Ludvig Holbergs Jeppe vom Berge oder EIN DICHTER IN SEINER

Transcrição

Ludvig Holbergs Jeppe vom Berge oder EIN DICHTER IN SEINER
Lothar Trolle
Ludvig Holbergs Jeppe vom Berge
oder
EIN DICHTER IN SEINER EIGENEN KOMÖDIE
Hanswurstiade in drei Bildern
mit Publikum und Möglichkeiten zum Improvisieren
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© henschel
SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1998
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F1
PERSONEN
Jeppe vom Berge, ein Bauer (Hanswurst)
Nele, dessen Frau (Grete)
Eine Kneipe und ihr Wirt
Ein Baron und sein Gefolge, darunter
Der Kammerdiener Heinz
Ludvig Holberg, der Dichter der Komödie
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1.
Während man auf der Bühne Jeppes Haus usw. aufbaut, tritt, im Manuskript des Stücks
blätternd, Ludvig Holberg unter die Bühnenarbeiter.
Holberg
(Blättert im Manuskript und zitiert Sätze des Stücks.)
… hm … und
das sei von mir …
mir jetzt unvorstellbar … das
also ist Jeppe vom Berge, die Komödie
in der schon der unvergeßliche Devrient Triumphe
feierte und die schon manchen Intendanten vor dem
Ruin rettete …
(Mustert.)
… aber wenn ich mir jetzt Sie, Damen und Herren dort
unten betrachte,
tun mir die Kollegen Schauspieler etwas leid,
ob dort unten Sie noch mit derartigem von den Sitzen zu
reißen sind,
Sie dort unten sind vermutlich heißere Sachen gewöhnt,
aber hat ein Autor seine Schauspieler schon jemals sitzen
lassen …
(Zu den Bühnenarbeitern.)
… sagt nur,
ihr seid schon fertig,
dann Schicksal nimm deinen Lauf …
(Wie ein Conférencier.)
… meine Damen und Herren,
Sie sehen heute abend,
Jeppe vom Berge,
eine Komödie von Ludvig Holberg,
und von uns heute abend,
zu Ihrer Erbauung, hoffentlich, gekürzt und ergänzt,
(Ruft in die Seitenbühne.)
… Requisite …
… liegt alles griffbereit da, …
auch das Gerät,
das der große Riccoboni auf die Bühne brachte
und mit dessen Hilfe schon die weltbewegendsten Staatsaktionen entschieden wurden.
(Ein Knüppel wird gebracht.)
… sehr gut,
aber ist das Ding auch so stark, wie es sich
den Anschein gibt …
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(Nun folgt ein Lazzo, in welchem auf dem Rücken des Autors /
des Chefrequisiteurs / des Intendanten / an einem Brett, das auf
einen Sägeblock gelegt wird / die Stärke des Knüppels demonstriert wird.)
… ausgezeichnet,
mit dem Jungen bringt man selbst den verstocktesten
Reaktionär auf Trab, …
… und fehlts auch nicht
an einer anständigen Jacke und Hose für unseren Jeppe,
einem richtigen Jeppekostüm,
bei dessen Anblick die Damen und Herren dort unten
sofort erkennen,
um was für einen Kerl es sich bei unserem Jeppe handelt,
(Ein Kostüm wird auf die Bühne gebracht.)
… habt ihr nichts Lumpigeres zu bieten,
einen Fetzen, wie gerade aus der Mülltonne gezogen,
und der unseren Jeppe doch kleidet
wie ein echter Nerz von VEB Pelzmoden …
(Nun folgt ein Lazzo, in welchem Holberg gemeinsam mit den
Garderobieren Jeppes Kostüm zusammenstellt.)
… so
ist es schon besser,
und nun wollen wir die Damen und Herren dort unten
nicht mehr länger zappeln lassen …
(Holt die Darstellerin der Nele auf die Bühne.)
… komm, Schatz,
nur kein Herzklopfen,
das weiß doch jeder,
nichts Unangenehmeres gibts für einen Schauspieler
als den ersten Satz zu sprechen …
… los, Nele, mein Mädchen,
jetzt tritt schon aus deinem Haus,
und verkünde dem Publikum,
was du nun von unserem Jeppe hältst,
ich kümmere mich inzwischen,
daß dein Mann rechtzeitig in seine Hosen kommt
und dich hier draußen nicht verhungern läßt …
nun mach schon, Mädchen
dein erstes Wort lautet …
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Nele
(Holt tief Luft und wendet sich dann an das Publikum.)
