Diplomarbeit von Iris Lörch - Die Kommissar-Wallander

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Diplomarbeit von Iris Lörch - Die Kommissar-Wallander
Fachhochschule Villingen-Schwenningen
Hochschule für Polizei
Kommissar Kurt Wallander: „Worin liegt das Geheimnis
von Henning Mankells literarischem Erfolg?“
Iris Lörch
24. Studienjahrgang
Diplomarbeit
Fachbereich IV – Gesellschaftswissenschaften
Erstbetreuer: Studienrätin Ingrid Losert M. A.
Zweitbetreuer: PHK Wolfgang Mallach
Villingen- Schwenningen, Oktober 2004
„Vad jag än skriver så är verkligheten ännu värre.
Det visar sig förr eller senare i alla mina böcker.“
dt.: „Was immer ich schreibe, die Realität ist noch schlimmer.
Das bestätigt sich früher oder später bei jedem meiner Bücher. “
[Henning Mankell über seine Wallander Krimis]
Vorwort
Meinen Diplombetreuern Frau Studienrätin Ingrid Losert M. A. und Herrn PHK
Wolfgang Mallach möchte ich in diesem Rahmen meinen herzlichen Dank
aussprechen. Durch ihre kompetente Hilfestellung sowie konstruktive Kritik
haben Sie mich in der Erstellung meiner Diplomarbeit stets unterstützt. In
gleichem Maße möchte ich mich bei Herrn Christian Simon und Frau Ulrika Luka
vom Bundeskriminalamt in Stockholm bedanken, die mir den Kontakt zu Frau
Ewa-Gun Westford vermittelten. Ein besonderer Dank richtet sich in diesem Falle
an Frau Luka, die während ihres Urlaubes das Interview mit Frau Westford
dolmetschte. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei Frau Westford
selbst, die mit großem Engagement alle Fragen meinerseits beantwortete und
mich auf das Herzlichste in ihrem Land willkommen hieß. Ein weiteres
Dankeschön gilt Herrn Daniel Imort, dem Webmaster der deutschen KurtWallander-Fanseite, der eine Einstellung meines Fragebogens im Internet
ermöglichte und so zum Gelingen meiner Fragebogenaktion beitrug. Nicht zuletzt
danke ich meiner Familie, die mich während der letzten 2 Monate und vor allem
bei der Realisierung meiner Schwedenreise unterstützt hat.
Iris Lörch, Oktober 2004
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. Einleitung ................................................................................................ 1
2. Henning Mankell .................................................................................... 3
2.1
Portrait des Mannes, der Kurt Wallander schuf .....................................3
2.2
Auszeichnungen .....................................................................................5
2.3
Die Kurt-Wallander-Romane .................................................................7
3. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur...... 10
3.1 Ein Genre, so vielfältig wie der Rest der Literatur ..............................10
3.2
Der Erfolg des Krimigenres in Deutschland ........................................15
3.3
„Der Mord der aus der Kälte kam“:
Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich? .............................17
3.3.1
Das Erbe von Maj Sjöwall und Per Wahlöö ............................22
3.3.2
Die „Mankellisierung“ .............................................................24
4. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory .............. 26
4.1
4.2
Mankells literarischer Stil ....................................................................26
4.2.1
Erzähltechnik ...........................................................................26
4.2.2
Spannungsaufbau .....................................................................28
4.2.3
Literarische Stilmittel...............................................................30
Polizeiarbeit ‚en détail’ ........................................................................34
4.2.1
Ablauf der Polizeiarbeit ...........................................................34
4.2.2
Die Schattenseiten der Polizeiarbeit.........................................36
4.2.3
Das Kollegenverhältnis ............................................................38
4.2.4
Realität und Fiktion..................................................................40
4.3
Gesellschaftskritik................................................................................43
4.4
Kurt Wallander - (k)ein Superheld.......................................................49
4.5
4.6
4.4.1
Die familiären Eckdaten...........................................................49
4.4.2
Eine Hauptfigur mit vielen Facetten ........................................50
4.4.3
Die andere Seite des Kurt Wallander .......................................52
Südschweden: Land und Leute ............................................................55
4.5.1
Ystad - Kleinstadtidyll statt Mordmetropole?..........................55
4.5.2
Skåne - eine Landschaft in der Hauptrolle...............................59
4.5.3
Die Menschen - mehr als nur Statisten ....................................61
Das Marketingkonzept .........................................................................64
5. Schlussbetrachtung .............................................................................. 68
LITERATURVERZEICHNIS.................................................................... I
A.
Primärliteratur
B.
Sekundärliteratur
C.
Internet-Quellen
D.
Internet-Foren
E.
Tages-, Wochen- und Populärpresse
F.
Unveröffentlichte Quellen
ANHANG A.............................................................................................. VII
ANHANG B ..........................................................................................XXIV
SELBSTSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG........................................ XLVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Die
Kurt-Wallander-Serie
in
ihrer
chronologischen
Reihenfolge
Abb. 2
Leserumfrage: Welcher Faktor hat Ihrer Meinung nach am
meisten dazu beigetragen, dass die Wallander-Romane
internationale Bestseller geworden sind?
Abb. 3
Leserumfrage:
Welcher
der
bisher
in
Deutschland
veröffentlichten Romane um Kommissar Wallander gefällt
Ihnen persönlich am Besten?
Abb. 4
Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung. „Leichenfund am
Strand“.
Abb. 5
Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung. „Selbstmordversuch
scheitert“.
Abb. 6
Das Genre der Kriminalliteratur
Abb. 7
Umsatzanteile der Warengruppen nach Editionsformen
2003
Abb. 8
Umsatzanteile innerhalb der Warengruppe Belletristik 2003
Abb. 9
Monatszahlen
der
deutschsprachigen
Neuveröffentlichungen
Raum,
die
dem
Genre
im
der
Kriminalliteratur zuzuordnen sind
Abb.10
Jahreszahlen
deutschsprachigen
der
Neuveröffentlichungen
Raum,
die
dem
Genre
im
der
Kriminalliteratur zuzuordnen sind
Abb. 11
Jahreszahlen deutschsprachiger Erstveröffentlichungen im
Bereich der Kriminalliteratur
Abb. 12
Interview mit Frau Ewa-Gun Westford am 09. August 2004,
10.00 Uhr in S - 27180 Ystad, Stora Östergatan
(Dolmetscherin: Frau Ulrika Luka, BKA).
Abkürzungsverzeichnis
Abb................................................. Abbildung
BKA ............................................... Bundeskriminalamt
bzw. ................................................ beziehungsweise
ca. ................................................... circa
dt..................................................... deutsch
EU .................................................. die Europäische Union
ha .................................................... Hektar
k. A................................................. keine Angabe
km................................................... Kilometer
m..................................................... Meter
o. g.................................................. oben genannt
SPSS............................................... Statistical Products and Service Solutions
USA................................................ die Vereinigten Staaten von Amerika
u. a. ................................................. unter anderem
v. a. ................................................. vor allem
vgl................................................... vergleiche
z. B. ................................................ zum Beispiel
zit.................................................... zitiert
Einleitung
1.
1
Einleitung
Frances, Ivan und Jeanne sind momentan für Millionen Menschen, die auf den
Antillen bzw. im Süden der USA leben, der Inbegriff eines nicht enden wollenden
Wetter-Krimis. Einen Tennis-Krimi erlebten dagegen Rainer Schüttler und Nicolas
Kiefer, als die beiden vor einigen Wochen im Herrendoppel in Athen um
Olympiagold kämpften. Die Diskussionen um die Arbeitsmarktreform Hartz IV
hingegen beschert den deutschen Bundestagsabgeordneten einen fortwährenden
Polit-Krimi. „Das Wort Krimi ist mittlerweile zum Synonym für jedes beliebige
spannende Geschehen verkommen.“1 Krimis verfolgen die Menschheit heute so
hartnäckig wie nie zuvor. Wer nach einem langen Arbeitstag noch ‚action’
benötigt, bedient sich an dem reichhaltigen TV-Abendprogramm. Der Konsument
kann z. B. zwischen heißen Verfolgungsfahrten in James Bond Manier bei Cobra
11, dem Bullen von Tölz und der traditionellen Tatort-arbeit der Kommissare Max
Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) wählen.2
Wer benötigt angesichts dieser Vielfältigkeit des TV-Krimi-Programms noch
Werke der Kriminalliteratur, um Spannung und Nervenkitzel zu erleben? Es ist
kein Geheimnis, dass sich die Literatur derzeit nicht gerade großer Leserscharen
erfreut.
Umso
verwunderlicher
ist
daher
der
große
Erfolg
einer
Kriminalromanserie aus dem hohen Norden - der Kurt-Wallander-Serie des
Autors Henning Mankell. Der Schwede gehört zu den erfolgreichsten Autoren
seines Landes des letzten Jahrzehnts und ist nach Abba, Volvo und IKEA zu
einem weiteren Exportschlager dieses nordischen Volkes geworden. Seine
Kriminalromanserie wurde bislang in 35 Sprachen übersetzt und verkaufte sich
allein im deutschsprachigen Raum etwa 10 Millionen Mal. Nach seinem
Heimatland Schweden scheint Henning Mankell besonders in Deutschland die
Krimileser in seinen Bann zu ziehen.3
1
Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort. Meitingen: Corian Verlag Heinrich
Wimmer (1993), S. 1.
2
vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 1.
3
vgl. Nina Schindler. Das Mordsbuch. Alles über Krimis. Hildesheim: Claasen Verlag (1997),
S. 24; Walter Wüllenweber. Wallanders Welt (2001). In: http://www.stern.de/unterhaltung/
buecher/ index.html?id=71356; Jochen Reinert. Wallander Pilger erobern Ystads Gassen (2004).
In: http://www.wallander-web.de; ZDF.de. Henning Mankell (2003). In: http://www.zdf.de; Petra
Ludwig. Henning Mankell (2000). In: http://www.buecher4um.de.
Einleitung
2
Bereits im Vorfeld der Diplomthemenvergabe war ich - und bin es heute mehr als
je zuvor - ein begeisterter Leser der Kriminalgeschichten aus Ystad. Wie viele
andere Gleichgesinnte habe ich Mankells Bücher regelrecht verschlungen. Mit
dieser Diplomarbeit bekam ich schließlich die Möglichkeit, mich in einer
Intensität mit den Ursachen dieses Erfolges auseinanderzusetzen, wie es im
Berufsalltag kaum zu realisieren gewesen wäre.
Da Sekundärliteratur zu diesem spezifischen Thema nur sehr begrenzt vorhanden
ist, wurde es im Rahmen der Literaturrecherche notwendig, in vielen Bereichen
auf das WorldWideWeb zurückzugreifen. In Anbetracht dessen, dass unter
etlichen hilfreichen Quellen auch immer wieder nicht gesicherte Informationen
zur Verfügung standen, wurden zusätzlich 217 Leser der Kurt-WallanderRomane, darunter 45 PolizeibeamtInnen, sowohl schriftlich als auch online zu
diesem Themenkomplex befragt. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte unter
zu Hilfenahme des Software Programms SPSS, das sowohl die Datenverwaltung
als auch eine entsprechende Datenanalyse ermöglichte. Eine viertägige
Schwedenreise sollte es mir überdies gestatten, eigene Eindrücke von Schonen
und den literarischen Handlungsorten zu gewinnen und bislang unbeantwortete
Fragen in einem Interview Frau Ewa-Gun Westford, einer Polizeibeamtin aus
Ystad, zu stellen.
Nach einer kurzen biographischen Vorstellung des Autors und seiner bislang
erfolgreichsten Romanserie, ist es Ziel dieser Diplomarbeit, einige der
potentiellen Erfolgsfaktoren, die von dem allgemein erfolgreichen Krimigenre bis
zu dem Bereich des Marketing reichen, genauer zu beleuchten, um so eine
Antwort auf die Frage: „Kommissar Kurt Wallander: Worin liegt das Geheimnis
von Henning Mankells literarischem Erfolg?“ zu finden.
Henning Mankell
2.
Henning Mankell
2.1
Portrait des Mannes,
3
der Kurt Wallander schuf
Henning Mankell wird am 3. Februar 1948 als Sohn eines
Richters in Sveg, einem Dorf in der Provinz Härjedalen/
Nordschweden geboren, wo er bei seinem Vater
aufwächst. In dieser kalten und oft einsamen Gegend entdeckt er schon im
Kindesalter seine Liebe zu Afrika - „Baumstämme auf dem Fluss Ljusnan sind für
ihn Krokodile“4. Im Alter von 17 Jahren ist er als Regie-Assistent am Riks
Theater in Stockholm tätig und arbeitet bereits 3 Jahre später als Autor und
Theaterregisseur in der Hauptstadt Schwedens. Seine ersten „Veröffentlichungen
und Regieprojekte spiegeln die Mentalität der 68er Jahre wider“5. 1972 bereist
Henning Mankell zum ersten Mal den afrikanischen Kontinent und lebt die
nächsten zwei Jahre in Sambia; hier fühlt er sich zu Hause.
In den Folgejahren entstehen Mankells erste Prosawerke, die bereits
gesellschaftskritische Themen wie den herrschenden Klassenkampf oder den
Imperialismus behandeln, sowie sein erster Roman Das Gefangenenlager, das
verschwand (1979). Henning Mankell arbeitet fortan für verschiedene
Theaterhäuser wie z. B. das Theater von Västerbottens in Skellefteå als Intendant,
Autor und Regisseur, bis der Schwede 1986 einer Einladung nach Maputo/
Moçambique folgt, um dort beim Aufbau der ersten und bis heute einzigen
professionellen Theatergruppe Moçambiques mitzuwirken. Bereits im folgenden
Jahr wird Mankell künstlerischer Leiter des 70 Darsteller umfassenden Teatro
Avenida in Maputo. Seither lebt der Autor mehr als die Hälfte des Jahres in der
Hauptstadt Moçambiques, wo das Leben, wie er selbst sagt, „ ,zehnmal härter ist´
als in Europa“6. Die Sommermonate verbringt der Wahl-Afrikaner gemeinsam mit
4
Christian Wymann. Henning Mankell (2001). In: http://www.wallander.ch/seiten/
m_lebenslauf.html.
5
Literaturportal Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren Henning Mankell (2003). In:
http://www.schwedenkrimi.de/mankell_biographie.htm.
6
Henning Mankell zit. in: Daniel Imort. Biographie (o. J.). In: http://www.wallander-web.de.
Henning Mankell
4
seiner Ehefrau Eva Bergmann, die ihrerseits ein Theater in Göteborg leitet, und
seinen vier Kindern meist in deren Stuga in Trunnerup, 13km nordwestlich von
Ystad.7
In den Jahren 1990-1999 entstehen schließlich die neun Romane um die Figur des
Kurt Wallander. Diese Art „mit einem Fuß im afrikanischen Sand und dem
anderen im schwedischen Schnee zu leben“8, eröffnet Mankell nach seinen
eigenen Angaben die Möglichkeit, „die europäische Sichtweise infrage zu
stellen“9 und letztendlich durch seine Aufenthalte in Afrika zu einem besseren
Europäer zu werden. Mankell, der sich selbst aufgrund deutscher und
französischer Vorfahren als ein Einwanderer in Schweden sieht, hat keineswegs
nur Kriminalromane geschrieben. Sozial engagierte Kinder- und Jugendbücher
sowie etliche Theaterstücke vermitteln ebenso einen Eindruck der Vielfältigkeit
des Schreibens Mankells wie seine Afrika-Romane und eigens geschriebene
Drehbücher. Vor drei Jahren gründete der Schwede schließlich gemeinsam mit
seinem Verleger und Freund Dan Israel den Verlag Leopard förlag, mit dem er
schwedische und afrikanische Schriftsteller in ihrer Arbeit unterstützen möchte.
Bis heute ist Henning Mankell, der sich selbst als moralischen aber keineswegs
melancholischen Menschen sieht, Prinzipal des Teatro Avenida, mit dessen
Truppe er Festivals in der ganzen Welt besucht. Unter den Darstellern befinden
sich engste Freunde des Autors und auch heute noch empfindet Mankell seine
Aufgabe in Afrika als eine Herausforderung - eine Arbeit, die ihm ebensoviel
bedeutet wie das Schreiben. Neben seinem Engagement für die Hilfsorganisation
„Ärzte ohne Grenzen“ und dem Kampf gegen AIDS und Landminen in Afrika,
wird die Solidarität des Schweden mit der Dritten Welt auch durch dessen
persönliche finanzielle Unterstützung des Teatro Avenida deutlich, an das
sämtliche Gelder des Verkaufs der Filmrechte an den Wallander-Verfilmungen
7
vgl. Daniel Imort. Biographie (o. J.); ZDF.de. Henning Mankell (2003); Literaturportal
Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren Henning Mankell (2003), Interview mit dem Autoren
Henning Mankell (2000). In: http://www.schwedenkrimi.de/ mankell_interview_neu.htm.
8
Eva Zießler. Lieder des Schmerzes (2000). In: http://www.welt.de/daten/2000/07/15/0715lw179
681.htx?print=1.
9
Eva Zießler. Lieder des Schmerzes (2000).
Henning Mankell
5
fließen.10 Henning Mankell gelingt der schwierige Balanceakt „zwischen
Mocambique [!] und Schweden, zwischen seinem eigenen Reichtum und seinem
Engagement für die Armen, zwischen den Kriminalromanen des Massenmarktes
und feinkulturellen Theaterinszenierungen.“11
2.2
Auszeichnungen
Henning Mankell gehört heute zu den meistgelesenen und bekanntesten KrimiAutoren weltweit. Mit seinen Büchern verzaubert er nicht nur die Leser, sondern
darüber hinaus auch zahlreiche Jurys verschiedenster Vereinigungen und
Organisationen.
Anhand
einiger
ausgewählter
Preise
mit
den
Länderschwerpunkten Deutschland und Skandinavien soll ein erster Überblick
über die Erfolge des schwedischen Bestseller-Autors zu Beginn dieser Arbeit
gegeben werden - ein Abriss, der keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit
erfüllen kann und möchte.
Bereits 1991, im Jahr seiner Erstveröffentlichung, erhielt Mankell den Preis Der
gläserne Schlüssel der Skandinavischen Gesellschaft für Kriminalliteratur für
seinen ersten Kurt-Wallander-Roman Mörder ohne Gesicht. Noch im selben Jahr
wurde
Mankells
Debütroman
von
der
Schwedischen
Akademie
für
Kriminalliteratur als bester schwedischer Kriminalroman ausgezeichnet. Auch
sein zweiter Roman Hunde von Riga wurde bereits ein Jahr später von der
Schwedischen Akademie für Kriminalliteratur gekürt. Preise folgten nunmehr im
Jahrestakt. Mankells erstes Kinderbuch der Reihe Joels Abenteuer in
Nordschweden wurde gleich zweifach ausgezeichnet: Für Der Hund, der
unterwegs zu einem Stern war erhielt Mankell im Jahre 1993 den Deutschen
Jugendbuchpreis und drei Jahre später den Astrid-Lindgren-Preis. Während
Mankell
10
bislang
im
deutschsprachigen
Raum
vor
allem
vgl. Literaturportal Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren Henning Mankell. Interview
mit dem Autoren Henning Mankell (2000, 2001); Eva Zießler. Lieder des Schmerzes; Daniel Imort.
Butterfly Blues- Interview (2002), Werke (o. J.). In: http://www.wallander-web.de; Ystads
Kommun. Auf den Spuren von Kurt Wallander. Schweden: o. V. (2002).
11
Daniel Imort. Ein rücksichloser Mann, der zu selten getanzt hat (2002). In:
http://www.wallander-web.de.
Henning Mankell
6
als Schöpfer Kurt Wallanders bekannt wurde, rückten nunmehr auch hierzulande
seine in Schweden längst bekannten Kinder- und Jugendbücher in das Interesse
der Öffentlichkeit.
Nach den ersten beiden Wallander Romanen wurde 1995 auch der fünfte Band
dieser Serie Die falsche Fährte von der Schwedischen Akademie für
Kriminalliteratur preisgekrönt. Mankells erster Afrika-Roman Der Chronist der
Winde wurde in den Jahren 1995 und 1996 zunächst für den August-Preis sowie
für den Preis des Nordischen Rates nominiert und schließlich durch den
schwedischen Radiosender P1 ausgezeichnet. Der Schwede, der nicht nur als
Krimi-Autor gesehen werden möchte, konnte spätestens mit diesem Preis seine
Vielfältigkeit des Schreibens unter Beweis stellen. Für das erste Werk seiner
Jugendbuchserie Sofias Leben in Moçambique wurde der Schwede mit dem
Kinderbuchpreis Lesereise um die Welt im Jahre 1997 geehrt und zwei Jahre
später mit dem katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis belohnt. Die fünfte
Frau, einer der erfolgreichsten Kurt-Wallander-Romane, wurde 1998 vom
deutschen Buchhandel zum Buch des Jahres 1998 gewählt; der ebenso
erfolgreiche Roman Mittsommermord bekam neben dem internationalen
Buchpreis Corine auch den Deutschen Krimi-Preis in der Kategorie International
2001 verliehen. Ein Höhepunkt unter den genannten Auszeichnungen stellt
sicherlich die Wahl Mankells zum Autor des Jahres 2002 dar.
Im Juni dieses Jahres bekam der Autor schließlich in Tutzing den Toleranzpreis
durch die dortige Evangelische Akademie verliehen, die damit Mankells Einsatz
für die Völkerverständigung würdigte. Angesichts dieser enormen Popularität
sieht sich Henning Mankell persönlich in einem Widerspruch: „Einerseits
schreibe ich, um Menschen zu erreichen; andererseits muss ich sehr aufpassen,
dass die Medien meine Person nicht interessanter machen als meine Bücher.“12
Mankells Sorgen sind zumindest in Bezug auf dessen berühmteste Romane, seine
12
Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000).
Henning Mankell
7
Kriminalgeschichten aus Ystad, unbegründet, denn für viele seiner Fans ist Kurt
Wallander «wirklicher» als der Autor selbst.13
2.3
Die Kurt-Wallander-Romane
„Ich hatte nie vor, jemals in meinem Leben über Verbrechen oder
Krimis zu schreiben. Ich glaube auch noch immer nicht, dass ich das
tue. Was ich mache ist eigentlich etwas sehr Altes, ich sehe auf die
Gesellschaft durch den Spiegel des Verbrechens.“14
Als Henning Mankell im Jahre 1989 nach einem Afrikaaufenthalt nach Schweden
zurückkehrte, wurde er mit einer noch nie da gewesenen Brutalität des
Verbrechens konfrontiert. Zunächst unbekannte Täter hatten ein Bauernehepaar
aus Knickarp, einem Dorf norddwestlich von Ystad, auf eine äußerst brutale
Weise überfallen und schwer misshandelt. Angesichts dieses Verbrechens und den
fremdenfeindlichen Übergriffen, die sich im Anschluss an diese Tat in Schonen
häuften, beschloss Mankell eine Geschichte über Rassismus zu schreiben. Da
Rassismus in seinen Augen eine kriminelle Haltung darstellt, entschloss er sich,
einen Kriminalroman zu schreiben. Im Mai 1990 entstand schließlich die Figur
des Kommissars Kurt Wallander; sein erster Kriminalfall Mörder ohne Gesicht
wurde 1991 veröffentlicht. Mankell gelang es in diesem Roman, die damalige
fremdenfeindliche Stimmung der Menschen von Skåne aufzufangen und durch
Kurt Wallander zu vermitteln. Angesichts des unerwarteten Erfolges erkannte
Mankell, dass er mit Kurt Wallander eine Möglichkeit geschaffen hatte, mit der er
seinem Volk den bedenklichen Wandel in der schwedischen Gesellschaft bewusst
machen konnte, und er entschloss sich, weitere Romane um die neu entstandene
Figur des Kriminalbeamten aus Ystad zu schreiben. Was ursprünglich als
Einzelerzählung geplant war, wuchs in der Zwischenzeit zu einer neun Bände
13
vgl. Daniel Imort. Auszeichnungen (2003), News (2004). In: http://www.wallander-web.de;
Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel Henning Mankell. Facharbeit
Deutsch Wien, Höhere Bildende Schule für Tourismus (2002), S. 9; Ystads Kommun. Auf den
Spuren von Kurt Wallander (2002), S. 6; Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem
Autoren Henning Mankell (2001).
14
Henning Mankell zit. in: Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel
Henning Mankell, S. 7.
Henning Mankell
8
umfassenden Serie an. Die Einflüsse Afrikas auf Mankells Kriminalgeschichten
aus Ystad weiß der Autor in einem Interview mit der Zeitung Die Welt zu
bestätigen.15
Während Mankell der große Durchbruch in Schweden bereits 1991 mit Mörder
ohne Gesicht gelang, ließ der Erfolg in Deutschland bis zum fünften Roman der
Wallander-Serie auf sich warten. Nach einem völligen Fehlstart der drei ersten
Kurt-Wallander-Romane beim Berliner Edition Q Verlag, setzten später sowohl
der Paul Zsolnay Verlag als auch der Deutsche Taschenbuch Verlag mit großem
Erfolg auf Mankells Kriminalromanserie. Die fünfte Frau war 1998 das erste
Buch, das im Zsolnay Verlag veröffentlicht wurde und mit dem sich letztendlich
auch der Erfolg in Deutschland einstellte. Die somit nicht chronologische
Erscheinungsfolge der Wallander-Bücher in Deutschland sorgte lange Zeit für
Rätselraten und Verwirrung unter der deutschen Fangemeinde.16
Bei dem zuletzt erschienenen Band der Wallander Serie Wallanders erster Fall
handelt es sich um eine Sammlung von fünf Kurzgeschichten, die Wallanders
Leben vor dem frühen Morgen des 08. Januar 1990 erzählen, dem zeitlichen Start
von Mörder ohne Gesicht. Mit Wallanders erster Fall, Der Mann mit der Maske,
Der Mann am Strand, Der Tod des Fotografen sowie Die Pyramide
veröffentlichte Mankell eine Sammlung von Erzählungen, die parallel zu den
anderen acht Romanen entstanden waren. Nach der Fertigstellung des fünften
Romans stellte der Autor fest, dass er aus Gründen eigener Neugier und der
Stimmigkeit seines Hauptprotagonisten in Folgeromanen damit begonnen hatte,
das Leben des jungen Kurt Wallander gedanklich aufzuarbeiten.
15
vgl. Rainer Traub. Der Spiegel des Verbrechens. In: Augstein, Rudolf (Hg.): Spiegel 26.
Hamburg: Spiegel Verlag Rudolf Augstein, (1999). S. 180; Literaturportal Schwedenkrimi.de.
Autorengedanken (o. J.). In: http://www.schwedenkrimi.de; Interview mit Ewa-Gun Westford
Anhang A, Abb.12; Ystads Kommun. Auf den Spuren von Kurt Wallander, S. 6; Eva Zießler.
Lieder des Schmerzes (2000).
16
vgl. Ystads Kommun, S. 6; Bianca Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt (2000). In:
http://www.hainholz.de/wortlaut/mankell.htm; ZDF.de. Henning Mankell; Tanja Rischer. Henning
Mankell (1999). In: http://www.buecher4um.de/AutorHM.htm.
Henning Mankell
9
Als Ausrufezeichen hinter dem Punkt, den der Autor bereits mit Die Brandmauer
gesetzt hatte, wurden die Kurzgeschichten schließlich im Jahre 2002 in
Deutschland als Prolog - im Gewand eines Epilogs - erstveröffentlicht.17
Seinen Ruf als Kriminalschriftsteller festigte Mankell vorwiegend durch drei
seiner Kriminalromane aus Ystad. Die fünfte Frau gilt dabei als sein bislang
erfolgreichster Roman. Während dieser bei einer Umfrage der deutschen
Wallander-Fanseite http://www.wallander-web.de vom April/Mai 2001 von 18%
der Umfrageteilnehmer als deren persönlicher Favorit gesehen wurde und damit
Rang drei belegte, landete der fünfte Roman bei der dieser Arbeit zu Grunde
liegenden Fragebogenaktion auf Rang zwei der beliebtesten Romane. Die beiden
im Anschluss an Die fünfte Frau in Deutschland veröffentlichten Romane Die
falsche Fährte und Mittsommermord konnten diesen Erfolg nutzen und belegen
darüber hinaus bei den beiden vorliegenden Meinungsumfragen die vordersten
Ränge unter allen Kurt-Wallander-Romanen.18 Im Folgenden wird daher ein
spezielles Augenmerk auf diese drei Romane gelegt, wenn es auf den nächsten
Seiten gilt, das Erfolgsgeheimnis der Kurt-Wallander-Romane zu erforschen.
Die Liste des unbeliebtesten Kurt-Wallander-Romans führt, wenn auch nur knapp,
Mankells zweiter Roman Hunde von Riga an. Das Ergebnis dieser Frage fiel
längst nicht so eindeutig aus, wie die Frage nach dem beliebtesten Roman.
Mankells drei erfolgreichste Romane belegen jedoch bei dieser Frage die drei
hintersten Plätze, was sie wiederum in ihrer Eigenschaft als Lieblingsromane der
Leser bestätigt. Im Gegensatz zu seinen Lesern hat jedoch Mankell selbst keine
Favoriten. Insgesamt wurden die Kurt-Wallander Romane weltweit über 33
Millionen Mal verkauft; einige von ihnen bereits verfilmt. Worin liegen die
Gründe für diesen grandiosen Erfolg?19
17
vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47. »Ein Mensch wie du
und ich«. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2002), S. 36; Mankell. Wallanders erster
Fall, Prolog.
18
vgl. Alexandra Krieg. Auf Spurensuche. Marburg: Tectum Verlag (2002), S. 75f; siehe Anhang
A, Abb. 3 u. Anhang B, Anlage 2 Frage 6a).
19
vgl. Wissen.de. Interview mit Henning Mankell: „Wir leben in einer schrecklichen Welt“ (o. J.).
