Diplomarbeit von Iris Lörch - Die Kommissar-Wallander
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Diplomarbeit von Iris Lörch - Die Kommissar-Wallander
Fachhochschule Villingen-Schwenningen Hochschule für Polizei Kommissar Kurt Wallander: „Worin liegt das Geheimnis von Henning Mankells literarischem Erfolg?“ Iris Lörch 24. Studienjahrgang Diplomarbeit Fachbereich IV – Gesellschaftswissenschaften Erstbetreuer: Studienrätin Ingrid Losert M. A. Zweitbetreuer: PHK Wolfgang Mallach Villingen- Schwenningen, Oktober 2004 „Vad jag än skriver så är verkligheten ännu värre. Det visar sig förr eller senare i alla mina böcker.“ dt.: „Was immer ich schreibe, die Realität ist noch schlimmer. Das bestätigt sich früher oder später bei jedem meiner Bücher. “ [Henning Mankell über seine Wallander Krimis] Vorwort Meinen Diplombetreuern Frau Studienrätin Ingrid Losert M. A. und Herrn PHK Wolfgang Mallach möchte ich in diesem Rahmen meinen herzlichen Dank aussprechen. Durch ihre kompetente Hilfestellung sowie konstruktive Kritik haben Sie mich in der Erstellung meiner Diplomarbeit stets unterstützt. In gleichem Maße möchte ich mich bei Herrn Christian Simon und Frau Ulrika Luka vom Bundeskriminalamt in Stockholm bedanken, die mir den Kontakt zu Frau Ewa-Gun Westford vermittelten. Ein besonderer Dank richtet sich in diesem Falle an Frau Luka, die während ihres Urlaubes das Interview mit Frau Westford dolmetschte. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei Frau Westford selbst, die mit großem Engagement alle Fragen meinerseits beantwortete und mich auf das Herzlichste in ihrem Land willkommen hieß. Ein weiteres Dankeschön gilt Herrn Daniel Imort, dem Webmaster der deutschen KurtWallander-Fanseite, der eine Einstellung meines Fragebogens im Internet ermöglichte und so zum Gelingen meiner Fragebogenaktion beitrug. Nicht zuletzt danke ich meiner Familie, die mich während der letzten 2 Monate und vor allem bei der Realisierung meiner Schwedenreise unterstützt hat. Iris Lörch, Oktober 2004 Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS ABBILDUNGSVERZEICHNIS ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 1. Einleitung ................................................................................................ 1 2. Henning Mankell .................................................................................... 3 2.1 Portrait des Mannes, der Kurt Wallander schuf .....................................3 2.2 Auszeichnungen .....................................................................................5 2.3 Die Kurt-Wallander-Romane .................................................................7 3. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur...... 10 3.1 Ein Genre, so vielfältig wie der Rest der Literatur ..............................10 3.2 Der Erfolg des Krimigenres in Deutschland ........................................15 3.3 „Der Mord der aus der Kälte kam“: Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich? .............................17 3.3.1 Das Erbe von Maj Sjöwall und Per Wahlöö ............................22 3.3.2 Die „Mankellisierung“ .............................................................24 4. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory .............. 26 4.1 4.2 Mankells literarischer Stil ....................................................................26 4.2.1 Erzähltechnik ...........................................................................26 4.2.2 Spannungsaufbau .....................................................................28 4.2.3 Literarische Stilmittel...............................................................30 Polizeiarbeit ‚en détail’ ........................................................................34 4.2.1 Ablauf der Polizeiarbeit ...........................................................34 4.2.2 Die Schattenseiten der Polizeiarbeit.........................................36 4.2.3 Das Kollegenverhältnis ............................................................38 4.2.4 Realität und Fiktion..................................................................40 4.3 Gesellschaftskritik................................................................................43 4.4 Kurt Wallander - (k)ein Superheld.......................................................49 4.5 4.6 4.4.1 Die familiären Eckdaten...........................................................49 4.4.2 Eine Hauptfigur mit vielen Facetten ........................................50 4.4.3 Die andere Seite des Kurt Wallander .......................................52 Südschweden: Land und Leute ............................................................55 4.5.1 Ystad - Kleinstadtidyll statt Mordmetropole?..........................55 4.5.2 Skåne - eine Landschaft in der Hauptrolle...............................59 4.5.3 Die Menschen - mehr als nur Statisten ....................................61 Das Marketingkonzept .........................................................................64 5. Schlussbetrachtung .............................................................................. 