Windkraftanlagen als seismische Störquellen

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Windkraftanlagen als seismische Störquellen
Windkraftanlagen als seismische Störquellen
R. Widmer-Schnidrig, Th. Forbriger und W. Zürn
Geowissenschaftliches Gemeinschaftsobservatorium
der Universitäten Karlsruhe und Stuttgart (BFO)
Heubach 206, 77709 Wolfach, Tel.: 07836 2151
(http://www-gpi/physik/uni-karlsruhe.de/pub/widmer/BFO)
Windkraftanlagen werden in den letzten Jahren durch den
Gesetzgeber in der Bundesrepublik massiv gefördert.
Bauanträge für vier Anlagen mit einer Nabenhöhe von
100m und einer Entfernung zu den geophysikalischen
Sensoren des BFO von 500 - 1000m wurden im Herbst
2003 bei den zuständigen Behörden eingereicht. Diese
Pläne haben uns gezwungen, zu untersuchen, in wieweit
diese Anlagen unsere hochempfindlichen Messungen von
Bodenbeschleunigung, Neigung (engl.: tilt) und Extension
(engl.: linear strain) negativ beeinflussen könnten. Es gilt
auch einen Abstand zum BFO zu schätzen, ab dem mit
keiner negativen Beeinflussung unserer Messungen durch
Windkraftanlagen zu rechnen ist.
Am 14.12 2003 hat sich die Anlage wegen zu hohen
Windgeschwindigkeiten selbst abgeschaltet (ca. 11h00).
Am Nachmittag hat die Anlage kurzzeitig (16h54 - 17h12
MEZ) wieder die Stromerzeugung aufgenommen (Abb.
5a). Die Neigung des Fundaments für diese kurze Ein- und
Ausschaltsequenz sind gegenüber der Zeit in Abb. 5b und
als Hodographen in Abb. 5c dargestellt. Bei gleichem Wind
ist die induzierte seismische Bodenbewegung unter Last
um ein Vielfaches grösser als im ausgekoppelten Zustand.
Unter Last muss das Drehmoment vom Rotor auf das
Fundament übertragen werden: das Fundament neigt sich
senkrecht zur Windrichtung. Ohne Last kippt das
Fundament in Windrichtung.
5b
5a
1600
Wind (m/s)
70
80
7a
90
9
12
15
18
21
24
N-S tilt (µrad)
40
20
F-G
1800
Lossburger STS-2 vs. STS-2 am BFO
-60
-80
3c
-40
-20
0
20
40
60
80
t xz
t yz
0.5
0.0
t zy
1
0
-1
t zx
-2000
-1000
0
1000
2000
3000
-180
-135
-90
10
Frequency (Hz)
1
10
ε)
ε xx
(10-12
0.5
0.0
ε zz
ε yy
2
10
-2000
-1000
0
2000
3000
t zy
t yz
-45
-90
Attenuation (dB)
t zx
0
45
90
135
180
0
45
90
135
180
1
0
-1
sz (nm)
-45
6c
2
Walter Zürn beim Horizontieren des LE3-D Seismometers
in 1km Entfernung zu den zwei Windkraftanlagen.
00
-4
00
-3
0
10
0
00 )
-1 (m
00 X
-2
0
20
0
30
0
40
-200
-300
-400
-100
0
3
4
~ r-1
~ r-2
0
5
1
~ r-2
3
4
3
4
5
Distance (m)
T-Komponente bei f = 2.5 Hz
~ r-1
2
2
10Log
Distance (m)
8c
1
8b
5
0
-10
-20
-30
-40
-50
-60
-70
-80
-90
-100
8d
~ r-1
~ r-2
0
1
2
10Log
3
4
5
Distance (m)
Abklingen der Vertikalkomponente bei 12Hz (Abb. 8a),
Radialkomponente (R) bei 9.5 und 2.5 Hz (Abb. 8b, c)
sowie der Transversalkomponente (T) bei 2.5 Hz (Abb.
