FALLER Empowerment Hamburg Symposium chcr 03 02 2012

Transcrição

FALLER Empowerment Hamburg Symposium chcr 03 02 2012
Symposium
„Patientenorientierung und Versorgungsforschung“
3. Februar 2012 in Hamburg
Empowerment
und Patientenorientierung
Hermann Faller
Professur für Rehabilitationswissenschaften
Universität Würzburg
Zwei Paradigmen
akute
Krankheit
chronische
Krankheit
Therapieziel
Gesundheit
Lebensqualität
Therapiefokus
eng
breit
Therapiedauer
kurz
kontinuierlich
Hauptakteur
Arzt
Patient
Ort der Therapie
Praxis, Klinik
Alltagsleben
Ausgangszustand: Informationsdefizit
• Kranke haben ein großes Informationsbedürfnis, das nicht ausreichend
befriedigt wird.
aus: Dierks et al. Bürger- und Patientenorientierung im
Gesundheitswesen. Robert-Koch-Institut, Berlin. Heft 32, 2006
Ausgangszustand: Mitentscheidungsdefizit
• Das Bedürfnis mitzuentscheiden ist groß, wenn auch weniger einheitlich.
• Selbst- und Arztbeurteilung des Mitentscheidungsbedürfnisses stimmen
wenig überein.
• Präferierte und realisierte Rolle im Entscheidungsprozess stimmen oft
nicht überein.
Mitwirkung im Entscheidungsprozess
aus: Dierks et al. Bürger- und Patientenorientierung im
Gesundheitswesen. Robert-Koch-Institut, Berlin. Heft 32, 2006
Der Weg zu mehr Mitwirkung:
Empowerment
?
Empowerment – ein unklarer Begriff?
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egleitet
(Kliche u. Kröger 200
8)
Hintergrund
• Autonomie
• Subsidiarität
• Hilfe zur Selbsthilfe
Empowerment: Ziele
• Selbstmanagement (Aujoulat et al. 2007a)
• partizipative Entscheidungsfindung (Aujoulat et al. 2007a; Kliche u. Kröger 2008)
• Fähigkeit, bessere Lebensqualität zu erreichen (Tengland 2007)
• Kontrolle über die Determinanten der Gesundheit/Lebensqualität
(Tengland 2008)
• Inanspruchnahme der bestmöglichen Gesundheitsversorgung
(Kliche u. Kröger 2008)
• autonome, informierte Entscheidungen über das KrankheitsSelbstmanagement (Anderson u. Funnell 2010)
• Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung dafür zu
übernehmen (Aujoulat et al. 2007b)
• selbstbestimmtes, nicht notwendigerweise gesundheitsförderliches
Handeln (Aujoulat et al. 2007b)
Empowerment: Konzept
Empowerment
als Prozess
Empowerment
als Ziel
Zimmerman u. Warschausky (1998); Zimmerman (2000)
Empowerment: Prozess
• die Kontrolle liegt beim Betroffenen
• partnerschaftliche Beziehung zum Experten
• patientenorientierte Beziehungsgestaltung
• erfahrungsbasiertes Lernen:
Gruppendiskussion, praktisches Üben, Reflexion
• Erwerb von Problembewusstsein und Wissen
• Entwicklung psychologischer Fertigkeiten
• Stärkung von Selbstwirksamkeit und Selbstsicherheit
• Entwicklung von Handlungsfertigkeiten
Veränderte Rolle des Experten
• Erwarte ich von Patienten, ihre Lebensführung
an meinem Expertenurteil zu orientieren?
• Fühle ich mich verantwortlich für die Gesundheit
meiner Patienten?
• Versuche ich die Pat. zu überzeugen, meinem Rat
zu folgen?
• Bin ich enttäuscht, wenn Pat. meine Empfehlungen
nicht beherzigen?
• Habe ich das Gefühl, dass Pat., die non-compliant sind,
meine Bemühungen untergraben?
Anderson u. Funnell (2005)
Was ist aus Sicht der Patienten wichtig?
• Expertise und Interesse der Schulungsleiter
• interaktives Aushandeln der Schulungsinhalte
• Integration der Erfahrungen der Teilnehmer
• Unterstützung durch die Gruppe Betroffener
Fokusgruppen mit Teilnehmern an Diabetesschulungen; Cooper et al. (2003)
Empowerment als iterativer Prozess
aus: Cattaneo LB,
Chapman AR.