68 LITERATURVERZEICHNIS.................................................................... I A. Primärliteratur B. Sekundärliteratur C. Internet-Quellen D. Internet-Foren E. Tages-, Wochen- und Populärpresse F. Unveröffentlichte Quellen ANHANG A.............................................................................................. VII ANHANG B ..........................................................................................XXIV SELBSTSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG........................................ XLVI Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Die Kurt-Wallander-Serie in ihrer chronologischen Reihenfolge Abb. 2 Leserumfrage: Welcher Faktor hat Ihrer Meinung nach am meisten dazu beigetragen, dass die Wallander-Romane internationale Bestseller geworden sind? Abb. 3 Leserumfrage: Welcher der bisher in Deutschland veröffentlichten Romane um Kommissar Wallander gefällt Ihnen persönlich am Besten? Abb. 4 Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung. „Leichenfund am Strand“. Abb. 5 Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung. „Selbstmordversuch scheitert“. Abb. 6 Das Genre der Kriminalliteratur Abb. 7 Umsatzanteile der Warengruppen nach Editionsformen 2003 Abb. 8 Umsatzanteile innerhalb der Warengruppe Belletristik 2003 Abb. 9 Monatszahlen der deutschsprachigen Neuveröffentlichungen Raum, die dem Genre im der Kriminalliteratur zuzuordnen sind Abb.10 Jahreszahlen deutschsprachigen der Neuveröffentlichungen Raum, die dem Genre im der Kriminalliteratur zuzuordnen sind Abb. 11 Jahreszahlen deutschsprachiger Erstveröffentlichungen im Bereich der Kriminalliteratur Abb. 12 Interview mit Frau Ewa-Gun Westford am 09. August 2004, 10.00 Uhr in S - 27180 Ystad, Stora Östergatan (Dolmetscherin: Frau Ulrika Luka, BKA). Abkürzungsverzeichnis Abb................................................. Abbildung BKA ............................................... Bundeskriminalamt bzw. ................................................ beziehungsweise ca. ................................................... circa dt..................................................... deutsch EU .................................................. die Europäische Union ha .................................................... Hektar k. A................................................. keine Angabe km................................................... Kilometer m..................................................... Meter o. g.................................................. oben genannt SPSS............................................... Statistical Products and Service Solutions USA................................................ die Vereinigten Staaten von Amerika u. a. ................................................. unter anderem v. a. ................................................. vor allem vgl................................................... vergleiche z. B. ................................................ zum Beispiel zit.................................................... zitiert Einleitung 1. 1 Einleitung Frances, Ivan und Jeanne sind momentan für Millionen Menschen, die auf den Antillen bzw. im Süden der USA leben, der Inbegriff eines nicht enden wollenden Wetter-Krimis. Einen Tennis-Krimi erlebten dagegen Rainer Schüttler und Nicolas Kiefer, als die beiden vor einigen Wochen im Herrendoppel in Athen um Olympiagold kämpften. Die Diskussionen um die Arbeitsmarktreform Hartz IV hingegen beschert den deutschen Bundestagsabgeordneten einen fortwährenden Polit-Krimi. „Das Wort Krimi ist mittlerweile zum Synonym für jedes beliebige spannende Geschehen verkommen.“1 Krimis verfolgen die Menschheit heute so hartnäckig wie nie zuvor. Wer nach einem langen Arbeitstag noch ‚action’ benötigt, bedient sich an dem reichhaltigen TV-Abendprogramm. Der Konsument kann z. B. zwischen heißen Verfolgungsfahrten in James Bond Manier bei Cobra 11, dem Bullen von Tölz und der traditionellen Tatort-arbeit der Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) wählen.2 Wer benötigt angesichts dieser Vielfältigkeit des TV-Krimi-Programms noch Werke der Kriminalliteratur, um Spannung und Nervenkitzel zu erleben? Es ist kein Geheimnis, dass sich die Literatur derzeit nicht gerade großer Leserscharen erfreut. Umso verwunderlicher ist daher der große Erfolg einer Kriminalromanserie aus dem hohen Norden - der Kurt-Wallander-Serie des Autors Henning Mankell. Der Schwede gehört zu den erfolgreichsten Autoren seines Landes des letzten Jahrzehnts und ist nach Abba, Volvo und IKEA zu einem weiteren Exportschlager dieses nordischen Volkes geworden. Seine Kriminalromanserie wurde bislang in 35 Sprachen übersetzt und verkaufte sich allein im deutschsprachigen Raum etwa 10 Millionen Mal. Nach seinem Heimatland Schweden scheint Henning Mankell besonders in Deutschland die Krimileser in seinen Bann zu ziehen.3 1 Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort. Meitingen: Corian Verlag Heinrich Wimmer (1993), S. 1. 2 vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 1. 