In: http://www.wissen.de/xt/default.do? MENUNAME=InfoContainerPrintArticle&
MENUID=40%2C156%2C538% 2C547%OCCURENCEID=SL0013379222SL
0019672573.5000065.full; siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 6b).
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
3.
10
Das 20. Jahrhundert Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
3.1
Ein Genre, so vielfältig wie der Rest der Literatur
Man zeige mir einen Mann oder eine Frau, die
Kriminalromane nicht ausstehen können, dann will ich
Ihnen einen Narren zeigen; einen klugen Narren
vielleicht - aber nichtsdestoweniger einen Narren.
Raymond Chandler20
Bereits im Vorfeld dieses Unterkapitels wurde selbstverständlich vom Begriff der
Kriminalliteratur und des Kriminalromans Gebrauch gemacht, ohne näher auf
dessen Bedeutung einzugehen. Was ist eigentlich Kriminalliteratur? Wo innerhalb
dieser Gattung sind Mankells Kurt-Wallander-Romane anzusiedeln und worin
liegen die Ursachen für den Erfolg des gesamten Genres der Kriminalliteratur?
Der Begriff Kriminalliteratur ist in aller Munde - und dennoch kaum fassbar.
Selten sah man sich über scheinbar einfache Begriffsdefinitionen und Grenzen so
widersprüchlich streiten. Das Problem liegt wohl im Wesen der Kunst. Ist es denn
legitim, im Falle der Kriminalliteratur überhaupt von literarischer Kunst zu
sprechen?
Nach Peter Nusser ist die Kriminalliteratur (Kriminalroman, -erzählung) als
Oberbegriff des gesamten Genres zu verstehen. Im Gegensatz zu Vogt grenzt er
die Gesamtheit der Kriminalliteratur deutlich von der Verbrechensliteratur ab, was
sich letztendlich hilfreich für den Laien erweist. Im Unterschied zur
Verbrechensliteratur beschäftigt sich die Kriminalliteratur neben dem eigentlichen
Verbrechen mit den sich ihm anschließenden „Anstrengungen, die zur
Aufdeckung des Verbrechens und zur Überführung und Bestrafung des Täters
notwendig sind“21. Die Wahl des ermittelnden Charakters, dessen Taktik und die
angewandte Erzähltechnik führen zu weiteren Subgenres. Die zwei klassischen
20
Raymond Chandler zit. in: Jochen Vogt. Der Kriminalroman. Poetik · Theorie · Geschichte.
München: Wilhelm Fink Verlag (1998), S. 7.
21
Peter Nusser. Der Kriminalroman. 3., akt. u. erw. Aufl.. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag (2003),
S. 1.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
11
unter ihnen sind zum Einen der Detektivroman/ -erzählung und zum Anderen der
Thriller bzw. die kriminalistische Abenteuererzählung. Beide Untergliederungen
stellen - wie auch bereits die beiden Oberbegriffe - idealtypische Stränge dar, in
deren Mitte es zahlreiche Mischformen gibt. Aus dem ursprünglichen klassischen
Detektivroman Poes (1809 - 1845), entwickelten sich unzählig viele verschiedene
Krimiformen, wie z. B. der Polizeiroman, der historische Kriminalroman, der
Regionalkrimi, der Psychokrimi oder der Soziokrimi. Jede Form in sich beinhaltet
wiederum unterschiedliche Akzentuierungen, die eine generelle Zuordnung zu
einem der bereits erläuterten Subgenres unmöglich machen. In ihrer 163-jährigen
Geschichte ist die Kriminalliteratur zu einem Genre angewachsen, das so
vielfältig ist wie der Rest der Literatur. Vogt vergleicht sie daher treffenderweise
mit einem „hohen, unendlich fein verzweigten und verästelten Baum“22. Längst ist
die Vormachtstellung britischer und amerikanischer Krimis der 20er/30er Jahre
des letzten Jahrhunderts gebrochen; mehr und mehr Länder machen mit ihren
national typischen Krimis auf dem internationalen Buchmarkt auf sich
aufmerksam. Das Genre der Kriminalliteratur gilt als das literarische Genre der
Gegenwart, das am weitesten verbreitet ist. Im Rahmen dieser Arbeit ist es daher
unmöglich, auf alle Ausprägungen dieses Genres einzugehen. Die im Anhang ,A’
befindliche Übersicht kann deshalb keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit
erfüllen, sondern soll zu diesem Zeitpunkt einen ersten Überblick über dieses
Genre geben.23
Sowohl Zsolnay als auch der dtv-Verlag veröffentlichen Henning Mankells KurtWallander-Romane unter dem Label des Romans, obgleich die Mehrzahl der
Theoretiker die Bücher dem Subgenre des Thrillers zurechnet. In Erinnerung an
den letzten Actionthriller im Kino wird so mancher Leser bezüglich der letzten
Zuordnung stutzig, erscheint ihm doch diese vorgenommene Einteilung auf den
ersten Blick vollkommen unpassend. Das Wörterbuch des Langenscheidt
22
Jochen Vogt. Der Kriminalroman. (1998), S. 7.
vgl. Peter Nusser. Der Kriminalroman. (2003), S. 1-7; Vogt, S. 7; Nina Schindler. Das
Mordsbuch. (1997), S. 21-24; FAZ.NET. Horst Eckert: „Es reicht nicht, einfach einen Mord
aufzutischen“ (2001). In: http://www.faz.net/ s/Rub76B8D5378E0E4970B36637AC8DAA545F/
Doc~E9FB4007688BA4160B93726D10AB2 DB89~ATpl~Econom~Scontent.html; siehe Anhang
A, Abb. 6.
23
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
12
Verlages gibt jedoch Frau Krieg in ihrem Buch Die Spurensuche Recht, die (to)
thrill im formalen Wortsinn dem dt. ,Krimi’ gleichstellt. Tatsächlich ist der
Thriller in seiner literarischen Bedeutung dem Genre der Kriminalliteratur
zuzuordnen, wie in Abbildung 6 des Anhangs ,A’ ersichtlich wird.24
Wie im Folgenden zu sehen sein wird, lassen sich bereits auf den ersten Blick in
Henning Mankells Kurt-Wallander-Serie viele Merkmale des Thrillers wieder
erkennen. Obgleich der Schwede, wie dies typisch für das gesamte Genre ist,
jenseits des Grundschemas des Thrillers zahlreiche Merkmale variiert und so
zeitweise von der idealen Linie dieser Literaturform abweicht, sind seine Bücher
aus formal literarischer Sicht als Vertreter des Thrillers und damit der
Kriminalliteratur anzusehen.
Ungeachtet seiner zahlreichen Modifikationen ist der Thriller in seiner
Handlungsstruktur einem Dreierschritt unterworfen, der aus den Schritten
Verbrechen-Fahndung-Überwältigung besteht. Obgleich das Verbrechen im
Bereich des Thrillers nicht festgelegt ist, bedient sich Mankell in jedem seiner
Kurt-Wallander-Romane des Mordes bzw. Serienmordes und folgt damit dem
aktuell feststellbaren Trend. Kennzeichnend für den Thriller wird auch hier der
Leser nicht vor den vollendeten Mord gestellt, sondern wird wie z. B. in Die
falsche Fährte Zeuge des Mordes an Åke Liljegren. Das Verbrechen wird zum
Ereignis, das es zu bekämpfen gilt. Die Fahndung nach dem Täter spiegelt sich im
Thriller durch die Elemente der Verfolgung, Flucht, Gefangennahme und
Befreiung wider. Gerade die sich gegenseitig bedingenden drei letzten Elemente
zeugen von der Jagd nach dem Täter, in deren Verlauf es durchaus zu einer
Verlagerung der Machtverhältnisse kommen kann und der Jäger schließlich zum
Gejagten wird. So gerät Kurt Wallander beim Öffnen seiner Wohnungstür in die
Schusslinie von Åke Larstam, flüchtet, um kurz darauf wieder die Verfolgung des
Landbriefträgers aufzunehmen (Mittsommermord). In dieser den Thriller
kennzeichnenden Handlungsstruktur, die letztendlich mit der Überwältigung des
Täters endet, wird deutlich, dass die >action<- Elemente deutlich den >analysis<Elementen, die ihrerseits bezeichnend für den Detektivroman sind, überwiegen.
24
vgl. Alexandra Krieg. Auf Spurensuche. (2002), S. 76.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
>Action<
13
im Sinne von Aktion/ Handlung vermisst der Leser auch in Mankells
Krimis nicht. Jedes Agieren und Reagieren seiner Figuren spielt sich jedoch wie
bereits angedeutet im Rahmen des menschlich Möglichen ab.
Während im Thriller gewöhnlich mehrere Kriminelle ihr Unwesen treiben, begeht
in Mankells drei erfolgreichsten Kurt-Wallander-Romanen jeweils nur ein
einzelner Täter die Morde. Jedoch haben die meisten dieser Opfer selbst eine
kriminelle Karriere hinter sich und können somit zur Gruppe der Straftäter
gerechnet werden. Gustav Wetterstedt gehörte einem Mädchenhändlerring an (Die
falsche Fährte), Holger Eriksson ermordete gar in seiner Vergangenheit eine Frau
(Die fünfte Frau). Die zunächst als Zugeständnis erscheinende Variation des
Thrillers erweist sich jedoch auf den zweiten Blick als Neuerung. Längst nicht
alle Opfer, die die Polizei in Ystad zu beklagen hat, sind damit
charakteristischerweise Angehörige der ingroup, in deren Mitte der Held des
Thrillers angesiedelt wird. Die Straftäter, die neben der Gesellschaft Vertreter der
outgroup sind, repräsentieren in der Reinform des Thrillers die Sündenböcke einer
Gesellschaft. Mankells literarische Mörder hingegen sind keine Sündenböcke im
eigentlichen Sinne. Yvonne Ander war zwar ein Sündenbock, jedoch muss man
sich vor Augen halten, dass sie als Kind die Gewalt des Vaters und indirekt die
Tötung der ungeborenen Schwester aushalten musste. Ebenso musste sie in
späteren Jahren die Misshandlung ihrer Mutter und schließlich als erwachsene
Frau in ihrem Beruf als Krankenschwester das Leiden zahlreicher misshandelter
Frauen miterleben (Die fünfte Frau). Durch die intensive Herausarbeitung der
Motivfrage wird dem Leser deutlich, dass Frau Ander zur gleichen Zeit Opfer ist Opfer eines scheinbar unfähigen Justizsystems, das im Griff zur Selbstjustiz
seinen einzigen Ausweg sieht. Nusser kritisiert in seinem neuesten Werk Der
Kriminalroman die verstümmelte Darstellung der Ursachen eines Verbrechens im
Thriller. Mankell setzt jedoch gerade an diesem Punkt an und beleuchtet die
Tätermotive, wie Yvonne Anders Rachefeldzug, aus psychischer, sozialer und
politischer Sicht. Nussers Kritik ist damit im Falle der Kurt-Wallander-Romane
völlig haltlos.25
25
vgl. Nusser, S. 48-64; Krieg, S. 76-82.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
Trotz
anhaltender
Diskussionen
über
Qualität
bzw.
14
Trivialität
einiger
kriminalliterarischer Werke, konnte sich die Kriminalliteratur seit ihrem Bestehen
als eines der beständigsten Genres der populären Literatur behaupten. Die
meistgelesene Literatur der Gegenwart wird überdies als Welt-Literatur
verstanden; eine Literatur, an der die ganze Welt Anteil hat. Und doch gehört das
Krimigenre „nach wie vor zu den meistunterschätzten des Literaturmarktes“26.
Die
Ursachen
für
diesen
globalen
Erfolg
liegen
einerseits
in
den
Entstehungsbedingungen materieller und ideeller Art sowie in den Lesern selbst.
Leider gibt es bis heute kaum empirische Untersuchungen bezüglich ihrer
psychologischen und soziologischen Leserdispositionen. Gerade diese Fragen
werden nicht nur gerne in den Literaturforen des WorldWideWeb aufgegriffen
und diskutiert; sie stehen derzeit auch im Mittelpunkt des Forschungsinteresses
verschiedener Hochschulen. Veröffentlichungen diesbezüglich werden noch
einige Zeit auf sich warten lassen, man darf aber gespannt sein. Bislang versuchte
man die Massenwirksamkeit der Kriminalliteratur auf hermeneutischem Weg zu
erforschen, auf deren Darlegung angesichts des fehlenden Beweises und
zahlreicher ungesicherter Informationen im Rahmen dieser wissenschaftlichen
Arbeit verzichtet wird.
Die im Rahmen der Leserumfrage erhobenen Daten spiegeln folgendes Bild des
‚typischen’ Kurt-Wallander-Lesers wider: 58,1% der Teilnehmer waren Männer.
Der Großteil der Leser, die zwischen 15 und 65 Jahren alt waren, ist zwischen 25
und 34 Jahren alt (42,6%). Ein überdurchschnittlich hoher Anteil des damit
insgesamt
jungen
Lesepublikums
Henning
Mankells
hat
zudem einen
akademischen Beruf Inne (26,8%), beziehungsweise strebt einen derartigen
Berufsstand nach dem Abschluss des Studiums an (13,8%). 27
Die Zukunft wird zeigen, ob die Sensationslust des Lesers, die intellektuelle
Herausforderung an ihn, die Spannung und die Möglichkeit des Erlebens von
Abenteuern diesen Boom des kriminalistischen Literaturmarktes mitauslöste und
weiterhin aufrechterhält. Henning Mankell konnte und kann sicherlich von diesem
Erfolg profitieren. Jedoch reicht die Tatsache, dass es sich bei den Kurt26
27
Krieg, S. 5.
siehe Anhang B, Anlage 2 Geschlecht - Alter - Beruf.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
15
Wallander-Romanen um Kriminalliteratur handelt, bei weitem nicht aus, den
Erfolg seiner Werke zu erklären. 28
3.2
Der Erfolg des Krimigenres in Deutschland
Längst ist diese Euphorie um den Krimi auch über die deutschen Grenzen getreten
und
hat
hierzulande
einen
wahrhaftigen
Boom
des
kriminalistischen
Literaturmarktes ausgelöst. Mit den Worten „Tyskland, Tyskland - Deckarland“29
titelte der schwedische Krimispezialist Johan Wopenka bereits vor Jahren einen
seiner Artikel für die skandinavische Krimi-Zeitung Jury und betonte damit den
im Ausland bewunderten Erfolg des Krimigenres hierzulande. Noch nie wurden
im deutschsprachigen Raum so viele Krimis veröffentlicht wie im letzten Jahr.
Noch nie stammten mehr Krimis aus der Hand deutschsprachiger Autoren.30
Die Geschichte der Kriminalliteratur wird sicherlich in jedem Land anders
geschrieben, doch nimmt Deutschland in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein.
In den Zeiten des Dritten Reiches hatte es der deutsche Krimi sehr schwer. Die
bestehende Regierungsform der Diktatur ließ es nicht zu, über kriminalliterarische
Themen wie Mord oder Verbrechen zu schreiben, da sie gesellschaftliche
Missstände aufzeigten, die es in einer Diktatur schlichtweg nicht geben durfte.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges und des damit einhergehenden Machtverlustes
Hitlers stellte jedoch zunächst nicht die erhoffte Geburtsstunde des deutschen
Krimis dar; noch 15 Jahre später veröffentlichten viele deutsche Autoren ihre
Krimis unter (englischen) Pseudonymen. Die Kriminalliteratur war noch immer
stark
angelsächsisch
geprägt,
es
gab
nur
einige
wenige
weibliche
Krimischriftstellerinnen und die deutsche Krimiszene befand sich noch in ihren
Kinderschuhen. Einige Subgenres waren noch nicht einmal erfunden. Erst Ende
der 60er-Jahre änderte sich die Situation und deutsche Autoren schrieben fortan
unter deren eigenem Namen. Neben den ersten Soziokrimis erschien 1974
SHOCK, die erste Zeitschrift für Kriminalliteratur in Deutschland; die erste
28
vgl. Schindler, S. 15; Alfred Miersch. Gute Nachrichten aus dem Genre (2001). In:
http://www.alligatorpapiere.de; Nusser, S. 7, 151-168; Vogt, S. 9.
29
Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Deutschland-Krimiland (1993), S. 1.
30
vgl. Schindler, S. 24; FAZ.NET. Horst Eckert: „Es reicht nicht, einfach einen Mord
aufzutischen“ (2001); siehe Anhang A, Abb. 9-11; siehe dazu auch Anhang A, Abb. 7 u. 8.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
16
Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe öffnete in Frankfurt ihre Pforten. Im
Ergebnis entwickelte sich die Kriminalliteratur hierzulande langsamer als in
anderen Ländern. Bis zum heutigen Tag ist es dem dt. Buchmarkt jedoch
gelungen, diesen Rückstand kontinuierlich zu verringern. Längst verfügt auch der
deutschsprachige Raum mit Deutschland, Österreich und der Schweiz über die
gleiche Bandbreite an Kriminalliteratur wie der angelsächsische. Die Anzahl
deutschsprachiger Originalausgaben steigt seit einigen Jahren beständig an. Zwar
sind die Glauser-Listen der Autorenvereinigung DAS SYNDIKAT nicht von der
Qualität exakter Statistiken, jedoch kann der an ihnen ablesbare Trend sicherlich
für eine Betrachtung der deutschen Krimiszene herangezogen werden. Im
vergangenen Jahr haben sich 191 deutschsprachige Autoren mit ihren
Kriminalromanen für den Friedrich-Glauser-Preis beworben - so viele wie nie
zuvor.31
Vom Boom der Kriminalliteratur profitieren jedoch hierzulande vor allem
ausländische Autoren, denen mit ihren übersetzten Werken der weitaus größte
Teil der Neuveröffentlichungen im Bereich der Kriminalliteratur zuzurechnen ist.
Deutsche Titel liegen in ihren Verkaufszahlen weiter hinter denen amerikanischer
und britischer Kriminalschriftsteller zurück. Während in Skandinavien 30% der
veröffentlichten Krimis eines Jahres aus der Feder einheimischer Autoren
stammen, handelt es sich im deutschsprachigen Raum lediglich bei 13,9% aller
Neuveröffentlichungen um Originalausgaben (Stand 2003). Nach wie vor kommt
dem Genre Kriminalliteratur in anderen Ländern wie Großbritannien und
Frankreich eine höhere literarische Bedeutung zu, als dies momentan in
Deutschland der Fall ist. Zwar ist es dem Krimi gelungen, erfolgreich gegen das
Vorurteil der Schundliteratur anzukämpfen, doch mangelt es trotz zahlreicher
essayistischer Auseinandersetzungen weiterhin an empirischen Untersuchungen
zu diesem Genre.32
31
vgl. FAZ.NET. Horst Eckert:“ Es reicht nicht, einfach einen Mord aufzutischen“; Walter.
Lexikon der Kriminalliteratur. Deutschland- Krimiland, S. 1, 3, 5; Vogt, S. 7.
32
vgl. Schindler, S. 188; Bruno Franceschini; Carsten Würmann. Verbrechen als Passion. Neue
Untersuchungen zum Kriminalgenre. Berlin: Weidler Verlag (2004), S. 8; Krieg, S. 5; siehe
Anhang A, Abb. 10, 11.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
Die
Spiegel-Bestsellerlisten
Kriminalschriftstellerinnen
zeigen
und
deutlich,
dass
Kriminalschriftsteller
17
die
auf
erfolgreichsten
dem
deutschen
Buchmarkt derzeit mit Patricia Cornwell, Donna Leon und Stephen King aus den
USA, aber allen voran mit Håkan Nesser, Liza Marklund und Henning Mankell
aus den skandinavischen Ländern kommen.
3.3
„Der Mord der aus der Kälte kam“: 33
Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich?
Abgesehen vom englischsprachigen Raum und Japan gibt es auf dieser Welt keine
andere Gegend, in der das Genre Kriminalliteratur so populär ist wie in
Skandinavien und in Relation zur jeweiligen Bevölkerungsdichte eine größere
Verbreitung genießt. Jährlich werden derzeit in den drei skandinavischen Ländern
rund 300 Kriminalromane veröffentlich. Längst hat diese „Krimiwelle aus dem
Norden“34 auch Deutschland erreicht. 120 AutorInnen aus Skandinavien sowie
Finnland und Island sind derzeit mit ihren Werken auf dem deutschen Krimimarkt
vertreten, „davon schätzungsweise 40 allein aus Schweden“35. Die Wurzeln dieses
gegenwärtigen Erfolgs reichen bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts
zurück, weshalb ein kurzer Blick auf die neuere Geschichte der skandinavischen
Kriminalliteratur notwendig wird, um dieses Phänomen zu erklären.
Im Gegensatz zum geographischen Verständnis zählen neben Schweden,
Dänemark und Norwegen auch die Werke der Länder Finnland sowie Island und
der Färöer Inseln zur skandinavischen Kriminalliteratur, obgleich die drei
letzteren in ihrer Entwicklung und Internationalität bislang nicht zu deren
Hauptvertretern Schweden, Dänemark und Norwegen aufschließen konnten. In
dem Bewusstsein, dass es sich im Falle der nordischen Kriminalliteratur
keineswegs um eine homogene Literatur handelt, sondern sich diese indes schon
durch
33
sprachliche
wie
entwicklungstechnische
Unterschiede
voneinander
Alexandra Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam. Was machen skandinavische Krimis so
erfolgreich? (2004). In: http://www.schwedenkrimi.de.
34
Alexandra Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam (2004).
35
Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
18
abgrenzt, sind dennoch charakteristische Gemeinsamkeiten nicht zu verkennen,
anhand derer im Folgenden der internationale Erfolg dieser Literatursparte
analysiert werden soll.36
Wie ihre Kollegen in den übrigen Ländern, so mussten auch die skandinavischen
Kriminalautoren lange um Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer Werke
kämpfen. Beinahe schlagartig änderte sich diese unbefriedigende Situation in den
späten 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts durch das Autorenehepaar Maj
Sjöwall (*1935) und Per Wahlöö (1926-1975), die rückblickend die entscheidende
Rolle in der kriminalliterarischen Entwicklung Skandinaviens und hier
insbesondere Schwedens spielten; ihr Einfluss wird von einigen Kritikern sogar
als zu immens beschrieben. Sjöwalls und Wahlöös Romanzyklus um den
Stockholmer Kommissar Martin Beck war für Autoren, Kritiker und Leser
ausschlaggebend,
Kriminalliteratur
fortan
nicht
mehr
als
bloße
Unterhaltungsliteratur, sondern „auch als ein Mittel der Überprüfung von
Wirkungsweisen und Machtstrukturen der modernen Gesellschaft“37 zu sehen. Zu
dieser Anerkennung der Kriminalliteratur trugen ohne Zweifel auch Kritiker und
Experten wie Jörgen Elmström oder Åke Runnquist bei, die erste Werke der
Sekundärliteratur zu diesem Genre veröffentlichten. Erste kriminalliterarische
Zeitschriften wurden gegründet sowie mehrere Vereine und Organisationen ins
Leben gerufen. Die wohl bedeutendste Organisation unter ihnen ist bis heute noch
die Svenska Deckarakademin, die Schwedische Krimiakademie, die sich selbst
der Niveauanhebung schwedischer Kriminalliteratur verschrieb.
Nach der ersten Skandinavienwelle, die Deutschland mit Autoren wie
Kierkegaard und Ibsen bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert erreichte,
gelang es Sjöwall und Wahlöö erstmals, den skandinavischen Krimi in
Deutschland salonfähig zu machen und überdies die Gattung des Kriminalromans
nach den Querelen des Dritten Reiches nunmehr auch in der Bundesrepublik von
den ihm anhaftenden Vorurteil der Schundliteratur zu befreien. Durch diesen
Boom bekamen viele skandinavische Krimiautoren die Chance, endlich aus dem
36
vgl. Schindler, S. 188; Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel
Henning Mankell. (2002), S. 3, 6; Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.
37
Schindler, S. 192.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
19
Schatten einer bislang verachteten Literatur in ihrem eigenen Land hervorzutreten,
während sich zur gleichen Zeit bereits anerkannte skandinavische Autoren diesem
‚neu entdeckten’ Genre verschrieben. Bei weitem standen nicht alle Autoren unter
dem
direkten
Einfluss
von
Sjöwall/Wahlöö.
Die
Entwicklung
neuer
Plotstrukturen, die Kreuzung verschiedener kriminalliterarischer Stile und
Einflüsse anderer Autoren außerhalb des Genres trugen dazu bei, dass die Vielfalt
des skandinavischen Krimis weiter wuchs. Das wohl berühmteste Beispiel hierfür
ist Peter Høegs Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee, mit dem Høeg 1992
die Bestsellerlisten Deutschlands stürmte.38
Selbstverständlich kann eine Arbeit dieses Umfangs bei weitem nicht alle
Facetten der nordischen Kriminalliteratur ansprechen, weswegen im Folgenden
lediglich auf den augenblicklichen Mainstream dieses Genres eingegangen wird.
Der Mainstream, der letzten Endes den enormen Erfolg in Deutschland auslöste
und dem auch Henning Mankell mit seinen Kurt-Wallander-Romanen zuzuordnen
ist.
Nahezu
alle
gegenwärtig
erfolgreichen
skandinavischen
KrimischriftstellerInnen wie z. B. Liza Marklund, Håkan Nesser, Åke Edwardson,
Anne Holt und der bereits genannte Henning Mankell, stehen mehr oder weniger
im Erbe des Autorenduos Sjöwall/Wahlöö und machen die ihnen gemeinsame
sozialrealistische wie gesellschaftskritische Komponente zum unverkennbaren
Markenzeichen des skandinavischen Kriminalromans.39
Der Kriminalroman aus dem Norden Europas hat jedoch weitaus mehr zu bieten:
Der skandinavische Krimi ist in seiner Art internationaler als viele Vertreter
seiner Gattung. Gekonnt verbinden Autoren wie Arne Dahl oder Olov Svedelid
diese scheinbar am Rande der Welt liegenden Länder mit dem Rest der Erde und
zeigen so die Auswirkungen der Globalisierung auf, die in der Bundesrepublik
ebenso spürbar sind wie in Skandinavien. Ihre literarischen Protagonisten plagen
dieselben Ängste und Sorgen wie den deutschen Krimifan, wodurch er sich in
diesen für den nordischen Krimi so typischen menschlichen Charakteren leicht
38
vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Der schwedische Krimi. (1995), S. 8-20;
Krieg, S. 75; Schindler, S. 188-194.
39
vgl. Tobias Gohlis. Das Böse kommt von Norden. Die Welt des nordischen Kriminalromans.
Wien: Paul Zsolnay Verlag (2003/2004), S. 5; Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
20
wiedererkennen kann. Das beste Beispiel hierfür ist Henning Mankells Hauptfigur
des Kurt Wallander. Einen Hauch von Modernität bringen Autoren wie Åke
Edwardson durch ihren flotten Magazinstil, eine leicht verständliche Sprache und
schnelle Szenenwechsel in ihre Kriminalromane. Auch das Autorentrio um Emma
Vall hat sich, wenn auch nicht in einer derart expliziten Weise, diesem
Sprachdaktus verschrieben, der den melancholischen Romanen zusätzliche
Dynamik verleiht.
Überdies machen Skandinaviens Kriminalautorinnen mit ihren Kommissarinnen
auf sich aufmerksam. Liza Marklunds Hauptfigur Annika Bengtzon verkörpert in
ihren Rollen als Mutter, Ehefrau und Journalistin nicht nur das vorbildliche
skandinavische Gleichheitsmodell, sondern auch gleichzeitig den Traum vieler
deutscher Frauen von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Neben dem
feministischen Krimi ist auch der psychologische Krimi vor allem dank Karin
Fossum nunmehr zu einem wichtigen Nebenstrom der skandinavischen
Krimilandschaft geworden. Eine „Landschaft“, die einerseits weiterhin durch den
Polizeiroman
mit
seinen
verzweifelnden
Protagonisten
bestimmt
wird;
andererseits jedoch in der Zwischenzeit eine Vielfalt aufweist, die jeden Krimifan
fündig werden lässt. Ein weiteres Merkmal, das den skandinavischen Krimi als
solchen auszeichnet, stellt der hohe Grad an Realität dar, dem man z. B. in den
Romanen von Åke Edwardson begegnet. Seine Romane sind das Ergebnis
monatelanger Recherchen, die letztendlich in der detaillierten Schilderung der
mühsamen Ermittlungsarbeit seiner Protagonisten ihren Niederschlag finden.
Einen zweiten Weg verfolgt indes Henning Mankell. Durch die Einbindung realer
Schauplätze, Persönlichkeiten und Ereignisse verleiht er seinen Kurt-WallanderRomanen zusätzliche Authentizität.
Eine weitere Ursache dieses immens großen Erfolges hierzulande liegt jedoch in
Deutschland selbst. Auch 55 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches kämpft
Deutschlands Bevölkerung immer noch mit seiner Geschichte. Eine zu starke
Kritik an der Gesellschaft, des Staates und seiner Regierung ist nach wie vor ein
Tabuthema, weshalb sich die dt. Leser ihre Antworten auf die vielen offenen
Fragen bezüglich des Themas Globalisierung und den benötigten Halt in der
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
21
Literatur suchen. Die deutsche Literatur kann diese Fragen derzeit nicht
beantworten, weswegen der Leser auf die momentan politischsten Krimis
zurückgreift - die Skandinavischen.40
Im Ergebnis unterscheidet sich der skandinavische Kriminalroman mit seinen
charakteristischen
Merkmalen
deutlich
von
der
jeweiligen
typischen
Kriminalliteratur anderer Länder. Anstatt lebenslustiger Menschen voller Humor
und Esprit, wie sie der Leser aus zahlreichen südeuropäischen Krimis kennt,
begegnet er im Norden Europas schwermütigen, beinahe ängstlichen Charakteren.