The process of
empowerment.
American
Psychologist
2010;65:646-659
Empowerment: Definition
Empowerment ist ein Prozess,
in welchem ein chronisch kranker Mensch
in Eigenregie und/oder in Kooperation mit professionellen Experten
Kompetenzen erwirbt,
mit dem Ziel, ihn dazu zu befähigen,
informierte, selbstbestimmte Entscheidungen
hinsichtlich seiner Gesundheit zu treffen.
Empowerment: Modell
Erwerb von
Kompetenzen:
Empowerment
Wissen
Motivation
Selbstwirksamkeit
Fertigkeiten
Beziehung zu
professionellen
Experten
Befähigung zu
informierten
Entscheidungen:
Selbstmanagement
Partizipative
Entscheidungsfindung
Inanspruchnahme der
Gesundheitsversorgung
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
subjektives Erleben
Patient
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
subjektives Erleben
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
Patient
- Alter,
Bildung, Einkommen
- Persönlichkeit, Kompetenz
- frühere Erfahrungen
Informationsbedürfnis
↑
- Art der Erkrankung
Partizipationsbedürfnis
?
- Gesundheitssystem
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
Patient
subjektives Erleben
Voraussetzungen von Empowerment
Ärzte unterschätzen
Informationsbedürfnis
Arzt
Ärzte schätzen Bedürfnis nach
Interesse
Mitentscheidung z. T.? falsch ein
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
subjektives Erleben
Patient
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Patient
Interesse
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
emotionale
Einstellung
subjektives Erleben
Kompetenz
Struktur
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
Unter-/Fehleinschätzung
Patient
meist Abnahme der Angst bei
Informationsbedürfnis
mehr
Partizipation ↑
Partizipationsbedürfnis ?
aber auch Angst, etwas falsch
subjektives Erleben
Angst ?
zu machen
Voraussetzungen von Empowerment
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
subjektives Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Voraussetzungen von Empowerment
Vorbehalte?
Experte
Patient
?
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
InteresseUnsicherheit?
Überforderung?
emotionale
unsicher
?
subjektives
Erleben
Patienten“
Einstellung„schwierige
Kompetenz
Struktur
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Der „mündige Patient“ in der Arztwahrnehmung
• selbstbestimmt
• informiert, wenn auch
unzulänglich
• unbequem
• verantwortlich für seine
Gesundheit
• verantwortlich für Qualität
und Effizienz der
Versorgung
Wo bleibt das Leiden?
Auch für benachteiligte
Bevölkerungsgruppen?
Inhaltsanalyse des Deutschen Ärzteblatts; Dieterich (2007)
Voraussetzungen von Empowerment
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
ambivalent
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Voraussetzungen von Empowerment
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
wenig
Erfahrung
wenig
Erfahrung
Schulung erforderlich ?
Coaching, Schulung
Struktur
-> aktiveres
Verhalten
Anreize
-> größere Zufriedenheit
-> bessere Outcomes
Voraussetzungen von Empowerment
Interesse
emotionale
Einstellung
Kompetenz
Struktur
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
lernbar
Voraussetzungen von Empowerment
Interesse
emotionale
Einstellung
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Gesprächsführung ↓
Gesprächsführung defizitär
Kompetenz
Training erforderlich
Training effektiv:
-> Kommunikation ↑ Zeit
Struktur
flexible Bausteine
-> Zufriedenheit ↑
-> Outcomes ↑
lernbar
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
emotionale
Einstellung
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Kompetenz
lernbar
lernbar
Interesse
Struktur
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
emotionale
Einstellung
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Kompetenz
lernbar
lernbar
Interesse
Struktur
AnreizeInformation
verständliche
Entscheidungshilfen
Anreize
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
emotionale
Einstellung
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Kompetenz
lernbar
lernbar
Interesse
Struktur
aufbereitete Information
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
emotionale
Einstellung
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Kompetenz
lernbar
lernbar
Struktur
Zeit
flexible Bausteine
aufbereitete Information
Interesse
Rahmenbedingungen
Zeit
Voraussetzungen von Empowerment
Experte
Patient
Unter-/Fehleinschätzung
Informationsbedürfnis ↑
Partizipationsbedürfnis ~
emotionale
Einstellung
ambivalent
subjektives
Erleben
meist Abnahme der
Angst bei mehr
Partizipation
Kompetenz
lernbar
lernbar
Struktur
Zeit
aufbereitete Information
Interesse
Empowerment bei benachteiligten
Bevölkerungsgruppen
• ältere Patienten Selbstmanagement-Programme effektiv bei Diabetes
(HbA1c, ES=0.36) und Hypertonie (systol./diastol. RR, ES=0.39/0.51)
(Chodosh et al. 2005)
• ältere Hypertonie-Pat. Empowerment-basiertes Programm effektiver
als Compliance-basiertes Programm (Figar et al. 2006)
• ältere Diabetiker aus niedriger Sozialschicht in unterversorgtem
Stadtgebiet effektiv bei Selbstmonitoring, HbA1c (Piatt et al. 2006)
• Diabetes-Pat. mit anhaltenden Selbstmanagementschwierigkeiten
effektiv bei HbA1c, Funktionsfähigkeit (Keers et al. 2006)
Messung von Empowerment: der heiQ
Dimensionen
Itembeispiele
1. Aktive Beteiligung am Leben
Ich finde, ich nehme aktiv am Leben teil.
