Die Industrielle Revolution und die soziale Frage

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Die Industrielle Revolution und die soziale Frage
Thema 12 – Die industrielle Revolution und ihre Folgen
GSPB-Matura 2015
DIE INDUSTRIELLE REVOLUTION UND DIE SOZIALE FRAGE
I. ÜBERBLICK ÜBER DIE SCHRITTE DER INDUSTRIELLEN REVOLUTION:
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Zeitabschnitt zwischen Franz. Revolution bis heute (mehrere Abschnitte bzw. Revolutionen)
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Adelsgesellschaft (von Agrarwirtschaft geprägt) wandelte sich in Industriegesellschaft  reicht
durch Revolutionen (z.B. Frankreich) oder Reformen (z.B. England)

Um Mitte 18. Jh. setzte rasche und umfassende Veränderung aller Lebensbereiche ein  Technisierung der Arbeitswelt

1. Phase d. Industrielle Revolution begann mit
sierung der Textilindustrie und mit Einsatz der Dampfmaschine in England  breitete sich Mitte 19. Jh. in
ganz Europa aus.
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Erfasste bald auch Schwerindustrie und Verkehrwesen

In neuen Industriegebieten sammelte sich Proletariat
der Fabriksarbeiter  wurden bis in die 1880er ausgebeutet (Verbesserung durch Sozialgesetzgebung)

2. Phase: Nutzung von Elektro- und Verbrennungsmotoren sowie Fließbandproduktion
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3. Phase: Mitte 20. Jh.  Nutzung von Atomenergie, Computer- u. Kunststofftechnologie und
Raumfahrt

4. Phase: Gentechnologie und Automatisierung der Produktionsvorgänge.
ni-
ANFÄNGE IN ENGLAND

Ausgang: Mitte 18. Jh. in England  ernsthafte Auseinandersetzung mit Landwirtschaft  satt
Dreifelderwirtschaft kam Fruchtwechselwirtschaft und Düngung

Kartoffeln und Rüben sicherten Versorgung für immer mehr Menschen  Fortschritte in Medizin
und Hygiene  Säuglingssterblichkeit sank und Alterschnitt stieg.
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Voraussetzungen: Rascher Bevölkerungswachstum, daher Bedarf an Konsumgütern  dies war
zuerst in England der Fall.

England hatte genügend Kapital um in Manufakturen zu investieren.
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Weiters: Landflucht seit Ende des 17. Jh.; freies, bürgerliches Unternehmertum; reich an Bodenschätzen (Steinkohle und Eisenerz)

Daraus folgt Industrialisierung  steigenden Bedürfnisse der Bevölkerung erforderten Ausweitung der Produktion; Investitionen erforderten mehr Kapital; erste Formen des Kapitalismus;
Landflucht  Bildung des Industrie-Proletariats.
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Eisenbahn und Dampfkraft für Schiffart revolutionierten Verkehr  Produkte und Rohstoffe
konnten besser transportiert werden
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Führte vor allem in den ersten Jahrzehnten zu Ausbeutung, Entwurzelung und sozialer Deklassierung ganzer Bevölkerungsgruppen

Ende 19. Jh.  erste Sozialgesetzte für Fabriksarbeiter
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
Gründe dafür waren erschreckender körperlicher Zustand junger Arbeiter, die zum Militär sollten
und Druck von Gewerkschaften und Arbeiterparteien (auch in Österreich /Ungarn zeigen sich
Jahrzehnte später ähnlich körperliche Verfallszustände!)
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Aus Handwerker wurden Fabriksarbeiter  änderte soziales Gefüge

Mechanisierung (Einsatz von Maschinen) brachte Massenarbeitslosigkeit mit sich
VERLAUF IN ÖSTERREICH / UNGARN
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Industrialisierung in Österreich sehr spät

Ursachen: bis ins 19. Jh. vorindustrielle Fertigungsmethoden; genügend Metallverarbeitende Betriebe und Manufakturen  Nachfrage stieg nur langsam; lang anhaltende Grundherrschaft Österreichs  aufgelöst 1848, dann massenhafte Freisetzung von ländlichen Arbeitskräften; Zünfte
 Auflösung 1859, danach Gewerbegründung in großer Zahl möglich.

