Amiga Special Nr. 5/6 Der Transformer

Transcrição

Amiga Special Nr. 5/6 Der Transformer
Emulatoren: Renner oder Töff-Töff?
Der Transformer
Bei Erscheinen des Transformers war
begeisterten MS-Dos-Fans wohl schon
nach kurze r Zeit klar, daß es mit den
0.18 % der Original PC Geschwindigkeit, die er erreichte, nicht gerade
für einen Geschwindigkeitsrausch
reichen würde. Dennoch wäre es schön
gewesen, wenn das von Commodore viel
gepriesene Produkt wenigstens in
Sachen Kompatibilität Maßstäbe gesetzt hätte. Tja, es lief zwar alles,
aber...! Zum einen durfte nur ja nichts
in Spiel kommen, was auch nur entfernt
nach einer Grafik aussah, zum anderen
benötigte man schon für ein Minimum
an Ergebnis ein Maximum an Speicherkapazität.
Während nn viele Anwender schon beggannen zu glauben, daß die Bezeichnung
'PC Emulator' ein Synonym für 'Pocket
Computer Emulator' sei verdichteten sich
die Gerüchte um einen neuen Transformer,
der vielleicht gar den Faktor von 0,4% oder
sogar 0,6% der Originalgeschwindigkeit
erreichen würder. Leider blieben die Gerüchte gemau das was sie waren, nämlich
Gerüchte, und Commodore ließ das ehrgeizige Konzept MS-Dos rein softwaremäßig zu emulieren fallen wie eine heiße
Kartoffel (siehe Sidecar...). Betrachtet
man rückblickend den Transformer ernsthaft in Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit, so wird sofort klar, daß durch
seine geringe Geschwindigkeit
eine Anwendung im professionellen Bereich mehr als unsinnig ist. Sicher, eine
schmerzliche Erkenntnis; besonders für
diejenigen User, die damals voller Hoffnung stolze 198.- DM für das vergleichsweise nutzlose Programm über den Ladentisch geschoben haben. Eine gewisse
Daseinsberechtigung hat der Transformer heute nur noch z.B. für Studenten,
die damit in der Lage sind z.B. einen
Pascal Compiler, wie er in der Uni benutzt wird, laufen zu lassen, und so zu
Hause ein wenig experimentieren zu
können, ohne extra vom AMIGAauf einen PC umzusteigen zu müssen. Den
Versuch auf demTransformer ernsthafte
Anwenderprogramme wieTextomat laufen zu lassen, kann man bestenfalls
Amiga Special Nr. 5/6
L
schmunzelnd in die Reihe 'Sinnlos-Experimente'einordnen. Andere Vertreter
dieser Gattung wären beispielsweise der
Versuch den Nordpol großflächig mit
Reis zu bepflanzen oder der Bau eines
unterirdischen Flughafens...
Der C 64 Emulator
Der C 64 Emulator brachte schon einiges mehr an Leistung als der Transformer. Auf dem C 64 gab und gibt es zwar
mehr Spiele als Anwenderprogramme
i im Gegensatz zum PC) aber die Anwendungen die es gibt, laufen zu 90 % in
einer beachtlichen Geschwindigkeit.
DasTextprogramm Star Texter z.B. läuft
so perfekt, daß man prächtig damit arbeiten kann und auf keinerelei Geschwindigkeitsprobleme stößt. Nützlich
ist der C 64 Emulator auch für Leute,
die ihre alten Dateien vom C 64 auf den
AMIGA übertragen möchten, um nicht
samt und sonders alles neu schreiben zu
müssen. Dank des mitgelieferten Kabels und Programms, ist es ohne weiteres möglich, eine 1541 Floppy anzuschließen, und die Dateien auf 3.5 Zoll
Disks im AMIGA Format zu kopieren.
Wer im Besitz eines 5.25 Zoll Laufwerk
für den AMIGA ist, kann auf das Kabel
verzichten und sogar mit diesem Laufwerk Disketten im C 64 Format problemlos lesen. Probleme gibt es allerdings dann, wenn man versucht, eines
der Programme laufen zu lassen, die zur
Kategorie der verbleibenden 10 % zählen - die funktionierten nämlich nicht so
einwandfrei. Ein gutes Beispiel unter
Vielen wäre hier Hi-Eddi, das bekannte
Grafik-Programm. Bei dem Versuch
diese Software auch auf der 'Freundin'
laufen zu lassen kommt es zu Problemen
mit der Tastatur und dem Joystick. Tasten oder Joystickbewegungen werden
scheinbar falsch interpretiert und somit
wird Hi-Eddi unbrauchbar. Wer sich
nicht von seiner C64-Spielesammlung
trennen möchte und den Emulator in
der Erwartung kaufte, er könne nun
auch auf dem AMIGA die Sonnenmaske
suchen oder den Loadrunner flitzen lassen, der hatte mit Zitronen gehandelt.
Denn obwohl-manch einer noch bereit
gewesen wäre Einbußen in Sachen Geschwindigkeit hinzunehmen, hatte der
Emulator noch eine andere böse Überraschung parat: Viele Programme hängen sich oder den AMIGA einfach auf!