Parodien und surreale Konstruktionen sind dem Liebhaber skandinavischer
Kriminalliteratur ebenso fremd wie die den französischen Krimi kennzeichnenden
verspielten Züge. Die traditionellen Kriminalromane aus dem hohen Norden sind
für den Leser leicht als solche zu identifizieren, selbst wenn der Begriff des
skandinavischen
Kriminalromans
literaturwissenschaftlich
überhaupt
nicht
existiert.41
Henning Mankells Kurt-Wallander-Romane weisen die Mehrzahl der zuvor
aufgeführten Attribute des traditionellen skandinavischen Krimis auf, wie im
Laufe dieser Arbeit noch genauer zu sehen sein wird. Die Riege der momentan
erfolgreichen Autoren aus Skandinavien ist immens und sicherlich hat der Sog
dieses Erfolgs die deutschen Leser auch auf Kurt Wallander aufmerksam werden
lassen. Jedoch kann auch diese Tatsache nicht die literarische Erfolgsgeschichte
dieser Kriminalromanserie abschließend begründen.42
40
vgl. Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam; Peter E. M. Rohling. Der skandinavische
Kriminalroman. Eine Erfolgsgeschichte (o. J.). In: http://www.heiner-k.de/specials/
skandinavische_ krimis/ einfuehrung.html.
41
vgl. Thomas Gohlis. Das Böse kommt von Norden. (2003/2004), S. 5.
42
vgl. Peter E. M. Rohling. Der skandinavische Kriminalroman (o. J.).
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
22
3.3.2 Das Erbe von Maj Sjöwall und Per Wahlöö
Der Klappentext zu Mörder ohne Gesicht verrät dem Leser schon auf den ersten
Blick zwei Vorbilder Henning Mankells. Angepriesen als Thriller in der Tradition
von Maj Sjöwall und Per Wahlöö, darf der Liebhaber nordischer Kriminalliteratur
gespannt sein, in welchem Ausmaß sich Mankell mit seinem Debütroman und mit
den sich ihm anschließenden Romanen seiner Kurt-Wallander-Serie an die beiden
„Urahnen“43 des skandinavischen Krimis anlehnt. Ein genauerer Blick auf die
Romane Sjöwalls/Wahlöös und ein sich anschließender Vergleich mit Mankells
Kriminalgeschichten
aus
Ystad
wird
zeigen,
ob
in
dem
Erbe
des
Autorenehepaares das Geheimnis um den Erfolg der Kurt-Wallander-Serie zu
suchen ist.
Inspiriert von Ed McBains Romanen über das 87. Polizeirevier, veröffentlichte
das Autorenehepaar Maj Sjöwall und Per Wahlöö in den Jahren 1965-1975 seine
Romanserie um eine Stockholmer Ermittlungsgruppe mit Kommissar Martin
Beck als Hauptfigur. Die Serie, die von den beiden Schweden von Beginn an als
10-bändiges Werk konzipiert worden war, wies einerseits McBains Züge der
Darstellung polizeilicher Ermittlungsroutine und ihrer Kriminalbeamten auf, die
darüber hinaus mit einem glaubhaften Privatleben versehen waren. Andererseits
versuchten
Sjöwall
und
Wahlöö
als
bekennende
linke
Autoren,
die
gesellschaftlichen Verhältnisse Schwedens in ihren Romanen aus ihrer
persönlichen Sicht widerzuspiegeln und mit ihren Büchern eine breite
Bevölkerungsschicht zu erreichen. Die beiden übernahmen jedoch nicht
vollständig das Konzept von McBain; bereits ihr zweiter Roman Der Mann, der
sich in Luft auflöste trug ihre eigene Handschrift. Des Weiteren machten Sjöwall
und Wahlöö durch eine Detailversessenheit und hohe Authentizität in ihrer
Romanserie, die sie u. a. durch die Einbindung realer Persönlichkeiten und
Ereignisse entstehen ließen, auf sich aufmerksam. Die Kritik am schwedischen
43
Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
23
Wohlfahrts- und Sozialstaat nahm indes von Roman zu Roman zu, so dass es sich
bei den letzten beiden Werken dieser Serie nicht mehr um Kriminalliteratur im
engeren Sinn handelt.44
Henning Mankells verwobene Gesellschaftskritik in den Romanen, sein
Hauptprotagonist Kommissar Kurt Wallander und dessen Unbehagen gegenüber
einer weiter zunehmenden Globalisierung erinnern stark an die Romanserie seiner
Landsleute Sjöwall/Wahlöö. Es ist heute unumstritten, dass Mankell als Schüler
der beiden ‚Großmeister des skandinavischen Krimis’ angesehen werden kann,
doch stellen seine Romane keinesfalls nur eine Kopie der beiden dar. Mankell
lässt keinen Hauch von Nostalgie aufkommen. Stattdessen hat er es verstanden,
das von Wahlöö/Sjöwall beschriebene Szenario der schwedischen Gesellschaft
konsequent
weiterzudenken,
den
Verhältnissen
des
ausklingenden
20.
Jahrhunderts anzupassen und damit auf eine vorübergehende Spitze zu treiben,
was anhand folgender Beispiele verdeutlicht werden soll.
Während Martin Beck erst im Laufe der Serie vom great detectiv „zum
Sprachrohr moralischer Reflexionen wird“45, steht Kurt Wallander bereits in
seiner ersten Mordermittlung fassungslos einer menschlichen Brutalität eines
bislang unbekannten Ausmaßes gegenüber.46 Längst hat das Verbrechen auch in
die vermeintlich letzte Ecke Schwedens Einzug gehalten, in die Wallanders
Tätigkeit wesentlich enger gebunden ist als Beck an Stockholm. Diese enge
Bindung kann als Ausdruck von Wallanders Suche nach Schutz vor der globalen
Bedrohung gesehen werden. Schutz, den er in seiner Heimat Ystad trotz der dort
wütenden Verbrechen findet und die er deshalb nur ungern verlässt. Dieser
vermeintlich hoffnungslosen Situation wurde auch Wallanders Liebesleben
angepasst, der im Unterschied zu seinem Kollegen Beck weiter auf die zweite
große
Liebe
warten
muss.
Während
Sjöwall/Wahlöö
gerne
ihre
radikalsozialistischen Ideen in ihren Büchern zum Audruck brachten, blieb
Mankell trotz seiner hervorgebrachten Gesellschaftskritik bürgerlich-neutral. Um
44
vgl. Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 9f; Hagenguth. Der Mord der aus der
Kälte kam; Krieg, S. 75; Schindler, S. 188-194; Dr. Stephan Schwier. Krimis ohne Überhelden
(o. J.). In: http://www.heiner-k/specials/skandinavische_krimis/interviewalzweig.html.
45
Krieg, S. 83.
46
vgl. Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 16 Z. 15-18.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
24
dem Leser seine Botschaft zu visualisieren, schlägt Mankell stattdessen neue
Wege ein und weist der ihn umgebenden Landschaft eine herausragende Rolle
zu.47
Sicherlich hat Mankell einen Teil des Erfolges seiner weltberühmten Krimiserie
der Vorarbeit Maj Sjöwalls und Per Wahlöös zu verdanken, die ihren Nachfolgern
den steinigen Weg der Anerkennung der Kriminalliteratur ebneten. Von der
damaligen Krimieuphorie der 60/70er Jahre des letzten Jahrhunderts profitierte
Henning Mankell jedoch nicht mehr. Der ‚Vater’ Kurt Wallanders veröffentlichte
seinen ersten Kriminalroman im Jahre 1993 in Deutschland, 25 Jahre nach
Sjöwalls/Wahlöös Deutschland Debüt. Vielmehr löste Mankell mit Kurt
Wallander in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts eine neue und bis heute
ungebrochene Krimiwelle aus. Dank Henning Mankell „ist der ‚Skandinavische
Kriminalroman’ endgültig in die Belle Etage der guten Krimi-Literatur
aufgestiegen“48.
3.3.2
Die „Mankellisierung“
Hoch gelobt von den Feuilletons der großen Zeitungen und beinahe durchgängig
auf den Spiegel-Bestsellerlisten vertreten, wurde Mankell dank seiner KurtWallander-Serie mehr und mehr zum Publikumsmagneten. In kürzester Zeit
gelang es dem Autoren, sich in die Herzen der deutschen Krimileser zu schreiben;
Ende der 90er Jahre gelang ihm schließlich der Durchbruch in Deutschland. Von
diesem
Mankell-Rummel
profitierten
nicht
nur
bislang
unbekannte
skandinavische Schreiber wie Karin Fossum, Markku Ropponen oder Karin
Altvegen. Auch in Liza Marklunds und Håkan Nessers Romanen, die dank der
neu entdeckten Leidenschaft für nordische Krimis problemlos interessierte
deutsche Verlage fanden, ist Mankells Einfluss zu spüren. Schriftsteller aus dem
deutschsprachigen Raum lassen sich ebenso von Mankells Krimis inspirieren und
veröffentlichten ihre Romane in der Tradition der Mankell´schen Schule. Eva
Rossmann lieferte mit ‚Freudsche Verbrechen’ die östereichische Antwort auf
Mankell, Ulrich Ritzel die Schwäbische. Doch auch über den deutschsprachigen
47
vgl. Rainer Sens. Dem Kommissar auf der Spur. Ein literarische Reiseführer zu den Tatorten
der “Wallander-Romane“. Welver: Conrad Stein Verlag (2004), S. 12-15; Krieg, S. 84.
48
Rohling. Der skandinavische Kriminalroman.
Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur
25
Raum hinaus lassen sich KrimischriftstellerInnen von der ‚Mankellisierung’ des
gesamten Krimigenres anstecken. Mit Mankellisierung bezeichnet Franz Schuh,
der Kolumnist der Zeitschrift Literaturen, „die Verquickung von spekulativer,
genre-spezifischer Gewaltdarstellung und einem politisierenden Moralismus, der
es sich bei den realen Katastrophen, die er anspricht, gut gehen lässt“49. Erst
kürzlich zeigte Alicia Giménez-Bartlett den deutschen Lesern mit ihrem Roman
‚Piranhas im Paradies’, dass längst nicht mehr überall, wo Schweden nicht drauf
steht, Schweden nicht drin ist. Mankell ist allgegenwärtig.
Was ist das Besondere an Mankells Krimiserie, das diesen Boom um Kurt
Wallander auslöste und seine Kriminalgeschichten zu einer faszinierenden
Erfolgsstory machten?50
49
Franz Schuh. Der Norden und der Süden (2004). In: http://www.literaturen.de/krimi-index.html.
vgl. Klaus-Peter Walter. Reclams Krimi-Lexikon. Autoren und Werke. Stuttgart: Philipp Reclam
jun. Verlag (2002), S. 23, 118, 138, 289, 362, 364f; Franz Schuh. Der Norden und der Süden
(2004); Thomas Widmer. Morden im Norden. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer
Nachrichtenmagazin 15. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001). S. 147; Börsenverein des
deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47. »Ein Mensch wie du und ich« (2002), S.36.
50
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
26
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
4.1
Mankells literarischer Stil
Es kommt nicht von ungefähr, dass der Satz »Jeder Autor hat seinen eigenen Stil«
in Buchhändlerkreisen so weit verbreitet ist, lassen sich doch nur schwerlich und
verallgemeinernd die Stile mehrerer Autoren miteinander vergleichen. Ein
literarischer Stil ist mehr als das Befolgen bestimmter Grundregeln der
Schriftstellerei. Er spiegelt persönliche Erfahrungen und Eigenschaften des Autors
wider. Während Mankells Schreibstil auf den ersten Blick eher nüchtern und
spröde wirkt, eröffnet sich dem Leser nach einer genaueren Betrachtung seiner
Texte die gesamte Breite ihrer mystischen wie kontroversen Wirkung.
4.1.1
Erzähltechnik
Mankell hat seine Kurt-Wallander-Romane allesamt als Berichte im Präteritum
geschrieben. Seine oftmals einfachen und kurzen Sätze enthalten kaum
Fremdwörter und sind so für den Leser leicht verständlich. Den für den Thriller
typischen chronologisch sukzessiven Erzählverlauf hält der Autor jedoch nicht
durchgehend ein. Mehrmals unterbricht Mankell den jeweils gegenwärtigen
Handlungsverlauf, um über zurückliegende Ereignisse zu berichten. Nicht immer
verwendet er hierfür das gebräuchliche Plusquamperfekt und zwingt den Leser so
seine Aufmerksamkeit zu schärfen. Während Wallanders Kollegen damit
beschäftigt sind, die vier verschleppten Frauen aus der Dominikanischen Republik
zu vernehmen, erfährt der Leser mitten im Textfluss von deren schicksalshafter
Vorgeschichte (Die falsche Fährte). Zum Anderen geht der Autor zeitweise in die
für den Detektivroman typische rückwärtsgerichtete Erzählweise über. Mit Hilfe
von Vorgriffen wie „Später sollte er sich an den Abend in Helsingör als an den
Wendepunkt der ganzen Ermittlung erinnern“51 vermischt Mankell endgültig zwei
völlig unterschiedliche Erzähltechniken miteinander. Insgesamt betrachtet
entspricht der Erzählverlauf damit nicht mehr dem Ablauf der objektiven Zeit.52
51
Mankell. Die falsche Fährte, S. 399 Z. 28f.
vgl. Rainer Sens. Dem Kommissar auf der Spur. (2004), S. 12; Nusser, S. 52; Susanne Schanda.
«Ich reise gerne in der Zeit» (1998). In:http://www.espace.ch/medien/bz/archiv/details_2.cfm?
id=9082&simplesearch=kriminalliteratur &template=index.cfm; Mankell. Die falsche Fährte, S.
391 Z.22, S. 453 Z. 6ff, S. 462 Z. 18ff; Die fünfte Frau, S. 532 Z. 10ff.
52
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
27
Auch bei der Wahl der Erzählperspektive entschied sich der Schwede für eine
Mischform - den perspektivischen Wechsel. Der Erzähler konzentriert sich in
allen Romanen auf die Perspektive des Kurt Wallander, lässt den Leser ständig
einen Blick über Wallanders Schulter werfen und ermöglicht ihm somit einen
hohen Identifikationsgrad mit der Hauptfigur. Einen Höhepunkt stellt hierbei
sicherlich die erste Vernehmung von Anita Carlman dar (Die falsche Fährte). Der
ständige Wechsel zwischen der eigentlichen Vernehmung und Wallanders parallel
zum Gespräch verlaufenden inneren Monologen zwingt den Leser, die
entsprechenden Zeilen mit einer erhöhten Konzentration zu lesen.53 Die
Figurenperspektive wird jedoch in Mankells späteren Romanen - und hier vor
allem in seinen drei Erfolgreichsten - unterbrochen. In eingeschobenen Passagen
entfernt sich die Handlung von der Hauptfigur und geht sowohl in die Opfer- wie
Täterperspektive über. Die introspektive Schilderung des Mörders unterbreitet
Mankell die Möglichkeit, das Tatmotiv, welchem, wie im Verlauf dieser Arbeit
noch zu sehen sein wird, eine große Bedeutung zukommt, genauestens zu
beleuchten. Der Leser begleitet den Mörder bei seinen Tatvorbereitungen und der
eigentlichen Tat und erhält überdies Einblicke in die (kranken) Täter- wie
leidenden Opferseelen.
Mankell steigert diese psychologisch-kritische Tendenz des Thrillers, indem er in
ausgesuchten Momenten in die Ich-Perspektive einer Person wechselt bzw. seine
Hauptfigur Kurt Wallander mit den Worten „Von wo konntest Du ihn sehen, ohne
gesehen zu werden?“54 direkt zu dem Täter sprechen lässt. Hervorgehoben werden
die beiden zuletzt genannten Textabschnitte zusätzlich durch Kursivdruck im
Layout. Dank dieser weniger statischen Erzählweise ist der Leser letzten Endes
dem Ermittler in seinem Wissen voraus und kennt in den meisten Fällen bereits
nach
wenigen
gelesenen
Seiten
die
Identität
des
Täters.
Trotz
des
Wissensvorsprungs kann der Leser jedoch nicht sagen, ob der nächste Schritt
Wallander zu seinem Ziel bringen wird.55
53
vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 135 Z. 12 - 32.
Mankell. Die falsche Fährte, S. 174 Z.1f.
55
vgl. Sens, S. 12; Nusser, S. 52f; Mankell. Die fünfte Frau, S. 57 Z. 31ff, S. 59 Z. 4ff,
S. 65 Z. 31ff; Die falsche Fährte, S. 152 Z. 7ff.
54
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
28
Die angewandte Erzähltechnik verleiht Mankells Büchern insgesamt einen hohen
Grad an Dynamik. Damit der Leser dennoch den Überblick behält, bilden
unzählige exakte Zeitangaben das Gerüst der Handlung und erleichtern ihm die
Orientierung. Im Ergebnis trägt die angewandte dualistische Erzählweise mit den
aus ihr hervorgehenden Handlungsunterbrechungen ebenso zur Intensivierung der
Grundspannung des Lesers bei wie auch der bereits im Vorfeld erläuterte
Erzählverlauf.
4.1.2 Spannungsaufbau
Die Grundspannung hingegen ist abhängig von der konkreten Situation, in der
sich die Hauptfigur befindet. Höhepunkte der Spannung fallen mit einem
bevorstehenden Durchbruch der Ermittlungen wie auch mit einer drohenden
Gefahr für den Hauptprotagonisten zusammen. Mankells minutiöse Schilderung
befindet sich in diesen Momenten auf ihrem Höhepunkt.56 Während der Leser
über die sich in einigen Situationen überschlagenden Ereignissen sprichwörtlich
hinwegfliegt, schafft Mankell mit Hilfe der gegensätzlich wirkenden absoluten
Stille eine nicht mindere Spannung.57 Die Bestsellerromane des Schweden weisen
keinen einheitlichen Spannungsaufbau auf. Dem Leser stockt der Atem, als
Hoover eines Nachts vor Wallanders Bett steht und den Kommissar im Schlaf
beobachtet, bis sich dieser entschließt, unerkannt die Wohnung wieder zu
verlassen.58 Kennzeichnend für die gesamte Gattung des Thrillers lässt sich daher
jeder
Kurt-Wallander-Roman
in
mehrere
Handlungsbögen
unterteilen,
entsprechend derer das Erzähltempo zwischen den einzelnen aktionistischen
Situationen und den ihnen gegenüber stehenden retardierenden Momenten stark
variiert.
Besonders zeichnet sich Mankell für seine starken Romananfänge aus, in deren
Prologen meist schon der erste Mord zu beklagen ist. Gemäß Mankells Ansicht,
der Leser würde sich bereits nach der ersten gelesenen Seite entscheiden, ob er
das Buch weiter läse oder wegwürfe, entschied er sich bewusst für diese
56
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 570 Z. 1ff.
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 407 Z. 7ff.
58
vgl. Nusser, S. 53; Mankell. Die falsche Fährte, S. 315 Z. 12ff.
57
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
29
Anfänge.59 Mankells Spannung ist jedoch mehr. Sie ist mehrdimensional. Neben
dem Plot erzeugt Mankell auch durch seine lebendigen Figuren, die Tatmotive
sowie beinahe kämpferischen Dialoge Spannung.60 Katarina Taxells Vernehmung
spitzt sich in Form eines Frage-Antwort-Spiels mehr und mehr zu, bis Wallander
das Gespräch plötzlich auf S. 395 Z. 24 abbricht und die ständig ansteigende
Spannung somit abrupt gestoppt wird (Die fünfte Frau). Mit der Prostituierten
Elisabeth Carlén liefert sich Wallander gar ein regelrechtes Wortgefecht.61 Indem
Mankell seine Leser lediglich über Wallanders Absicht, „einen Besuch [zu]
machen“62, in Kenntnis setzt, ohne hierbei zunächst das Ziel zu erwähnen, erzeugt
der Autor wiederum die für den Krimi charakteristische suspense. Erst auf der
folgenden Seite des betreffenden Romans lüftet der Schwede schließlich das
Geheimnis.63 Suspense entsteht jedoch an einigen Stellen auch durch die
Allwissenheit des Lesers. Während Wallander in einem Gespräch mit Martinsson
noch nicht ahnt, dass er selbst das neunte Opfer Åke Larstams sein soll, bangt die
Lesergemeinde bereits um das Leben des Kult-Kommissars.
» Larstam hat Hansson und den Kollegen aus Malmö nicht erschossen.
Und keiner redet mir ein, er hätte sie verfehlt. Es war nur, weil keiner
von beiden die neunte Person war. «
» Und das bist du also auch nicht? «
» Wohl kaum. «64
Durch den gezielten Einsatz von Überraschungseffekten an vielen Kapitelenden
gelingt es Mankell überdies den Spannungsbogen nicht an diesen prägnanten
Stellen abbrechen zu lassen.65 Viele Leser sind obendrein neugierig, ob Wallander
z. B. tatsächlich nach dem Romanende von Die weiße Löwin seinen Dienst
quittieren und ob es für ihn und Baiba eine gemeinsame Zukunft geben wird. Der
Spannungsbogen kann damit sowohl als kapitel- als auch romanübergreifend
gewertet werden. Ein Indiz hierfür ist auch der insgesamt hohe Anteil der
befragten Leser, die alle Kurt-Wallander-Romane gelesen haben (57,14%).
59
vgl. Susanne Schanda. «Ich reise gerne in der Zeit» (1998).
vgl. Schindler, S. 52.
61
vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 392 Z. 323 - S. 396 Z. 29.
62
Mankell. Mittsommermord, S. 467 Z. 32.
63
vgl. dazu auch Mankell. Mittsommermord, S. 467 Z. 32 - S. 468 Z. 28;
Die falsche Fährte, S. 341 Z. 24ff.
64
Mankell. Mittsommermord, S. 545 Z. 26ff.
65
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 389 Z. 6, 11f, S. 452 Z. 1ff.
60
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
30
Allgemein betrachtet ist die Spannung in Mankells Kurt-Wallander-Romanen ein
grundlegendes Element. 88,5% der befragten Leser sahen den Faktor Spannung
als sehr wesentlich für ihre Gesamtbeurteilung der Wallander-Romane an, die im
Übrigen 84,6% der Leser sehr gut gefallen haben.66
4.1.3
Literarische Stilmittel
Hinter der Spannung, die unangefochten den ersten Platz unter den möglichen
Einflussfaktoren auf die Bewertung der Kurt-Wallander-Romane einnimmt,
rangiert der literarische Stil auf dem zweiten Rang. Immerhin 51,2% der Leser
betrachten den Stil Mankells als sehr wesentlich für ihre Gesamtbewertung seiner
Werke. Lediglich 1,4% der Befragten weisen dem Stil keinerlei Bedeutung für
ihre Gesamtbewertung der Kriminalgeschichten aus Ystad zu. Die Frage, was die
Leser unter Mankells literarischem Stil verstehen und als solchen erkennen, wurde
im Rahmen dieser Umfrage nicht erörtert.67
Die beiden Rhetorikfiguren, derer sich Henning Mankell in seinen Romanen am
häufigsten bedient, sind die Metapher sowie der Simili. In dem Augenblick, in
dem Mankell seinen Wallander spüren lässt, „daß ein weiterer, unsichtbarer, aber
schwerer Mantel der Verantwortung um seine Schultern gehängt wurde“68, wird
dem Leser bewusst, dass der Kommissar nicht glücklich in seiner Rolle des
Ermittlungsleiters ist, und er befürchtet, er könne die gesamte Ermittlung in eine
falsche Richtung lenken, ohne dass der Autor diese Aussage wörtlich wiedergibt.
Der Simili/Vergleich hingegen veranschaulicht den jeweiligen Textinhalt, indem
er zwei Bereiche miteinander verknüpft, die in einem Punkt übereinstimmen. „An
den trockenen und harten Tauen zu nagen war [für Gösta Runfelt] wie eine
tröstende Hand“69. Unter normalen Umständen vermag eine Hand einer
verzweifelten Person Trost zu spenden; während Gösta Runfelts Gefangenschaft
erfüllen
66
die
Fesseln
des
Blumenhändlers
siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 12) 13a).
siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 13b).
68
Mankell. Die falsche Fährte, S. 338 Z. 21f.
69
Mankell. Die fünfte Frau, S. 59 Z. 34f.
67
nunmehr
diese
Aufgabe.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
Beide
Stilmittel
weisen
eine
angenehme
Mischung
31
aus
Bildern
der
Umgangssprache sowie neu geschaffenen Bildern auf. Mankells Sprache wirkt
daher nicht künstlich erhoben und macht das Lesen seiner Bücher angenehm.
Während dem Leser Bilder, wie der Kloß im Hals oder der springende Punkt in
einem Problemfall wohl bekannt sind, vergleicht er die Seezeichen des
Fahrwassers hingegen nicht alltäglich mit „verlassene[n] Statuen in einem
Museum, das für die Saison geschlossen hat“70.71
Um den aktuellen Stand der Ermittlung treffend zu veranschaulichen, bedient sich
der Autor häufig der Bilder aus der Schifffahrt bzw. dem Bild des Puzzles.72
Ferner begegnet der Leser in den Romanen wiederholt Bildern aus den Bereichen
der Flora und Fauna sowie der Kriegs- („Das war ihr Wallgraben, und es führte
kein Eingang zur Festung hinein“73) und Theaterwelt („Immer noch standen die
Menschen dort und betrachteten den Epilog des düsteren Schauspiels, von dessen
eigentlicher Handlung sie nichts mitbekommen hatten.“74). Mehrfach findet man
auch Metaphern und Simili aus den Bereichen der Unterwelt und Meteorologie
vor. So manche Ermittlung Wallanders erweist sich als „Abstieg in die
Unterwelt“75, und zahlreiche Nebelbänke sowie Herbststürme verleihen Mankells
Romanen die von den Lesern geliebte mystische Stimmung.76 Selten dagegen
verwendet der Autor Bilder aus dem Sport wie „Sie setzte sich auf die äußere
Kante des Stuhls. Wie eine Läuferin, die in den Startlöchern sitzt und sich auf den
Startschuß konzentriert, dachte Wallander.“77
Zu der Gruppe der rhetorischen Wiederholungen werden sowohl die Anaphora
wie die Epiphora gerechnet, derer sich Mankell bedient, um eindringlich auf einen
bestimmten Sachverhalt hinzuweisen. Streng nach den Regeln der Anaphora
70
Mankell. Mittsommermord, S. 603 Z. 24ff.
vgl. M. H. Abrams. A Glossary of Literary Terms. 3rd edition. New York: Holt, Rinehart, and
Winston, Inc. (1971); Mankell. Mittsommermord, S. 69 Z. 21, S. 549 Z. 22.
72
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 316 Z. 18ff, S. 398 Z. 7 - 13.
73
Mankell. Die falsche Fährte, S. 60 Z. 17f;
vgl. dazu auch Mittsommermord, S. 63 Z. 14f, S. 360 Z. 6f, S. 533 Z. 30f.
74
Mankell. Mittsommermord, S. 409 Z. 4ff; vgl. auch S. 66 Z. 19f;
Die falsche Fährte, S. 320 Z. 28f.
75
Mankell. Mittsommermord, S. 109 Z. 2ff.
76
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 508 Z. 20ff; Der Mann, der lächelte, S. 12 Z. 14ff;
vgl. dazu auch Die falsche Fährte, S. 53 Z. 11f.
77
Mankell. Mittsommermord, S. 152 Z. 31f.
71
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
32
wiederholt Wallander die Worte „Nichts spricht dafür“78 an zwei aufeinander
folgenden Satzanfängen und betont damit, dass derzeit nichts darauf hindeutet,
dass sein Kollege Svedberg in den Dreifachmord im Naturreservat Hagestadt
verwickelt ist. Das Gegenstück der Anaphora bildet folglich die Epiphora, die den
Schluss eines Satzes wiederholt. „Wallander dachte nach, bevor er antwortete.
»Wie du und ich«, sagte er dann. »Im großen und ganzen genau wie du und
ich.«“79 Exakt die gleiche Wirkung entfaltet die einfache Wortwiederholung, das
Epizeuxis, des Adjektivs verkleidet auf Seite 173 des Mittsommermordes.
Eine ebenso eindringliche Wirkung verbreiten überdies Mankells angewandte
literarische Stilmittel wie z. B. die Kette, die Akkumulation oder Alliterationen
wie das „klassische Klatschzentrum“. Der letzte Satz von Wallanders
Gedankengang „Hier brauchte er nie daran zu denken, wer er war. Auch nicht
daran, daß er recht hatte. Recht hatte damit, daß es keine Gerechtigkeit gab.“80
beginnt mit exakt den gleichen Worten wie ihm vorausgehenden Satz, weshalb
diese Satzfolge als Kette bezeichnet wird. Die Akkumulation hingegen erreicht
eine gesteigerte Eindringlichkeit des geschriebenen Wortes durch die Anhäufung
mehrerer Begriffe wie „Zwischen all den Dummheiten, Irrtümern und
Fehlschlüssen (…)“81.82
Bei der insgesamt grundlegenden melancholisch-mystischen Stimmung aller
Romane verpasst es Mankell nicht auch kommunikative rhetorische Mittel wie die
Ironie („Das ist eine Mutter, die ihre Tochter wirklich liebt (…).“83) oder das
Oxymoron („lautlose Alarmsignale“84) in seinen Plot einzubauen. Ebenso
unterhaltend
wirken
Mankells
Einschübe
wie
„Dieses
Arschloch
von
Staatsanwalt. Er stänkert.“85; eine Figur, die in der literarischen Fachsprache als
Stilbruch bezeichnet wird. Wallanders Einkauf von fünf Brillen zaubert dem
78
Mankell. Mittsommermord, S. 196 Z. 19f.
Mankell. Die falsche Fährte, S. 370 Z. 20f.
80
Mankell. Mittsommermord, S. 157 Z. 23f.
81
Mankell. Die falsche Fährte, S. 240 Z. 14f.
82
vgl. M. H. Abrams. A Glossary of Literary Terms. (1971).
83
Mankell. Mittsommermord, S. 174 Z. 20.
