unmittelbaren Krise zunächst vor allem dazu, plötzlich illiquid gewordene Marktsegmente wiederzubeleben und durch die Übernahme von fragwürdigen Assets gefährdete und als systemrelevant
eingeschätzte Institute (AIG, Bear Stearns) zu stützen. Dem folgten dann die inzwischen drei Runden der „quantitativen Lockerung“ durch Wertpapierkaufprogramme, deren dritte derzeit noch läuft
und voraussichtlich im November beendet wird. Hinzu kam noch eine spürbare Verlängerung der
durchschnittlichen Laufzeit der von der Fed gehaltenen Wertpapiere. Dies hat die Bilanzsumme
zwar nicht erhöht, es wird aber auf den Normalisierungsprozess der Geldpolitik einen wichtigen
Einfluss haben. Wir kommen weiter unten auf dieses Thema zurück.
Von rund 850 Mrd. Dollar im Jahr 2007 ist die Bilanzsumme inzwischen auf 4,4 Billionen Dollar
gestiegen. Wenn das Kaufprogramm im Herbst ausläuft, dürfte dieser Wert bei knapp 4,5 Billionen
Dollar liegen. Wir haben in der Vergangenheit wiederholt die Aktivseite der Fed-Bilanz thematisiert.
Hier interessiert aber zunächst vor allem die Passivseite. Durch die Käufe von Wertpapieren hat
die Fed der Wirtschaft in gleicher Höhe „Liquidität“ in Form von Zentralbankgeld zur Verfügung
gestellt. Was ist mit diesen Mitteln passiert? Lagern sie etwa in Geldspeichern, in denen Scrooge
McDuck (Dagobert Duck) nun seine Schwimmrunden dreht?
„Liquidität“ lagert in
den Bankbilanzen
Wie der Chart auf S. 1 illustriert, ist das Gros der zusätzlichen Mittel in die Überschussreserven
des Bankensystems geflossen. Sie haben sich von rund 100 Mrd. Dollar Anfang 2008 auf
2,7 Billionen Dollar im Mai 2014 erhöht. Die Banken können diese Position durch die Vergabe von
Krediten an Unternehmen und private Haushalte reduzieren oder indem sie Wertpapiere von
Nichtbanken ankaufen. Eine einzelne Bank kann zudem ihre Fed-Guthaben an eine andere Bank
verleihen, allerdings ohne dass sich die Gesamtsumme dadurch ändern würde. Die Mindestreserven der Banken („required reserve“) sind ebenfalls gestiegen – von unter 10 Mrd. Dollar Anfang
2008 auf zuletzt 80 Mrd. Dollar, aber dies ist verglichen mit den Überschussreserven nur von nachrangiger Bedeutung.
Anstieg bis auf 4,5 Billionen Dollar
Geldmarktzins meist sehr nah am Ziel
Bilanzsumme des Federal Reserve System, Mrd. $
Federal Funds Rate, % (Tagesdaten)
5000
5000
8
4500
4500
7
4000
4000
6
3500
3500
3000
3000
2500
2500
2000
1000
500
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
7
Effektive Federal Funds Rate
6
5
5
4
4
3
3
1500
2
2
1000
1
500
0
2000
2000
1500
8
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
1
Zielband
0
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Rückblick: Traditionelle Geldpolitik in den USA
Vor der Finanzkrise waren die Überschussreserven des Bankensystems vergleichsweise gering.
Da auf diese Aktiva keine Rendite erzielt wurde, minimierten die Geschäftsbanken den Posten
nach Möglichkeit. Jenseits eines Sicherheitspolsters für unerwartet benötigte Zentralbankguthaben
im Rahmen einer höheren mindestreservepflichtigen Kreditvergabe bzw. (in der Form von
Bargeldvorräten) für überraschende Auszahlungen kann die Überschussliquidität aber an andere
Institute verliehen werden. Die beschränkte Menge an Zentralbankguthaben wurde zwischen den
Banken üblicherweise mit einer Laufzeit von einem Tag („Overnight“) im sogenannten „Federal
Funds Market“ gehandelt. Die sich dabei einstellende durchschnittliche Verzinsung wird als
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„effektive Federal Funds Rate“ bezeichnet. Das FOMC legt auf seinen alle sechs Wochen
stattfindenden Sitzungen einen Zielwert für diese Federal Funds Rate fest – seit 2008 ein Zielband
von 0 bis 0,25 %. Es ist dann die Aufgabe des „System Open Market Desk“ der New York Fed
primär durch Offenmarktgeschäfte – Käufe und Verkäufe von Wertpapieren – die Liquidität im
Interbankenmarkt so zu beinflussen, dass der effektive Zinssatz möglichst nahe am Zielsatz liegt.