Ähnliche Entwicklung wie in England erst zur Zeit des Vormärz
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Kaiser Franz I. fürchtet Industrieproletariat  Industrieansiedlungsverbot für Wien.
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1867: „Gründerzeit“  überhitzte Industrialisierung  durch Börsenkrach 1873 gebremst.
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Um Jahrhundertwende erreichte österreichische Industrie Stand einer Großmacht.
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Durch Staatsanleihen große Kapitalbeträge  Ausbau der Verkehrverbindung und Infrastruktur
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Bevölkerung in Österreich-Ungarn stieg rasch  am Land jedoch rückläufig in Städten und Industriegebieten stark steigend.
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Daraus folgt Absenkung des wirtschaftlichen Niveaus  Verarmung; Identitätsverlust und Entfremdung
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Daher soziale Frage auch Frage der Herkunft  Ärmsten Schichten in Wien aus Böhmen oder
Slowakei
 Joseph II.: erste Regelungen  wollte Kinderarbeit vor 9. Lebensjahr verbieten, konnte sich nicht
durchsetzten.
 Gewerbeordnung 1859: keine Kinderarbeit vor
dem 10. Lebensjahr; bei 10-14 jährigen 10 Stunden
Höchstarbeitszeit; keine Nachtarbeit unter 16.