84
Mankell. Die fünfte Frau, S. 98 Z. 27f.
85
Mankell. Mittsommermord, S. 329 Z. 10; vgl. dazu auch Die falsche Fährte, S. 351 Z. 6.
79
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
33
Leser ein Lächeln auf die Lippen; die von Wallander unbemerkte Begegnung mit
Yvonne Ander, als diese ihn um die Fahrscheine zwecks einer durchzuführenden
Fahrkartenkontrolle bittet, stellt indessen einen besonderen ‚Gag’ dar.86
Spannende wie anschauliche Wirkung verbreiten hingegen das Paradoxon und die
beiden Formen der Reihung. Die scheinbar widersinnige Aussage Wallanders
über Hoover „ …, er ist Marionette und Marionettenspieler zugleich“87 erweist
sich im Nachhinein als richtig und erfüllt damit die Kriterien des Paradoxons. Die
Kriterien des Asyndetons, der ersten Form der Reihung, erfüllt dagegen
Wallanders Bild des Täters als „Mager, durchtrainiert, barfuß, wahnsinnig“88. Im
Gegensatz zum Asyndeton reiht das Polysyndeton Begriffe wie „Regen und Kälte
und Mist“89 bewusst mit der Wiederholung des Bindewortes und aneinander und
wirkt somit verstärkt auf den Leser. Sprachlich eigentlich falsch ist dagegen die
Form des Pleonasmus. Die doppelte Wiedergabe des Sachverhalts „Wallander
gewann den Eindruck, daß Birgersson als Polizeiintendant vorbildlich auftrat, eine
der wirklich seltenen Ausnahmen“90, veranschaulicht dem Leser die Rarität
vorbildlicher Vorgesetzter.91
Darüber hinaus verzichtet Mankell nicht darauf, die bislang erläuterten
rhetorischen Figuren miteinander zu kombinieren und somit deren Wirkung
nochmals zu verstärken. Folgende Textstelle beinhaltet sowohl eine Metapher als
auch das literarische Stilmittel einer Kette: „Wallander wollte den Täter dazu
bringen, sich zu bewegen. Bewegliches Wild war leichter zu sehen als das, was
sich still verhielt und sich im Schatten verbarg.“92
Henning Mankell setzt die gesamten literarischen Stilmittel sehr prägnant - vor
allem in retardierenden Momenten und Gedanken - ein, um die Aussagen
einzelner Passagen zu untermauern und bedeutende Szenen seiner Romane
86
vgl. Stefan Ohlerich. Die fünfte Frau (o. J.). In: http://www.x-zine.de; Abrams. A Glossary of
Literary Terms; Mankell. Die fünfte Frau, S. 271 Z. 6ff, S. 278 Z. 14ff.
87
Mankell. Die falsche Fährte, S. 172 Z. 12f.
88
Mankell. Die falsche Fährte, S. 416 Z. 27.
89
Mankell. Die falsche Fährte, S. 261, Z. 5.
90
Mankell. Die falsche Fährte, S. 454, Z. 15ff.
91
vgl. Abrams. A Glossary of Literary Terms.
92
Mankell. Die fünfte Frau, S. 225 Z. 8ff; vgl. dazu auch S. 215 Z. 1 (Metapher und Similli), S.
548 Z. 11f (Similli und Oxymoron).
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
34
herauszuarbeiten. Auf eine abschließende Besprechung des literarischen Stils wird
an diesem Punkt der Arbeit bewusst verzichtet. Ziel dieses Unterabschnittes war
es, den Stil, der den Kurt-Wallander-Romanen zu Grunde liegt und letztendlich zu
deren Erfolg beigetragen hat, kurz anzureißen und somit einen ersten Eindruck der
Wirkungsmöglichkeiten literarischer Stilmittel zu vermitteln. Einige weitere
Aspekte zu Mankells Stil werden in den folgenden Unterpunkten jeweils
themenbezogen besprochen.
4.2
Polizeiarbeit ‚en détail’
Eine der Stärken Henning Mankells ist die genaue, ja sogar akribische
Beschreibung polizeilicher Arbeit. Durch die zu großen Teilen angewandte
Figurenperspektive gelingt es dem Bestsellerautor, seine Leser intensiv in die
Ermittlungsarbeit Wallanders und seiner Kollegen einzubeziehen und somit die
Polizeiarbeit in all ihren Details zu schildern. Es ist ein Genuss für jeden Leser,
sich mit Wallander und seinem Ermittlungsteam auf Tätersuche zu begeben oder
sich mit ihnen erneut aufraffen zu müssen, wenn sich verheißungsvolle Spuren als
Sackgassen erweisen. Kein Telefonanruf, keine Tasse Café, aber auch kein
ermittlungstechnischer Fehler wird ausgelassen.93
4.2.1 Ablauf der Polizeiarbeit
Mankell gelingt es in seinen Büchern einen zu großen Teilen realistischen
Überblick der Ermittlungstätigkeit der Polizei zu geben, so dass der Leser einen
Eindruck der Arbeit dieses Berufsstandes gewinnen kann. Er erfährt so von den
ersten Arbeitsschritten einer Mordermittlung, deren Reihenfolge von Wallander
und seinen Kollegen stets beharrlich eingehalten wird. Der zunächst
erforderlichen
Absperrung
folgen
gegebenenfalls
Videoaufnahmen
zur
Beweissicherung, die Feststellung des Todes durch einen Arzt und die sich
anschließende Arbeit der Kriminaltechniker. Steht die Identität des Toten fest,
liegt es an den Beamten in Begleitung eines Polizeigeistlichen den Angehörigen
93
Thomas Wörtche. Der Overkill des Krimimarktes. Eine Sammelbesprechung (1998). In:
http://kaliber38.de/woertche/einzelteile/woche98.htm; Stefan Ohlerich. Die falsche Fährte (o. J.).
In: http://www.x-zine.de.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
35
des Mordopfers die Todesnachricht zu überbringen. Schon in diesem frühen
Ermittlungsstadium wird ein erster Zeitplan des begangenen Verbrechens erstellt,
werden erste Zeugen befragt und die Recherche in den polizeilichen
Datensystemen aufgenommen. In dieser Anfangsphase jeder Ermittlung, die einer
„mühsame[n] Grundlagenarbeit“94 gleicht, sind die Kriminalbeamten bemüht, sich
zunächst ein Bild des Toten zu machen und möglichst unvoreingenommen in alle
Richtungen zu ermitteln.95 Eine Verallgemeinerung der sich daran anschließenden
Ermittlungsschritte ist nur mit vielen Zugeständnissen möglich, die zu einer
Verfälschung ihrer Aussagekraft führen würden, da wie Wallander treffend zum
Ausdruck bringt, „eine Verbrechensermittlung (…) nie einer anderen [gleicht],
zumindest nicht in der Tiefe.“96 Im Folgenden wird daher auf eine weitere
Darstellung von Mankells Schilderung der Polizeiarbeit verzichtet und stattdessen
auf einige Besonderheiten des Autors in Bezug auf dieses Thema eingegangen.
Mankell greift die tatsächlich zweimal täglich stattfindenden Besprechungen der
Kriminalbeamten in Ystad in seinen Romanen auf, um dem Leser den aktuellen
Ermittlungsstand offen zu legen und das Geschehene kurz zusammenzufassen. In
einer zunächst stattfindenden Informationsrunde werden dem Leser schließlich die
Ergebnisse der Ermittlungen von Wallanders Kollegen mitgeteilt, während er
selbst mit dem Ermittlungsleiter unterwegs war.97
Die Ermittlungserfolge Kurt Wallanders und seines Teams basieren letzten Endes
auf
einer
Mischung
aus
logischen
Schlüssen,
labortechnischen
Untersuchungsergebnissen, viel Laufarbeit und einem leicht übertriebenen Maß
an Intuition und Glück. In schriftstellerischer Perfektion gelingt es Mankell dem
außen stehenden Leser durch entsprechende, in die Handlung eingebaute
Textpassagen den notwendigen polizeilichen Erfahrungsschatz näher zu bringen,
so dass er ständig den Gedankengängen der Kriminalbeamten folgen und die sich
daraus ergebenden Ermittlungsschritte nachvollziehen kann. Anhand des lockeren
Seils, mit dem Gösta Runfelt an einen Baum gefesselt war, und seiner plötzlichen
94
Mankell. Die fünfte Frau, S. 164 Z. 12.
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 197 Z. 2f; Die fünfte Frau, S. 138 Z. 2ff, S. 189 Z. 7f.
96
Mankell. Die fünfte Frau, S. 131 Z. 22ff.
97
vgl. Interview Anhang A, Abb.12; Mankell. Die falsche Fährte, S. 478f;
Mittsommermord, S. 432 Z. 35f; Die fünfte Frau, S. 37ff.
95
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
36
Abmagerung schließt Wallander, dass der Blumenhändler in seinem Todeskampf
keinen Widerstand leisten konnte (Die fünfte Frau).98 Mankells Schilderung der
Polizeiarbeit wird lebendig, indem er seinen Protagonisten typische polizeiliche
Redewendungen in den Mund legt. Mats Eckholm deklariert den Skalpmörder
kurzerhand zu Wallanders Täter; Nyberg ist dagegen gespannt, was ihm die
technische Untersuchung der Fingerabdrücke ‚erzählen’ wird.99 Des Weiteren
geht Mankell in seiner Darstellung des Polizeialltages über die jeweils aktuelle
Mordermittlung hinaus und integriert die tatsächlichen Kriminalitätsschwerpunkte
des Polizeidistriktes Ystad wie den Autoschmuggel, Körperverletzungs- sowie
Verkehrsdelikte in die Handlung.100
Insgesamt betrachtet schätzt der größte Teil der befragten Leser sowohl den
Ablauf der Polizeiarbeit (44,2%) als auch die allgemeine Ermittlungstaktik
(50,7%) teils realistisch ein. Eine spezifische Auswertung der befragten Polizisten
bestätigte das gewonnene Bild. 42,2% der Polizeibeamten bewerten den
geschilderten Ablauf der Polizeiarbeit zum Teil realistisch, gar 64,4% die
dargestellte Ermittlungstaktik. Die beschriebene Spurensicherung als ein
spezifischer Aspekt der Polizeiarbeit stuften 47,9% aller befragten Personen
absolut realistisch ein. Zwar konnten nur 29,5% der Polizeibeamten dieses Urteil
bestätigten, jedoch sahen weitere 45,5% in Nybergs Arbeit realistische
Elemente.101
4.2.2
Die Schattenseiten der Polizeiarbeit
Angesichts der pedantischen Schilderung der Polizeiarbeit, die schließlich am
Ende jedes Romans zum Erfolg führt und in der Festnahme des Täters ihren
vorläufigen Abschluss findet, verpasst es Henning Mankell nicht, die
Schattenseiten dieses Berufes samt der Fehler seiner Protagonisten ins
Rampenlicht zu rücken. Der Beruf des Polizisten wird in Mankells KurtWallander-Romanen keinesfalls als DER Traumberuf dargestellt. Entsetzliche
Leichenfunde, die Überbringung ungeliebter Todesnachrichten und eine ständig
98
vgl. Stefan Ohlerich. Die falsche Fährte (o. J.); Mankell. Die fünfte Frau, S. 182f, S. 190 Z.
23ff; vgl. dazu auch Mittsommermord, S. 98 Z. 11ff; Die falsche Fährte, S. 447 Z. 23ff.
99
vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 171 Z. 24; Mittsommermord, S. 339 Z. 6.
100
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 37 Z. 13ff; Mittsommermord, S. 409 Z. 36f, S. 599 Z. 1f.
101
siehe Anhang B, Anlage 2 u. 3 Frage 8 e) f) g).
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
37
zunehmende Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung zeigen zudem auf, was es
heißt, in der heutigen Zeit den Beruf des Polizisten auszuüben.
Neben finanziellen Engpässen, etlichen Überstunden, einer maroden Technik und
zwangsläufig verworfenen Urlaubsplanungen, leidet die Ermittlungsgruppe um
Kommissar Wallander unter dem bestehenden Personalmangel, während die
Arbeitsbelastung der einzelnen Polizeibeamten ständig größer wird. Dies äußert
sich nicht nur in der jeweils aktuellen Mordermittlung; auch andere polizeiliche
Aufgaben wie die Verfolgung von Trunkenheitsfahrten müssen angesichts der
begrenzten
personellen
Kapazitäten
hinten
anstehen
und
werden
so
vernachlässigt.102
Während Wallander und seine Kollegen mit den widrigen Arbeitsbedingungen
vor Ort kämpfen, kümmert sich die Reichspolizeibehörde um scheinbar
belanglose Dinge wie das erneute Aufrollen des Slogans einer „bürgernahen
Polizei“103 oder erlässt sinnentleerte Direktiven, „daß die einzelnen Polizeibezirke
ihr Verhältnis zu den Massenmedien verbessern und intensivieren sollten.“104
Paradoxerweise steht die Polizei in Ystad zur gleichen Zeit beinahe mittellos den
aufkommenden Bürgerwehren und deren Folgen gegenüber (Die fünfte Frau).105
Aufgrund
bestehender
binnenländischer
‚Grenzen’
zwischen
den
unterschiedlichen Polizeidistrikten und damit verbundener Formalitäten im Falle
einer ‚Grenzüberschreitung’, werden den Kriminalbeamten immer wieder in ihrer
Arbeit zusätzliche Steine in den Weg gelegt.106 Während es wie bereits erläutert
an Beamten ‚auf der Straße’ fehlt, scheint der Verwaltungsapparat der
(schwedischen) Polizei zunehmend größer zu werden.107
Doch auch Mankells Protagonisten sind Menschen und daher nicht unfehlbar in
der Ausübung ihres Berufs. Die Vermisstensache Holger Eriksson wird zunächst
vergessen (Die fünfte Frau), ein Schlauchboot wird unbemerkt aus dem Präsidium
102
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 220 Z. 17ff; Die falsche Fährte, S. 64 Z. 27;
Mittsommermord, S. 34 Z. 15ff, S. 409 Z. 36 - S. 410 Z. 2.
103
Mankell. Die fünfte Frau, S. 48 Z. 1.
104
Mankell. Mittsommermord, S. 134 Z. 6 - 8.
105
vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Henning Mankell - Die fünfte Frau.
(1999), S. 4; Mankell. Die fünfte Frau, S. 398ff.
106
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 303 Z. 17ff; Die falsche Fährte, S. 254 Z. 9f, S. 350 Z. 6ff.
107
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 276 Z. 3ff.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
38
entwendet (Hunde von Riga) und die Erreichbarkeit der einzelnen Beamten ist
aufgrund ausgeschalteter Mobiltelefone keinesfalls durchgehend gesichert.108 Die
Frage bleibt offen, ob Yvonne Ander durch eine professionellere Observation von
Katarina Taxells Wohnung schneller hätte gefasst werden können oder die
Beamten im Falle einer veranlassten kriminaltechnischen Untersuchung der
Blutlache in Gösta Runfelts Blumengeschäft schneller auf deren Spur gekommen
wären.109 Hin und wieder verdanken die Beamten es reinem Glück, dass es
aufgrund der einen oder anderen Nachlässigkeit zu keinem größeren
Schadensereignis gekommen ist. Welchen Eklat hätte es gegeben, hätte Yvonne
Ander Ann-Britt Höglund mit Hanssons Dienstwaffe erschossen?110
Den
negativen
Höhepunkt
bilden
jedoch
die
straffällig
gewordenen
Polizeibeamten. Dabei handelt es sich nicht nur um einen namenlosen Polizisten,
„der Anfang der fünfziger Jahre eine Reihe von Morden beging und dann selbst
an der Aufklärung der Verbrechen beteiligt war.“111 Auch Svedberg, ein Kollege
aus Wallanders unmittelbarer Nähe, kann zweifelsohne zu dieser Gruppe
gerechnet werden, da er in seiner Vergangenheit Åke Larstam zu gefälschten
personenbezogenen Dokumenten verholfen hat.112 Im Ergebnis wird damit nicht
nur Mankells Hauptfigur Kurt Wallander, wie später noch zu sehen sein wird,
realistisch dargestellt; auch der schwedische Polizeiapparat samt seinen Beamten
wird ‚menschlich’ - mit etlichen Fehlern und Schwächen - geschildert.
4.2.3
Das Kollegenverhältnis
Im Einklang mit den bereits geschilderten Missständen der (schwedischen) Polizei
steht auch das Kollegenverhältnis von Kurt Wallander, seiner Vorgesetzten Lisa
Holgersson, Ann-Britt Höglund, dem Computerspezialisten Martinsson, Karl
Evert Svedberg, dem Kriminaltechniker Sven Nyberg und Ove Hansson. Bilden
die sieben Kriminalbeamtinnen und -beamten zwar arbeitstechnisch ein perfekt
108
vgl. Mankell. Hunde von Riga, S. 98 Z. 32 - S. 99 Z. 30;
Die fünfte Frau, S. 73 Z. 9, S. 372 Z. 4f.
109
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 369 Z. 1ff, S. 434 Z. 28 - S. 441 Z. 22.
110
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 537 Z. 22 - S. 539 Z. 27.
111
Mankell. Die falsche Fährte, S. 158 Z. 30ff.
112
vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 189 Z. 1 - 4.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
39
eingespieltes Team, das sich blind zu verstehen scheint, wird im Laufe der
Romane klar, wie wenig sie über ihr jeweiliges Gegenüber wissen.113
„Wir wissen nicht viel, (…) [verrät Wallander dem Leser in seinen
Gedanken]. Weder die anderen über mich, noch ich über die anderen.
Wir arbeiten zusammen. Vielleicht ein ganzes Berufsleben lang. Aber
was wissen wir eigentlich voneinander? Nichts.“114
Daher ist es nicht verwunderlich, dass Hansson um 12.30 Uhr noch nicht einmal
bemerkt hat, dass Svedberg an diesem Tag nicht zum Dienst erschienen ist
(Mittsommermord). Innerhalb seines Kollegenkreises konnte Wallander lediglich
zu dem bereits verstorbenen Evert Rydberg ein wirklich freundschaftliches
Verhältnis aufbauen. Private Gesprächsthemen gibt es unter den KollegInnen
kaum. Lisa Holgerssons Nachfrage, wie es denn Wallander in Rom ergangen sei,
hat ebenfalls den Anschein, eine reine Höflichkeitsfloskel zu sein.115 Zudem
kämpfen Wallanders ältere Kollegen noch mit heftigen Vorurteilen gegenüber
weiblichen Kolleginnen, obwohl deren neue Vorgesetzte Lisa Holgersson wie
auch die junge Absolventin Ann-Britt Höglund in ihrer jeweiligen Tätigkeit
überzeugen. Sowohl Hansson als auch Svedberg, dem es schwerfällt, „weibliche
Kolleginnen zu akzeptieren“116, demonstrieren offen ihren Unmut über diese
Entwicklung.117
Mankells Schilderung des Kollegenverhältnisses wird von keinem Leser als völlig
unrealistisch bewertet. Je 47,4% der befragten Leser schätzten den beschriebenen
Umgang der Kriminalbeamten miteinander sowohl absolut realistisch als auch
teils realistisch ein. Die Mehrzahl der befragten deutschen Polizeibeamten
hingegen bewertet das dargestellte Kollegenverhältnis nur in Teilen als
authentisch (59,1%). Trotz der ausführlich geschilderten Missstände innerhalb des
Polizeiapparates, gaben 17,30% der befragten Leser an, ihr Bild von der Polizei
hätte sich durch Mankells Kurt-Wallander-Romane positiv verändert. 118
113
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 38 Z.30ff , S. 86 Z. 11ff, S. 130 Z. 7ff, S. 195 Z. 25, S. 29f.
Mankell. Mittsommermord, S. 42 Z. 24 - 27.
115
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 44 Z. 11f; Die fünfte Frau, S. 70 Z. 3.
116
Mankell. Die falsche Fährte, S. 57 Z. 20.
117
vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 35 Z. 33ff, S. 74 Z. 5, S. 259 Z. 10f; Die fünfte Frau, S. 38
Z. 9ff, S. 411 Z. 10 - 15; Die falsche Fährte, S. 30 Z. 12f, S. 498 Z. 32 - S. 499 Z.4.
118
siehe Anlage B, Anhang 2 u. 3 Frage 8 d) 14).
114
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
40
4.2.4 Realität und Fiktion
Die von Mankell detailliert geschilderten Vorurteile gegenüber Frauen in der
praktischen Polizeiarbeit sind ein sehr gutes Beispiel für dessen exzellente
Recherchearbeit. Wie Frau Westford in unserem Interview bestätigen konnte,
musste auch sie trotz ihrer 32-jährigen Diensterfahrung noch gegen die
Engstirnigkeit einiger Kollegen in Ystad ankämpfen - und das trotz eines
landesweiten Frauenanteils von 25 %.
In liebevoller Feinarbeit gelang es
Mankell,
des
selbst
kleinste
Details
alltäglichen
Polizeidienstes
wirklichkeitsgetreu in seine Romane einfließen zu lassen. Die sagenumwobenen
Gerüchte innerhalb des Polizeiapparates werden in derselben Weise erwähnt wie
unzählige Tassen starken Cafés - ungeachtet seines letztendlichen Geschmacks.119
Dieses insgesamt äußerst hohe Maß an Realität ist das Ergebnis einer
beträchtlichen Recherchearbeit, die jedem Roman des Schweden vorausgeht.
Hilfreich erwiesen sich hierbei für den Autor nicht nur der Richterberuf seines
Vaters, sondern auch gute Freunde unter Polizisten und Staatsanwälten. Die
detaillierten Computerkenntnisse für seinen Roman Die Brandmauer eignete sich
der Schwede z. B. von einem 19-jährigen Hacker an. Henning Mankell steht zwar
nicht in direktem Kontakt zur schwedischen Polizei, abonniert jedoch die
schwedische Polizeizeitung und eine junge Polizistin schreibt für ihn Erlebnisse
aus ihrem Berufsalltag auf. Die inoffizielle Verwendung der Kurt-WallanderRomane in Mankells Geburtsland Schweden für die dortige Polizeiausbildung ist
sicherlich eine der größten Anerkennungen für den Autor hinsichtlich seiner
eingebrachten Authentizität.120
Neben dem bereits in Punkt 2.3 geschilderten realen Hintergrund zu Mörder ohne
Gesicht, mag der Leser mutmaßen, inwiefern die Übereinstimmungen zwischen
Kurt Wallander und seinem realen Kollegen Kurt Ingvar Wald, der die Funktion
des leitenden Kommissars in diesem Fall innehatte, zufällig sind. Beide haben
eine Tochter namens Linda, trinken Whiskey, lieben die Oper und haben bzw.
119
vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Mankell. Mittsommermord, S. 346 Z. 5f; Die falsche
Fährte, S. 33 Z. 22ff, S. 45 Z. 27ff, S. 338 Z. 5 - 9.
120
vgl. Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000, 2001);
Interview Anhang A, Abb. 12.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
41
hatten eine weibliche Vorgesetzte. Mankell gelingt es in seinen Romanen
Wirklichkeit und Fiktion auf eine Weise zu verweben, die seine Romane v. a. für
direkt Betroffene, wie Frau Westford von der Polizei in Ystad, mystisch macht.121
Sieht man von den reinen Tatsachenberichten in der Welt der Literatur ab, so
enthält jedes literarische Werk fiktionale Momente. Wohl angesichts der vielen
realen Szenen in Henning Mankells Büchern, weist der Autor explizit in mehreren
Nachworten seiner Romane auf die bestehende Freiheit in der Welt des Romans
hin (Hunde von Riga, Die fünfte Frau). Wie die Ermittlungstaktik, enthalten auch
Mankells Romanausgänge unrealistische Elemente. Wallanders Ablehnung einer
personellen Verstärkung wäre in der polizeilichen Wirklichkeit nicht vertretbar.
Hier weicht Mankell zu Gunsten des literarischen Wertes seiner Bücher von der
Wirklichkeit ab, um die Anzahl der Ermittlungsbeamten begrenzt zu halten und
somit eine Identifikation des Lesers mit den Kollegen Wallanders weiterhin zu
gewährleisten. Auf realistische Romanausgänge, vor allem unter dem Aspekt der
Eigensicherung, verzichtet Mankell zu Gunsten der Spannung. Svedbergs Frage
„Sollen wir bewaffnet sein?“122 als die Kriminalbeamten zu Yvonne Anders Hof
fahren, wäre in der Realität völlig überflüssig. Sicherlich ist auch Wallanders
alleinige Überwältigung Åke Larstams mittels einer Planke im spärlichen
Mondlicht
wesentlich
nervenaufreibender
als
der
Einsatz
eines
Spezialeinsatzkommandos, das dem Landbriefträger völlig überlegen wäre
(Mittsommermord). Mankells Leser sind sich der fiktionalen Szenen vor allem in
den Bereichen der Eigensicherung bewusst. Während erwartungsgemäß
wesentlich mehr befragte Polizeibeamte die dargestellte Eigensicherung ihrer
‚Kollegen’ zumindest in Teilen unrealistisch beurteilten (81,8%), waren immerhin
59,1% aller befragten Leser der gleichen Meinung. Erstaunlicherweise bewerteten
die befragten Gesetzeshüter die Romanausgänge der Kurt-Wallander-Romane
insgesamt realistischer, als der Durchschnitt aller befragten Personen.123
Obgleich Henning Mankell, abgesehen von dessen Debütroman Mörder ohne
Gesicht, alle Tatgeschehen in seinen Romanen frei erfunden hat, weisen doch
121
vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Wolfgang Gehrmann. Die richtige Fährte (2000). In:
http://www.zeit.de/2000/42/Reisen/200042_wallander.html.
122
Mankell. Die fünfte Frau, S. 523 Z. 34.
123
siehe Anhang B, Anlage 2 u. 3 Frage 8 h) i).
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
42
einige seiner Fälle erstaunliche Parallelen zu begangenen Taten in der
Wirklichkeit auf. Nach der Veröffentlichung des Romans Vor dem Frost, in dem
Schwäne angezündet werden, mussten Igel in Malmö dasselbe Schicksal erleiden.
Ein Artikel in der Ausgabe der Schwetzinger Zeitung vom 21. Juni 2004 berichtet
dagegen von drei zusammengebundenen Leichen, die am Lake Michigan (USA)
an Land geschwemmt wurden, und ruft damit sofort Erinnerungen an Mankells
Roman Hunde von Riga hervor. Ein weiterer Artikel dieser Lokalzeitung
informiert den Leser über einen Suizidversuch, der deutliche Parallelen zu Maria
Dolores Santanas Selbstmord aufzeigt (Die falsche Fährte). Diese drei
exemplarischen Fälle zeigen deutlich, dass es dem Autor auf eine beinahe
magische Art und Weise gelingt, Taten vorherzusagen. Das Ergebnis der
vorliegenden Fragebogenauswertung zeigt, dass die Menschen - unabhängig von
ihrem Berufs - den potentiellen Realitätsgrad der Tatgeschehen erkannt haben und
diese zumindest in einigen Punkten als realistisch einschätzen (88,4%).
Erstaunlich ist auch hier der geringere Anteil an Polizeibeamten, die den übrigen
Lesern in ihrer Meinung zustimmen (70,6%). Henning Mankells Zitat vom
Beginn dieser Arbeit „Was immer ich schreibe, die Realität ist noch schlimmer.
Das bestätigt sich früher oder später bei jedem meiner Bücher.“124, kann hiermit
als bestätigt angesehen werden.“125
Wenngleich der Unterhaltungswert der Bücher insgesamt für die Mehrzahl der
befragten Personen wichtiger ist als deren kriminalistischer Wert, trug das
allgemein hohe Maß an Authentizität ohne Zweifel mit zum Erfolg der KurtWallander-Serie bei.126
124
Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000).
vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; siehe Anhang A, Abb. 4 u. 5; Anhang B, Anlage 2 u. 3
Frage 8 a).
126
siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 11 a) b), siehe dazu auch: Frage 13c) u. Anhang A, Abb. 2.
125
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
4.3
43
Gesellschaftskritik
„Erst nachdem ich den achten und letzten Teil der Serie über Kurt
Wallander geschrieben hatte, wurde mir klar, welchen Untertitel ich
die ganze Zeit gesucht, aber nicht gefunden hatte. Als alles, oder
zumindest das meiste, geschrieben war, erkannte ich, daß der
Untertitel »Romane über die europäische Unruhe« lauten müßte.“127
Mit diesen ersten Worten Henning Mankells zu seinem Werk Wallanders erster
Fall betont der Romancier explizit die sich in allen seinen Kurt-WallanderRomanen wieder findende gesellschaftskritische Komponente. Ganz in der
Tradition des skandinavischen Kriminalromans bedient sich auch Mankell seiner
Romane, um seinen Lesern die Missstände der Gesellschaft, in der sie leben, vor
Augen zu führen. Schließlich waren es diese, die Mankell dazu veranlassten, die
Figur des Kurt Wallander zu erschaffen und letztendlich aus ihr einen
‚Serienhelden’ zu kreieren. Obgleich die Romane rein technisch dem Genre der
Kriminalliteratur zuzuordnen sind, schreibt Mankell in seinem Herzen
gesellschaftskritische Romane. Allen Kurt-Wallander-Romanen liegt daher eine
politisch motivierte Frage zu Grunde. Während sein Debütroman Mörder ohne
Gesicht das Problem der Fremdenfeindlichkeit in Südschweden aufgreift, widmet
sich der Autor in Die fünfte Frau einem heute noch, v. a. in den gehobenen
Bevölkerungsschichten, absoluten Tabuthema: Der Gewalt gegen und dem
Missbrauch von Frauen.128
Mankell überlässt es dabei keineswegs dem Zufall, ob sich der Leser seiner
Botschaft in den Romanen bewusst wird, sondern bringt seine Kritik am
schwedischen Wohlfahrts- und Rechtsstaat gleich multidimensional zum
Ausdruck. Kein Täter, kein Verbrechen wurde von Mankell zufällig entwickelt;
seine literarischen Serienmorde spiegeln stattdessen den Zustand der Gesellschaft
wider. In einem Interview bezüglich der Veröffentlichung des Romans Die
falsche Fährte gab Mankell mit aller Deutlichkeit zu verstehen: „Es gibt keine
schlechten Menschen, nur schlechte Umstände“129 und machte damit klar, dass
127
Henning Mankell. Wallanders erster Fall, S. 1 Z.1-5.
vgl. Peter Henning. Mich interessiert die Spirale des Unglücks. In: Tamedia AG (Hg.): Facts.