… bestimmt,
ich jedenfalls bin davon überzeugt,
gibt es in unserem Dorf keinen zweiten Lumpen,
der so faul ist wie mein Mann,
den kriege ich nicht aus dem Bett,
selbst wenn ich ihn ins Haar fasse und versuche,
ihn an den Haaren aus dem Bett zu zerren.
Wie heute auch,
als ich ihn vor einer ewigen halben Stunde aus dem Bett
gestoßen habe,
um selber danach auf den Hof zu gehen,
nachzusehen, wieviel Arbeit wartet heute auf uns beide,
um jetzt, beim Zurückkommen festzustellen,
mein Faultier, das
bloß noch unser Herr Pfarrer verteidigt …
(Den Pfarrer zitierend.)
Nele,
du bist zu streng zu deinem Mann,
der Mann ist und muß der Herr im Hause bleiben,
hockt noch immer auf der Bettkante und trifft alle Vorbereitungen,
wieder nach hinten umzukippen,
um, wenns erlaubt ist, bis zum Mittag durchzuschlafen.
Und dabei weiß dieser Lump genau,
was er heute für mich tun soll,
daß er eigentlich schon längst unterwegs sein sollte,
um für mich in der Stadt Besorgungen zu erledigen.
(Ruft ins Haus.)
Jeppe!
(Da keine Antwort erfolgt, redet sie weiter.)
Unser Verwalter hat schon recht,
wenn er mich aufstachelt,
(Zitiert den Verwalter.)
Nele,
in der Bibel steht zwar,
‘s Weib sei Untertan dem Mann,
doch in unserem Pachtvertrag, und
der ist jüngeren Datums,
steht auch, der Pächter hat Haus und Hof in Ordnung zu
halten
und das schaff erst einmal mit einem Mann,
der bis ultimo im Bett liegt und sichs gut gehen läßt.
(Deutet auf die Schnapsflaschen, die um Jeppes Bett liegen.)
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Kein Wunder,
daß mein Mann wieder einmal Schwierigkeiten mit dem
Aufstehen hat
bei den Mengen, mit denen er sich in den Schlaf genuckelt
hat.
Glücklicherweise
wohnt in unserem Hause noch unser Onkel Erich,
Onkel Erich,
So tauften wir diesen Herren hier,
(Holt den Knüppel.)
der als einziger imstande ist,
meinem Mann Respekt einzuflößen.
(Ruft ins Haus.)
Jeppe!
Holberg
(Im Haus.)
Jeppe,
hörst du nicht?
Junge,
man verlangt nach dir.
(Aus dem Haus zu Nele.)
Einen Augenblick,
wir sind gleich soweit,
unser Junge kommt wieder einmal nicht in seine Textilien.
So, Jeppe
das wäre geschafft,
jetzt viel Glück mein Junge,
und bitte, mach dich nicht zu sehr lächerlich,
bei all dem, was man dir heute zumutet.
(Zu Nele.)
Kollegin,
bitte noch einmal, Stichwort.
Nele
Jeppe!
Jeppe
(Aus dem Haus.)
Was denn, meine Liebe?
Nele
Onkel Erich ist gekommen
und möchte sich gerne mit dir unterhalten.
Jeppe
Dann bestell ihm einen schönen Gruß und sag ihm,
ich bin nicht zu Hause.
Was will denn Onkel Erich?
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Nele
(Während sie auf Jeppe einprügelt.)
Er
möchte
gerne
wissen,
warum
du
Faultier
um
diese
Stunde
noch
immer
im
Bett
liegst
und
schläfst,
obwohl
du
doch
weißt,
wieviel
Arbeit
heute
auf
uns
wartet.
Jeppe
Nele,
sag doch unserem Onkel Erich,
er laß mir wenigstens Zeit, mich anzuziehen,
ich kann doch nicht
wie ein Schwein ohne Hemd und Hose in die Stadt gehen.
Nele
Faultier,
hattest du, seit ich dich weckte,
nicht Zeit genug, dich anzuziehen.
O Jeppe,
geht das nicht hinein in deinen Kopf,
wenn wir so weiter machen,
können wir froh sein, es geht schnell,
wenn wir verhungern.
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