Durch Wertpapierverkäufe entzieht der Desk dem System Liquidität, durch Käufe erhöht er sie.
Diese Steuerung des Interbankenmarktes kann allerdings nur funktionieren, wenn Zentralbankguthaben insgesamt tatsächlich knapp sind. Wie wir gesehen haben, ist dies aber derzeit nicht mehr
der Fall.
Deutlich gestiegene Wertpapierbestände mit…
…zum Teil erheblichem Anteil am Gesamtvolumen
Ausgewählte Aktivpositionen des Federal Reserve System, Mrd. $
Anteil des Fed-Portfolios am ausstehenden Volumen in % (Ende 2013)
4500
Agency-Anleihen
4000
4500
50
50
4000
45
45
40
40
35
35
30
30
3500
3500
3000
3000
2500
2500
25
25
2000
20
20
1500
1500
15
15
1000
1000
10
10
5
5
MBS
2000
Treasuries
500
0
2007
500
0
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
0
0
Agencies*
Treasuries,** 3 bis 6 Jahre 6 bis 10 Jahre
davon:
10 bis 30
Jahre
Quellen: FRB, New York Fed, Helaba Volkswirtschaft/Research
* Anleihen und MBS ** Ohne T-Bills.
Nach der Krise: Neue Herausforderungen und Instrumente
Wie kann die Fed nun dafür sorgen, dass der geldpolitische Transmissionsprozess trotz dieser
Überschussliquidität funktioniert? Eine Möglichkeit wäre, die Bilanzsumme zügig auf ein normales
Niveau zu schrumpfen. Dies ist allerdings praktisch ausgeschlossen. So wäre auf den betreffenden
Märkten mit erheblichen Verwerfungen zu rechnen und der abrupte Entzug von Liquidität würde
wohl auch die Konjunktur spürbar in Mitleidenschaft ziehen. Die Fed hat bereits angekündigt, dass
sie ihren Bestand von derzeit rund 1,7 Billionen Dollar an mit Hypotheken besicherten Anleihen
(MBS) nicht aktiv verkaufen wird. Wir würden auch einen Verkauf von Staatsanleihen (aktuell etwa
2,4 Billionen Dollar) nur in einem Szenario erwarten, in dem die Notenbank andernfalls eine rapide
Überhitzung der Wirtschaft und ein Ausbrechen der Inflationserwartungen riskieren würde. In unserem Basis-Szenario ist ein Treasury-Verkauf hingegen ziemlich unwahrscheinlich. Angesichts des
riesigen Volumens der von ihr gehaltenen Staatsanleihen könnte ein Verkaufssignal der Fed zu
einem Crash am Rentenmarkt führen mit erheblichen negativen Auswirkungen auf Konjunktur,
Stabilität des Finanzsystems und auch auf die finanzielle Position der Fed selbst. Wie unten beschrieben, wird ein Zinserhöhungszyklus unter den aktuellen Bedingungen den Zinsüberschuss
der Fed abschmelzen bzw. vielleicht sogar verschwinden lassen. Obwohl die Fed bei der Bewertung ihrer Wertpapiere vom Halten bis zur Endfälligkeit ausgeht und daher keine „mark to market“Bewertung des Bestands vornimmt, muss sie realisierte Verluste sehr wohl in der Gewinn-undVerlust-Rechnung berücksichtigen. Da viele der Staatsanleihen zu sehr hohen Kursen gekauft
wurden, besteht hier ein erhebliches Risiko für nennenswerte Buchverluste – umso mehr, je stärker die Zinsen am Kapitalmarkt steigen.
Wie lange wird
reinvestiert?
Die Bilanzsumme würde auch graduell schrumpfen, wenn die Fed ihre derzeitige Politik ändern
sollte, fällig werdende Wertpapiere zu ersetzen. Treasuries werden rolliert, auslaufende MBS und
von den Agencies (Fannie Mae und Freddie Mac) emittierte Anleihen werden in MBS reinvestiert.