Das Schweizer Nachrichtenmagazin 24. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (1999). S. 138.
129
Peter Henning. Mich interessiert die Spirale des Unglücks. (1999). S. 138.
128
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
44
das Böse in einem Menschen seiner Meinung nach ein Resultat der Gesellschaft
sei. Mankells Täter morden also nicht ohne Grund. Hoovers Motiv hatte seinen
Ursprung in der Unfähigkeit des Justizsystems und endete letztendlich in einem
Rachefeldzug für seine geschändete Schwester Louise (Die falsche Fährte).130
Henning Mankell sympathisiert nicht mit den Tätern, obgleich er klarstellt, dass
sie für ihn in gewisser Weise Opfer der heutigen Gesellschaft darstellen; in einer
Gesellschaft, in der die Kluft „zwischen Arm und Reich, zwischen den
Erfolgreichen und den Ausrangierten“131 immer größer wird. Fehlende soziale
Bindungen und Kontakte sowie die Sorgen um seine Arbeitslosigkeit lassen es für
Åke Larstam, der für die zuletzt genannten Menschen steht, unerträglich werden,
glückliche Menschen zu sehen (Mittsommermord). Mankell hält diese Menschen
nicht für unschuldig, möchte jedoch mit seiner Opfertheorie zum Ausdruck
bringen, dass die tieferen Gründe für Taten dieser Art in der Gesellschaft zu
suchen sind. Ein Mensch wird ebenso wenig als Verbrecher geboren wie der
Gesellschaft die alleinige Schuld hierfür gegeben werden kann. In diesem
Zusammenhang
ist
Mankells
Verwendung
des
Wortes
‚Opfer’
leicht
missverständlich. Die Aufklärung des Tatmotivs muss neben der Täterfestnahme
vorrangiges Ziel jeder polizeilichen Ermittlung sein. Nur so ist es möglich,
Verbrechen dieser Art, zumindest im theoretischen Ansatz, langfristig zu
bekämpfen.132
Indem Mankell der Suche nach dem Motiv ebenso viel Platz in seinen Büchern
einräumt wie der Suche nach dem Täter, leistet er hierzu den ersten Schritt und
zeigt dem Leser, wo die Ursachen solcher Verbrechen zu finden sind. Wallander
will verstehen, wie es dazu kommen kann, dass ein 14-jähriger Junge vier Männer
skalpiert, die Augen verätzt und einen ihrer Köpfe in einem Backofen gart (Die
falsche Fährte). In der Gewichtung der Motivfrage hebt Mankell sich deutlich von
anderen Vertretern seines Genres ab und lässt bereits an diesem Punkt erahnen,
welchen Stellenwert die sozialkritische Komponente in seinen Romanen innehat.
130
vgl. Wissen.de. Interview mit Henning Mankell: „Wir leben in einer schrecklichen Welt“
(o. J.).
131
Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000).
In: http://www.schwedenkrimi.de; vgl. dazu auch Mankell. Die fünfte Frau, S. 298 Z. 5ff.
132
vgl. ZDF.de. Serienkiller sind nicht nur ein Phänomen Amerikas (2001). In: http://www.zdf.de.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
45
Die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels werden jedoch nicht nur durch
Täter und Tote deutlich. Mit Kurt Wallander gelingt es Mankell, seine persönliche
Sichtweise über das Interieur der schwedischen Gesellschaft mit der eigentlichen
Handlung zu verstricken und hebt seinen Kriminalbeamten so zum moralischen
Sprachrohr seiner Romane empor.133 Mit Wallander will Mankell jedoch den
Leser nicht belehren; der Kommissar verkörpert echte Sorge. Wie kein anderer
seiner Charaktere lässt Mankell ihn getreu seiner eigenen wertkonservativen
Einstellung über die Abgründe der (schwedischen) Gesellschaft sinnieren.
Wallander kann deren moralischen Zusammenbruch nicht überwinden. Durch
seinen Beruf wird er überdies direkt mit den zu anfangs geschilderten
Konsequenzen einer härter werdenden Gesellschaft konfrontiert, was ihn mit
jedem weiteren Mord seiner Karriere fassungsloser vor der wachsenden Brutalität
einiger Menschen stehen lässt. In seinen Gedanken und Ängsten, die sich im
Laufe der Romanserie verändern, kann der Leser trefflich den sich vollziehenden
gesellschaftlichen Wandel ablesen.134
Wallander ist mit seinen Sorgen über die Zukunft der (schwedischen) Gesellschaft
jedoch kein Ausnahmefall. Fast schon genial zeigt Mankell seinen Lesern, dass
diese Ängste nicht nur ein Problem weniger vereinsamter Personen sind, indem er
sie an den Sorgen seiner Haupt- wie Nebenfiguren Teil haben lässt. Halt suchend
widmen sich die Bürger Schonens den unterschiedlichsten Dingen. Für
Wallanders Vater stellt seine Malerei mit dem immer wiederkehrenden Motiv des
Auerhahns die einzig feste Instanz in diesem Chaos dar.135 Zuflucht und Schutz
suchen jedoch auch andere; Wallander in Verdis Opern, Yvonne Ander in ihren
Zeitplänen und Holger Eriksson in seinen Gedichten über aus Schweden
‚fliehende’ Vögel (Die fünfte Frau). Betrachtet man jedoch die Motivation für die
Malerei von Wallanders Vater oder die akribischen Zeitpläne im Leben der
Yvonne Ander genauer, so symbolisieren sie „in einem Umkehrschritt den
133
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 234 Z. 17-31, S. 429 Z. 36 - S. 430 Z. 8.
vgl. Sens, S. 14; Christian Wymann. Moral und Verantwortung (2001) In:
http://www.wallander.ch; Henning, S. 139; ZDF.de. Serienkiller sind nicht nur ein Phänomen
Amerikas (2001); Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell
(2000).
135
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 140 Z. 22-26.
134
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
46
fließenden Übergang zum Wahnsinn“136 und münden erneut ins Chaos.137
Auffällig viele Zeugen in Die fünfte Frau leben in völliger Abgeschiedenheit. Die
Frage bleibt wohl bewusst offen, ob sie Opfer des gesellschaftlichen Wandels sind
oder
vor
diesem
auf
der
Flucht.
Wie
Kritik
letztendlich
kaum
unmissverständlicher sein kann, verkündet Holger Eriksson im selben Roman,
dass die Gesellschaft dabei ist „vor die Hunde zu gehen“138. Trotz lautstarker
Unmutsäußerungen bekommt der Leser den Eindruck, dass die älteren Menschen
der momentanen Situation hilflos gegenüber stehen und sich in Erinnerungen an
vergangene Zeiten flüchten.139 Anders die jungen Menschen; sie versuchen
Antworten auf ihre Fragen nach dem Warum zu finden. Paradoxerweise lässt
Mankell sie hierbei auf Wallander stoßen, der sich wiederholt als unfähig erweist
und die Gespräche beendet.140 Die heranwachsende Generation als Zeichen
Mankells, dass es noch nicht zu spät ist, um die Ursachen der Probleme zu
erforschen und diesen zu begegnen?141
Tatsächlich verfolgt der Bestseller-Autor mit diesem sowohl offensiven wie
intensiven Umgang mit dieser Thematik gleich zwei Ziele und spricht
dementsprechend verschiedene Bevölkerungsgruppen an. Zunächst möchte der
Romancier die Bevölkerung auf mögliche Zukunftsszenarien vorbereiten bzw.
dafür sensibilisieren, indem er versucht in seinen Geschichten „Dinge
aufzugreifen, bevor sie passieren“142. Tatsächlich gelingt dies dem Schweden
auch, wie bereits im vorigen Kapitel ausführlich dargestellt wurde. Obwohl
Mankell seit Jahren in Afrika lebt und dort die meiste Zeit des Jahres verbringt,
wisse der Autor sehr gut was in Schweden passiert, gibt Frau Westford in unserem
Interview zu verstehen. Im Ergebnis hat die schwedische Gesellschaft mit exakt
denselben Problemen zu kämpfen wie die Bundesrepublik Deutschland. Die
Arbeitslosenrate steigt unaufhörlich, viele Menschen fühlen sich vergessen und
reagieren aggressiv. Die Schreckensmeldungen von rechtsextremen Gewalttaten
136
Krieg, S. 86.
vgl. Krieg, S. 85f.
138
Mankell. Die fünfte Frau, S. 153 Z. 12f.
139
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 298 Z. 21f.
140
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 234 Z. 4ff, S. 297 Z. 12ff; Mittsommermord, S. 58 Z. 21ff.
141
vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Henning Mankell-Die fünfte Frau, S.4.
142
Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2001).
137
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
47
reissen nicht ab, Jugendliche fühlen sich nutzlos und unwillkommen. Obwohl die
Emanzipation der Frauen weit fortgeschritten ist, haben beide Länder mit einer
hohen Dunkelziffer im Bereich des Missbrauchs von Frauen und Kindern zu
kämpfen. Die Politiker scheinen diesen gesellschaftspolitischen Themen hilflos
gegenüber zu stehen, der Rechtsstaat an einigen Stellen zu versagen. In ihrer
Verzweiflung verhelfen sich Menschen wie Yvonne Ander zu ihrem und anderer
‚Recht’ und gehen den in ihren Augen einzig gebliebenen Weg, auch wenn es
letztendlich der falsche ist. Anhand der Analyse der politischen Entwicklung und
der damit einhergehenden Offenbarung der in der Tiefe liegenden Krankheiten
des schwedischen Rechtsstaates, wendet sich Mankell überdies speziell an die
Politiker der Länder des europäischen Kontinents - Kritik, die jedoch von den
reichen Ländern unserer Welt nur ungern gehört wird.143
Nach Lösungsansätzen für die geschilderten Probleme sucht der Leser in
Mankells Kurt-Wallander-Romanen vergebens. Hier präsentiert sich Mankell
bürgerlich-neutral, zumal es nicht Wallanders Charakter entsprechen würde, die
passenden Antworten zu den komplexen Problemen dieser Art parat zu haben.
Trotzdem belässt es Mankell nicht beim Schreiben über die gesellschaftlichen
Probleme der Gegenwart. Im wirklichen Leben engagiert sich der Autor vor allem
für seine Wahlheimat Afrika in politischen wie gesellschaftlichen Bereichen - wie
zum Beispiel dem Kampf gegen AIDS - und liefert damit das beste Vorbild, das
er sich für seine Romane wünschen könnte, selbst und wird demzufolge in seiner
Botschaft glaubhaft.
Insgesamt betrachtet erweist sich Henning Mankell als ein Mensch, der die Augen
nicht vor den Fehlern der westlichen Zivilisationen verschließt, sondern diese an
den Pranger stellt. In seiner Kritik am schwedischen Wohlfahrts- und Rechtsstaat,
der mit seinen Problemen stellvertretend für die meisten Staaten Europas steht,
präsentiert sich Mankell als ernst zu nehmender und glaubhafter Mann. Trotz der
umfassenden gesellschaftskritischen Komponente, die seinen Romanen eine
melancholische, manchmal auch deprimierende Grundstimmung verleiht,
143
vgl. Christian Wymann. Moral und Verantwortung (2001); Krieg, S. 86; Literaturportal
Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000).
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
48
überschreitet der Bestsellerautor zu keinem Zeitpunkt die Grenze, hinter der „die
Handlung nur noch als Vehikel für die Kritik dient. Eine wichtige Voraussetzung
für seinen internationalen Erfolg“144.145
In den Augen der Leser spielt Mankells eingebrachte Gesellschaftskritik für die
Gesamtbeurteilung der Kurt-Wallander-Romane unterschiedlich wichtige Rollen.
In einer Umfrage der deutschen Wallander-Fanseite http://www.wallander-web.de
vom März 2003 sahen 28% der Leser Mankells subtile Gesellschaftskritik als
wichtigsten Faktor für den internationalen Großerfolg dieser Kriminalromanserie
an. In hiesiger Meinungsumfrage beurteilten gar 39,80% der befragten Leser
Mankells gesellschaftskritische Komponente als sehr wesentlich für deren
Gesamtbeurteilung der Romane, die wiederum deren Erfolg begründet.
Andererseits darf dieser Aspekt jedoch nicht bei der Suche nach möglichen
Erfolgsgründen überbewertet werden. Immerhin 25,00 % der Leser sehen in der
Gesellschaftskritik
ein
unwesentliches
Element,
gar
5,10%
ein
völlig
unwesentliches.146
144
Sens, S. 18.
vgl. Sens, S. 18; Ludger Menke. Henning Mankell - steget efter - dt.: Mittsommermord (o. J.).
In: http://www.der-buecherfreund.de/krimi/mankell2.html .
146
siehe Anhang A, Abb. 2; Anhang B, Anlage 2 Frage 13e)
145
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
4.4
49
Kurt Wallander - (k)ein Superheld?
Während
die
Entwicklung
des
Verbrechens
in
der
Geschichte
der
Kriminalliteratur immer brutalere und beinahe groteske Formen annahm, verlief
die Entwicklung der ihnen entgegenwirkenden Individuen beinahe durchgängig
diametral. Die Ermittler des ausklingenden 20. Jahrhunderts und des nunmehr neu
begonnenen 21. Jahrhunderts verkörpern nicht mehr den klassischen Überhelden,
sondern sind von weicherem Charakter gezeichnet, kommen fürwahr nicht mehr
mit ihren Aufgaben, den gesellschaftlichen Um- und Missständen im Allgemeinen
und der daraus resultierenden sinnlosen Brutalität zurecht.147
Ist Henning Mankell diesem Trend mit Kurt Wallander, dem Kriminalkommissar
aus dem südschonischen Ystad, gefolgt oder schlägt er in Bezug auf seine
Hauptfigur neue Wege ein?
4.4.1
Die familiären Eckdaten
Kurt Wallander, geboren 1947, wächst zusammen mit seinen Eltern und seiner
Schwester Kristina in Klagshamn, etwas außerhalb von Malmö, in einer alten
umgebauten Schmiede auf. Nach anfänglichen Berufswünschen Pressefotograph
bzw. Opernsänger zu werden, beginnt Kurt zum großen Unverständnis seines
Vaters im Alter von 18 Jahren eine Ausbildung bei der Polizei in Malmö, wo er
auch die ersten Jahre als Streifenpolizist tätig ist. Wallander heiratet 1970 seine
Freundin Mona; noch im selben Jahr kommt ihre Tochter Linda zur Welt. Als
Kurt Wallander im Sommer 1976 die Zusage für eine Stelle bei der
Kriminalpolizei in Ystad bekommt, zieht die dreiköpfige Familie in die
Zweizimmerwohnung eines Mehrfamilienhauses in der Mariagatan, einer
schmucklosen Wohnstraße im Osten Ystads.
Linda, die nach zwei Selbstmordversuchen eine lange Selbstfindungsphase
durchlebt, zieht früh aus und so wohnt Wallander nach der Trennung von seiner
Frau alleine in der ehelichen Wohnung. Noch Jahre nach der Trennung, die
Wallander nie überwinden wird, hat er große Sehnsucht nach Mona und hofft
ständig auf eine Versöhnung mit ihr. Als diese für Kurt völlig überraschend die
Scheidung
147
einreicht,
vgl. Krieg, S. 9.
versinkt
er
in
Kummer
und
Selbstmitleid;
sein
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
50
Selbstwertgefühl ist am Boden. Erst als er beinahe seinen Führerschein einbüßen
muss, wird ihm sein Lebenswandel bewusst und es gelingt Wallander sich
langsam aufzuraffen. Es vergeht eine lange Zeit, bis zwischen den geschiedenen
Eheleuten eine Begegnungsebene der Normalität entstehen kann.148
Mankell wollte mit Kurt Wallander alles andere als einen leicht fassbaren
Charakter schaffen. Während die ersten Fakten einen nüchternen Eindruck seiner
Hauptfigur hinterlassen, lernt der Leser im Laufe der Romanserie einen mit
„zahlreichen, wenn auch klischeehaften Widerhaken ausgestatteten“149 Mann im
besten Alter kennen.
4.4.2 Eine Hauptfigur mit vielen Facetten
Wallander gibt sich gänzlich seiner Arbeit hin, die, so kann man berechtigt
mutmaßen, ursächlich für das Scheitern seiner Ehe ist. Weder unzulängliche
Arbeitsbedingungen
noch
unzählige
unbezahlte
Überstunden
schmälern
Wallanders Motivation; vielmehr werden diese nach der Scheidung mehr und
mehr zu einer lieb gewonnenen Begründung, nicht in die leere Wohnung
zurückkehren zu müssen. Wallander ist praktisch immer im Dienst, jedoch führen
seine oftmals unorthodoxen Arbeitsweisen und sein ausgesprochen sturer
Charakter mitunter zu Problemen. Seit seinem ersten Fall agiert Wallander viel zu
oft auf eigene Faust. In seinen Ermittlungen verstößt der Kommissar häufig gegen
polizeiliche Vorschriften. Zeugen werden zum Reden gebracht (Die falsche
Fährte), Åke Larstams Wohnung ohne jeglichen Durchsuchungsbeschluss
aufgebrochen (Mittsommermord) und Wallanders Überwältigung Harderbergs
stellt von juristischer Seite gar einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr dar
(Der Mann, der lächelte). Einen negativen Höhepunkt seiner beruflichen Karriere
stellt mit Sicherheit die Ermittlung gegen ihn wegen Polizeiwillkür dar, der sich
Wallander in seinem letzten Fall Die Brandmauer zu stellen hat.150
148
vgl. Daniel Imort. Kurt Wallander (o. J.) In: http://www.wallander-web.de; Bianca Reineke.
Der Ritter von der traurigen Gestalt (2000); Ystads Kommun, S. 4; Sens, S. 132ff, 148f.
149
Krieg, S. 88.
150
vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Thomas Gohlis. Kurt Wallander, Held
unserer Zeit (2001). In: http://www.zeit.de/2001/45/Kultur/print_200145_ka-krimi.html; Ystads
Kommun, S. 4; Mankell. Die falsche Fährte, S. 207 Z. 13ff, S. 294; Mittsommermord, S. 499ff;
Der Mann, der lächelte, S. 369 Z. 35 - S. 370 Z. 21.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
51
Trotz jahrelanger Polizeiarbeit ist Wallander sensibel und empfindlich geblieben.
Die Grausamkeit des Verbrechens erschüttert ihn zunehmend im Alter, reist ihn
aus seinen Gedanken, in denen er sich nach der einst heilen Welt zurücksehnt „eine Welt ohne sinnlose Gewalt, ohne brutale Übergriffe, ohne rasante politische
Veränderungen, die unter anderem Rassismus und gesellschaftliche Übergriffe
mitsichbringt.“151 Auch die Sehnsucht nach einer heilen familiären Welt zermürbt
den allein lebenden Kommissar. Ständig hin und her gerissen zwischen dem
Bedürfnis nach Zweisamkeit und der bestehenden Bindungsangst, gelingt es dem
geschiedenen Mann nicht, eine neue Beziehung einzugehen. Sowohl der
Annäherungsversuch an die Staatsanwältin Anette Brolin als auch die Beziehung
zu der verwitweten lettischen Übersetzerin Baiba Liepa misslingt; lediglich in
seinen Träumen erfährt der Kommissar erotische Momente mit verschiedensten
Frauen. Die Einsamkeit dieses Mannes spiegelt sich auch in dem bereits unter
Kapitel 4.2.2 geschilderten Kollegenverhältnis wider. Lediglich seinem früheren
Mentor Evert Rydberg kann er das nötige Vertrauen entgegenbringen und eine
über das kollegiale Miteinander hinausgehende Freundschaft zu ihm aufbauen.
Über seinen Tod hinaus ist er Wallanders Vorbild und selbst seine einfühlsame
Kollegin Ann-Britt Höglund kann ihm diesen Freund nicht ersetzen. Als einzigen
Freund Wallanders außerhalb des Polizeiapparates lernt der Leser den
Pferdezüchter Sten Widén kennen. Die Einsamkeit des Kommissars findet
schließlich
ihren
Zenit
als
Wallander
zum
Mobbingopfer
wird
(Die
Brandmauer).152
Neben der Oper, gehören der Whisky, literweise Kaffee und Wienerbröd zu
Wallanders Vorlieben. Trotz wiederkehrender guter Vorsätze gelingt es dem
übergewichtigen Kommissar nicht, seine Ernährung, die größtenteils aus Fastfood
und unzähligen Konditoreibesuchen besteht, umzustellen oder sich mehr
Bewegung zu verordnen. Der ihm diagnostizierten Diabetes versucht der unter
Schlafstörungen leidende Wallander in seiner Angst vor dem Älter werden und
der sich abzeichnenden schlechter werdenden Gesundheit zu verdrängen.
151
Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt.
vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Thomas Gohlis. Kurt Wallander, Held
unserer Zeit (2001); Krieg, S. 88.
152
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
52
In dieser Lebensphase verfällt Wallander mehr als einmal in eine melancholische
Stimmung. Er fragt nach dem Sinn des Lebens. Nicht sein Leben, sondern das
Leben überhaupt und bezieht diese großen Lebensfragen in seinen Arbeitsalltag
mit ein. Am Abend bleibt Wallander häufig an der Whiskyflasche hängen und
versucht bei den Klängen Verdis seine Sorgen zu vergessen. Sorgen, die er sich
auch um seine Tochter Linda und seinen alten Vater macht, deren Lebenswandel
er nicht nachvollziehen kann. Wallander versteht sich nach dem Auszug der
Tochter wieder zunehmend besser mit ihr und die Besuche und Telefonate Lindas
muntern in auf. Das Verhältnis zu seinem schwer kranken Vater, seinem einzig
gebliebenen Familienmitglied, bleibt bis kurz vor dessen Tod angespannt;
Besuche enden oft im Streit. Ohne es zu jedoch merken, wird Wallander im Laufe
der Romanserie seinem Vater, der ihm selbst fremd erscheint, immer ähnlicher.153
Der Mann mit dem alten blauen Peugeot ist wahrlich kein Superheld; nicht clever
wie Sherlock Holmes, „nicht sexy wie James Bond, nicht cool wie Philip Marlow
und schon gar nicht skrupellos wie Dirty Harry“154. Ein ganz normaler Mensch;
ständig begleitet von privaten Konflikten und seinen eigenen körperlichen wie
psychischen Schwächen; „mit Ecken und Kanten, mit Zweifeln und Sorgen“155.
„Ein Mensch wie du und ich.“156
4.4.3
Die andere Seite des Kurt Wallander
Doch Mankell gelingt es seinen auf den ersten Blick misanthrop wirkenden
Kriminalbeamten liebenswert zu machen, indem er die Leser, exklusiv nur die
Leser, teilhaben lässt an seinem Innenleben. Weder seine Kollegen noch
Familienmitglieder ahnen etwas von dieser Seite des Kurt Wallander. Ein
Kommissar, der ständig mit seinem schlechten Gewissen, herrührend von zu
seltenen Anrufen bei seiner Tochter und nicht eingehaltenen Besuchen bei seinem
153
vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit;
Christian Wymann. Wallanders schlimme Fälle (2001). In: http://www.wallander.ch; Ystads
Kommun, S. 4.
154
Walter Wüllenweber. Wallanders Welt (2001).
155
Krieg, S. 92.
156
Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
53
Vater, kämpft. Ein Kommissar, der schüchtern ist und sich nach Zweisamkeit
sehnt. Ein Kommissar, der Angst hat.157
Kurt Wallander hat jedoch noch eine andere Seite. Dieser melancholische und
zeitweise wütend um sich schlagende Mann verwirklicht den Traum vieler Leser.
In
einer
mittlerweile
unüberschaubaren,
chaotischen
und
mutmaßlich
unregierbaren Welt tritt er nicht nur aus Berufsgründen, sondern auch aus einem
inneren Bedürfnis - einem Gefühl der Ehre - den alleinigen Kampf gegen das
Übel an, „auch wenn er selber der Ansicht ist, dieses gelinge ihm nicht immer
oder zu spät“158. Obwohl Kurt Wallander mehr als einmal an der Richtigkeit
seiner Berufswahl zweifelt, bisweilen sogar daran denkt, seine Uniform
sprichwörtlich an den Nagel zu hängen und sich bei einer privaten
Sicherheitsfirma zu bewerben, lebt er für seinen Beruf. Private Wünsche stellt er
strikt hinter seine berufliche Pflicht.159 Leidend, aber zäh durchhaltend zeigt er,
dass auch heute noch der Einzelne Gutes für die Allgemeinheit tun kann. Durch
zielstrebige aber auch hartnäckige Arbeit, kombiniert mit genialer Intuition,
gelingt es ihm am Ende jedes Romans, den bzw. die Täterin zu ergreifen. Doch
anstatt eines strahlenden und jubelnden Superhelden erlebt der Leser einen
erschöpft wirkenden Kommissar, der müde und still nach Hause schleicht.160
„Der strahlende Detektiv, der unmenschlich und unangefochten über allen
Dingen steht, hat ausgedient“161. Stattdessen hat Mankell mit seinem Kommissar
einen weitaus passenderen Helden geschaffen, einen „Helden unserer Zeit“162.
Mit Hilfe einer präzisen Beschreibung seines Hauptprotagonisten und einer
geschickten Verstrickung dessen privater Seite mit dem eigentlichen Plot, ist es
Mankell gelungen eine lebendige, sich von Roman zu Roman ändernde Figur zu
erschaffen. Während Wallander im ersten Fall noch bestimmte Meinungen
vertritt, wird er von Jahr zu Jahr skeptischer und steht letztendlich beinahe
157
vgl. Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit.
Krieg, S. 89.
159
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 303; Die falsche Fährte, S. 281.
160
vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Krieg, S. 89; Mankell. Die falsche Fährte,
S. 281; Die fünfte Frau, S. 36 Z. 1ff.
161
Krieg, S. 92.
162
Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit.
158
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
54
ohnmächtig den aktuellen Geschehnissen gegenüber. Zuweilen weiß der Leser
nicht mehr, ob er denn nun Bewunderung oder Mitleid für Kurt Wallander
empfinden soll. Dank seiner (schlechten) Gewohnheiten wird dem Kommissar aus
dem südschwedischen Ystad überdies ein hoher Wiedererkennungsgrad zuteil.
Der sympathische Kriminalbeamte stellt mit seinen Ängsten und Unsicherheiten,
seinem Durchhaltevermögen und seinem Einsatz für das Gute, der ihm zuweilen
den Beinamen des „letzten Mohikaners“ zukommen lässt, ohne Zweifel eine
Identifikationsfigur für einen Großteil seiner Leser dar. Knapp die Hälfte der
befragten Leser sah die Identifikation mit Kurt Wallander als wesentlichen
Gesichtspunkt
ihrer
Gesamtbewertung
der
nach
ihm
benannten
Kriminalromanserie an.163
Nicht zu unterschätzen ist hierbei die Beurteilung der Authentizität des Kurt
Wallander.
71,4%
der
befragten
Personen
und
57,8%
der
befragten
Polizeibeamten empfinden die Schilderung des Hauptcharakters absolut
realistisch. Kein Teilnehmer beurteilt den literarischen Kommissar als völlig
unrealistisch. Die Darstellung seiner privaten Situation schätzten gar rund ¾ der
befragten Leser als absolut realistisch ein. Eine spezifische Auswertung der
befragten Polizeibeamten ergab ein ähnlich eindeutiges Ergebnis.164
Im Ergebnis ist es Mankell mit Kurt Wallander gelungen, eine Hauptfigur zu
erschaffen, die kaum lebendiger sein könnte. Der Autor selbst sieht in der
Lebendigkeit und der Identifikationskraft des Kommissars aus Ystad zwei Gründe
des enormen Erfolges seiner Kurt-Wallander-Romane. Und tatsächlich ist
Wallander für viele seiner Leser ein lebendiger Mensch, eine Persönlichkeit
geworden. „Er ist aus den Buchseiten herausgetreten und zu einem Mitmenschen
geworden.“165 Diesen Eindruck vermittelte auch Ewa-Gun Westford in unserem
Gespräch und beschreibt ihren literarischen Kollegen als den Vertreter des typisch
unsicheren schwedischen Mannes mittleren Alters. 166
163
vgl. Krieg, S. 89, Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning
Mankell (2000); siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 13 d).
164
siehe Anhang B, Anlage 2 u.3 Frage 8 b) c).
165
Mankell. Wallanders erster Fall, S. 11 Z. 7-11.
166
vgl. Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit; Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt;
Christian Wymann. Wallanders schlimme Fälle (2001); Krieg, S. 89f; Börsenverein des deutschen
Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36; Interview Anhang A, Abb.12.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
4.5
55
Südschweden: Land und Leute
4.5.1 Ystad - Kleinstadtidyll statt Mordmetropole?
Ystad ist nicht nur das literarische Revier des weltberühmten Kommissars Kurt
Wallander. Ystad ist mehr. Die Kleinstadt in der südschwedischen Provinz Skåne
ist die einzige Stadt in Nordeuropa und eine der wenigen auf dem europäischen
Festland, die die Abrissmanie der 60er Jahre überlebt hat und somit ihr
historisches Antlitz mit über 300 Fachwerkhäusern wahren konnte.
Eine der schönsten Straßen Ystads ist sicherlich die Lilla Västergatan, die aus
kleinen, einstöckigen, für die Gegend so
typischen Häusern aus dem 17. und 18.