3 vgl. Nina Schindler. Das Mordsbuch. Alles über Krimis. Hildesheim: Claasen Verlag (1997), S. 24; Walter Wüllenweber. Wallanders Welt (2001). In: http://www.stern.de/unterhaltung/ buecher/ index.html?id=71356; Jochen Reinert. Wallander Pilger erobern Ystads Gassen (2004). In: http://www.wallander-web.de; ZDF.de. Henning Mankell (2003). In: http://www.zdf.de; Petra Ludwig. Henning Mankell (2000). In: http://www.buecher4um.de. Einleitung 2 Bereits im Vorfeld der Diplomthemenvergabe war ich - und bin es heute mehr als je zuvor - ein begeisterter Leser der Kriminalgeschichten aus Ystad. Wie viele andere Gleichgesinnte habe ich Mankells Bücher regelrecht verschlungen. Mit dieser Diplomarbeit bekam ich schließlich die Möglichkeit, mich in einer Intensität mit den Ursachen dieses Erfolges auseinanderzusetzen, wie es im Berufsalltag kaum zu realisieren gewesen wäre. Da Sekundärliteratur zu diesem spezifischen Thema nur sehr begrenzt vorhanden ist, wurde es im Rahmen der Literaturrecherche notwendig, in vielen Bereichen auf das WorldWideWeb zurückzugreifen. In Anbetracht dessen, dass unter etlichen hilfreichen Quellen auch immer wieder nicht gesicherte Informationen zur Verfügung standen, wurden zusätzlich 217 Leser der Kurt-WallanderRomane, darunter 45 PolizeibeamtInnen, sowohl schriftlich als auch online zu diesem Themenkomplex befragt. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte unter zu Hilfenahme des Software Programms SPSS, das sowohl die Datenverwaltung als auch eine entsprechende Datenanalyse ermöglichte. Eine viertägige Schwedenreise sollte es mir überdies gestatten, eigene Eindrücke von Schonen und den literarischen Handlungsorten zu gewinnen und bislang unbeantwortete Fragen in einem Interview Frau Ewa-Gun Westford, einer Polizeibeamtin aus Ystad, zu stellen. Nach einer kurzen biographischen Vorstellung des Autors und seiner bislang erfolgreichsten Romanserie, ist es Ziel dieser Diplomarbeit, einige der potentiellen Erfolgsfaktoren, die von dem allgemein erfolgreichen Krimigenre bis zu dem Bereich des Marketing reichen, genauer zu beleuchten, um so eine Antwort auf die Frage: „Kommissar Kurt Wallander: Worin liegt das Geheimnis von Henning Mankells literarischem Erfolg?“ zu finden. Henning Mankell 2. Henning Mankell 2.1 Portrait des Mannes, 3 der Kurt Wallander schuf Henning Mankell wird am 3. Februar 1948 als Sohn eines Richters in Sveg, einem Dorf in der Provinz Härjedalen/ Nordschweden geboren, wo er bei seinem Vater aufwächst. In dieser kalten und oft einsamen Gegend entdeckt er schon im Kindesalter seine Liebe zu Afrika - „Baumstämme auf dem Fluss Ljusnan sind für ihn Krokodile“4. Im Alter von 17 Jahren ist er als Regie-Assistent am Riks Theater in Stockholm tätig und arbeitet bereits 3 Jahre später als Autor und Theaterregisseur in der Hauptstadt Schwedens. Seine ersten „Veröffentlichungen und Regieprojekte spiegeln die Mentalität der 68er Jahre wider“5. 1972 bereist Henning Mankell zum ersten Mal den afrikanischen Kontinent und lebt die nächsten zwei Jahre in Sambia; hier fühlt er sich zu Hause. In den Folgejahren entstehen Mankells erste Prosawerke, die bereits gesellschaftskritische Themen wie den herrschenden Klassenkampf oder den Imperialismus behandeln, sowie sein erster Roman Das Gefangenenlager, das verschwand (1979). Henning Mankell arbeitet fortan für verschiedene Theaterhäuser wie z. B. das Theater von Västerbottens in Skellefteå als Intendant, Autor und Regisseur, bis der Schwede 1986 einer Einladung nach Maputo/ Moçambique folgt, um dort beim Aufbau der ersten und bis heute einzigen professionellen Theatergruppe Moçambiques mitzuwirken. Bereits im folgenden Jahr wird Mankell künstlerischer Leiter des 70 Darsteller umfassenden Teatro Avenida in Maputo. Seither lebt der Autor mehr als die Hälfte des Jahres in der Hauptstadt Moçambiques, wo das Leben, wie er selbst sagt, „ ,zehnmal härter ist´ als in Europa“6. Die Sommermonate verbringt der Wahl-Afrikaner gemeinsam mit 4 Christian Wymann. Henning Mankell (2001). In: http://www.wallander.ch/seiten/ m_lebenslauf.html. 5 Literaturportal Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren Henning Mankell (2003). In: http://www.schwedenkrimi.de/mankell_biographie.htm. 6 Henning Mankell zit. in: Daniel Imort. Biographie (o. J.). In: http://www.wallander-web.de. Henning Mankell 4 seiner Ehefrau Eva Bergmann, die ihrerseits ein Theater in Göteborg leitet, und seinen vier Kindern meist in deren Stuga in Trunnerup, 13km nordwestlich von Ystad.7 In den Jahren 1990-1999 entstehen schließlich die neun Romane um die Figur des Kurt Wallander. Diese Art „mit einem Fuß im afrikanischen Sand und dem anderen im schwedischen Schnee zu leben“8, eröffnet Mankell nach seinen eigenen Angaben die Möglichkeit, „die europäische Sichtweise infrage zu stellen“9 und letztendlich durch seine Aufenthalte in Afrika zu einem besseren Europäer zu werden. Mankell, der sich selbst aufgrund deutscher und französischer Vorfahren als ein Einwanderer in Schweden sieht, hat keineswegs nur Kriminalromane geschrieben. Sozial engagierte Kinder- und Jugendbücher sowie etliche Theaterstücke vermitteln ebenso einen Eindruck der Vielfältigkeit des Schreibens Mankells wie seine Afrika-Romane und eigens geschriebene Drehbücher. Vor drei Jahren gründete der Schwede schließlich gemeinsam mit seinem Verleger und Freund Dan Israel den Verlag Leopard förlag, mit dem er schwedische und afrikanische Schriftsteller in ihrer Arbeit unterstützen möchte. Bis heute ist Henning Mankell, der sich selbst als moralischen aber keineswegs melancholischen Menschen sieht, Prinzipal des Teatro Avenida, mit dessen Truppe er Festivals in der ganzen Welt besucht. Unter den Darstellern befinden sich engste Freunde des Autors und auch heute noch empfindet Mankell seine Aufgabe in Afrika als eine Herausforderung - eine Arbeit, die ihm ebensoviel bedeutet wie das Schreiben. Neben seinem Engagement für die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ und dem Kampf gegen AIDS und Landminen in Afrika, wird die Solidarität des Schweden mit der Dritten Welt auch durch dessen persönliche finanzielle Unterstützung des Teatro Avenida deutlich, an das sämtliche Gelder des Verkaufs der Filmrechte an den Wallander-Verfilmungen 7 vgl. Daniel Imort. Biographie (o. J.); ZDF.de. Henning Mankell (2003); Literaturportal Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren Henning Mankell (2003), Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000). In: http://www.schwedenkrimi.de/ mankell_interview_neu.htm. 8 Eva Zießler. Lieder des Schmerzes (2000). In: http://www.welt.de/daten/2000/07/15/0715lw179 681.htx?print=1. 