Aufgrund der sehr langen Laufzeit der meisten Papiere wäre dies aber ein im Schneckentempo
ablaufender Prozess. Die durchschnittliche Duration des Wertpapierportfolios liegt derzeit bei etwa
6,8 Jahren und für Staatsanleihen bei 7,7 Jahren (verglichen mit einem Durchschnitt von nur 4,4
Jahren bei allen ausstehenden Treasuries). Manche FOMC-Mitglieder sorgen sich schon heute,
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trotz der im Vergleich zum Gesamtvolumen marginalen Summen, um die es hierbei geht, man
solle die derzeitige Politik, fällig werdende Papiere zu reinvestitieren nur ja nicht zu früh beenden,
um Irritationen an den Finanzmärkten zu vermeiden. Dies signalisiert, dass selbst dieser inkrementelle Schritt eher später als früher erfolgen könnte, möglicherweise sogar erst nachdem die Leitzinsen bereits angehoben wurden.
Ob es wirklich Sinn macht, das Bilanzvolumen durch Wiederanlage der Mittel konstant zu halten,
während man gleichzeitig versucht, den Expansionsgrad der Geldpolitik durch höhere Zinsen zurückzunehmen, steht auf einem anderen Blatt. Insbesondere könnte es heikel sein, dies politisch
zu begründen, denn in der „neuen Welt“ zahlt die Fed den Geschäftsbanken in erheblichem Umfang Zinsen – umso mehr, desto höher die Fed-Bilanzsumme ist.
Steigende Restlaufzeiten
Derzeit einheitlicher Satz von 0,25 %
Durchschnittliche Duration des SOMA* Portfolios, Jahre
Geldmarktzinsen Oktober 2008 bis März 2009, % (Tagesdaten)*
9
Treasuries
8
9
1,6
8
1,4
7
7
6
6
5
5
Insgesamt
4
3
MBS
4
3
Agency-Anleihen
Federal Funds Zielrate
(ab Dez. 2008 Obergrenze des Zielbands)
1,2
0,8
2
0,4
1
0,2
0
2009
0
0,0
15.10.2008
2010
2011
2012
2013
Quellen: New York Fed, Helaba Volkswirtschaft/Research
* System Open Market Account
0,6
Zinssatz auf
Überschussreserven
1
2
1,0
0,8
0,6
1,4
1,2
Zinssatz auf Mindestreserven
1,0
1,6
0,4
0,2
0,0
15.12.2008
15.02.2009
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
* bis heute liegen alle drei Sätze unverändert bei 0,25 %
Seit 2008: Zinsen auf Zentralbankguthaben
Im Oktober 2008 begann die Fed nämlich damit, den Banken auf ihre Reserven Zinsen zu zahlen.
Zunächst wurde der Satz für Überschussreserven (IOER) auf Federal Funds Rate minus 75 Basispunkte und für die Mindestreserve auf Federal Funds Rate minus 10 Basispunkte festgesetzt.
Nach einigen weiteren Anpassungen liegen beide Sätze seit Dezember 2008 bei 0,25 %, dem
oberen Rand des aktuellen Zielbands für die Federal Funds Rate (0 bis 0,25 %). Was ist die Idee
hinter dieser Innovation? Wollte die Notenbank auf diesem Weg den Geschäftsbanken risikoloses
Zinseinkommen zuschustern?
Zusätzliche Instrumente
erforderlich
Der Hintergrund ist, dass die Fed mit ihrer riesigen Bilanzsumme in einem geldpolitischen Straffungszyklus bis auf weiteres auf zusätzliche Instrumente angewiesen ist, um ihre Ziele zu erreichen. Damit eine Erhöhung der Zielrate für Federal Funds greift, müssen die Opportunitätskosten
ebenfalls steigen. Keine Bank würde z.B. ihre Zentralbankguthaben an eine andere Bank für 0,5 %
verleihen, wenn sie 1 % dafür von der Fed erhalten kann. Der IOER-Satz könnte also eine Unter1
grenze für die effektive Federal Funds Rate werden. Tatsächlich dürfte er laut dem jüngsten
FOMC-Protokoll „eine zentrale Rolle im Normalisierungsprozess“ spielen. Unklar ist noch, ob dann
IOER oder wie bisher die Federal Funds Rate im Mittelpunkt der Fed-Kommunikation stehen wird.