Jahrhundert
schmücken
besteht.
die
Rosenstöcke
Klinkersteinfassaden
auch in der Harmonigata, in der Åke
Larstam
in
seinem
Schlafzimmer
schallisolierten
heimlich
die
Briefe
glücklicher Menschen las (Die falsche
Fährte). Unweit davon wohnte Yvonne Ander in der Liregatan (Die fünfte Frau),
die an ihrem östlichen Ende in die
Stickgatan mündet, wo Wallander im
Garten von Berta Duner eine Mine mittels
Telefonbuch zur Explosion brachte (Der
Mann, der lächelte). Explosionen sind keineswegs unbekannt in der
beschaulichen Altstadt Ystads, der Gamla Staden. Die Schwestern Anna und
Emilia Eberhardsson wurden in der Vergangenheit samt deren Haus an der Ecke
Möllegatan, Hamngatan in die
Luft
erster
gesprengt
Fall).
(Wallanders
Wallanders
langjähriger Kollege Svedberg
fand gar in seiner Wohnung in
der Lilla Norregatan seinen
Tod (Mittsommermord). Und Wallander? Den ließ und lässt Mankell trotz heftiger
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
56
Vorwürfe seitens der Ystader Fans, die sich persönlich für ihren quasi Nachbarn
einsetzen wollen, in der einzigen heruntergekommenen Wohnstraße der Stadt
hausen, der Mariagatan, die durchaus als Spiegelbild des traurigen Helden
betrachtet werden kann. Der Arbeitsplatz des Kommissars
befindet sich in der Kristianstadvägen, im Norden Ystads.
An der Seite des alten städtischen Wasserturms posiert das
Polizeigebäude erhöht auf einem Hügel, so dass der Eindruck
entsteht, Wallander würde nebst Martinsson, Nyberg und
Hansson von diesem Hügel über die Stadt wachen, die sich
an diesem sonnigen Augusttag meiner Schonen - Reise von ihrer schönsten Seite
zeigt.167
„Was ist aus den eintönigen Wohnsiedlungen geworden, in denen
Inspektor Kurt Wallander nach Mördern sucht? Wo ist der
gespenstische Nebel, durch den er sich zu kämpfen hat? Wo sind die
klumpigen Lehmäcker, über die er stolpert?“168
Mankell hat dieses Bilderbuchstädtchen bewusst zu Wallanders Revier
auserkoren. Als die Figur des Kurt Wallander entstand, beschrieb Mankell, es läge
so nahe, es sei die Gegend, in der er selbst bereits 10 Jahre lebte. Absichtlich wich
er damals von der gängigen Großstadt als literarischem Schauplatz des
Verbrechens ab, um der Gesellschaft auf diesem Weg deutlich zu machen, dass
auch in einer Kleinstadt wie Ystad Verbrechen von einem bislang ungeahnten
Ausmaß an Brutalität geschehen können. Wie eine Flutwelle, die von London
über die Nordsee schließlich die skandinavischen Länder erreicht, erfasst die
Kriminalität nach und nach Stockholm und Malmö und macht schon lange nicht
mehr vor ländlichen Gebieten - wie in unserem Fall Schonen - halt. Längst kann
man in Ystad die gleichen Drogen kaufen wie in Berlin. In meinen Augen gelingt
es Mankell diese Aussage geschickt zu verdeutlichen, indem er „fast alle
167
vgl. Touristeninformation Ystad. Ystad. Wegweiser für die Stadt und ihre Umgebung.
Schweden: o. V. (2004/2005), S.52; Jochen Reinert. Wallander-Pilger erobern Ystads Gassen
(2004); Sens, S. 49, 60, 66f; Wüllenweber. Wallanders Welt;
vgl. dazu auch Ystads Kommun, S. 4.
168
Christian Wymann. Wallanders Revier (2001). In: http://www.wallander.ch.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
57
Handlungsorte (…) in das reale Ystad und dessen Umgebung projiziert“169 und
somit bei so manchem Wallander-Pilger auf seiner Erkundungstour durch die
Stadt Gänsehaut hervorruft.170
Mit seinem Fährhafen ist Ystad nicht nur ein Modell Schwedens, sondern auch
ein Tor zur Welt - ein Grenzland zwischen Polen und dem Kontinent mit der
Ostsee in ihrer Rolle des Río Grandes. Während Ystad zu Zeiten des Kalten
Krieges noch am Ende der Welt lag, wird heute praktisch der gesamte Verkehr
von Skandinavien nach Osteuropa und Asien in Ystads Hafen verladen und die
Stadt damit ins Zentrum gerückt - eine Entwicklung, die durch den Beitritt
Schwedens zur EU 1995 sicherlich weiter verstärkt wurde. Weit verfehlt sind
Ansichten einer abgeschiedenen Welt, in der die Uhren stehen geblieben und
deren Menschen ein nahezu unbewegliches und konservatives Leben führen.
Victor Mabasha (Die weiße Löwin), Maria Dolores Santana (Die falsche Fährte)
und Anna Ander (Die fünfte Frau) sind nur drei der Charaktere, mit Hilfe deren
Geschichte
Henning
Mankell
die
kriminalistischen
Konsequenzen
der
Globalisierung am Beispiel Ystads veranschaulicht und es ihm somit gelingt,
Schweden nunmehr auch literarisch mit der Welt zu verbinden. Die Mehrzahl
seiner Romane beginnt in fernen Ländern, wie in Algerien oder der
Dominikanischen Republik, die letztendlich den Ausgangspunkt für einen neuen
Krimifall Wallanders bilden. Als Markenzeichen Mankells kann die dadurch
entstehende geographische wie kulturelle Bipolarität angesehen werden, mit der
der Autor daran erinnern möchte, dass sein Ystad ein Teil der Welt ist. Eine
Steigerung der geographischen Globalisierung stellt schließlich Mankells letzter
Roman Die Brandmauer dar, in dem die weltweite Bedrohung durch einen Blick
auf die Cyberworld vollends zum Ausdruck gebracht wird.171
169
Sigrid Reinert. In Wallanders Welt. Ystad war ein friedlicher Ort. Bis Henning Mankell hier
Krimis erfand (2004). In: http://www.archiv.tagesspiegel.de/archiv/11.07.2004/1236263.asp.
170
vgl. Touristeninformation Ystad. Ystad. (2004/2005), S. 35; Interview Anhang A, Abb.12;
ZDF.de. Sie hielten mir eine Pistole an den Kopf (2001). In: http://www.zdf.de; Reinert.
Wallander-Pilger erobern Ystads Gassen.
171
vgl .ZDF.de. Wallander zu spielen, ist sehr, sehr reizvoll (2001). In: http://www.zdf.de;
Interview Anhang A, Abb. 12, Thomas Steinfeld. Wallanders Landschaft. Eine Reise durch
Schonen. Wien: Paul Zsolnay Verlag (2002), S. 5f; Wüllenweber. Wallanders Welt; Sens, S. 14;
Schanda. «Ich reise gerne in der Zeit».
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
58
In der Gemeinde Ystad leben ca. 26.000 Menschen, von denen wiederum 16.000
in der Stadt wohnen. Die 220 Polizeibeamten, die hier ihren Dienst im
Hauptquartier des Polizeidistrikts Südschonen verrichten, sind jedoch für ein
weitaus größeres Gebiet zuständig. Der Polizeidistrikt umfasst neben Ystad, das
aufgrund seiner historischen Funktion als bedeutender Hafen eine Art
Oberzentrum dieses Gebietes ist, die Bezirke Trelleborg, Vellinge, Svedåla,
Skurup, Sjöbo, Tomellila und Simrishamn - eine Fläche, die größer ist als der
gesamte Rhein-Neckar-Kreis. Ystads Altstadt umfasst lediglich ca. 52 ha. Oft
nimmt Wallander seinen Wagen, um in dieser ‚Kleinstadt’ Wegstrecken von
wenigen hundert Metern zurückzulegen. Einerseits steht dies im Einklang mit
Wallanders Lebensgewohnheiten und seiner Diabetes Erkrankung; andererseits
gelingt es Mankell durch diesen erzählerischen Trick „das begrenzte Pflaster
Ystads größer erscheinen zu lassen“172.
Während Wallanders Kollegen im letzten Jahrzehnt 53 Mordopfer zu beklagen
hatten, passiert hier statistisch gesehen lediglich alle 7 Jahre ein Mord. Das letzte
Tötungsdelikt wurde zu Beginn dieses Jahres, am 09./10. Januar 2004, begangen.
Die Kriminalitätsschwerpunkte Südschonens sind einerseits aufgrund seiner
Küstenlage im Bereich der Autoschieberei, des Drogenschmuggels und der
illegalen Einreise zu beklagen; ¾ aller illegalen Ausländer Schwedens werden
hier aufgegriffen. Weitere Hauptaufgaben stellen andererseits die Bekämpfung
verschiedener Diebstahls- und Körperverletzungsdelikte sowie die gesamte
Bandbreite der Verkehrsdelikte dar. Eine höhere Kriminalitätsbelastung, durch die
die Stadt Christian Wymanns (Webmaster der Schweizer Kurt-WallanderFanseite) Bild einer gespenstischen Hauptstadt des Verbrechens gerecht werden
würde, hat Ystad jedoch trotz einer vergleichsweise hohen Anzahl an
Schmuggeldelikten nicht zu verzeichnen.173
172
Christian Wymann. Wallanders Revier (2001).
vgl. Touristeninformation Ystad, S. 102; Interview Anhang A, Abb.12; Wolfgang Gehrmann.
Die richtige Fährte (2000); Sens, S. 23; Wüllenweber. Wallanders Welt.
173
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
59
4.6.2 Skåne - eine Landschaft in der Hauptrolle
Südschonen ist für Henning Mankell keineswegs nur zwingend notwendige
Kulisse der schauerhaften Verbrechen seiner Romane. Obgleich der Romancier in
seinen Kurt-Wallander-Romanen nach eigenen Angaben nicht von Ystad und
seiner Umgebung beeinflusst wurde, räumte er der unverkennbaren schonischen
Landschaft mit ihren typischen Jahreszeiten eine Hauptrolle in seiner Romanserie
ein. Die Natur Schonens ist für den Schweden mehr als die bloße Möglichkeit,
einen kritischen Blick auf die schwedische Gesellschaft zu werfen. „Sie ist
vielmehr Teil der Handlung.“174 Damit unterscheidet sich Mankell nicht nur von
seinen angelsächsischen und französischen Kollegen, bei denen Landschaften und
Städte lediglich der schemenhaften Kulisse dienen. Auch schwedische
Kriminalautoren wie Håkan Nesser bevorzugen es, ihre Kommissare in fiktiven
Ländern und Städten agieren zu lassen. Keiner der gegenwärtigen literarischen
¸Helden´ ist so eng an einen realen Ort gebunden wie Wallander, der sich Schutz
suchend an Ystad - seine Burg - klammert, die er nur ungern verlässt.175
Malerische Schilderungen der Landschaft ermöglichen es dem Leser, einen
umfangreichen Eindruck der südlichsten Provinz Schwedens zu gewinnen. In ihr
finden sich Äcker, die in weichen Wellen zum Meer hinabfallen, und Alleen
gestutzter Weiden, die zu weißgekalkten alten Schonenhöfen führen.176 Eine
Landschaft, die geprägt ist von kleinen Dörfern, zahlreichen Bauernhöfen und
ihrer landwirtschaftlichen Nutzung, die ihr berechtigterweise das Bild einer
„grenzenlosen Kornkammer“177 zukommen lässt. Eine endlose Ebene, die
lediglich von vereinzelten Buchenwäldern unterbrochen wird. Auf der einen Seite
bedient sich der Bestseller-Autor einiger dieser Texteinbindungen, um dem Leser
die vorherrschende Stimmung einzelner Passagen zu vergegenwärtigen. Nach
vielen Jahren des Unverständnisses darf Wallander den letzten Spaziergang mit
seinem Vater am schönsten Sandstrand Schwedens, dem Strand von
Sandhammaren, genießen, wo sich die beiden Männer endlich näher kommen.178
174
Sens, S. 18.
vgl. Touristeninformation Ystad, S. 35; Sens, S. 12.
176
vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 22 Z. 5f; Die falsche Fährte, S. 122 Z. 8f.
177
Steinfeld. Wallanders Landschaft. (2004), S. 10.
178
vgl. Mankell. Die fünfte Frau. S. 140 Z. 36- S. 141 Z. 32, S. 187 Z. 33f.
175
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
60
Die gelben Rapsfelder, die das Landschaftsbild Schonens im Sommer prägen,
begleiten Wallander während der gesamten Ermittlung in Die falsche Fährte.
Nachdem sich Maria Dolores Santana in einem Rapsfeld bei Marvinsholm das
Leben genommen hat, ist auch Arne Carlmans Anwesen von den Feldern dieser
Hülsenfrucht umgeben. Das immer wiederkehrende Bild von unendlichen
blühenden Rapsfeldern erinnert den Leser ständig an den Suizid des jungen
Mädchens Dolores Maria, der letztendlich auch im Zusammenhang mit der im
Vordergrund stattfindenden Fahndung nach dem Skalpmörder steht. 179
Auf der anderen Seite verbindet Mankell auf eine bizarre Art und Weise die
idyllischen Beschreibungen der vermeintlich schönsten Provinz Schwedens mit
dem allgegenwärtigen Verbrechen dieser Welt. Gekonnt lässt Mankell einen
wunderschönen Schimmel an der völlig entstellten Leiche des Valfrid Ström
vorbeireiten (Mörder ohne Gesicht) und den Orchideenfreund Gösta Runfelt
ausgehungert an einem Baum zwischen Svarte und Marvinsholm sterben (Die
fünfte Frau). Auf einem ebenso ‚widersprüchlichen Boden’ finden die jungen
Leute Astrid, Lena und Martin in ihren prunkvollen Rokokokostümen inmitten
eines der schönsten Naturreservate ihren Tod (Mittsommermord). Mit Hilfe
zahlreicher Gegensätze dieser Art gelingt es Mankell auf eine weitere Weise die
bereits geschilderte Gesellschaftskritik erzähltechnisch zu visualisieren.180
Wie das Landschaftsbild, so ist auch das Wetter Schonens mit mitteleuropäischen
Verhältnissen vergleichbar. Während der Sommer in Schonen, der Riviera
Skandinaviens, sechs Wochen länger dauert, ist die Provinz für ihre starken
Herbstwinde bekannt, die über die Ebene blasen, „als ob die Landschaft ein
riesengroßes, weit geöffnetes Fenster wäre“181. Obwohl der Winter aufgrund des
maritimen Klimas bei weitem nicht so hart ist wie im Norden Schwedens und
Schnee eher selten fällt, gibt es heftige Schneestürme, die den Schnee in kurzer
Zeit meterhoch auf den Straßen türmen können.182 Gezielt setzt Mankell diese
widrigen Wetterverhältnisse Schonens ein, um die Spannung an von ihm
179
vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 35 Z. 37 - S. 38 Z. 12, S. 141 Z. 1f, S. 243 Z. 23f.
vgl. Sens, S. 18; Krieg, S. 87; Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 247 Z. 9-33; Die fünfte Frau,
S. 168 Z. 25-34; Mittsommermord, Prolog.
181
Steinfeld, S. 7.
182
vgl. Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 298 Z. 27-34.
180
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
61
ausgewählten Stellen zu forcieren. Was wäre Wallanders Verfolgungsjagd nach
Konovalenko in herrlichem Sonnenschein (Die weiße Löwin)? Endlose Regentage
unterstreichen die Eintönigkeit, ja fast schon Abscheulichkeit der Kriminalwelt;
die drückende Sommerhitze dagegen steht symbolisch für den Druck der
Bevölkerung hinsichtlich geforderter Ermittlungserfolge.183 Anhand des Wetters
ist es dem aufmerksamen Leser überdies an einigen wenigen Stellen möglich,
korrekte Prognosen bezüglich des weiteren Handlungsverlaufs zu stellen. Von
schweren Wolken begleitet steht Wallander an einem Donnerstagmorgen auf,
während es im Laufe des Vormittages schließlich mehr und mehr zu regnen
beginnt. „Es regnet(e) [schließlich] ununterbrochen“184, als Wallander fünf Seiten
später entsetzt vor der Leiche des Holger Eriksson steht. Im diesem Fall kündigt
jedoch nicht nur das regnerische Wetter den Tod des Ornithologen an. Bereits in
Erikssons Haus nimmt Wallander - wenn auch unbewusst - den lärmenden
Krähenschwarm wahr. Mankell arbeitet mit diesen schwarzen Vögeln, die in der
Welt der Literatur sinnbildlich für die Ankündigung des Todes stehen, um den
Leichenfund Erikssons vorherzusagen. Während sich Wallander dem späteren
Fundort nähert, schreien die Krähen immer lauter, bis diese letztendlich davon
fliegen und so Wallander den Blick auf die Pfahlgrube freigeben. (Die fünfte
Frau).185
4.6.3
Die Menschen - mehr als nur Statisten
Neben der Landschaft und den Hauptakteuren spielen auch die Nebencharaktere
aller Kurt-Wallander-Romane eine nicht unbedeutende Rolle. In seiner
Gesamtheit wird das schonische Volk als ein konservativer und naiver
Menschenschlag beschrieben, der in der Gegenwart noch mit Vorurteilen in
Sachen Homosexualität und der Emanzipation des weiblichen Geschlechts zu
ringen hat. Wie Wallanders Kollege Svedberg (Mittsommermord) hält auch die
Blumen- und Gemüsehändlerin Maria Svensson ihre Homosexualität vor der
Öffentlichkeit geheim, um keine Kunden zu verlieren (Die fünfte Frau). Beruflich
kämpfen nicht nur die Polizeibeamtin Ann-Britt Höglund und deren Vorgesetzte
183
vgl. Mankell. Die falsche Fährte, Kapitel 20.
Mankell. Die fünfte Frau, S. 78 Z. 22.
185
vgl. Sens, S. 17f, 25; Steinfeld, S. 10; Mankell. Die fünfte Frau, S. 69-79.
184
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
62
Lisa Holgersson um Anerkennung seitens ihrer männlichen Kollegen. Die
Pastorin Gunnel Nilsson hat es in ihrem Beruf nicht leichter. „Es gibt bestimmt
viele, die sich nur einen Mann als Pastor vorstellen können“186, gibt Sven
Andersson Wallander bei einem Treffen in Smedstorp zu verstehen. Begangenen
Verbrechen und geschehenen Unglücksfällen steht das schonische Volk in
Mankells Romanen und in der Realität völlig fassungslos gegenüber, wie Frau
Westford in unserem Interview zu bestätigen wusste.187
Durch eine detaillierte Wiedergabe der Gedanken und Probleme einzelner
Protagonisten gestaltet Mankell auch Charaktere der zweiten Reihe, wie zum
Beispiel das Ehepaar Rykoff (Die weiße Löwin), lebendig und plastisch. Einigen
Personen räumt Henning Mankell sogar über den jeweils betreffenden Roman
hinausgehende Auftritte ein. Die Bankangestellte Brita-Lena Bodén, die
Wallander dank ihrer ausgezeichneten Beobachtungsgabe den entscheidenden
Hinweis zur Ergreifung der Täter in Mörder ohne Gesicht geben konnte, trifft den
Kommissar in Die falsche Fährte zufällig in einem Selbstbedienungsrestaurant
wieder. Die Krankenschwester Ylva Brink lernt der Leser ebenfalls zunächst in
der Zeugenrolle kennen (Die fünfte Frau), bevor sie durch den Tod ihres Cousins
Svedberg
direkt
mit
den
Folgen
des
Verbrechens
konfrontiert
wird
(Mittsommermord). Der Leser fühlt sich so automatisch stärker mit den
Charakteren, denen der Autor allesamt typisch schwedische Namen gab,
verbunden. Insgesamt betrachtet geht Henning Mankell nicht sparsam mit der
Einführung neuer Charaktere um - rund 650 Personen werden in den WallanderRomanen bei ihrem Namen genannt. Doch weitaus nicht jeder von Mankells
Charakteren ist wie er zunächst zu sein scheint. Der Blumenhändler Runfelt
betreibt im Verborgenen eine Detektei (Die fünfte Frau), Svedberg war
homosexuell und selbst die als Bestie eingeschätzte Yvonne Ander war in ihrem
Innersten das zutiefst traumatisierte Mädchen, das sowohl ihre Schwester als auch
die Mutter durch die Brutalität der Männer des eigenen Umfelds verlor (Die fünfte
Frau).188
186
Mankell. Die falsche Fährte, S. 206 Z. 13f.
vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Mankell. Die fünfte Frau, S. 55 Z. 1.
188
vgl. Sens, S. 16, 136; Krieg, S. 86; Mankell. Die fünfte Frau, S. 231 Z. 12f.
187
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
63
Zum Erfolg der Kurt-Wallander-Serie in Deutschland hat Ystad mit seinen
Einwohnern in zweifacher Hinsicht beigetragen. Die detaillierte Beschreibung der
Handlungsorte und der Landschaft mit ihren typischen Wetterlagen wie auch
immer wiederkehrende Orts-, Straßen- und Personennamen ermöglichen es dem
Leser, auch ohne jemals in Skåne gewesen zu sein, sich in die Situationen
hineinzuversetzen. In seinen Gedanken reist er mit Wallander und seinem Vater
nach Rom und steht dem Kommissar zur Seite, als er betrunken von seinen
Kollegen einer Fahrzeugkontrolle unterzogen wird. Ein Gefühl, als wäre man
‚mitten drin dabei’… Ein Teil der Leser, die bereits Ystad besucht haben, steht
womöglich, wenn sie dieses Kleinstadtidyll sehen, zunächst vor einem
scheinbaren Widerspruch. Mankells literarische Verbrechen mögen so gar nicht in
ihr gewonnenes Bild von Ystad hineinpassen. Glücklicherweise gibt es in der
Realität (noch) keinen Ort auf dieser Welt mit einer derart negativen Bilanz
begangener Kapitalverbrechen; Wallander begegnete in seiner Karriere immerhin
direkt oder indirekt 29 Mördern.189 Die täglichen Nachrichten zeigen uns jedoch
deutlich, was Mankell bereits Anfang der 90er-Jahre mit seinen Büchern
voraussagte: Verbrechen dieser Art können heute überall auf dieser Welt
geschehen. Aktuell berichten hiesige Printmedien über den Franzosen Michel
Fourniret, auf dessen Konto womöglich weit mehr als die bislang neun
eingeräumten Morde an jungen Frauen und Mädchen in Belgien und Frankreich
gehen. Mit dem geschilderten Maß an realen Handlungsorten und möglichem
Tatgeschehen gelingt es Mankell, seinen Lesern am Beispiel Ystad diese
Botschaft zu vermitteln. Genauso gut hätten die Romane in jedem anderen Ort auf
dieser Welt spielen können. Dieser Ansicht sind auch über ¾ der befragten Leser.
In ihrer Beurteilung des Realitätsgrades der Romane ist es völlig gleichgültig, ob
die Romane in Schweden oder der Bundesrepublik Deutschland spielen. Das Maß
an Realität ist in beiden Ländern gleich groß. Drei Teilnehmer gaben gar an, die
BRD wäre als Handlungsort für Mankells Romane realistischer.190
Im Ergebnis sind dies damit zwei weitere Gesichtspunkte, die ohne Zweifel zur
Beliebtheit Henning Mankells Kurt-Wallander-Romanen beigetragen haben.
189
190
vgl. Sens, S. 135.
siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 10.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
4.6
64
Das Marketingkonzept
Die Flut von Krimis, die Jahr für Jahr auf den deutschen Buchmarkt strömt und
ständig an Größe gewinnt (im Jahre 2003 wurden ca. 1375 Kriminalromane im
deutschsprachigen Raum veröffentlicht), kann der Leser schon lange nicht mehr
selbst bewältigen. Er muss eine Auswahl treffen, welchen Krimi er letzten Endes
lesen
wird
und
welchen
nicht.
Diesen
notwendig
gewordenen
Entscheidungsprozess versuchen nunmehr die Verlage durch den gezielten
Einsatz von Werbung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.191
Das Marketingkonzept von Henning Mankells Kurt-Wallander-Romanen wird
hauptsächlich beim Hardcover-Verlag Zsolnay erstellt, der die Romane zunächst
in gebundener Form veröffentlicht. Der dtv-Verlag entwirft zusätzlich bei jeder
neu erscheinenden Taschenbuchausgabe Poster, spezielle Verkaufsboxen und
Buchpakete für den Buchhandel vor Ort. Geworben wird vor allem in
Zeitschriften wie der Brigitte oder auch dem Endkundemagazin des dtv-Verlages
selbst sowie in der Branchenpresse wie z. B. dem Börsenblatt für den Deutschen
Buchhandel. Jedem verkauften dtv-Krimi liegt zusätzlich ein DIN A 6 Prospekt
des Verlages bei, in dem auch für Mankells Romane geworben wird. Lesezeichen
im Henning-Mankell-Design werden überdies in Form von Give-Aways für den
Buchhandel hergestellt.
In den letzten Jahren fand die Literaturwerbung auch den Weg in die
elektronischen Medien. Neben der bereits laufenden TV-Werbung warb der dtvVerlag für den zuletzt erschienenen Roman Wallanders erster Fall zum ersten
Mal fünf Tage lang auf Infoscreens in deutschen Großstädten. Die Zeitschrift
Stern veröffentlichte gar ab Juni 2001 Wallanders letzten Roman Die Brandmauer
im Vorabdruck, der im Laufe von zehn Ausgaben komplett in der Zeitschrift
erschien.192
191
vgl. Krimi-Couch.de; Literaturportal schwedenkrimi.de. krimi rezession (2004). In:
http://www.schwedenkrimi-forum.krimi-couch.de/forum/idThread-810.html; siehe Anhang A,
Abb. 9f.
192
vgl. Walter Wüllenweber. Wallanders letztes Abenteuer (2001). In:
http://www.stern.de/unterhaltung/ buecher/index.html?id=71331; Börsenverein des Deutschen
Buchhandels e.V.. dtv - Henning Mankell 13. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH,
(2004). S. 12f.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
65
Das Marketingkonzept der Kurt-Wallander-Romane war und ist natürlich in
Bezug auf die Cover- und Postergestaltung in erster Linie auf den BestsellerAutor und auf den Serien-Charakter seiner Kriminalromane ausgelegt. Mit dem
Marketingkonzept wird jedoch keine bestimme Altersgruppe angesprochen. Der
dtv-Verlag ist daher bemüht, seine Werbung möglichst neutral zu halten, um alle
Zielgruppen ansprechen zu können. Zuletzt erschien bei ihm auch der Band Die
Pyramide, der einen Auszug aus Wallanders erster Fall darstellt, in einer
Großdruckausgabe, um auch die sehbehinderten Leser Mankells bedienen zu
können. Im Allgemeinen verkaufen sich Krimis vor allem in ihrer jeweiligen
Taschenbuchausgabe. Im Falle bekannter Autoren wie z. B. Henning Mankell
sind aber auch die Hardcover sehr gefragt, da viele Fans nicht auf die später
erscheinende Taschenbuchausgaben warten wollen oder die Romane schlichtweg
sammeln. Eine erhöhte Nachfrage nach den Kurt-Wallander-Romanen ist überdies
nach ausgestrahlten Verfilmungen im TV zu verzeichnen.193
Obwohl literarische Doppel- und Mehrfachexistenzen in der Welt der
Kriminalliteratur keineswegs außergewöhnlich sind, verzichtete Henning Mankell
bislang auf die Benutzung eines Pseudonyms. Das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel
von Pseudonym und Enttarnung ist sicherlich unter dem Gesichtspunkt des
Marketings nicht zu verachten. Die Enttarnung eines Pseudonyms kurbelte in der
Vergangenheit schon so manchen Buchverkauf an. Darüber hinaus ließ sich
Henning Mankell auch nicht von dem Schubladendenken einiger Kollegen und
Kritiker
abhalten
und
veröffentlichte
nach
zahlreichen
Kinder-
und
Jugendbüchern nunmehr auch Kriminalromane unter seinem Namen. Cora
Stephan alias Anne Chaplet war in dieser Hinsicht weniger mutig und befürchtete
zum Gespött der Öffentlichkeit zu werden. Der Schöpfer Kurt Wallanders steht
fest hinter seinen Büchern, so dass ihn auch nicht das heute noch in Teilen
bestehende Image des Schmuddelgenres abbringen konnte, seine Romane unter
seinem Namen zu veröffentlichen.194
193
vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 27; siehe
dazu auch Anhang A, Abb. 8.