9 Eva Zießler. Lieder des Schmerzes (2000). Henning Mankell 5 fließen.10 Henning Mankell gelingt der schwierige Balanceakt „zwischen Mocambique [!] und Schweden, zwischen seinem eigenen Reichtum und seinem Engagement für die Armen, zwischen den Kriminalromanen des Massenmarktes und feinkulturellen Theaterinszenierungen.“11 2.2 Auszeichnungen Henning Mankell gehört heute zu den meistgelesenen und bekanntesten KrimiAutoren weltweit. Mit seinen Büchern verzaubert er nicht nur die Leser, sondern darüber hinaus auch zahlreiche Jurys verschiedenster Vereinigungen und Organisationen. Anhand einiger ausgewählter Preise mit den Länderschwerpunkten Deutschland und Skandinavien soll ein erster Überblick über die Erfolge des schwedischen Bestseller-Autors zu Beginn dieser Arbeit gegeben werden - ein Abriss, der keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erfüllen kann und möchte. Bereits 1991, im Jahr seiner Erstveröffentlichung, erhielt Mankell den Preis Der gläserne Schlüssel der Skandinavischen Gesellschaft für Kriminalliteratur für seinen ersten Kurt-Wallander-Roman Mörder ohne Gesicht. Noch im selben Jahr wurde Mankells Debütroman von der Schwedischen Akademie für Kriminalliteratur als bester schwedischer Kriminalroman ausgezeichnet. Auch sein zweiter Roman Hunde von Riga wurde bereits ein Jahr später von der Schwedischen Akademie für Kriminalliteratur gekürt. Preise folgten nunmehr im Jahrestakt. Mankells erstes Kinderbuch der Reihe Joels Abenteuer in Nordschweden wurde gleich zweifach ausgezeichnet: Für Der Hund, der unterwegs zu einem Stern war erhielt Mankell im Jahre 1993 den Deutschen Jugendbuchpreis und drei Jahre später den Astrid-Lindgren-Preis. Während Mankell 10 bislang im deutschsprachigen Raum vor allem vgl. Literaturportal Schwedenkrimi. Die Biographie des Autoren Henning Mankell. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000, 2001); Eva Zießler. Lieder des Schmerzes; Daniel Imort. Butterfly Blues- Interview (2002), Werke (o. J.). In: http://www.wallander-web.de; Ystads Kommun. Auf den Spuren von Kurt Wallander. Schweden: o. V. (2002). 11 Daniel Imort. Ein rücksichloser Mann, der zu selten getanzt hat (2002). In: http://www.wallander-web.de. Henning Mankell 6 als Schöpfer Kurt Wallanders bekannt wurde, rückten nunmehr auch hierzulande seine in Schweden längst bekannten Kinder- und Jugendbücher in das Interesse der Öffentlichkeit. Nach den ersten beiden Wallander Romanen wurde 1995 auch der fünfte Band dieser Serie Die falsche Fährte von der Schwedischen Akademie für Kriminalliteratur preisgekrönt. Mankells erster Afrika-Roman Der Chronist der Winde wurde in den Jahren 1995 und 1996 zunächst für den August-Preis sowie für den Preis des Nordischen Rates nominiert und schließlich durch den schwedischen Radiosender P1 ausgezeichnet. Der Schwede, der nicht nur als Krimi-Autor gesehen werden möchte, konnte spätestens mit diesem Preis seine Vielfältigkeit des Schreibens unter Beweis stellen. Für das erste Werk seiner Jugendbuchserie Sofias Leben in Moçambique wurde der Schwede mit dem Kinderbuchpreis Lesereise um die Welt im Jahre 1997 geehrt und zwei Jahre später mit dem katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis belohnt. Die fünfte Frau, einer der erfolgreichsten Kurt-Wallander-Romane, wurde 1998 vom deutschen Buchhandel zum Buch des Jahres 1998 gewählt; der ebenso erfolgreiche Roman Mittsommermord bekam neben dem internationalen Buchpreis Corine auch den Deutschen Krimi-Preis in der Kategorie International 2001 verliehen. Ein Höhepunkt unter den genannten Auszeichnungen stellt sicherlich die Wahl Mankells zum Autor des Jahres 2002 dar. Im Juni dieses Jahres bekam der Autor schließlich in Tutzing den Toleranzpreis durch die dortige Evangelische Akademie verliehen, die damit Mankells Einsatz für die Völkerverständigung würdigte. Angesichts dieser enormen Popularität sieht sich Henning Mankell persönlich in einem Widerspruch: „Einerseits schreibe ich, um Menschen zu erreichen; andererseits muss ich sehr aufpassen, dass die Medien meine Person nicht interessanter machen als meine Bücher.“12 Mankells Sorgen sind zumindest in Bezug auf dessen berühmteste Romane, seine 12 Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000). Henning Mankell 7 Kriminalgeschichten aus Ystad, unbegründet, denn für viele seiner Fans ist Kurt Wallander «wirklicher» als der Autor selbst.13 2.3 Die Kurt-Wallander-Romane „Ich hatte nie vor, jemals in meinem Leben über Verbrechen oder Krimis zu schreiben. Ich glaube auch noch immer nicht, dass ich das tue. Was ich mache ist eigentlich etwas sehr Altes, ich sehe auf die Gesellschaft durch den Spiegel des Verbrechens.