Ein anderes Instrument, mit der die Fed die ausstehenden Überschussreserven temporär reduzieren kann, sind „Overnight reverse repurchase agreements“ (ON RRP). Im Rahmen dieser Geschäfte „verleiht“ die Fed für einen festen Zins ein Wertpapier (i.d.R. Treasuries) an eine Gegen-
1
Dies funktioniert derzeit nicht – der effektive Geldmarktsatz liegt unter dem IOER – weil es neben den Banken
noch andere wichtige Akteure am Geldmarkt gibt. Dazu gehören Geldmarktfonds und die FHLBs (staatliche
Institutionen zur Förderung des Wohnungsbaus). Da diese nicht wie Geschäftsbanken ihre Überschussliquidität
von der Fed verzinst bekommen, sind sie bereit, diese zu einem Satz unter dem IOER zu verleihen.
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partei. Für die Dauer des Reverse Repo sinkt in diesem Umfang das Reservevolumen. Offenbar
denkt man bei der Fed darüber nach, diese ON RRP so zu gestalten, dass der Zins etwas unter
dem IOER liegen wird. Die Fed führt bereits seit einiger Zeit Tests mit dieser Fazilität durch.
Dies gilt auch für die beiden anderen Alternativen mit etwas längerer Laufzeit, sogenannte „term
reverse repos“ (Repo-Geschäfte mit einer Laufzeit länger als einem Tag) und die „term deposit
facility“ (TDF). Diese TDF reduziert ebenfalls die Reserven des Bankensystems für die Laufzeit der
Einlage bei der Fed (mögliche Obergrenze 84 Tage, bisher jeweils eine Woche). Beim jüngsten
Test lag der Zinssatz für „term deposits“ bei 0,3 %.
Allen diesen Instrumenten ist gemein, dass sie die Attraktivität der Kreditvergabe für die Banken
senken, je höher die von der Fed festgelegten Sätze sind. Wer von der Notenbank ohne ein Risiko
einzugehen 2 % bekommt, hat einen geringeren Anreiz, die Mittel z.B. an ein Unternehmen zu
verleihen, als wenn der Satz auf Fed-Guthaben nur bei 0,25 % liegt.
Höhere Opportunitätskosten
Es gibt allerdings auch Risiken und Nebenwirkungen, die sich von denen der traditionellen Geldpolitik unterscheiden. So haben die FOMC-Mitglieder bei ihrer Diskussion im Juni Sorgen darüber
geäußert, in Zukunft geldpolitische Geschäfte mit „non-traditional counterparties“ (wie z.B. Fonds)
abzuwickeln. Auch könnte sich in einer neuen Krise die Situation ergeben, dass es für Banken
deutlich attraktiver wird, Mittel bei der Fed „zu parken“, statt sie an andere Unternehmen inneroder außerhalb des Finanzsektors zu verleihen. Die Fed würde unter dem neuen Regime zudem
eine stärkere Rolle in der Finanzintermediation übernehmen – eine Aussicht, die nicht allen Geldpolitikern gefällt.
Fed-Überschüsse am Gipfel
Zinserhöhungen erwartet – in unterschiedlichem Maß
Jährliches Nettoeinkommen des SOMA-Portfolios, Mrd. $*
Zielrate für Federal Funds, %
140
140
Basis-Szenario
120
120
Alternative
"Niedrige Zinsen"
100
80
60
Istwerte
40
0
2012
2014
2016
2018
2020
2022
3,0
60
2,0
0
2010
3,5
2,5
20
2024
Quellen: New York Fed, Helaba Volkswirtschaft/Research
* Projektionen ab 2014. Alternativen: jeweils Basis-Szenario +/- 100 Basispunkte.