2. Gesundheitsförderndes Verhalten
Ich nehme mir an den meisten Tagen der Woche Zeit für
gesunde Aktivitäten (z.B. Spazieren gehen, Entspannen, Sport).
3. Erwerb von Fertigkeiten und
Handlungsstrategien
Wenn Beschwerden auftreten, weiß ich mir zu helfen,
damit umzugehen.
4. Konstruktive Einstellungen
Ich lasse nicht zu, dass meine gesundheitlichen
Probleme mein Leben kontrollieren.
5. Selbstüberwachung und
Krankheitsverständnis
Ich weiß, was meine Gesundheitsprobleme auslösen
und was sie verschlimmern kann.
6. Kooperation und Zurechtfinden
im Gesundheitswesen
Ich kann mit meinen Ärzten sehr selbstsicher über alle
meine gesundheitlichen Probleme sprechen.
7. Soziale Integration und
Unterstützung
Wenn ich Hilfe brauche, kann ich mich auf viele
Menschen verlassen.
8. Emotionales Wohlbefinden
Ich mache mir oft Sorgen um meine Gesundheit.
Schuler et al. (in Vorb.); Osborne et al. Pat Educ Couns. 2007;66:192-201
Empowerment: Konzept
Empowerment
auf individueller
Ebene
Empowerment
auf institutioneller
Ebene
Zimmerman u. Warschausky (1998); Zimmerman (2000)
Empowerment im Gesundheitssystem
• Transparenz, Zugang zu Gesundheitsinformation
• Navigation im Versorgungssystem
• Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten in der
Gesundheitsversorgung
• Patientenbeteiligung in der Versorgungsplanung
• Stärkung von Selbsthilfegruppen und –organisationen
• Organisationsentwicklung in Versorgungseinrichtungen
Gegenkräfte
• Autonomie
<--> Delegation der Verantwortung
• Subsidiarität
<--> Fürsorgeethik
• Hilfe zur Selbsthilfe
<--> Abhängigkeit
Zusammenfassung
• Empowerment bedeutet, chronisch Kranken Kompetenzen zu
vermitteln, so dass er/sie entscheiden kann, in welchem Umfang
er/sie das Management seiner/ihrer Erkrankung selbst steuern will.
• Die für Entscheidungsfähigkeit notwendigen Kompetenzen umfassen
u.a. Problembewusstsein, Reflexion der eigenen Werte und Ziele,
Wissen, Selbstwirksamkeit, motivationale Techniken und
Handlungsfertigkeiten.
• Im Empowermentprozess muss der Experte/die Expertin eine
patientenorientierte, partnerschaftliche Rolle einnehmen.
• Wie die Entscheidungen der Betroffenen letztendlich ausfallen,
ist offen.
Offene Fragen
• Philosophie oder operationalisierbares Konstrukt?
• ethische Legitimation oder empirische Evidenz?
• globale Geltung oder zielgruppenspezifische Adaptation?
• genereller Nutzen vs. Risiken und Nebenwirkungen?
• Wie sieht ein „empowermentfreundliches“ Gesundheitssystem aus?
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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