Produkthaftung in Kanada - EEN

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Produkthaftung in Kanada - EEN
DEUTSCH-KANADISCHE INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER
CANADIAN GERMAN CHAMBER OF INDUSTRY AND COMMERCE INC.
LA CHAMBRE CANADIENNE ALLEMANDE DE L’INDUSTRIE ET DU COMMERCE INC.
TORONTO - MONTREAL - VANCOUVER
Produkthaftung in Kanada
I. Das Recht
Ansprüche aus Produkthaftung werden in Kanada weder so häufig wie in den Vereinigten Staaten
geltend gemacht noch sind die zugesprochenen Summen vergleichbar hoch. Die hohen Streitkosten
dienen eher als Abschreckung für die Geltendmachung von Scheinansprüchen. Trotzdem kann ein
schwerer Unfall zu einer in die Millionen Dollar gehenden Forderung führen.
Hersteller und Produzenten werden vom kanadischen Recht dazu angehalten, alle Vorkehrungen zu
treffen, damit ihre Produkte keine Verletzungen oder Schäden anrichten. Selbst wenn ein Hersteller
mit dem Endverbraucher nicht in direktem Kontakt steht, weil verschiedene Vertragshändler als
Zwischenglieder aufgetreten sind, bleibt er dem verletzten Benutzer des Produkts gegenüber
verantwortlich. Hersteller von praktisch allen Produktkategorien wie Autos, Möbel, pharmazeutische
und kosmetische Artikel, Lebensmittel, Spielzeug sowie Haushaltsgeräte können aus Produkthafung
in Anspruch genommen werden.
Jede kanadische Provinz bestimmt ihr eigenes Produkthaftungsrecht. Es gibt also kein gleichförmiges
Produkthaftungsrecht in Kanada. Ob eine geschädigte Partei beweisen muß, dass eine
Pflichtverletzung vorliegt, hängt von dem Produkt, seiner Zweckbestimmung und dem anwendbaren
Provinzrecht ab. Eine Haftung kann am einfachsten begründet werden, wenn ein Vertragsbruch
nachweisbar ist.
II. Direkte vertragliche Haftung
Der Käufer eines defekten Produkts, welches einen Schaden oder eine Verletztung verursacht hat, hat
einen direkten Anspruch gegen den Verkäufer aus Vertragsbruch oder aus Garantieverletzung. Die
Vertragsbedingungen sind den schriflichen Belegen, der Produktanzeige, der Verpackung und den
Zusicherungen zum Zeitpunkt des Kaufes zu entnehmen. Mit Ausnahme der Kaufabschlüsse, die den
Provinzgesetzen zum Verbraucherschutz unterliegen, kann der Verkäufer seine Haftung durch
vertragliche Ausschlußklauseln begrenzen. Sobald jedoch dem Verkäufer sorgfaltwidriges Verhalten
vorgeworfen werden kann, sind solche Klauseln nicht anwendbar.
Fehlt eine wirksame vertragliche Ausschlußklausel, ist der Verkäufer eines defekten Produkts
verantwortlich für jeden Schaden oder jede Verletzung, die das Produkt verursacht, selbst wenn kein
fahrlässiges oder schuldhaftes Verhalten des Verkäufers vorliegt.
Derartige Ausschlußklauseln müssen eindeutig gefaßt sein, denn jede Zweideutigkeit geht zu Lasten
des Verkäufers.
Vertragliche Produkthaftung kann schließlich entlang der Vertriebskette auf den Originalhersteller
zurückgeführt werden, da jeder Verkäufer in der Vertriebskette Schadensersatz von seinem jeweiligen
Lieferanten verlangen kann.
1010 Sherbrooke Street West, Suite 1604
Montreal, Quebec H3A 2R7
web: www.germanchamber.ca
Tel: (514) 844-3051
Fax: (514) 844-1473
[email protected]
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Soweit das Produkt nicht für den Verbraucher bestimmt ist, kann der Hersteller seine vertragliche
Verantwortung durch eindeutig formulierte Ausschlußklauseln in der Vertragshändlervereinbarung
begrenzen.
1) Die Gewährleistung des Herstellers
Hersteller können neben ihrer ausdrücklichen Gewährleistung auch aufgrund ihrer Aussagen in
Produktanzeigen verpflichtet werden. Verspricht z.B. eine Anzeige, daß “dieses Produkt für ein
zweijähriges Kind sicher ist", so bewirkt sie eine entsprechene Herstellerhaftung, selbst wenn das
Produkt eigentlich bei einem Einzelhändler gekauft wurde.
2) Implizierte Gewährleistung nach den Sale of Goods Acts
Die in jeder der neun englischsprachigen Provinzen (bis auf Quebec) bestehenden Sale of Goods
Acts bestimmen, daß jeder Verkauf eine implizierte Gewährleistung des Verkäufers beinhaltet, die
besagt, daß die Waren eine marktfähige Qualität besitzen und ihrer Zweckbestimmung genügen. Der
Kaufvertrag kann allerdings auch die Wirkungen dieser Mindestanforderungen ausschliessen oder
einschränken, wenn dies nicht von den einzelnen Provinzgesetzen zum Verbraucherschutz
ausgeschlossen wird.