8d). Der Rauschpegel am BFO (grün) liegt bei obigen
Frequenzen ca. 90dB unter dem Pegel in der
Windkraftanlage. T und R beziehen sich auf die
Profilrichtung.
azimuth (deg)
x (m)
2
10Log Distance (m)
ε zz
-135
0
-10
-20
-30
-40
-50
-60
-70
-80
-90
-100
0
ε yy
0
-180
1
~ r-1/2
R-Komponente bei f = 2.5 Hz
-1
1000
~ r-2
10Log
-0.5
-3000
~
8a
r-1
0
-10
-20
-30
-40
-50
-60
-70
-80
-90
-100
Ergebnis
strain
strain (10-12 ε)
10
0
ε xx
1
0
-10
-20
-30
-40
-50
-60
-70
-80
-90
-100
0
6b
t xz
R-Komponente bei f = 9.5 Hz
Z-Komponente bei f = 12 Hz
Attenuation (dB)
-60
1.0
-1
10
Frequency (Hz)
-100
-200
-2
10
1
0.4
0.1
2
6a
1.0
-3000
-180
10
0.6
-60
-2
-160
1
0.0
-1.0
-140
-180
C-D
-0.5
-120
-160
0.8
A-B
rad)
1600
tilt (10-12 rad)
1400
-140
1.0
0
Für eine vertikale Punktkraft auf einen homogenen
elastischen Halbraum kann die induzierte statische
Deformation analytisch angegeben werden (Boussinesq
Lösung). Die Wirkung einer Windkraftanlage beschreiben
wir mit einem Kräftepaar das ein Drehmoment von
15000kNm ausübt ( = Baustatische Maximallast). Für diese
Quelle haben wir induzierte Neigungen und Extensionen in
einer Tiefe von 150m gerechnet, passend für die beim BFO
projektierten Anlagen. Tilt und strain sind dargestellt
entlang einer Linie in 400m Abstand vom Kräftepaar (Abb.
6a) und entlang eines Kreises mit 400m Radius (Abb. 6b).
Die vertikale Verschiebung auf einer 150m tiefen Fläche
zeigt Abb. 6c. Elastische Moduln wurden für Granit
gewählt. (λ = µ = 32GPa). Die zu erwartenden statischen
Signale betragen 1 prad bzw. 1pε, also nur eine
Grössenordnung unter der Detektionsschwelle der Sensoren
am BFO.
1.5
600
800
1000
1200
Time after 2003/10/24 08:51:08 UT (s)
-120
7b
E
2.0
400
-80
-100
0.1
Modellrechnungen
20
200
-60
coherence
6
E-W tilt (µrad)
3b
0
STS-2Z vs LE3D-Z
Zeit nach 15h00m UT (min)
tilt
Frequency (Hz)
60
0
3
5c
-40
4
50
30
0
2 2
40
0.2
1800
10
PSD rel 1 (m/s ) /Hz (dB)
30
-40
60
40
20
-20
Windkraftanlage Lossburg: STS-2, E-W
50
10
80
Zeit, 14 Dezember 2004 (h, MEZ)
-3
1400
E
Windrichtung
0
-2
600
800
1000
1200
Time after 2003/10/24 08:51:08 UT (s)
G
F
-50
0
5
0
References
400
Leistung
B
A
60
-1
200
600
0
200
0
0
800
400
1
-4
10
50
(10-12
Acceleration (m/s2)
2
-50
Attenuation (dB)
3a
Wind
1000
Windkraftanlage Lossburg: STS-2, E-W (25s 2pole LP-filter)
x 10
3
Leistung (kW)
1200
4
0
PSD rel. 1 (m/s2)2/Hz (dB)
E-W tilt (µrad)
15
5
50
D
1400
Die zwei Windkraftanlagen Lossburg/24 Höfe (Typ
VESTAS V52-850kW, Abb. 1, 4) besitzen eine Nabenhöhe
von 75m und befinden sich in einer, mit dem BFO
vergleichbaren geologischen Lage. Das Fundament sitzt
auf 50m Buntsandstein, welcher seinerseits auf dem
kristallinen Grundgebirge (Schwarzwaldgranit) liegt. Im
Innern der nördlicheren Windkraftanlage wurde vom
24.10.03 bis 14.1.04 ein 3-Komponenten STS-2 BreitbandSeismometer betrieben und kontinuierlich mit 50Hz
Abtastrate aufgezeichnet. Abb. 3a zeigt 30 min tief-pass
gefilterte und restituierte Daten der E-W Komponente.