194
vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 27.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
66
Nach einem völligen Fehlstart beim Berliner Kleinverlag Edition Q ließ auch der
Erfolg beim Zsolnay Verlag auf sich warten. Die Reaktionen auf die Frankfurter
Buchmesse im Jahre 1998 konnten die Erwartungen, die man in Mankells
Kriminalromane gesteckt hatte, nicht erfüllen; eine Lesung in einer Münchner
Buchhandlung musste gar wegen mangelnden Interesses im Herbst des gleichen
Jahres abgesagt werden. Zwei Jahre später war Henning Mankell bereits
Bestsellerautor in Deutschland. Praktisch ohne Werbung verkauften sich seine
Bücher innerhalb von 3 Jahren 4,5 Millionen Mal in Deutschland - Rekord. Auch
die Feuilletons jubelten erst, als der Name Mankell bereits in den Bestsellerlisten
zu lesen war. Umso erstaunlicher ist dieser Blitzerfolg in Anbetracht dessen, dass
„dem Phänomen ‚Mankell’ [meine Hervorhebung !] alle Zutaten
fehlen, aus denen die Marketing-Abteilungen in den letzten Jahren
ihre Erfolge in der Sparte Designer-Literatur mixten: Der Autor ist
nicht sexy. Sein Held ist kein Held. Shoppen, Ficken, der ZweitPorsche und das Thema Ich-Ich-Ich spielen keine Rolle.“195
Stattdessen erfindet Mankell ‚altmodische’ Geschichten aus der Wirklichkeit ohne
jeglichen Blendcharakter.196
Die durchgeführte Leserumfrage bestätigte Rainer Traubs These eines
Spiegelartikels aus dem Jahre 1999, dass neben glänzenden Kritiken auch die
Mundpropaganda Mankells Roman Die fünfte Frau in die Bestsellerlisten brachte
und belegt darüber hinaus die Bedeutung der Mundpropaganda für den grandiosen
Erfolg der gesamten Serie. Lediglich durchschnittlich 5% der befragten Leser
gaben an, durch Werbung auf die Kriminalgeschichten aus Ystad aufmerksam
geworden zu sein. Im Gegensatz zu den Printmedien (6,5%) nimmt das
WorldWideWeb als Werbeplattform eine bislang zu vernachlässigende Rolle
(0,9%) ein. Immerhin 11,6% der Leser orientieren sich in ihrem Leseverhalten an
den Bestsellerlisten. Die Empfehlung der örtlichen Buchhandlung war bei gut
einem Viertel der Leser der ausschlaggebende Punkt, die Kurt-Wallander-Romane
zu lesen. Die Mehrzahl der Lesergemeinde wurde jedoch durch Empfehlungen
195
196
Walter Wüllenweber. Wallanders letztes Abenteuer (2001).
vgl. Wüllenweber. Wallanders letztes Abenteuer.
Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory
67
von Freunden, Bekannten oder Kollegen auf den schwedischen Autor aufmerksam
(69,9%). Dieses Lese- und damit verbundene Kaufverhalten führt zu einer
Verstärkung ohnehin bestehender Trends.197
Ein Marketing ‚mit’ seiner literarischen Erfindung verbittet sich der BestsellerAutor jedoch. Weder möchte er, dass Ystad die Figur des Kurt Wallander als
Symbol der Stadt und für den Toursimus vermarktet, noch stimmte er der
Produktion und dem Verkauf von Wallander Fan-Artikeln zu. Henning Mankell
willigte lediglich dem Faltblatt Auf den Spuren von Kurt Wallander, der in diesem
Jahr neu erschienenen CD-Rom sowie Touristenfahrten auf einem ausrangierten
Spritzenwagen der Freiwilligen Feuerwehr Ystads zu den wichtigsten
Schauplätzen seiner Krimis ein. Henning Mankell legt damit großen Wert darauf,
dass mit seiner literarischen Erfindung kein Schindluder getrieben wird. Diese
Haltung unterstreicht Henning Mankells Echtheit. Stände das Geld im absoluten
Vordergrund, hätte der Autor einer sicherlich gewinnbringenden Vermarktung
seines melancholischen Kommissars zugestimmt und die Kurt-Wallander-Serie
nicht auf dem Höhepunkt ihres Erfolges beendet.198
197
vgl. Rainer Traub. Der Spiegel des Verbrechens (1999), S. 179; Krimi-Couch.de;
Literaturportal schwedenkrimi.de. krimi rezession (2004).
198
vgl. Christian Wymann. Wallanders Revier; Sigrid Reinert. In Wallanders Welt (2004).
Schlussbetrachtung
5.
68
Schlussbetrachtung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sicherlich jeder der hier untersuchten
Aspekte seinen Teil dazu beigetragen hat, dass Henning Mankells KurtWallander-Romane in vielerlei Hinsicht eine wahrlich faszinierende Erfolgsstory
seit Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts schreiben konnten. Ein Erfolg,
der sich nicht nur in Rekordzahlen bezüglich des Verkaufs begründet. Schon nach
der Veröffentlichung des Debütromans Mörder ohne Gesicht fanden die ersten
Kurt-Wallander-Fans ihren Weg nach Ystad. Die Zahl der ‚Krimi-Touristen’
nimmt seither von Jahr zu Jahr kontinuierlich zu; jeder zweite Fan stammt dabei
aus dem deutschsprachigen Raum. In diesem Jahr startete gar das größte
Filmprojekt in der Geschichte Skandinaviens, an dem auch die deutsche ARD
beteiligt ist - 13 neue Wallander-Filme sollen dann im kommenden Jahr über
Europas Kinoleinwände und TV-Kanäle flimmern. Ein Erfolg, der trotz einiger
Widersprüchlichkeiten
in
den
Romanen
(Auerhahn/Birkhuhn
bzw.
das
Geburtsdatum Wallanders), nichts von seiner Anziehungskraft einbüßen
musste.199
Während das Marketingkonzept der Romane sicherlich eine weniger bedeutende
Rolle für den internationalen Erfolg der Kriminalgeschichten aus Ystad spielte,
kann die Mundpropaganda unter den deutschen Krimifans nicht hoch genug in
ihrem Einfluss gewertet werden. Das Genre der Kriminalliteratur als eines der
derzeit erfolgreichsten auf dem deutschen Buchmarkt sowie das gute Image
skandinavischer Krimis ließen mit Sicherheit so manchen unentschlossenen
Kunden in den Buchhandlungen Deutschlands auf Wallander und sein
Ermittlungsteam aufmerksam werden.
Doch welche Faktoren verhalfen Henning Mankells Kurt-Wallander-Romanen in
erster Linie zu diesem durchschlagenden Erfolg, wie er in der heutigen Zeit nur
noch schwerlich zu finden ist?
Zum Einen ist hierunter sicherlich Mankells Schreibkunst zu sehen. Die von den
Lesern hoch geschätzte mystische Stimmung, sein unverkennbarer literarischer
199
vgl. Reinert. Wallander-Pilger erobern Ystads Gassen; Reinert. In Wallanders Welt;
Sens, S. 134.
Schlussbetrachtung
69
Stil und die zeitweise ins unermessliche ansteigende Spannung hoben Kurt
Wallander ebenso zum Kult-Kommissaren empor wie Ystad - das literarische
Revier des weltberühmten Kommissars - sowie das schonische Landschaftsbild,
dem Mankell wie bereits erläutert eine Hauptrolle in seinen Bestseller-Romanen
einräumte. Inmitten unendlicher Kornfelder und den typisch weißgekalkten
Schonenhöfen sorgt der zuweilen melancholische Kommissar, mit dessen Sorgen
und Ängsten sich eine Vielzahl seiner Leser identifiziert, für die sprichwörtliche
‚Ruhe und Ordnung’. Kurt Wallander, „ein Mensch wie du und ich“200. Den
vierten Faktor stellt ohne Frage Mankells gesellschaftskritische Komponente
seiner Kriminalromane dar, mit denen der Autor seine Leser nicht nur unterhalten
möchte. In erster Linie liegt dem Schweden daran, die Menschen - und hier vor
allem die Politiker aller europäischen Länder - dazu zu bringen, über ihre
Gesellschaft
und
deren
offensichtliche
Missstände
nachzudenken
und
entsprechend aktiv zu werden. Der letzte und gleichzeitig bedeutendste Faktor des
grandiosen Erfolges der Kurt-Wallander-Romane stellt Mankells gleichermaßen
minutiöse und authentische Schilderung der Polizeiarbeit dar. Polizeiarbeit ‚en
détail’, die dem Leser einen in Teilen realistischen Blick auf die alltägliche Arbeit
eines Kriminalbeamten gibt.
„Mankells
Krimis
verkörpern
[damit]
par
excellence,
was
man
die
«Wärmeströmung» des Kriminalromans nennen könnte.“201 In dem Verzicht auf
machoide Schießereien, der Absenz von Special Effects, Autorasereien oder gar
wilden Frauengeschichten traf Henning Mankell, so kann man vermuten, den
Geist der Zeit.202
Es wäre völlig übertrieben anhand der im Rahmen dieser Arbeit angesprochenen
Erfolgsfaktoren mutmaßen zu wollen, die Erfolgsgeschichte der Kurt-WallanderRomane an dieser Stelle abschließend erörtert zu haben. Ein Teil des
Geheimnisses von Henning Mankells literarischem Erfolg wurde sicherlich
gelüftet, ein anderer Teil bleibt sowohl den Theoretikern sowie den Lesern
200
Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36.
Thomas Widmer. Bewusst langsam. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer
Nachrichtenmagazin 02. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001), S. 113.
202
vgl. Thomas Widmer. Bewusst langsam. (2001), S. 113.
201
Schlussbetrachtung
70
vorenthalten und lädt beide Personengruppen an dieser Stelle ein, Mankells
Romane erneut in die Hand zu nehmen und bei einem zweiten oder dritten Lesen
von Mal zu Mal mehr zu genießen. „Es gehört [wohl] zur Magie des Erfolges,
zumal des wirklich großen, dass nicht gänzlich aufzuklären ist, worauf er
eigentlich beruht.“203
„Etwas hat er vergessen, das weiß er genau, als er aufwacht.
Etwas, das er geträumt hat in dieser Nacht. Etwas, an das er
sich erinnern sollte…“204
203
204
Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit.
Mankell. Mörder ohne Gesicht, Kapitel 1.
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Literaturverzeichnis
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(1998). In: http://kaliber38.de/woertche/einzelteile/woche98.htm [Stand
21.07.2004].
Wüllenweber, Walter. Wallanders letztes Abenteuer (2001). In: http://www.
stern.de/unterhaltung/buecher/index.html?id=71331 [Stand 14.06.2004].
Wallanders Welt (2001). In: http://www.stern.de/
unterhaltung/buecher/index.html?id=71356 [Stand 18.06.2004].
Literaturverzeichnis
V
Wymann, Christian (Hg.). (2001). http://www.wallander.ch [Stand 22.03.17.06.2004].
ZDF.de (Hg.). (2001-2003). http://www.zdf.de [Stand 18.06.2004].
Zießler, Eva. Lieder des Schmerzes (2000). In: http://www.welt.de/daten/2000/
07/15/0715lw179681.htx?print=1 [Stand 24.06.2004].
D.
Internet-Foren
Krimi-Couch.de; Literaturportal schwedenkrimi.de (Hg.). krimi rezession
(2004). In: http://www.schwedenkrimi-forum.krimi-couch.de/forum/idThread810.html [Stand 23.06.2004].
E.
Tages-, Wochen- und Populärpresse
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hg.). Börsenblatt Extra Krimi
47. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2002). S. 21- 40, 4768f.
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (Hg.). dtv - Henning Mankell
13. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2004). S. 12f.
Henning, Peter. „Mich interessiert die Spirale des Unglücks“. In: Tamedia AG
(Hg.): Facts. Das Schweizer Nachrichtenmagazin 24. Zürich: Hans Heinrich
Conxinx, (1999). S. 136-139.
Traub, Rainer. „Der Spiegel des Verbrechens“. In: Augstein, Rudolf (Hg.):
Spiegel 26. Hamburg: Spiegel Verlag Rudolf Augstein, (1999). S. 179-181.
Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Leichenfund am Strand“. In: Schwetzinger
Zeitung 140, 21. Juni 2004, S. 4.
Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Selbstmordversuch scheitert“. In: Schwetzinger
Zeitung 218, 20. September 2004, S. 20.
Literaturverzeichnis
VI
Widmer, Thomas. „Bewusst langsam“. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das
Schweizer Nachrichtenmagazin 02. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001).
S. 113.
„Morden im Norden“. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das
Schweizer Nachrichtenmagazin 15. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001).
S. 146-149.
F.
Unveröffentlichte Quellen
Bruckner, Manuela. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel Henning
Mankell. Facharbeit Deutsch Wien, Höhere Bildende Schule für Tourismus
(2002).
Anhang A
VII
Anhang A
Anhang A
VIII
Abbildung 1:
Die Kurt-Wallander-Serie in ihrer chronologischen Reihenfolge
Deutscher Titel
(Erscheinungsjahr)*
*
Originaltitel
Erstveröffentlichung
Mörder ohne Gesicht (2001)
Mördare utan ansikte
1991
Hunde von Riga (2000)
Hundarna i Riga
1992
Die weiße Löwin (2002)
Den vita lejoninnan
1993
Der Mann, der lächelte (2001)
Mannen som log
1994
Die falsche Fährte (1999)
Villospår
1995
Die fünfte Frau (1998)
Den femte kvinnan
1996
Mittsommermord (2000)
Steget efter
1997
Die Brandmauer (2001)
Brandvägg
1998
Wallanders erster Fall (2002)
Pyramiden
1999
Berücksichtigt werden hier die Escheinungsdaten des Paul Zsolnay Verlages, Wien.
Abbildung 2:
Leserumfrage: Welcher Faktor hat Ihrer Meinung nach am meisten dazu
beigetragen, dass die Wallander-Romane internationale
Bestseller geworden sind? **
33%
39%
28%
spannende Kriminalgeschichten aus dem düsteren Schweden
subtile Gesellschaftskritik anhand aktueller Themen
realitätsnahe Fälle und sympathische Figuren
**
Diese Umfrage wurde im März 2003 durch die deutsche Kurt-Wallander-Fanpage
http://www.wallander-web.de durchgeführt. An dieser Umfrage nahmen 702 Personen teil.
Anhang A
IX
Abbildung 3:
Leserumfrage: Welcher der bisher in Deutschland veröffentlichten Romane
um Kommissar Wallander gefällt Ihnen persönlich am
Besten?*
5%
15%
31%
13%
2%
18%
Mörder ohne Gesicht
Der Mann, der lächelte
Mittsommermord
*
16%
Hunde von Riga
Die falsche Fährte
Die weiße Löwin
Die fünfte Frau
Diese Umfrage wurde im April/Mai 2001 durch die deutsche Kurt-Wallander-Fanpage
http://www.wallander-web.de durchgeführt. Mankells achter Roman Die Brandmauer sowie
Wallanders erster Fall waren zum Zeitpunkt der Meinungsumfrage noch nicht auf dem
deutschen Buchmarkt veröffentlicht. Eine Beteiligtenzahl konnte nicht ermittelt werden.
Anhang A
X
Abbildung 4:
Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Leichenfund am Strand“. In:
Schwetzinger Zeitung 140, 21.Juni 2004, S. 4.
Abbildung 5:
Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Selbstmordversuch scheitert“. In:
Schwetzinger Zeitung 218, 20.September 2004, S. 20.
Anhang A
XI
Abbildung 6:
Das Genre der Kriminalliteratur *
Verbrechensliteratur
Kriminalliteratur
Kriminalroman/
Kriminalerzählung
Detektivroman
Polizeikrimi
Detektiverzählung
Thriller
Feministischer Krimi
Schauerroman
Regionalkrimi
Tierkrimi
Historischer Krimi
Nostalgische Kriminalromane
Soziokrimi
Kriminalistische
Abenteuererzählung
Gebrestenkrimi
Psychokrimi
Kloster- und Kirchenkrimi
Cyberpunk
Verbrechensdichtung
Psychopathenkrimi
Romantik-Thriller
Schwulen-/ Lesbenkrimi
Politkrimi
Spionageroman
Heftromankrimi
hard-boiled school
*
vgl. Nusser, S. 1-7, 106; Vogt, S. 7; Schindler, S. 21-24; Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 1.
Anhang A
XII
Abbildung 7:
Umsatzanteile der Warengruppen nach Editionsformen 2003 *
Hardcover
Taschenbuch
Hörbuch/
Audiobook
Belletristik
16,1
65,0
45,4
Kinder- und Jugendbuch
16,1
7,1
24,9
9,1
1,9
0,4
20,2
9,7
8,0
12,1
9,4
6,1
8,3
2,0
0,2
7,2
4,3
0,7
10,9
0,6
14,4
100,0
100,0
100,0
Reise
Sachbuch/ Register
Geisteswissenschaften,
Kunst & Musik
Mathematik,
Naturwissenschaft & Technik
Sozialwissenschaft,
Recht & Wirtschaft
Schule und Lernen
Abbildung 8:
Umsatzanteile innerhalb der Warengruppe Belletristik 2003 *
Hardcover
Taschenbuch
Hörbuch/
Audiobook
Romane
41,8
55,1
48,6
Krimis
13,1
27,5
21,9
Science Fiction/ Fantasy
5,5
7,9
9,9
1,3
0,2
2,1
2,9
2,3
6,5
8,2
5,1
2,9
3,8
0,2
0,9
12,7
1,0
7,1
10,9
0,6
0,0
Märchen/ Sagen/ Legenden/
Fabeln
Lyrik/ Dramatik/ Essays/
Aufsätze
Briefe/ Tagebücher/
Biographien
Fremdsprachige Literatur
Humor/ Cartoons/ Comics/
Satire
Geschenkbücher
*
Nach den Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V..
Anhang A
XIII
Abbildung 9:
Monatszahlen der Neuveröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, die dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen sind *
200
1999
180
2000
160
2001
140
120
2002
100
2003
80
2004
60
40
20
0
Jan
*
Febr
März
April
Mai
Juni
Juli
Aug
vgl. kaliber.38. Krimis im Internet. Neuerscheinungen (2004). In: http://www.kaliber38.de.
Sept
Okt
Nov
Dez
Anhang A
XIV
Abbildung 10:
Jahreszahlen der Neuveröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, die
dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen sind *
1999
2000
2001
2002
2003
2004
0
*
200
400
600
800
1000
1200
1400
vgl. kaliber.38. Krimis im Internet. Neuerscheinungen (2004). In: http://www.kaliber38.de.
Abbildung 11:
Jahreszahlen deutschsprachiger Erstveröffentlichungen im Bereich der
Kriminalliteratur **
200
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
**
vgl. Das Syndikat. Glauser (2004). In: http://www.das-syndikat.com.
Anhang A
XV
Abbildung 12:
Interview mit Frau Ewa-Gun Westford am 09. August 2004, 10.00 Uhr
in 27180 Ystad, Stora Östergatan (Dolmetscherin: Ulrika Luka, BKA).
Frage: Das erste Buch „Mörder ohne Gesicht“ beruht auf einer wahren
Begebenheit, laut derer ein Bauernehepaar in der Nähe von Ystad überfallen und
hierbei schwer verletzt wurde. Wann ist dies geschehen und war diese Tat
tatsächlich der ausschlaggebende Punkt für Mankell sein erstes Buch mit
Kommissar Wallander zu schreiben?
Antwort: Das stimmt so. Das Buch basiert auf einer wahren Begebenheit. Das
Ehepaar wurde jedoch nicht - wie in den Büchern geschildert - ermordet, sondern
schwer misshandelt. H. M. hat das einfach nur noch ein bisschen schlimmer
gemacht.
Frage: Gab es tatsächlich fremdenfeindliche Reaktionen auf diese Tat?
Antwort: H. M. hat die Stimmung, die es gab, auffangen können. Er hat des
Öfteren schon über Dinge geschrieben, bevor diese überhaupt geschehen waren.
Er hat also ein Vermögen Stimmungen aufzufangen und zu vermitteln. Eine
fremdenfeindliche
Stimmung
dieses
Ausmaßes
gab
es
jedoch
nicht.
Fremdenfeindlichkeit ist eigentlich ein sehr tabu belegtes Thema, vor allem hier in
Schweden, weil wir Schweden immer denken: „Wir sind super korrekt und
tüchtig.“
Frage: Wie hat H. M. auf den Fall reagiert? Hat er den Kontakt zur Polizei
gesucht, um mehr über diesen Fall zu erfahren und wann hat er sich das erste Mal
bei der Polizei gemeldet?
Antwort: Wie und wann das Ganze angefangen hat - das weiß keiner. H. M. lebt
jedoch seit 25 Jahren auf einem Hof außerhalb von Ystad und beschreibt die Stadt
als eine Art Grenzland zwischen Polen und dem Kontinent. Die südliche Spitze
von Schweden ist ein Grenzland zu Polen. H. M. hat die Polizisten in Ystad viel
besucht und es kommen Dinge in den Büchern vor, die an die Wirklichkeit
grenzen. Es gibt zum Beispiel einen Polizisten namens Wald. Er hat eine Tochter
Anhang A
XVI
namens Linda, trinkt gerne Whiskey und liebt die Oper. Auch die
Polizeidirektorin von Ystad war bis Dezember letzten Jahres eine Frau. Es gibt
also ein paar Dinge, die real sind. Liza Hold entspricht jedoch keineswegs Eva
Astrid Rosberg, der damaligen Chefin der Ystader Polizei. Deren Gemeinsamkeit
liegt lediglich darin, dass es sich jeweils um eine weibliche Führungskraft handelt.
Wirklichkeit und Fiktion werden auf eine Art verwoben, die das Ganze ein wenig
mystisch macht.
Frage: Ist der Name Wallander auf den Kriminalbeamten Wald zurückzuführen,
der in dem o. g. Fall der ermittelnde Beamte war?
Antwort: Ich habe nicht versucht H. M. dazu auszuquetschen. Gewisse Dinge
braucht man nicht zu wissen. Je älter man wird desto mehr hat man vielleicht so
das Gefühl: „Das muss man nicht wissen. Es ist schon besser wenn man es nicht
weiß.“. Es ist schlimm genug zu sehen wie viel man in der Filmwelt pfuscht, um
einfach gute Bilder zu bekommen. Das, was wir letztendlich im Film sehen, ist
nicht so wie es richtig gelaufen ist.
Frage: In den Büchern werden sowohl die Autoschieberei nach Polen als auch
die Rauschgiftkriminalität zu Kriminalitätsschwerpunkten dieser Stadt erklärt.
Trifft diese Aussage zu und was zeigen aktuelle Entwicklungen auf?
Antwort: Dies sind zwei Hauptpunkte der Polizeiarbeit hier in Ystad.
Luxusautos, in denen oftmals gleichzeitig Drogen versteckt sind, werden nach
Polen geschmuggelt. Leider hat die Polizei in Ystad keine Ressourcen, um diese
Sachen zu überwachen. Kfz- und Drogenschmuggel sind OK-Delikte, die von
Malmö aus gesteuert werden. Malmö ist in diesem Fall zuständig für den Bereich
Skåne. In den Romanen kommt Wallander mit diesen Kriminalitätsfeldern in
Berührung. In der Realität würde das nicht passieren, sondern von Malmö aus
gesteuert werden.
Anmerkung: In diesem Augenblick kommt Herr Göran Schön, ein Kollege von
Frau Westford, hinzu. Er vermittelte dem Schauspieler Krister Hendriksson, der
Kurt Wallander in „Vor dem Frost“ spielt, die männliche Perspektive eines
Kriminalbeamten aus Ystad und trug somit dazu bei die Authentizität der
Anhang A
XVII
Verfilmungen zu erhöhen. Die folgende Frage wird deshalb von Herrn Schön
beantwortet.
Frage: Einige Male hält Wallander absichtlich Informationen gegenüber seinen
Kollegen zurück und ermittelt letztendlich auf eigene Faust. Privat hat er u. a.
Ernährungsprobleme und leidet unter der Scheidung von Mona, was ihn immer
wieder in eine melancholische Stimmung versetzt. Könnte die Person Kurt
Wallander - sowohl aus privater als auch dienstlicher Sicht - im realen
schwedischen Polizeiapparat existieren?
Antwort: In der Realität müsste Wallander mit einer Kündigung rechnen, sobald
er gegen geltende Gesetze verstößt. Zur privaten Situation des Kurt Wallander
kann ich nichts sagen, da ich mich nicht in einer vergleichbaren privaten Situation
befinde.
Frage: Weist Ystad eine höhere Kriminalitätsrate im Vergleich zu anderen
Städten Südschwedens auf?
Antwort: Nein. Angesichts des Hafens überwiegen hier lediglich die
Schmuggeldelikte. Die übrigen Bereiche Südschwedens haben ihrerseits jedoch
andere spezifische Kriminalitätsschwerpunkte. In Småland, dessen Landschaft
von Wäldern geprägt ist, überwiegen Delikte wie Diebstähle, Hehlerei oder
Schwarzbrennerei. Auch die Hells Angels sind hier aktiv. Angesichts der Nähe
zum
Baltikum
stellt
in
Lappland
hingegen
die
Prostitution
einen
Kriminalitätsschwerpunkt dar. Die Hauptstadt wiederum muss ihre Schwerpunkte
im OK-Bereich der Wirtschaftskriminalität setzen, deren Ursprünge in Lettland,
Litauen und Estland zu suchen sind. Gerade das Phänomen durchorganisierter
Banden ist mittlerweile auch in Ystad zu beobachten. Mit der Kriminalität verhält
es sich so wie mit der Mode. Die neuen Trends kommen von London über
Stockholm und Malmö letztendlich nach Ystad. Betrachtet man die Morde an
Olof Palme oder Anna Lind, wird einem klar, dass die Schweden in dieser
Hinsicht naiv sind. Während die Welt mit diesem Thema versiert umgeht, fragt
sich das schwedische Volk ganz erstaunt: „Ups, wie konnte das denn passieren?“
Anhang A
XVIII
Frage: Wo liegen die Schwerpunkte der kriminalpolizeilichen Arbeit in Ystad?
Antwort: Es handelt sich hierbei um Eigentumsdelikte und Straftaten gegen die
körperliche Unversehrtheit. Im Falle von schwerwiegenderen Delikten wie Mord
oder Totschlag greift die Polizei in Ystad auf die technische und personelle
Unterstützung der Landespolizei in Malmö zurück. Den Fall untersucht sie jedoch
selbst.
Frage: Wie lange liegt der letzte Mord in Ystad zurück?
Antwort: Es handelt sich hierbei um den Totschlag an einem neugeborenen Kind
vom 09./10. Januar diesen Jahres in einer Nachbarkommune von Ystad. Die
Täterschaft konnte bis heute noch nicht eindeutig geklärt werden. Man weiß,
Wallander gibt es nicht, aber im Falle der Brandstiftungsserie vom Oktober 2003
oder dem zuvor erwähnten Totschlag denkt man für sich: „Oh Mann, das ist ja
wie der Anfang eines Wallander Romans“. Wallander gibt es überall.
Frage: Wie viele Einwohner hat Ystad?
Antwort: Ich glaube 13.000, bin mir aber nicht sicher.
Frage: Wie viele Polizisten arbeiten hier in Ystad? Und wie groß ist deren
Zuständigkeitsbereich?
Antwort: Insgesamt sind 320 Beamten und Angestellte für die Polizei in Ystad
tätig. Abzüglich der örtlichen Angestellten handelt es sich letztendlich hierbei um
ca. 220 PolizeibeamtInnen. Die Polizei in Ystad ist darüber hinaus für die sieben
Bereiche Trelleborg, Vellinge, Svedåla, Skurup, Ystad, Tomellila und
Simrishamn zuständig.
Frage: Sind die übrigen Fälle, die in den Büchern beschrieben werden, jemals in
einer gewissen Ähnlichkeit in Skandinavien passiert?
Antwort: H. M. hat die übrigen Mordfälle erfunden. Es gibt jedoch immer eine
gewisse Realitätsanknüpfung. So haben zum Beispiel Einwanderer in Malmö Igel
angezündet. Das hat uns sehr stark an die brennenden Schwäne in „Vor dem
Frost“ erinnert.
Anhang A
XIX
Frage: Das Kollegenverhältnis wird in den Büchern nicht sehr innig dargestellt.
Wallander weiß zum Beispiel nichts von Svedbergs Bewunderung ihm gegenüber.
Lediglich mit Ann-Britt Höglund spricht der Kommissar über private Probleme.
Trifft das auch für den realen Polizeialltag in Ystad zu?
Antwort: Das entspricht der Realität. In diesem Zusammenhang muss man
jedoch erwähnen, dass die Polizei eine sehr strikte, hierarchische und männliche
Organisation ist. Es gibt erst seit 1958 Frauen bei der schwedischen Polizei. Im
Vergleich zu dem normalen Tagesdienst kommt man sich zum Beispiel um 4 Uhr
morgens - zusammen in einem Streifenwagen - wesentlich näher. Das Verhältnis
ist dann ein anderes. Frauen bei der Polizei haben dazu beigetragen, dass vermehrt
auch über private Belange gesprochen wird. Man hat in den letzten Jahren mit
Hilfe der weiblichen Perspektive die Polizeiarbeit in eine andere Richtung lenken
können. Der Mitbürger wurde ins Zentrum gerückt und man setzt in manchen
Situationen auf weichere und sanftere Töne im Gegensatz zu der strikten
männlichen Welt, die die Polizeiarbeit lange Zeit geprägt hat. Ich bin mir nicht
sicher, ob das der Grund ist, weshalb Linda Wallander nun Polizistin wird. Ich bin
auf jeden Fall sehr gespannt, wie H. M. Linda beschreiben wird, wie sie ihre
Aufgabe als Polizistin meistern und Kurt Wallander diesen Umstand bewältigen
wird.
Frage: Sowohl Ann-Britt Höglund als auch Martinsson müssen zunächst um die
Akzeptanz ihrer neuen Kollegen kämpfen. Bestehen tatsächlich Vorurteile
gegenüber Frauen und jüngeren Kollegen innerhalb des schwedischen
Polizeiapparates?
Antwort: Diese Vorurteile bestehen leider seitens einiger Kollegen in Ystad, da
die Welt hier sehr traditionsgebunden ist und zum Beispiel einige Kollegen schon
immer hier arbeiten. Ich selbst habe das vor zwei Jahren trotz meiner 32-jährigen
Diensterfahrung erleben müssen, als ich nach Ystad kam und mich einer
traditionellen Männerwelt gegenübersah. Das war sehr anstrengend. 1974 haben
sich
Männer
noch
geweigert
mit
Frauen
Streife
zu
fahren
Gleichstellungspläne waren nicht vorhanden.
Frage: Wie hoch ist heute der Frauenanteil bei der schwedischen Polizei?
und
Anhang A
XX
Antwort: Während der Frauenanteil landesweit bei ca. 25% liegt, sind es in Ystad
ungefähr 10%. Bei den Neueinstellungen wird jedoch eine Frauenquote von 30%
angestrebt. Momentan ist man bestrebt vermehrt Ausländer bei der schwedischen
Polizei einzustellen, so dass sich der Fokus in diesem Bezug etwas verschoben
hat.