In der Provinz Quebec wird eine vergleichbare Gewährleistung aus den Bestimmungen des Quebec
Civil Code abgeleitet.
Auf Personenverletzungen ist der International Sale of Goods Act nicht anwendbar.
III. Provinzgesetzgebung zum Schutze des Verbrauchers
Die meisten Provinzen haben in den letzten Jahren Gesetze zur Sicherheit und zum Schutze des
Verbrauchers erlassen. Diese Gesetze betreffen hauptsächlich die Einzelhändler.
Nova Scotia, Manitoba, British Columbia und Ontario haben Consumer Protection Acts erlassen, die
den Einzelhändler anweisen, Mindestanforderungen bzgl. marktgängiger Qualität und Tauglichkeit des
Produkts einzuhalten. Solche Anforderungen sind in den Sale of Goods Acts der Provinzen enthalten.
Der Einzelhändler, der Verbrauchsgüter verkauft, kann sich demnach nicht vertraglich oder durch
Ausschlußklauseln von seiner Haftung freizeichnen, wenn ein fehlerhaftes Produkt zu einer
Schädigung führt.
Hersteller unterliegen diesen Gesetzen nicht.
Drei Provinzen haben eine noch umfassendere Gesetzgebung ausgearbeitet. Laut dem Consumer
Products Warranties Act der Provinz Sasketchewan muss der geschädigte Verbraucher nur beweisen,
daß ein Schaden eingetreten ist, das Produkt fehlerhaft war und der Schaden aufgrund der
Fehlerhaftigkeit des Produkts eingetreten ist. Folglich kann in Sasketchewan ein geschädigter
Verbraucher Schadensersatz einklagen, ohne fahrlässiges Verhalten des Herstellers oder des
Einzelhändlers beweisen zu müssen.
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Nach dem Consumer Products Warranty and Liability Act von New Brunswick sind neben dem
Einzelhändler auch der Hersteller sowie der Lieferant für Schädigungen verantwortlich, die durch
fehlerhafte oder gefährliche Verbrauchsgüter entstehen, unabhängig davon, ob eine
Vertragsverletzung oder ein fahrlässiges Verhalten vorliegt.
Quebec's Consumer Protection Act legt dem Hersteller eine bedingungslose Haftung für ein
fehlerhaftes Produkt auf, das einen Verbraucher geschädigt hat, nachdem er das Produkt erworben
hat. Diese Haftung ist ebenfalls unabhängig davon, ob ein fahrlässiges Verhalten vorliegt.
Für Ansprüche aus Produkthaftung des Verbrauchers setzt die Provinzgesetzgebung nur
Mindestanforderungen fest. Generell ist das Produkthaftungsrecht jedoch nicht auf den Verbraucher
beschränkt, sondern kann sich auch auf die Hersteller- und Vertriebskette erstrecken.
IV. Sorgfaltspflichtverletzung
Oftmals besteht keine direkte vertragliche Beziehung zwischen der geschädigten Person und dem
Hersteller bzw. dem Vertragshändler oder dem Einzelhändler. Obwohl die Provinzgesetzgebung der
geschädigten Partei mehr Rechte verleiht, muss diese doch die auf fahrlässiges Handeln
zurückzuführende Fehlerhaftigkeit des Produkts nachweisen. Eine solche Sorgfaltspflicht kann in
einem fehlerhaft hergestellten Produkt, in einem fehlerhaften Design oder in einem mangelnden
Hinweis auf ein an sich gefährliches Produkt liegen.
1) Haftung für Herstellungsfehler
In den meisten Produkthaftungsfällen geht es um Mängel, die vom Hersteller nicht gewollt sind wie
z.B. Fremdkörper, fehlende Teile oder Montagefehler. In solchen Fällen ist der Hersteller haftbar, es
sei denn, er kann beweisen, daß jede angemessene Sorgfalt angewendet wurde und der Fehler nach
dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Herstellung unvermeidbar war.
Die Gesetzesdoktrin "res ipsa loquitur" findet Anwendung: eine Sorgfaltspflichtverletzung wird
unterstellt, es sei denn der Hersteller kann nachweisen, dass der Fehler nicht durch sein Verschulden
entstanden ist.
Eine Sorgfaltspflichtverletzung wird ebenso vermutet, wenn das Produkt oder der Herstellungsprozess
geltendes Bundesrecht verletzt, welches Sicherheits- und Qualitätsstandards regelt wie z.B. der
Consumer Packaging and Labelling Act, der Food and Drug Act und der Motor Vehicle Act.