“14 Als Henning Mankell im Jahre 1989 nach einem Afrikaaufenthalt nach Schweden zurückkehrte, wurde er mit einer noch nie da gewesenen Brutalität des Verbrechens konfrontiert. Zunächst unbekannte Täter hatten ein Bauernehepaar aus Knickarp, einem Dorf norddwestlich von Ystad, auf eine äußerst brutale Weise überfallen und schwer misshandelt. Angesichts dieses Verbrechens und den fremdenfeindlichen Übergriffen, die sich im Anschluss an diese Tat in Schonen häuften, beschloss Mankell eine Geschichte über Rassismus zu schreiben. Da Rassismus in seinen Augen eine kriminelle Haltung darstellt, entschloss er sich, einen Kriminalroman zu schreiben. Im Mai 1990 entstand schließlich die Figur des Kommissars Kurt Wallander; sein erster Kriminalfall Mörder ohne Gesicht wurde 1991 veröffentlicht. Mankell gelang es in diesem Roman, die damalige fremdenfeindliche Stimmung der Menschen von Skåne aufzufangen und durch Kurt Wallander zu vermitteln. Angesichts des unerwarteten Erfolges erkannte Mankell, dass er mit Kurt Wallander eine Möglichkeit geschaffen hatte, mit der er seinem Volk den bedenklichen Wandel in der schwedischen Gesellschaft bewusst machen konnte, und er entschloss sich, weitere Romane um die neu entstandene Figur des Kriminalbeamten aus Ystad zu schreiben. Was ursprünglich als Einzelerzählung geplant war, wuchs in der Zwischenzeit zu einer neun Bände 13 vgl. Daniel Imort. Auszeichnungen (2003), News (2004). In: http://www.wallander-web.de; Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel Henning Mankell. Facharbeit Deutsch Wien, Höhere Bildende Schule für Tourismus (2002), S. 9; Ystads Kommun. Auf den Spuren von Kurt Wallander (2002), S. 6; Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2001). 14 Henning Mankell zit. in: Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel Henning Mankell, S. 7. Henning Mankell 8 umfassenden Serie an. Die Einflüsse Afrikas auf Mankells Kriminalgeschichten aus Ystad weiß der Autor in einem Interview mit der Zeitung Die Welt zu bestätigen.15 Während Mankell der große Durchbruch in Schweden bereits 1991 mit Mörder ohne Gesicht gelang, ließ der Erfolg in Deutschland bis zum fünften Roman der Wallander-Serie auf sich warten. Nach einem völligen Fehlstart der drei ersten Kurt-Wallander-Romane beim Berliner Edition Q Verlag, setzten später sowohl der Paul Zsolnay Verlag als auch der Deutsche Taschenbuch Verlag mit großem Erfolg auf Mankells Kriminalromanserie. Die fünfte Frau war 1998 das erste Buch, das im Zsolnay Verlag veröffentlicht wurde und mit dem sich letztendlich auch der Erfolg in Deutschland einstellte. Die somit nicht chronologische Erscheinungsfolge der Wallander-Bücher in Deutschland sorgte lange Zeit für Rätselraten und Verwirrung unter der deutschen Fangemeinde.16 Bei dem zuletzt erschienenen Band der Wallander Serie Wallanders erster Fall handelt es sich um eine Sammlung von fünf Kurzgeschichten, die Wallanders Leben vor dem frühen Morgen des 08. Januar 1990 erzählen, dem zeitlichen Start von Mörder ohne Gesicht. Mit Wallanders erster Fall, Der Mann mit der Maske, Der Mann am Strand, Der Tod des Fotografen sowie Die Pyramide veröffentlichte Mankell eine Sammlung von Erzählungen, die parallel zu den anderen acht Romanen entstanden waren. Nach der Fertigstellung des fünften Romans stellte der Autor fest, dass er aus Gründen eigener Neugier und der Stimmigkeit seines Hauptprotagonisten in Folgeromanen damit begonnen hatte, das Leben des jungen Kurt Wallander gedanklich aufzuarbeiten. 15 vgl. Rainer Traub. Der Spiegel des Verbrechens. In: Augstein, Rudolf (Hg.): Spiegel 26. Hamburg: Spiegel Verlag Rudolf Augstein, (1999). S. 180; Literaturportal Schwedenkrimi.de. Autorengedanken (o. J.). In: http://www.schwedenkrimi.de; Interview mit Ewa-Gun Westford Anhang A, Abb.12; Ystads Kommun. Auf den Spuren von Kurt Wallander, S. 6; Eva Zießler. Lieder des Schmerzes (2000). 16 vgl. Ystads Kommun, S. 6; Bianca Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt (2000). In: http://www.hainholz.de/wortlaut/mankell.htm; ZDF.de. Henning Mankell; Tanja Rischer. Henning Mankell (1999). In: http://www.buecher4um.de/AutorHM.htm. Henning Mankell 9 Als Ausrufezeichen hinter dem Punkt, den der Autor bereits mit Die Brandmauer gesetzt hatte, wurden die Kurzgeschichten schließlich im Jahre 2002 in Deutschland als Prolog - im Gewand eines Epilogs - erstveröffentlicht.17 Seinen Ruf als Kriminalschriftsteller festigte Mankell vorwiegend durch drei seiner Kriminalromane aus Ystad. Die fünfte Frau gilt dabei als sein bislang erfolgreichster Roman. Während dieser bei einer Umfrage der deutschen Wallander-Fanseite http://www.wallander-web.de vom April/Mai 2001 von 18% der Umfrageteilnehmer als deren persönlicher Favorit gesehen wurde und damit Rang drei belegte, landete der fünfte Roman bei der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Fragebogenaktion auf Rang zwei der beliebtesten Romane. Die beiden im Anschluss an Die fünfte Frau in Deutschland veröffentlichten Romane Die falsche Fährte und Mittsommermord konnten diesen Erfolg nutzen und belegen darüber hinaus bei den beiden vorliegenden Meinungsumfragen die vordersten Ränge unter allen Kurt-Wallander-Romanen.18 Im Folgenden wird daher ein spezielles Augenmerk auf diese drei Romane gelegt, wenn es auf den nächsten Seiten gilt, das Erfolgsgeheimnis der Kurt-Wallander-Romane zu erforschen. Die Liste des unbeliebtesten Kurt-Wallander-Romans führt, wenn auch nur knapp, Mankells zweiter Roman Hunde von Riga an. Das Ergebnis dieser Frage fiel längst nicht so eindeutig aus, wie die Frage nach dem beliebtesten Roman. Mankells drei erfolgreichste Romane belegen jedoch bei dieser Frage die drei hintersten Plätze, was sie wiederum in ihrer Eigenschaft als Lieblingsromane der Leser bestätigt. Im Gegensatz zu seinen Lesern hat jedoch Mankell selbst keine Favoriten. Insgesamt wurden die Kurt-Wallander Romane weltweit über 33 Millionen Mal verkauft; einige von ihnen bereits verfilmt. Worin liegen die Gründe für diesen grandiosen Erfolg?19 17 vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47. »Ein Mensch wie du und ich«. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2002), S. 36; Mankell. Wallanders erster Fall, Prolog. 18 vgl. Alexandra Krieg. Auf Spurensuche. Marburg: Tectum Verlag (2002), S. 75f; siehe Anhang A, Abb. 3 u. Anhang B, Anlage 2 Frage 6a). 19 vgl. Wissen.de. Interview mit Henning Mankell: „Wir leben in einer schrecklichen Welt“ (o. J.). In: http://www.wissen.de/xt/default.do? MENUNAME=InfoContainerPrintArticle& MENUID=40%2C156%2C538% 2C547%OCCURENCEID=SL0013379222SL 0019672573.5000065.full; siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 6b). Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 3. 10 Das 20. Jahrhundert Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 3.1 Ein Genre, so vielfältig wie der Rest der Literatur Man zeige mir einen Mann oder eine Frau, die Kriminalromane nicht ausstehen können, dann will ich Ihnen einen Narren zeigen; einen klugen Narren vielleicht - aber nichtsdestoweniger einen Narren. Raymond Chandler20 Bereits im Vorfeld dieses Unterkapitels wurde selbstverständlich vom Begriff der Kriminalliteratur und des Kriminalromans Gebrauch gemacht, ohne näher auf dessen Bedeutung einzugehen. Was ist eigentlich Kriminalliteratur? Wo innerhalb dieser Gattung sind Mankells Kurt-Wallander-Romane anzusiedeln und worin liegen die Ursachen für den Erfolg des gesamten Genres der Kriminalliteratur? Der Begriff Kriminalliteratur ist in aller Munde - und dennoch kaum fassbar. Selten sah man sich über scheinbar einfache Begriffsdefinitionen und Grenzen so widersprüchlich streiten. Das Problem liegt wohl im Wesen der Kunst. Ist es denn legitim, im Falle der Kriminalliteratur überhaupt von literarischer Kunst zu sprechen? Nach Peter Nusser ist die Kriminalliteratur (Kriminalroman, -erzählung) als Oberbegriff des gesamten Genres zu verstehen. Im Gegensatz zu Vogt grenzt er die Gesamtheit der Kriminalliteratur deutlich von der Verbrechensliteratur ab, was sich letztendlich hilfreich für den Laien erweist. Im Unterschied zur Verbrechensliteratur beschäftigt sich die Kriminalliteratur neben dem eigentlichen Verbrechen mit den sich ihm anschließenden „Anstrengungen, die zur Aufdeckung des Verbrechens und zur Überführung und Bestrafung des Täters notwendig sind“21. Die Wahl des ermittelnden Charakters, dessen Taktik und die angewandte Erzähltechnik führen zu weiteren Subgenres. Die zwei klassischen 20 Raymond Chandler zit. in: Jochen Vogt. Der Kriminalroman. Poetik · Theorie · Geschichte. München: Wilhelm Fink Verlag (1998), S. 7. 21 Peter Nusser. Der Kriminalroman. 3., akt. u. erw. Aufl.. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag (2003), S. 1. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 11 unter ihnen sind zum Einen der Detektivroman/ -erzählung und zum Anderen der Thriller bzw. die kriminalistische Abenteuererzählung. Beide Untergliederungen stellen - wie auch bereits die beiden Oberbegriffe - idealtypische Stränge dar, in deren Mitte es zahlreiche Mischformen gibt. Aus dem ursprünglichen klassischen Detektivroman Poes (1809 - 1845), entwickelten sich unzählig viele verschiedene Krimiformen, wie z. B. der Polizeiroman, der historische Kriminalroman, der Regionalkrimi, der Psychokrimi oder der Soziokrimi. Jede Form in sich beinhaltet wiederum unterschiedliche Akzentuierungen, die eine generelle Zuordnung zu einem der bereits erläuterten Subgenres unmöglich machen. In ihrer 163-jährigen Geschichte ist die Kriminalliteratur zu einem Genre angewachsen, das so vielfältig ist wie der Rest der Literatur. Vogt vergleicht sie daher treffenderweise mit einem „hohen, unendlich fein verzweigten und verästelten Baum“22. Längst ist die Vormachtstellung britischer und amerikanischer Krimis der 20er/30er Jahre des letzten Jahrhunderts gebrochen; mehr und mehr Länder machen mit ihren national typischen Krimis auf dem internationalen Buchmarkt auf sich aufmerksam. Das Genre der Kriminalliteratur gilt als das literarische Genre der Gegenwart, das am weitesten verbreitet ist. Im Rahmen dieser Arbeit ist es daher unmöglich, auf alle Ausprägungen dieses Genres einzugehen. Die im Anhang ,A’ befindliche Übersicht kann deshalb keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit erfüllen, sondern soll zu diesem Zeitpunkt einen ersten Überblick über dieses Genre geben.23 Sowohl Zsolnay als auch der dtv-Verlag veröffentlichen Henning Mankells KurtWallander-Romane unter dem Label des Romans, obgleich die Mehrzahl der Theoretiker die Bücher dem Subgenre des Thrillers zurechnet. In Erinnerung an den letzten Actionthriller im Kino wird so mancher Leser bezüglich der letzten Zuordnung stutzig, erscheint ihm doch diese vorgenommene Einteilung auf den ersten Blick vollkommen unpassend. Das Wörterbuch des Langenscheidt 22 Jochen Vogt. Der Kriminalroman. (1998), S. 7. vgl. Peter Nusser. Der Kriminalroman. (2003), S. 1-7; Vogt, S. 7; Nina Schindler. Das Mordsbuch. (1997), S. 21-24; FAZ.NET. Horst Eckert: „Es reicht nicht, einfach einen Mord aufzutischen“ (2001). In: http://www.faz.net/ s/Rub76B8D5378E0E4970B36637AC8DAA545F/ Doc~E9FB4007688BA4160B93726D10AB2 DB89~ATpl~Econom~Scontent.html; siehe Anhang A, Abb. 6. 