Windgeschwindigkeiten in diesem Zeitfenster betrugen 5-7
m/s und die Anlage produzierte 200 - 350 kW. Der zeitlich
variable Frequenzgehalt des ungefilterten Signals ist in
Abb. 3b dargestellt. In Abb. 3c werden die Signalpegel
(power spectral densities) zwischen Lossburg (rot) und
dem STS-2 am BFO (grün) verglichen.
Um das Abklingen der induzierten Bodenerschütterungen
mit zunehmender Entfernung von der Windkraftanlage zu
quantifizieren haben wir mit einem mobilen 5s Lennartz
LE3-D Seismometer auf einem in Windrichtung
verlaufenden Profil Rauschmessungen vorgenommen. Die
Entfernungen vom Turm betrugen 1m (Abb. 2), 7m, 15m,
50m, 100m und 1km (Abb. 4) und die Aufzeichnungsdauer
betrug jeweils 10 min. Die Windgeschwindigkeit für die
Dauer der Messungen betrug 8-10 m/s und die Leistung der
Anlage ca. 350kW. Abb. 7a zeigt die Rauschspektren des
STS-2 (schwarz, gestrichelt) und des LE3-D (gelb-rotbraun). Die paarweisen Kohärenzen (Abb. 7b) sind bis 50m
Entfernung hoch. Darüber hinaus vermuten wir, dass die
Interferenz mit den Signalen der zweiten Windkraftanlage
(Abb. 4) die Kohärenz beeinträchtigt. Das Abklingen der
Signale ergibt sich aus dem Abstand zwischen gestrichelten
und gelb-rot-braunen Kurven. Für ausgewählte
Frequenzbänder mit hoher Kohärenz zeigt Abb. 8 das
Abklingen. Der Rauschpegel am BFO im selben Zeitraum
liegt 90dB unter der gestrichelten Kurve (Abb. 3c).
C
Wind und elektrische Leistung
1600
Seismische Messungen
N-S tilt (µrad)
Neigung durch Laständerung
Unsere Vorgehensweise besteht aus zwei Teilen:
- Seismische Messungen im Umfeld der existierenden
Windkraftanlagen Lossburg/24 Höfe.
- Numerische Modellierung.
2
Abklingverhalten mit
zunehmender Entfernung
Einleitung
Attenuation (dB)
1
100
200
300
400
Y(m)
Dank
Herrn Wolfgang Mast und Herrn Karl Hehl (Lossburg)
danken wir für den freien Zugang zu den Windkraftanlagen
und die Bereitstellung der Winddaten.
Das BFO gehört sowohl im lang-periodischen (Periode
T>30s) als auch im hoch-frequenten Bereich zu den
seismisch ruhigsten Observatorien weltweit. Dass die hoch
frequenten seismische Registrierungen massiv gestört
würden durch die in 500m vom BFO projektierten
Windkraftanlagen auf dem Teisenkopf geht klar aus den
Messungen in Lossburg hervor (Abb. 6, 7). Die statischen
Ergebnisse können für die Abschätzung des minimalen
lang-periodischen Störpotentials herangezogen werden:
Aus der Überlagerung von vier Anlagen würde die
Detektionsgrenze der Strain- und Tiltmeter am BFO bereits
erreicht.
Für Windkraftanlagen in grösserer Entfernung stellt die
Anregung von Oberflächenwellen (OFW) das grösste
Störpotential dar. Da ihre Ausbreitung stark von der
Struktur im Untergrund und der Topographie abhängt, ist
eine Übertragung der Lossburger Ergebnisse auf BFO mit
grosser Unsicherheit behaftet. Solange wir über keine
besseren Daten verfügen, gehen wir aufgrund unserer
Lossburger Messungen davon aus, dass Windkraftanlagen
näher als 10km vom BFO von unseren Sensoren detektiert
und diese also durch erstere gestört würden. Diese
Einschätzung ist auch im Einklang mit der Beobachtung
von schmalbandigem, industriellem Rauschen von Quellen
die 5km (oder mehr) vom BFO entfernt sind. (Abb. 3c,
grünes Spektrum).

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