2) Gefahrerhöhendes Design
Selbst wenn kein Herstellungsfehler vorliegt, kann der Hersteller für ein nachlässig gestaltetes
unsicheres Produkt haften, wenn nachweisbar ist, daß es sicherere Designalternativen gegeben hatte,
die das Risiko eines vorhersehbaren Schadens kosteneffektiv reduziert hätten. Der
Herstellungsverlauf des Produktdesigns wird daraufhin überprüft, ob die Produktsicherheit
ausreichend berücksichtigt wurde. Ist das Produktdesign mangelhaft, können den Hersteller auch
keine umfangreichen Warnungen von seiner Haftung für nachfolgende Schäden entlasten.
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3) Inhärent gefährliche Verbrauchsgüter
Jeder Hersteller weiss, daß einige Produkte in bestimmter Hinsicht an sich gefährlich sind wie z.B.
Rasenmäher, Schadstoffe, explosive oder andere chemische Produkte. Der Hersteller ist verpflichtet,
den Benutzer im voraus über die Gefährlichkeit dieser Güter zu warnen und ihm mitzuteilen, wie eine
Gefahr zu vermeiden ist. Diese Verpflichtung ist für den Hersteller im allgemeinen extrem belastend.
Eindeutige Warnhinweise müssen auf dem Produkt, seiner Verpackung und der Gebrauchsanweisung
angebracht sein.
Die Warnungen müssen detailliert sein und ein möglichst breites Spektrum an etwaigen
Fehlbenutzungen und ihren Folgen abdecken. Die Warnhinweise müssen so gestaltet sein, daß sie
den letzten Benutzer des Produkts erreichen, selbst wenn es sich um Zweit- oder Drittkäufer handelt.
Diese Warnpflicht gilt selbst dann, wenn die spezifische Gefahr im Zeitpunkt der Herstellung oder des
Verkaufs des Produkts noch nicht bekannt ist.
Wenn der Hersteller auf einen Fehler eines bereits vermarkteten Produkts aufmerksam wird, ist er
verpflichtet sicherzustellen, daß die Gefahr den jetzigen und den zukünftigen Benutzern des Produkts
mitgeteilt wird.
Da Kanada ein zweisprachiges Land ist, müssen solche Warnhinweise sowohl in Englisch als auch in
Französisch angebracht sein.
V. Schadensersatz
Wenn eine Produkthaftungsklage Erfolg hat, können verschiedene Formen von Schadensersatz
zugesprochen werden. So schliessen Personenverletzungen ein Schmerzensgeld ein, das in Kanada
auf ungefähr $ 300.000 begrenzt ist. Diese Summe kann auch niedriger ausfallen, jedoch muss sie
stets im Verhältnis zu bereits entgangenen und zukünftig entfallenden Verdiensten und den
angefallenen und noch anfallenden medizinischen Kosten stehen, die auf die Verletzung
zurückzuführen sind.
Bis heute liegt der höchste zugesprochene Schadensersatzbetrag bei sechs Millionen Dollar. Punitive
Damages (Schadensersatz zzgl. einer Strafe) können ebenfalls zuerkannt werden. Allerdings sind sie
selten und fallen in der Regel niedrig aus.
Ein fehlerhaftes Produkt kann auch einen Sachschaden ohne einen Personenschaden
verursachen.So kann z.B. ein defektes Feuerzeug zu einem Hausbrand führen. Reparatur- oder
Wiederherstellungskosten sind grundsätzlich erstattungsfähig ebenso wie andere begründete künftige
Einbussen, die kausal durch den Vorfall verursacht wurden.
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VI. Begrenzte Haftung
In bestimmten Fällen können die Ansprüche aus Produkthaftung begrenzt oder ausgeschlossen
werden, z.B. :
! wenn der Benutzer des Produkts vorher über die Gefahr informiert wurde und freiwillig das
Risiko einer Verletzung auf sich genommen hat;
! wenn die Verletzung auf eine nicht vorhersehbare aussergewöhnliche Handhabung des
Produkts zurückzuführen ist;
! wenn das Produkt manipuliert wurde, nachdem es den Kontrollbereich des Herstellers
verlassen hat.
VII. Praktische Anmerkungen
Ausländische Exporteure sollten sich auf jeden Fall mit den wichtigsten Gesetzen und geltenden
Sicherheitsvorschriften bzgl. ihrer Produkte vertraut machen und sich daran halten, um ein evtl. Risiko
zu begrenzen bzw. unter Kontrolle zu halten.
Produktetiketten und Warnhinweise sowie vertragliche Ausschlussklauseln sollten unter Zuhilfenahme
eines erfahrenen Beraters formuliert werden.
Vertragshändler und Einzelhandelsverkäufer sollten sich zu ihrer Sicherheit vergewissern, daß der
Hersteller durch eine angemessene Deckungssumme versichert ist.
Schliesslich sollten sich die Verbraucher darüber bewusst sein, daß der Name und der Ruf eines
bekannten Herstellers nicht automatisch ein sicheres Produkt gewährleistet.
(Stand: Dezember 2000)
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