Helaba-Prognose
4,0
80
40
Alternative
"Hohe Zinsen"
20
100
4,5
4,5
4,0
Median der FOMCProjektionen (Juni)
3,5
3,0
2,5
2,0
Terminmärkte*
(Mitte Juli)
1,5
1,5
1,0
1,0
Konsens-Prognose
(Bloomberg-Umfrage Juli)
0,5
0,0
Ende 2015
Ende 2016
0,5
0,0
"Langfristig"
Quellen: Bloomberg, FRB, Helaba Volkswirtschaft/Research
* 2015: Fed Funds Futures, sonst abgeleitet aus Eurodollar Futures
Fazit: Es wird teuer für die Fed
Der Pferdefuß all dieser Instrumente ist, dass sie für die Notenbank und damit letztlich für den
Finanzminister teuer werden. Derzeit zahlt die Fed auf Reserven einheitlich 0,25 % Zinsen. Dies
entspricht bei der aktuellen Höhe der Bankreserven etwa 7 Mrd. Dollar pro Jahr. Da das ausstehende Reservevolumen wohl auf absehbare Zeit nicht merklich zurückgehen wird, führen steigende Zinsen zu einer erheblichen Ausweitung dieser Zahlungen an die Banken. Bei einem durchschnittlichen Zins von 1 % wären dies rund 30 Mrd. Dollar, bei 2 % 56 Mrd. Dollar und beim langfristig normalen Zinsniveau von knapp 4 % über 100 Mrd. Dollar. Damit werden die zuletzt hohen
Zuweisungen der Fed an das Finanzministerium in den kommenden Jahren abschmelzen und
3
möglicherweise ganz verschwinden. Die New York Fed hat eine Simulation angestellt, nach der
selbst in einem Risiko-Szenario mit höheren als allgemein erwarteten Zinsen der Jahresüber2
Dies ist nicht auf Geschäftsbanken beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf andere Finanzinstitutionen,
die nicht reservepflichtig sind: Geldmarktfonds, GSEs und alle Primary Dealers.
3
Die Annahmen sind recht komplex. Siehe http://newyorkfed.org/markets/annual_reports.html für Details.
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schuss (Zinseinkommen abzüglich Zinsausgaben) nie unter 15 Mrd. Dollar fällt. Allerdings ist dabei
offenbar unterstellt, dass die Fed-Bilanz bis 2022 auf ein normales Niveau abgeschmolzen wird.
Die dazu erforderlichen Treasury-Verkäufe (die wir, wie erwähnt, für unwahrscheinlich halten)
würden einerseits die Zinseinnahmen reduzieren (selbst wenn keine Verluste realisiert werden),
andererseits aber auch die Zinsausgaben für Reserven reduzieren. Der Nettoeffekt hängt vom
Umfang des Zinsanstiegs ab. Wahrscheinlich würde das höhere Bilanzvolumen das Nettoeinkommen der Fed relativ zu den Simulationen tendenziell weiter drücken.
Über diese finanziellen Belastungen hinaus könnte der Fed politisches Ungemach drohen, wenn
im Kongress in Frage gestellt würde, warum die Notenbank den seit der Krise alles andere als
populären Geschäftsbanken Jahr für Jahr soviel Geld zahlt.
Was wird der Leitzins?
Ungelöst ist derzeit außerdem wie bereits erwähnt die Frage, welche Größe in Zukunft im Mittelpunkt der Kommunikationsstrategie der Fed stehen soll. Seit dem Ende des Experiments mit der
Geldmengensteuerung Anfang der 1980er Jahre war dies klar die Federal Funds Rate. Unter dem
zukünftigen Regime ließen sich aber gute Argumente finden, den Einlagensatz IOER als wichtigsten Leitzins zu verwenden. In dieser Frage ist die Meinungsbildung im FOMC noch nicht abgeschlossen. Aus Gründen der Kontinuität und der Gewohnheit könnte eine weitere Verwendung der
Federal Funds Rate sinnvoll sein. Das FOMC müsste sich in jedem Fall Gedanken machen, ob der
Abstand zwischen Federal Funds Rate, Einlagensatz und den für ON RRP und „term“-Geschäfte
gezahlten Zinsen in Zukunft fix sein wird oder sich im Zeitablauf ändern wird. Für die praktische
Wirkung der Geldpolitik ist diese Frage allerdings nachrangig. Im Großen und Ganzen werden sich
all diese Zinssätze parallel nach oben bewegen.
Wir rechnen nach wie vor damit, dass die Fed die Zinsen erstmalig im Frühjahr 2015 erhöht. Ende
des kommenden Jahres wird die Zielrate für Federal Funds voraussichtlich bei 1,5 % liegen. Dies
ist deutlich höher als es der Terminmarkt derzeit einpreist (0,7 %) und liegt auch etwas oberhalb
dessen, was der Konsens der Ökonomen bzw. der Median der FOMC-Mitglieder prognostiziert
(1,25 %). Wesentliches Argument für den von uns erwarteten schnelleren Zinsanstieg ist, dass die
Arbeitslosigkeit verglichen mit den allgemeinen Erwartungen etwas stärker fallen und die Kernteuerung zügiger anziehen dürfte. 
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