Frage: Sind die beschriebenen Täterprofile der Bücher in Schweden so denkbar?
Antwort: H. M. schmückt wie gesagt vieles aus, weshalb man nicht genau sagen
kann, was nun der Realität entspricht. Er tendiert hier mehr zu Afrika - aber eben
doch im schwedischen Sinne. Obwohl H. M. viel in Afrika lebt, weiß er genau wo
die Probleme in Schweden liegen und berichtet von Dingen, bevor sie hier
passieren. Das ist das Mystische an diesen Büchern und verursacht Gänsehaut.
Frage: Wallander baut zu Hoover, dem Mörder aus „Die falsche Fährte“, ein
fast schon persönliches Verhältnis auf und geht sogar zu dessen Beerdigung.
Kann es in der Tat zu solchen Verhältnissen zwischen dem einzelnen
Kriminalbeamten und dem Täter kommen?
Antwort: Das passiert eigentlich nicht in der Realität. Bei dem zuvor erwähnten
Totschlag hat man z. B. lediglich darüber gesprochen, wie man und wer denn
dieses Neugeborene beerdigen soll.
Frage: Ist die beschriebene Ermittlungstaktik, zum Beispiel in Bezug auf die
Dienstbesprechungen und Wallanders „berühmten“ Block, authentisch?
Antwort: Diesen Block gibt es wirklich. Es handelt sich hierbei um ein kleines
schwarzes
Wachsbuch,
das
die
Kollegen
immer
bei
sich
haben.
Dienstbesprechungen finden zweimal täglich statt.
Frage: Dieses Besprechungszimmer gibt es angeblich aber nicht.
Antwort: Es gibt unterschiedliche Arten von Besprechungen und demnach auch
unterschiedliche Räume, in denen diese stattfinden.
Frage: Gibt es einen speziell ausgebildeten Spurensicherungsbeamten?
Antwort: Ja, dieser Beamte ist ein Techniker, der für seine Arbeit speziell
ausgebildet wird. Ist ein Verbrechen passiert, sperrt zunächst die Streifenpolizei
Anhang A
XXI
das Gebiet ab und anschließend wartet man auf den Techniker, der dann die
Spuren sichert und bei Bedarf auch filmt.
Frage: Ist es üblich, dass die Staatsanwaltschaft im selben Gebäude wie die
Polizei untergebracht ist?
Antwort: Das ist nicht üblich für Schweden, jedoch tatsächlich so in Ystad und
ausgezeichnet für die Zusammenarbeit. Die Staatsanwaltschaft in Ystad besteht
aus einem Staatsanwalt und einer Staatsanwältin.
Frage: Kurt Wallander kombiniert bei seiner Ermittlungsarbeit Logik und
Instinkt.
Antwort: Wallander ist ein sehr engagierter Polizist, was ihn unter anderem seine
Ehe gekostet hat. Er ist ein typisch unsicherer schwedischer Mann für sein Alter.
Nach seiner gescheiterten Ehe widmet er sich völlig seiner Arbeit und agiert auch
sonst typisch angesichts der privaten Situation, in der er sich befindet.
So
integriert er zum Beispiel die großen Lebensfragen in seine Arbeit und wenn alles
zu viel für ihn wird, greift er zur Whiskeyflasche und hört Opern. Da ist es nicht
verwunderlich, dass Wallander in eine melancholische Stimmung verfällt.
Frage: Hängt diese melancholische Stimmung, die immer wieder in den Büchern
zum Ausdruck kommt, mit dem Beruf des Polizisten zusammen oder könnte man
diese auch auf Kurts gescheiterte Ehe und die damit zusammenhängenden
Probleme zurückführen?
Antwort: Man sollte schon daran denken, dass Polizisten in ihrer Tätigkeit viel
auf Gewalt und andere schlimme Situationen treffen. Ärzte machen das zum
Beispiel auch auf eine ähnliche Weise.Der Polizist wird in seiner Arbeit viel mit
menschlichen Defekten konfrontiert. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Beruf
des Polizeibeamten einzigartig und das sollte man in diesem Punkt nicht
vergessen.
Frage: Ist es möglich verallgemeinernd zu sagen, dass die Scheidungsrate in der
Polizei höher ist als in anderen Berufen?
Antwort: Bei der Polizei ist die Scheidungsfrequenz in der Tat sehr hoch.
Anhang A
Frage:
Sind
XXII
speziell
die
Romanenden
unter
dem
Gesichtspunkt
der
Eigensicherung unrealistisch?
Antwort: Ja, das wird hier so gesehen. Gerade im Hinblick auf die
Eigensicherung gibt es in Schweden ein Regelbuch nach dem sich die Beamten
richten. Gerade das macht Wallander nicht, was ihn in diesem Punkt
unglaubwürdig macht. Aber ohne diesen Fakt gäbe es kein Buch und keinen Film.
Frage: H. M. beschreibt die gesellschaftliche Situation in Schweden als sehr
bedenklich. Ist diese tatsächlich gekennzeichnet von einer fremdenfeindlichen
Stimmung, einer zunehmenden Gewaltbereitschaft, einem immer größer
werdenden Gegensatz zwischen Arm und Reich sowie von Jugendlichen, die nicht
wissen, was sie tun sollen?
Antwort: Das ist exakt richtig. Malmö zum Beispiel ist eine tickende Bombe.
Erst letzten Freitag hat hier ein 16-jähriger Junge eine andere Person hingerichtet.
Die Politiker beurteilen die Situation falsch.
Frage: H. M. warnt vor dem Kollaps des schwedischen Sozialstaates.
Antwort: Ich kann diesen Eindruck nur bestätigen. Das ist ein politisches
Problem. Politiker setzen sich lieber selbst in Szene als sich um Probleme dieser
Art zu kümmern.
Frage: Sind die gesellschaftlichen Probleme größer als in den übrigen
skandinavischen Ländern?
Antwort: Wahrscheinlich. Ich glaube, eine Ursache hierfür ist, dass sich
Schweden im Gegensatz zu Dänemark und Norwegen im Zweiten Weltkrieg
neutral verhalten hat. Dadurch sind die Schweden etwas naiver.
Frage: H. M. wird in Deutschland vor allem für die genaue Schilderung der
Polizeiarbeit gelobt. Wie recherchiert H. M.?
Antwort: Ich erlebe Mankell wie eine Art Schwamm, der alles in sich aufsaugt.
Wenn man mit ihm zusammen ist, dann ist er sehr ruhig und zurückhaltend. Er ist
mit einer schwedischen Frau verheiratet und eine schwedische Polizistin schreibt
für ihn Erlebnisse auf.
Anhang A
XXIII
Frage: Verhält sich die schwedische Polizei ihm gegenüber aufgeschlossen?
Antwort: H. M. steht nicht im direkten Kontakt zur Polizei. Ich schicke ihm
jedoch ausgewählte Zeitungsartikel zu, die eventuell für ihn von Interesse sein
könnten. Darüber hinaus abonniert er auch die schwedische Polizeizeitung. Ich
bin sozusagen das Verbindungsglied zwischen Mankell und den Schauspielern,
die bei den Verfilmungen seiner Bücher mitwirken.
Frage: Sind die Namen der Personen in den Büchern typisch schwedisch?
Antwort: Ja.
Frage: Trifft es zu, dass H. M.s Bücher inoffiziell zur Polizeiausbildung benutzt
werden?
Antwort: Das weiß ich nicht. Als Verantwortliche für neue Kollegen in Ystad
gebe ich diesen jedoch jeweils eine Ausgabe von „Mörder ohne Gesicht“, da ich
der Meinung bin, dass man dieses Buch gelesen haben sollte.
Frage: Ist dies das beliebteste Buch in Schweden?
Antwort: Nein, aber es ist das erste Buch. Meiner Meinung sollte man die
Nummer eins lesen, wenn man sich Wallander nähern möchte. Ich persönlich
finde die „Rückkehr des Tanzlehrers“ und „Vor dem Frost“ am Besten.
Anhang B
XXIV
Anhang B
Anhang B
XXV
Anlage 1:
Fragebogen „Henning Mankell“
Persönliche Angaben:
Geschlecht
männlich
weiblich
Familienstand
ledig
verheiratet
geschieden
Alter
…….. Jahre
Wohnort
……..
Beruf
……..
1) Wie viele Bücher lesen Sie durchschnittlich im Laufe eines Monats?
…….. Stück
2) Wie hoch ist der Anteil der von Ihnen gelesenen Bücher an Kriminalliteratur? …….. %
3) Wie lange interessieren Sie sich schon für dieses Genre der Literatur?
…….. Jahre
4) Welche Romane von Henning Mankells „Kurt-Wallander-Serie“ haben Sie gelesen?
(Bitte kreuzen Sie die von Ihnen gelesenen Romane an.)
1. FALL Mörder ohne Gesicht
2. FALL Hunde von Riga
3. FALL Die weiße Löwin
4. FALL Der Mann, der lächelte
5. FALL Die falsche Fährte
6. FALL Die fünfte Frau
7. FALL Mittsommermord
8. FALL Die Brandmauer
Wallanders erster Fall. Erzählungen.
5) Wie sind Sie auf Mankells „Kurt-Wallander-Romane“ aufmerksam geworden?
Empfehlung von Bekannten/ Freunden
Empfehlung von Kollegen
Buchhandlung
Bestsellerliste
Werbung. Falls zutreffend: Art des Mediums:
Fernsehen/ Hörfunk
Zeitung/ Zeitschrift
Internet
Anhang B
XXVI
6) Welcher der „Kurt-Wallander-Romane“ hat Ihnen
am Besten
…......
am Wenigsten ……..
gefallen?
7) Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie
als den authentischsten Roman der Serie
……..
als den unrealistischsten Roman der Serie
……..
ein?
8) Wie realistisch empfinden Sie
1
2
3
4
das Tatgeschehen
den Hauptcharakter Kurt Wallander
die private Situation des Kurt Wallander
die Nebencharaktere
das Kollegenverhältnis
die dargestellten Täterprofile
das Täter-Ermittlungsbeamter Verhältnis
den Ablauf der Polizeiarbeit
die Ermittlungstaktik
die Vorgehensweise bei der Spurensicherung
die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit
den jeweiligen Romanausgang
der „Kurt-Wallander-Romane“?
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= absolut realistisch, 2=teils realistisch,
3= teils unrealistisch, 4= völlig unrealistisch.)
9) Henning Mankells „Kurt-Wallander-Roamne“ spielen in Ystad - einem kleinen Ort in
Südschweden. Kennen Sie die Unterschiede zwischen den deutschen und schwedischen
Ermittlungsbehörden?
Ja.
Nein.
10) Beeinflusst die Tatsache, dass die Romane in Schweden spielen Ihre Bewertung der Realität in
den Romanen?
Ja. Die Bundesrepublik Deutschland als Handlungsort wäre realistischer.
Ja. Die Bundesrepublik Deutschland als Handlungsort wäre unrealistischer.
Anhang B
XXVII
Nein. Es ist völlig gleichgültig in welchem der beiden Länder die Romane spielen. Das Maß
an Realität ist in beiden Ländern gleich.
11) Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane
1
2
3
4
der Unterhaltungsfaktor
der kriminalistische Wert?
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= absolut wichtig, 2=wichtig,
3=unwichtig, 4=völlig unwichtig.)
12) Wie haben Ihnen die „Kurt-Wallander-Romane“ insgesamt gefallen? 1
2
3
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr gut, 2=gut, 3=weniger gut,
4=überhaupt nicht.)
13) Worin liegen die Gründe hierfür?
1
2
3
4
die Spannung
der literarische Stil
die Authentizität
die Identifikation mit dem Hauptcharakter
die eingebrachte Gesellschaftskritik
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr entscheidend, 2=entscheidend,
3=unwesentlich, 4=völlig unwesentlich.)
14) Hat sich Ihr Bild von der Polizei dadurch verändert?
Nein.
Wenn ja, wie?
1
2
3
4
Positiv
Negativ
(Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr stark, 2=stark, 3=gering,
4=äußerst gering.)
Vielen Dank für Ihre Mithilfe,
Iris Lörch
4
Anhang B
XXVIII
Anlage 2:
Fragebogenauswertung
Geschlecht
Gültig
Gültige
Prozente
58,3
Kumulierte
Prozente
58,3
41,5
41,7
100,0
99,5
100,0
Häufigkeit
126
Prozent
58,1
weiblich
90
Gesamt
216
männlich
Fehlend
System
Gesamt
1
0,5
217
100,0
Alter
Gültig
15-24
Häufigkeit
43
Prozent
19,8
Gültige
Prozente
19,9
Kumulierte
Prozente
19,9
25-34
92
42,4
42,6
62,5
35-44
49
22,6
22,7
85,2
45-54
23
10,6
10,6
95,8
55-65
9
4,1
4,2
100,0
216
99,5
100,0
Gesamt
Fehlend
System
Gesamt
1
0,5
217
100,0
Beruf
Gültig
Schüler/in
Häufigkeit
7
Prozent
3,2
Gültige
Prozente
3,3
Kumulierte
Prozente
3,3
Student/in
28
12,9
13,4
16,7
Angestellte/r
57
26,3
27,3
44,0
Absolvent/in
56
25,8
26,8
70,8
3
1,4
1,4
72,2
Rentner/in
Arbeitslose/r
1
0,5
0,5
72,7
45
20,7
21,5
94,3
Selbstständig
8
3,7
3,8
98,1
Hausfrau
1
0,5
0,5
98,6
Azubi
3
1,4
1,4
100,0
Gesamt
209
96,3
100,0
System
8
3,7
217
100,0
Polizeibeamter/in
Fehlend
Gesamt
Anhang B
XXIX
Frage 1: Wie viele Bücher lesen Sie durchschnittlich im Laufe eines
Monats?
Häufigkeit
Gültig
0,25
4
Prozent
1,8
Gültige
Prozente
1,8
Kumulierte
Prozente
1,8
0,50
4
1,8
1,8
3,7
1,00
52
24,0
24,0
27,6
2,00
78
35,9
35,9
63,6
3,00
42
19,4
19,4
82,9
4,00
13
6,0
6,0
88,9
5,00
14
6,5
6,5
95,4
6,00
3
1,4
1,4
96,8
7,00
2
0,9
0,9
97,7
8,00
3
1,4
1,4
99,1
10,00
1
,5
0,5
99,5
100,0
25,00
1
0,5
0,5
Gesamt
217
100,0
100,0
Frage 2: Wie hoch ist der Anteil der von Ihnen gelesenen Bücher an
Kriminalliteratur?
27,60%
30,00%
22,10%
25,00%
20,00%
13,80%
15,00%
9,70%
14,80%
10,60%
10,00%
5,00%
1,40%
0,00%
<10%
10-25%
26-40%
41-55%
56-70%
71-85%
86-100%
Anhang B
XXX
Frage 3: Wie lange interessieren Sie sich schon für dieses Genre der
Literatur?
34,42
35
30
25
20,93
18,14
20
15
12,09
9,77
10
4,65
5
0
01-05
Jahre
06-10
Jahre
11-15
Jahre
16-20
Jahre
21-30
Jahre
über 30
Jahre
Frage 4: Welche Romane von Henning Mankells „Kurt-Wallander-Serie“
haben Sie gelesen?
100,00%
91,20%
90,00%
89,40%
87,10% 86,20% 88,00% 88,00%
82,50%
78,30%
80,00%
70,00%
65,00%
60,00%
50,00%
ng
en
Er
zä
hl
u
8.
Fa
ll
7.
Fa
ll
6.
Fa
ll
5.
Fa
ll
4.
Fa
ll
3.
Fa
ll
2.
Fa
ll
1.
Fa
ll
40,00%
Anhang B
XXXI
Frage 5: Wie sind Sie auf Henning Mankells „Kurt-Wallander-Romane“
aufmerksam geworden?
70,00%
Empfehlung von
Bekannten/ Freunden
Empfehlung von Kollegen
62,50%
60,00%
50,00%
Buchhandlung
40,00%
Bestsellerliste
30,00%
Werbung- TV/ Hörfunk
24,50%
20,00%
Werbung- Printmedien
11,60%
7,40%
10,00%
6,50%
4,20%
0,90%
Werbung- Internet
0,00%
Frage 6a: Welcher der „Kurt-Wallander-Romane“ hat Ihnen am Besten
gefallen?
40,00%
38,20%
35,00%
30,00%
25,00%
18,90%
20,00%
15,00%
10,10%
10,00%
5,00%
8,30%
6,90%
6,50%
5,10%
3,70%
1,80%
0,50%
k.
A.
8.
Fa
Er
ll
zä
hl
un
ge
n
7.
Fa
ll
6.
Fa
ll
5.
Fa
ll
4.
Fa
ll
3.
Fa
ll
2.
Fa
ll
1.
Fa
ll
0,00%
Anhang B
XXXII
Frage 6b: Welcher der „Kurt-Wallander-Romane“ hat Ihnen am Wenigsten
gefallen?
18,00%
18,00%
16,10%
16,00%
15,20%
14,30%
14,00%
12,00%
11,10%
10,00%
9,20%
7,80%
8,00%
6,00%
4,00%
3,20% 3,20%
1,80%
2,00%
k.
A.
8.
Fa
Er
ll
zä
hl
un
ge
n
7.
Fa
ll
6.
Fa
ll
5.
Fa
ll
4.
Fa
ll
3.
Fa
ll
2.
Fa
ll
1.
Fa
ll
0,00%
Frage 7a: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den
authentischsten Roman der Serie ein?
40,00%
35,00%
30,00%
24,90%
25,00%
20,00%
17,50%
15,00%
12,40%
9,70%
10,00%
9,70%
7,40%
5,00%
6,00% 6,50%
3,20%
2,80%
.
k.
A
8.
Fa
Er
ll
zä
hl
un
ge
n
al
l
7.
F
al
l
6.
F
al
l
5.
F
al
l
4.
F
al
l
3.
F
al
l
2.
F
1.
F
al
l
0,00%
Anhang B
XXXIII
Frage 7b: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den
unrealistischsten Roman der Serie ein?
30,00%
25,00%
24,10%
20,00%
15,00%
13,90%
13,90%
12,50%
9,30%
10,00%
7,90% 7,90%
6,00%
5,00%
3,20%
1,40%
k.
A.
8.
Fa
Er
ll
zä
hl
un
ge
n
7.
Fa
ll
6.
Fa
ll
5.
Fa
ll
4.
Fa
ll
3.
Fa
ll
2.
Fa
ll
1.
Fa
ll
0,00%
Frage 8: Wie realistisch empfinden Sie
a) das Tatgeschehen
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils
realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
61
28,1
28,1
28,1
120
55,3
55,3
83,4
33
15,2
15,2
98,6
3
1,4
1,4
100,0
217
100,0
100,0
Anhang B
XXXIV
b) den Hauptcharakter des Kurt Wallander
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
Gesamt
c)
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
155
71,4
71,4
71,4
50
23,0
23,0
94,5
12
5,5
5,5
100,0
217
100,0
100,0
die private Situation des Kurt Wallander
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
System
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
161
74,2
74,5
74,5
44
20,3
20,4
94,9
9
4,1
4,2
99,1
2
0,9
0,9
100,0
216
99,5
100,0
1
0,5
217
100,0
d) das Kollegenverhältnis
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
Gesamt
System
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
102
47,0
47,4
47,4
102
47,0
47,4
94,9
11
5,1
5,1
100,0
215
99,1
100,0
2
0,9
217
100,0
Anhang B
XXXV
e) den Ablauf der Polizeiarbeit
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
62
28,6
28,6
28,6
96
44,2
44,2
72,8
51
23,5
23,5
96,3
8
3,7
3,7
100,0
217
100,0
100,0
f) die Ermittlungstaktik
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
System
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
59
27,2
27,4
27,4
109
50,2
50,7
78,1
37
17,1
17,2
95,3
10
4,6
4,7
100,0
215
99,1
100,0
2
0,9
217
100,0
g) die Vorgehensweise bei der Spurensicherung
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
Gesamt
System
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
103
47,5
47,9
47,9
86
39,6
40,0
87,9
21
9,7
9,8
97,7
5
2,3
2,3
100,0
215
99,1
100,0
2
0,9
217
100,0
Anhang B
XXXVI
h) die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
System
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
30
13,8
14,0
14,0
58
26,7
27,0
40,9
89
41,0
41,4
82,3
38
17,5
17,7
100,0
215
99,1
100,0
2
0,9
217
100,0
i) den jeweiligen Romanausgang
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
Gesamt
System
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
48
22,1
22,2
22,2
107
49,3
49,5
71,8
47
21,7
21,8
93,5
14
6,5
6,5
100,0
216
99,5
100,0
1
0,5
217
100,0
Anhang B
XXXVII
Frage 10: Beeinflusst die Tatsache, dass die Romane in Schweden spielen
Ihre Bewertung der Realität in den Romanen?
Ja. Die Bundesrepublik
Deutschland als Handlungsort
wäre realistischer.
75,20%
80,00%
70,00%
60,00%
Ja. Die Bundesrepublik als
Handlungsort wäre
unrealistischer.
50,00%
40,00%
30,00%
23,40%
Nein. Es ist völlig gleichgültig, in
welchem der beiden Länder die
Romane spielen. Das Maß an
Realität ist in beiden Ländern
gleich.
20,00%
10,00%
1,40%
0,00%
Frage 11a: Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane der
Unterhaltungsfaktor?
77,50%
80,00%
60,00%
40,00%
18,40%
20,00%
4,10%
0,00%
0,00%
absolut wichtig
wichtig
unwichtig
völlig unwichtig
Anhang B
XXXVIII
Frage 11b: Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane der
kriminalistische Wert?
54,90%
60,00%
50,00%
40,00%
30,00%
27,00%
14,40%
20,00%
10,00%
3,20%
0,00%
absolut wichtig
wichtig
unwichtig
völlig unwichtig
Frage 12: Wie haben Ihnen die „Kurt-Wallander-Romane“ insgesamt
gefallen?
100,00%
84,60%
80,00%
60,00%
40,00%
17,10%
20,00%
0,90%
0,50%
0,00%
sehr gut
gut
weniger gut
überhaupt nicht
Anhang B
XXXIX
Frage 13: Worin liegen die Gründe hierfür?
a) die Spannung
100,00%
88,50%
80,00%
60,00%
40,00%
20,00%
9,20%
2,30%
0,00%
unwesentlich
völlig
unwesentlich
0,00%
sehr entscheidend
entscheidend
b) der literarische Stil
60,00%
51,40%
50,00%
38,00%
40,00%
30,00%
20,00%
9,30%
10,00%
1,40%
0,00%
sehr entscheidend
entscheidend
unwesentlich
völlig
unwesentlich
Anhang B
XL
c) die Authentizität
58,10%
60,00%
50,00%
40,00%
25,10%
30,00%
13,50%
20,00%
10,00%
3,30%
0,00%
sehr entscheidend
entscheidend
unwesentlich
völlig
unwesentlich
d) die Identifikation mit dem Hauptcharakter
48,10%
50,00%
40,00%
28,20%
30,00%
17,10%
20,00%
6,50%
10,00%
0,00%
sehr entscheidend
entscheidend
unwesentlich
völlig
unwesentlich
e) die eingebrachte Gesellschaftskritik
39,80%
40,00%
30,10%
30,00%
25,00%
20,00%
10,00%
5,10%
0,00%
sehr entscheidend
entscheidend
unwesentlich
völlig
unwesentlich
Anhang B
XLI
Frage 14: Hat sich Ihr Bild von der Polizei dadurch verändert?
100,00%
82,20%
80,00%
60,00%
40,00%
17,30%
20,00%
0,50%
0,00%
Nein.
Ja. Positiv.
Ja. Negativ.
Anlage 3:
Fragebogenauswertung unter Berücksichtigung des Berufsfeldes
„Polizeibeamter/in“
Frage 7a: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den
authentischsten Roman der Serie ein?
35,60%
30,00%
25,00%
20,00%
17,80%
15,60%
15,00%
10,00%
6,70%
6,70% 6,70%
4,40%
5,00%
4,40%
2,20%
k.
A.
7.
Fa
ll
6.
Fa
ll
5.
Fa
ll
4.
Fa
ll
3.
Fa
ll
2.
Fa
ll
1.
Fa
ll
8.
Fa
Er
ll
zä
hl
un
ge
n
0,00%
0,00%
Anhang B
XLII
Frage 7b: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den
unrealistischsten Roman der Serie ein?
44,40%
30,00%
25,00%
20,00%
15,60%
15,00%
11,10%
10,00%
8,90%
4,40%
5,00%
4,40%
2,20%
4,40%
2,20%
2,20%
k.
A.
hl
un
ge
n
8.
Fa
ll
Er
zä
7.
Fa
ll
6.
Fa
ll
5.
Fa
ll
4.
Fa
ll
3.
Fa
ll
2.
Fa
ll
1.
Fa
ll
0,00%
Frage 8: Wie realistisch empfinden Sie
a) das Tatgeschehen
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
11
24,4
24,4
24,4
21
46,7
46,7
71,1
12
26,7
26,7
97,8
1
2,2
2,2
100,0
45
100,0
100,0
Anhang B
XLIII
b) den Hauptcharakter des Kurt Wallander
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
26
57,8
57,8
57,8
15
33,3
33,3
91,1
4
8,9
8,9
100,0
45
100,0
100,0
c) die private Situation des Kurt Wallander
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
System
Gesamt
d)
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
32
71,1
72,7
72,7
11
24,4
25,0
97,7
1
2,2
2,3
100,0
44
97,8
100,0
1
2,2
45
100,0
das Kollegenverhältnis
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
Gesamt
System
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
15
33,3
34,1
34,1
26
57,8
59,1
93,2
3
6,7
6,8
100,0
44
97,8
100,0
1
2,2
45
100,0
Anhang B
XLIV
e) den Ablauf der Polizeiarbeit
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
f)
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
4
8,9
8,9
8,9
19
42,2
42,2
51,1
17
37,8
37,8
88,9
5
11,1
11,1
100,0
45
100,0
100,0
die Ermittlungstaktik
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
System
Gesamt
g)
Prozent
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
5
11,1
11,4
11,4
27
60,0
61,4
72,7
11
24,4
25,0
97,7
1
2,2
2,3
100,0
44
97,8
100,0
1
2,2
45
100,0
die Vorgehensweise bei der Spurensicherung
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
Gesamt
System
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
13
28,9
29,5
29,5
20
44,4
45,5
75,0
8
17,8
18,2
93,2
3
6,7
6,8
100,0
44
97,8
100,0
1
2,2
45
100,0
Anhang B
h)
XLV
die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit
Häufigkeit
Gültig
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Fehlend
System
Gesamt
i)
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
3
6,7
6,8
6,8
5
11,1
11,4
18,2
23
51,1
52,3
70,5
13
28,9
29,5
100,0
44
97,8
100,0
1
2,2
45
100,0
den jeweiligen Romanausgang
Häufigkeit
Gültig
Prozent
absolut
realistisch
teils realistisch
teils
unrealistisch
völlig
unrealistisch
Gesamt
Prozent
Gültige
Prozente
Kumulierte
Prozente
4
8,9
8,9
8,9
23
51,1
51,1
60,0
13
28,9
28,9
88,9
5
11,1
11,1
100,0
45
100,0
100,0
Selbstständigkeitserklärung
XLVI
Selbstständigkeitserklärung
„Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen
als die angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder
sinngemäß aus Quellen entnommen wurden, habe ich als solche gekennzeichnet.“
…………………………………….
………………………………..
Ort, Datum
Unterschrift
Zusammenfassung
Die Kurt-Wallander-Serie des Autors Henning Mankell erlebt hierzulande seit
Ende der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts mit bislang 10 Millionen verkauften
Exemplaren einen durchschlagenden Erfolg - ein Erfolg, der angesichts
rückläufiger Umsätze deutscher Buchhändler umso beachtlicher ist. Im Rahmen
dieser wissenschaftlichen Arbeit gilt es daher, die in Frage kommenden
Erfolgsfaktoren dieser Kriminalromanserie aus dem hohen Norden näher zu
erforschen. Worin liegt das Geheimnis von Henning Mankells literarischem
Erfolg?
Nach einer einleitenden biographischen Vorstellung des Schweden und seiner
bislang erfolgreichsten Romanserie, werden in den beiden darauf folgenden
Hauptteilen dieser Arbeit die prägnantesten Faktoren des literarischen Erfolgs von
Henning Mankell mit seinem melancholischen Kommissar Kurt Wallander
erörtert. Zunächst wird demzufolge das Genre der Kriminalliteratur genauer
beleuchtet. Welche Rolle nimmt dieser Literaturzweig auf dem internationalen
Buchmarkt ein, wie gestaltet sich die deutsche Krimiszene und welche Rolle spielt
hierbei der skandinavische Krimi? Nach einem kurzen sich daran anschließenden
Blick auf Mankells Vorläufer und dessen Nachahmer, werden im dritten Teil
dieser Diplomarbeit schließlich die Kriminalgeschichten aus Ystad, in denen
mitunter die Hauptgründe für deren faszinierende Erfolgsstory zu suchen sind,
selbst in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Nach Mankells literarischem Stil
stellen sicherlich auch die detaillierte wie authentische Schilderung der
Polizeiarbeit und die in allen Romanen enthaltene gesellschaftskritische
Komponente potentielle Erfolgsfaktoren dar, die es an dieser Stelle näher zu
untersuchen gilt. Keineswegs von geringer Bedeutung sind in diesem
Zusammenhang außerdem die Analyse der literarischen Hauptfigur des Kurt
Wallander und der malerischen Beschreibung seines Reviers - die Hafenstadt
Ystad im südlichen Schonen. Mit der Vorstellung des Marketingkonzepts der
Romane am Ende dieser Arbeit wird die Untersuchung potentieller Erfolgsgründe
der Kurt-Wallander-Serie schließlich abgerundet und deren Ergebnisse in einem
Schlusswort zusammengetragen.

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