Versuchen Sie doch einmal z.B. Sum-
Amlga Special Nr. 5/6
mer Games zu spielen, Sie werden nicht
weit kommen - der Guru macht das Experiment schon im Ansatz zunichte!
So erhebt sich die Frage nach dem Sinn
und Zweck dieses Emulators: Anwendungen laufen, nur gibt es kaum welche.
Spiele gäbe es zuhauf, aber die laufen
nicht. Außerdem: nachdem nun endlich
eine stattliche Menge Software für den
AMIGA verfügbar ist, kann der C64
Emulator kaum helfen Lücken im
AMIGA Softwaremarkt zu schließen.
Und letztlich sind die meisten 'Amigianer' ohnehin schon zu sehr vom Komfort der AMIGA Programme verwöhnt,
als daß heutzutage noch jemand auf die
Idee käme, ein Anwenderprogramm aus
vergangenen C64-Tagen zu verwenden.
Als einziger praktischer Nutzen bleibt
also nur noch die Möglichkeit der Benutzung bzw. Konvertierung alter, auf
dem C 64 entstandenen Dateien. Ob das
allerdings ausreicht den Erwerb eines
solchen Emulators zu rechtfertigen ist
mehr als fraglich.
Neue Entwicklungen
Der einzige Emulator, der erst kürzlich
erschienen ist, geht wieder ein Wenig in
die Richtung MS-Dos. Diesmal wird jedoch der Vorgänger des MS-Dos Betriebssystems, das CP/M, emuliert. Der
CP/M Emulator ist allerdings wesentlich
preiswerter als derTransformer oder der
C 64 Emulator. Er befindet sich auf der
Fishdisk Nr.165 und ist also Public Domain. Leider wurde dem Emulator kein
Programm beigefügt, womit man in der
Lage wäre CP/M Disketten zu lesen.
Der Emulator selbst arbeitet ebenfalls
nur mit normalem AMIGA-Format.
Deshalb haben sich unsere Tests auf
einige kleinere Utilities, die wir von einer Mailbox downgeloaded haben, beschränkt. Bei den meisten Utilities gab
es Probleme aller Art, aber das kann
auch darauf zurückzuführen sein, daß
der Emulator schließlich eine recht alte
Version des Betriebssystems emuliert.
Laut dem Autor des Programms, soll jedoch das MBasic problemlos laufen und
Word Star zumindest halbwegs. Dank
einer Debugger-Option, über die der
Emulator verfügt, lassen sich aber immerhin bei manchen Programmen kleinere Probleme ausbügeln. Das Konzept
des Programms ist grundsätzlich gut,
denn eine CP/M Emulation ist vermutlich nicht so zeitkritisch wie eine MSDos Emulation. Der Emulator ist zwar
weit davon entfernt perfekt zu sein,
steckt aber vermutlich noch in den Kinderschuhen. Es könnte sich daher
durchaus lohnen auf ein Update des Programms zu warten, besonders für jene
User, die Spaß daran haben, Programme von anderen Rechnern auch zu
Hause laufen zu lassen.
Die Gerüchteküche
Zum Abschluß des Artikels soll endlich
ein Gerücht aus der Welt geschafft werden, daß in manchen schlechtinformierten Kreisen noch immer harnäckig kursiert. Die Rede ist von dem, schon vor
langer Zeit erwarteten ATARI ST Emulator. Damals war viel von einem Bridgeboard, wie der PC Karte oder dem Sidecar, die Rede. Andere behaupteten,
ein Programm würde genügen - die
Emulation wäre zwar langsam aber es
würde funktionieren. Diejenigen, die
auf eine Software-Lösung des Problems
tippten, lagen gar nicht so falsch, denn
es findet sich in derTat auf einer der früheren Fishdisks ein Programm, das den
Namen ST Emulator trägt. Das Programm beschränkt sich jedoch darauf,
auf dem AMIGA Bildschirm eine der
ATARI 'Workbench' sehr ähnliche Grafik erscheinen zu lassen. Das ist allerdings auch schon alles. Abgesehen von
einigen Grafik Konvertierungsprogrammen, gibt es in Richtung ATARI auf
dem AMIGA nichts neues (RPD Nr.
112). Eine Hardware Emulation des
ST's wurde nie gebaut. Aber irgendwann wird sicher der Zeitpunkt kommen, wo der AMIGA diesen lächerlichen ST in einem Window auf der Workbench emuliert...
Zusammenfassend kann man also sagen, daß die Idee verschiedene Computertypen über die Software zu emulieren, zwar ganz ausgezeichnet war, in der
Praxis jedoch mit Pauken und Trompeten durchgefallen ist. Aber wer sich einmal kritisch in der Welt umblickt, der findet Trost. Nehmen wir zum Beispiel die
Autos: Es wäre doch auch sehr schön,
wenn man nur das gleiche (teurere?) Öl,
wie es ein Porsche schluckt, in den eigenen Oldie kippen müßte und schon fährt
die Karre 280 kmh. Tja, funktioniert
aber leider auch nicht... .seufz! (hb)