Bedeutende Sozialgesetze: siehe „Streifzüge durch
die Geschichte 6“, S. 111
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Errungenschaften der. Industriellen Revolution:
„Streifzüge durch die Geschichte 6“, S. 114
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II. DIE FOLGERN DER IND. REV.: DIE SOZIALE FRAGE UND IHRE LÖSUNGSANSÄTZE
LIBERALISMUS
Der Liberalismus (lat. liber = frei, ungebunden) geht auf die Aufklärung und die Französische Revolution zurück. Der Begriff leitet sich von spanischen Politkern ab, die 1812 die Einführung einer Verfassung durchsetzen und sich „Los Liberales“ nannten.
Der Liberalismus forderte die Freiheit der Persönlichkeit auf politischem, wirtschaftlichem
und kulturellem Gebiet. Die Forderung nach geistiger Freiheit bewirkte einen Antiklerikalismus, man forderte Religionsfreiheit, vor allem aber die strikte Trennung von Staat und Kirche. Die
Liberalen lehnten jegliche Zugehörigkeit oder Bindung an Herrscher, Kirche, Abstammung usw. ab,
weil der Mensch über die Zugehörigkeit nicht selbst bestimmen durfte. Selbst- und Mitbestimmung aber betrachtet der Liberalismus als Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben.
Politisch richtete man sich daher gegen den Absolutismus und den herrschenden Adel, man forderte
eine Volksvertretung als gesetzgebende Macht. Wirtschaftspolitisch forderte der Liberalismus
ein uneingeschränktes, freies Wirtschaftleben auf der Grundlage von Privateigentum und
einer freien Marktwirtschaft.
Privates Eigentum galt als Grundlage materiellen und sozialen Wohlstandes, folglich galt Eigentum,
ähnlich der persönlichen Freiheit, als besonders schützenswert. Der Einzelne stand im Mittelpunkt
aller Überlegungen; das Zusammenleben, so glaubte man, würde durch eine „allgemeine Vernunft“
geregelt.
Für den Wirtschaftsliberalismus bedeutet dies:
1. keine Einmischung des Staates
2. Selbstregulation
des
Marktes
durch Angebot und Nachfrage
3. Freihandel
4. internationale Arbeitsteilung
Die Pfeiler dieser Form und des Hochkapitalismus sind:
1. Unterbietung der Konkurrenz
2. Gewinnoptimierung
3. Aktienhandel
4. Kapitalgesellschaften
5. Banken
SOZIALISMUS, KOMMUNISMUS, MARXISMUS
Robert Owen war der Vorreiter und Begründer des englischen Sozialismus. Um 1800 stellte er
in seinen Unternehmen keiner Kinder unter zehn ein und begrenzte den Arbeitstag auf unter elf
Stunden und sorgte zusätzlich für ordentliche Arbeiterwohnungen. Seine Vorhaben ein genossenschaftliches System zu gründen, also kleiner Gruppen ohne staatlichen Einfluss sollen für das Wohl
der Arbeiter sorgen, scheiterten in England kläglich.
In Frankreich gab es zwei französischen Philosoph einmal Pierre Proudhon, der zu den radikalsten
Führer der Sozialisten zählte. Sein Kampf gegen den Kapitalismus führte so weit, dass er die Geld-
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wirtschaft durch eine Tauschwirtschaft ersetzen wollte. Eigentum, das nicht durch Arbeit erzielt
wird, bezeichnet er als Diebstahl. Der zweite Louis Blanc forderte als einer der Ersten staatlichen
Sozialleistungen ein. Das Recht auf Arbeit stünde jedem zu, der Staat hat es zu schaffen. Dazu
sollte man alle Betriebe in Staatsbetriebe umwandeln und von den Arbeitern selbst verwalten
lassen.
Eine andere Gegenbewegung zum Liberalismus war der Marxismus, der von den
zwei Theoretikern Karl Marx (1818-1883)
und Friedrich Engels (1820-1895) geprägt
war. Grundlage ihrer Theorien war die
Selbstentfremdung und die Entfremdung
des Menschen von der Arbeit. Industrie,
Handel und Banken sollten zentral gelenkt
und ausgenutzt werden, der Ertrag an der
Wirtschaft jeden Einzelnen zu gleichen Teilen zugute kommen. Karl Marx vertrat den
Grundgedanken alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse hätten die politischen und
geistigen Zustände bestimmt und würden sie bestimmen. Die Geschichte sei somit eine Folge
von Klassenkämpfen.
Daraus ergibt sich eine ökonomische Krise: Der Wert, der von den Arbeiten produziert wird, käme Großteils den Unternehmern, den Kapitalisten, zugute. Diese investierten das Kapital um noch
mehr Kapital zu schaffen und damit den Konkurrenzdruck zu erhöhen. Löhne sinken, Arbeiter werden durch Maschinen ersetzt, ein Herr von Arbeitslosen entsteht. Marx prophezeite, dass dies alles
schlussendlich auf eine Überproduktionskrise hinaus laufe, wo immer weniger Menschen das gesamte Kapital hätten. Die einzige Lösung, die sich daraus ergibt, ist, dass sich die Proletarier (Arbeiterschicht) die alleinige Macht sichern und das Kapital gerecht unter den Menschen verteilen. Eigentümer aller Güter sollte die Gemeinschaft sein. Somit gäbe es keine Gesellschaftsklassen mehr,
keine Unterdrückung und keine Armut.
Aus dem Marxismus heraus begründen sich zwei politische Richtungen: der Kommunismus
und der Sozialismus. Der Sozialismus strebt nach einer gerechten Eigentums- und Gesellschaftsordnung und will diese durch Reformen innerhalb bestehender Staatsgebilde auf friedlichem
Weg umsetzen.
Dagegen der Kommunismus, der die klassenlose Gesellschaft durch gewaltsamen Umsturz
und Revolution herbeiführen wollte. Die Kommunisten streben nach einer straffen staatlichen Organisation unter proletarischer Herrschaft an und lehnen sämtliche persönlichen Freiheiten strikt ab.
Während der Sozialismus in fast jeden europäischen Land vertreten ist. Scheiterte der Kommunismus kläglich.
DIE CHRISTLICHE SOZIALLEHRE
Die Kirche beschäftigte sich im Rahmen der Seelsorge schon sehr früh mit der sozialen Frage. In
den ab 1848 gegründeten Katholikenvereinen wurden entsprechenden Fragen und Probleme auf
breiter Basis diskutiert. Das Hauptaugenmerk galt in der frühen Zeit den vom sozialen Abstieg betroffenen Hammerwerken. Adolph Kolping beispielweise entwickelte für sie ein sozialpädagogisches Programm. Als später die sozialistischen Bewegungen mit ihrem streng antiklerikalen Kurs
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verstärkt Zulauf fanden, begann man christliche Arbeiterbewegungen zu formieren. Diese versanden sich –im Gegensatz zu Kommunisten und Sozialisten- nicht als Kampforganisationen.
Der grundlegende Unterschied der christlichen Soziallehre zum Sozialismus war der, dass sie nicht
die Diktatur des Proletariats forderte, sondern vielmehr danach trachtete das Proletariat in die
besitzende Klasse „zu heben“. Einer der bedeutendsten Theoretiker der christlichen Soziallehre
war der Österreicher Karl Freiherr von Vogelsang. Er und ein Kreis von Adligen und Bürgerlichen
hatten maßgeblichen Einfluss am Zustandekommen einer päpstlichen Sozialenzyklika „Rerum
novarum“ von Papst Leo XII. Mit dieser wurde 1891 die katholische Soziallehre begründet.
Die katholische Kirche wollte keinen Umsturz der gesellschaftlichen Verhältnisse, keine Wunder,
wenn man die nach wie vor herausragende Rolle der Kirche in Betracht zieht. Ihre Lösungsansätze
orientierten sich an christlichen Werten wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit oder Vertrauen. Der
Versuch, die Industriearbeiter in die Reihen der Katholiken einzugliedern, ist letztendlich gescheitert. Der christliche Glaube wurde vermehrt von der Lehre des Marxismus ersetzt.