23 Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 12 Verlages gibt jedoch Frau Krieg in ihrem Buch Die Spurensuche Recht, die (to) thrill im formalen Wortsinn dem dt. ,Krimi’ gleichstellt. Tatsächlich ist der Thriller in seiner literarischen Bedeutung dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen, wie in Abbildung 6 des Anhangs ,A’ ersichtlich wird.24 Wie im Folgenden zu sehen sein wird, lassen sich bereits auf den ersten Blick in Henning Mankells Kurt-Wallander-Serie viele Merkmale des Thrillers wieder erkennen. Obgleich der Schwede, wie dies typisch für das gesamte Genre ist, jenseits des Grundschemas des Thrillers zahlreiche Merkmale variiert und so zeitweise von der idealen Linie dieser Literaturform abweicht, sind seine Bücher aus formal literarischer Sicht als Vertreter des Thrillers und damit der Kriminalliteratur anzusehen. Ungeachtet seiner zahlreichen Modifikationen ist der Thriller in seiner Handlungsstruktur einem Dreierschritt unterworfen, der aus den Schritten Verbrechen-Fahndung-Überwältigung besteht. Obgleich das Verbrechen im Bereich des Thrillers nicht festgelegt ist, bedient sich Mankell in jedem seiner Kurt-Wallander-Romane des Mordes bzw. Serienmordes und folgt damit dem aktuell feststellbaren Trend. Kennzeichnend für den Thriller wird auch hier der Leser nicht vor den vollendeten Mord gestellt, sondern wird wie z. B. in Die falsche Fährte Zeuge des Mordes an Åke Liljegren. Das Verbrechen wird zum Ereignis, das es zu bekämpfen gilt. Die Fahndung nach dem Täter spiegelt sich im Thriller durch die Elemente der Verfolgung, Flucht, Gefangennahme und Befreiung wider. Gerade die sich gegenseitig bedingenden drei letzten Elemente zeugen von der Jagd nach dem Täter, in deren Verlauf es durchaus zu einer Verlagerung der Machtverhältnisse kommen kann und der Jäger schließlich zum Gejagten wird. So gerät Kurt Wallander beim Öffnen seiner Wohnungstür in die Schusslinie von Åke Larstam, flüchtet, um kurz darauf wieder die Verfolgung des Landbriefträgers aufzunehmen (Mittsommermord). In dieser den Thriller kennzeichnenden Handlungsstruktur, die letztendlich mit der Überwältigung des Täters endet, wird deutlich, dass die >action<- Elemente deutlich den >analysis<Elementen, die ihrerseits bezeichnend für den Detektivroman sind, überwiegen. 24 vgl. Alexandra Krieg. Auf Spurensuche. (2002), S. 76. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur >Action< 13 im Sinne von Aktion/ Handlung vermisst der Leser auch in Mankells Krimis nicht. Jedes Agieren und Reagieren seiner Figuren spielt sich jedoch wie bereits angedeutet im Rahmen des menschlich Möglichen ab. Während im Thriller gewöhnlich mehrere Kriminelle ihr Unwesen treiben, begeht in Mankells drei erfolgreichsten Kurt-Wallander-Romanen jeweils nur ein einzelner Täter die Morde. Jedoch haben die meisten dieser Opfer selbst eine kriminelle Karriere hinter sich und können somit zur Gruppe der Straftäter gerechnet werden. Gustav Wetterstedt gehörte einem Mädchenhändlerring an (Die falsche Fährte), Holger Eriksson ermordete gar in seiner Vergangenheit eine Frau (Die fünfte Frau). Die zunächst als Zugeständnis erscheinende Variation des Thrillers erweist sich jedoch auf den zweiten Blick als Neuerung. Längst nicht alle Opfer, die die Polizei in Ystad zu beklagen hat, sind damit charakteristischerweise Angehörige der ingroup, in deren Mitte der Held des Thrillers angesiedelt wird. Die Straftäter, die neben der Gesellschaft Vertreter der outgroup sind, repräsentieren in der Reinform des Thrillers die Sündenböcke einer Gesellschaft. Mankells literarische Mörder hingegen sind keine Sündenböcke im eigentlichen Sinne. Yvonne Ander war zwar ein Sündenbock, jedoch muss man sich vor Augen halten, dass sie als Kind die Gewalt des Vaters und indirekt die Tötung der ungeborenen Schwester aushalten musste. Ebenso musste sie in späteren Jahren die Misshandlung ihrer Mutter und schließlich als erwachsene Frau in ihrem Beruf als Krankenschwester das Leiden zahlreicher misshandelter Frauen miterleben (Die fünfte Frau). Durch die intensive Herausarbeitung der Motivfrage wird dem Leser deutlich, dass Frau Ander zur gleichen Zeit Opfer ist Opfer eines scheinbar unfähigen Justizsystems, das im Griff zur Selbstjustiz seinen einzigen Ausweg sieht. Nusser kritisiert in seinem neuesten Werk Der Kriminalroman die verstümmelte Darstellung der Ursachen eines Verbrechens im Thriller. Mankell setzt jedoch gerade an diesem Punkt an und beleuchtet die Tätermotive, wie Yvonne Anders Rachefeldzug, aus psychischer, sozialer und politischer Sicht. Nussers Kritik ist damit im Falle der Kurt-Wallander-Romane völlig haltlos.25 25 vgl. Nusser, S. 48-64; Krieg, S. 76-82. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur Trotz anhaltender Diskussionen über Qualität bzw. 14 Trivialität einiger kriminalliterarischer Werke, konnte sich die Kriminalliteratur seit ihrem Bestehen als eines der beständigsten Genres der populären Literatur behaupten. Die meistgelesene Literatur der Gegenwart wird überdies als Welt-Literatur verstanden; eine Literatur, an der die ganze Welt Anteil hat. Und doch gehört das Krimigenre „nach wie vor zu den meistunterschätzten des Literaturmarktes“26. Die Ursachen für diesen globalen Erfolg liegen einerseits in den Entstehungsbedingungen materieller und ideeller Art sowie in den Lesern selbst. Leider gibt es bis heute kaum empirische Untersuchungen bezüglich ihrer psychologischen und soziologischen Leserdispositionen. Gerade diese Fragen werden nicht nur gerne in den Literaturforen des WorldWideWeb aufgegriffen und diskutiert; sie stehen derzeit auch im Mittelpunkt des Forschungsinteresses verschiedener Hochschulen. Veröffentlichungen diesbezüglich werden noch einige Zeit auf sich warten lassen, man darf aber gespannt sein. Bislang versuchte man die Massenwirksamkeit der Kriminalliteratur auf hermeneutischem Weg zu erforschen, auf deren Darlegung angesichts des fehlenden Beweises und zahlreicher ungesicherter Informationen im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit verzichtet wird. Die im Rahmen der Leserumfrage erhobenen Daten spiegeln folgendes Bild des ‚typischen’ Kurt-Wallander-Lesers wider: 58,1% der Teilnehmer waren Männer. Der Großteil der Leser, die zwischen 15 und 65 Jahren alt waren, ist zwischen 25 und 34 Jahren alt (42,6%). Ein überdurchschnittlich hoher Anteil des damit insgesamt jungen Lesepublikums Henning Mankells hat zudem einen akademischen Beruf Inne (26,8%), beziehungsweise strebt einen derartigen Berufsstand nach dem Abschluss des Studiums an (13,8%). 27 Die Zukunft wird zeigen, ob die Sensationslust des Lesers, die intellektuelle Herausforderung an ihn, die Spannung und die Möglichkeit des Erlebens von Abenteuern diesen Boom des kriminalistischen Literaturmarktes mitauslöste und weiterhin aufrechterhält. Henning Mankell konnte und kann sicherlich von diesem Erfolg profitieren. Jedoch reicht die Tatsache, dass es sich bei den Kurt26 27 Krieg, S. 5. siehe Anhang B, Anlage 2 Geschlecht - Alter - Beruf. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 15 Wallander-Romanen um Kriminalliteratur handelt, bei weitem nicht aus, den Erfolg seiner Werke zu erklären. 28 3.2 Der Erfolg des Krimigenres in Deutschland Längst ist diese Euphorie um den Krimi auch über die deutschen Grenzen getreten und hat hierzulande einen wahrhaftigen Boom des kriminalistischen Literaturmarktes ausgelöst. Mit den Worten „Tyskland, Tyskland - Deckarland“29 titelte der schwedische Krimispezialist Johan Wopenka bereits vor Jahren einen seiner Artikel für die skandinavische Krimi-Zeitung Jury und betonte damit den im Ausland bewunderten Erfolg des Krimigenres hierzulande. Noch nie wurden im deutschsprachigen Raum so viele Krimis veröffentlicht wie im letzten Jahr. Noch nie stammten mehr Krimis aus der Hand deutschsprachiger Autoren.30 Die Geschichte der Kriminalliteratur wird sicherlich in jedem Land anders geschrieben, doch nimmt Deutschland in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein. In den Zeiten des Dritten Reiches hatte es der deutsche Krimi sehr schwer. Die bestehende Regierungsform der Diktatur ließ es nicht zu, über kriminalliterarische Themen wie Mord oder Verbrechen zu schreiben, da sie gesellschaftliche Missstände aufzeigten, die es in einer Diktatur schlichtweg nicht geben durfte. Das Ende des Zweiten Weltkrieges und des damit einhergehenden Machtverlustes Hitlers stellte jedoch zunächst nicht die erhoffte Geburtsstunde des deutschen Krimis dar; noch 15 Jahre später veröffentlichten viele deutsche Autoren ihre Krimis unter (englischen) Pseudonymen. Die Kriminalliteratur war noch immer stark angelsächsisch geprägt, es gab nur einige wenige weibliche Krimischriftstellerinnen und die deutsche Krimiszene befand sich noch in ihren Kinderschuhen. Einige Subgenres waren noch nicht einmal erfunden. Erst Ende der 60er-Jahre änderte sich die Situation und deutsche Autoren schrieben fortan unter deren eigenem Namen. Neben den ersten Soziokrimis erschien 1974 SHOCK, die erste Zeitschrift für Kriminalliteratur in Deutschland; die erste 28 vgl. Schindler, S. 15; Alfred Miersch. Gute Nachrichten aus dem Genre (2001). In: http://www.alligatorpapiere.de; Nusser, S. 7, 151-168; Vogt, S. 9. 29 Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Deutschland-Krimiland (1993), S. 1. 30 vgl. Schindler, S. 24; FAZ.NET. Horst Eckert: „Es reicht nicht, einfach einen Mord aufzutischen“ (2001); siehe Anhang A, Abb. 9-11; siehe dazu auch Anhang A, Abb. 7 u. 8. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 16 Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe öffnete in Frankfurt ihre Pforten. Im Ergebnis entwickelte sich die Kriminalliteratur hierzulande langsamer als in anderen Ländern. Bis zum heutigen Tag ist es dem dt. Buchmarkt jedoch gelungen, diesen Rückstand kontinuierlich zu verringern. Längst verfügt auch der deutschsprachige Raum mit Deutschland, Österreich und der Schweiz über die gleiche Bandbreite an Kriminalliteratur wie der angelsächsische. Die Anzahl deutschsprachiger Originalausgaben steigt seit einigen Jahren beständig an. Zwar sind die Glauser-Listen der Autorenvereinigung DAS SYNDIKAT nicht von der Qualität exakter Statistiken, jedoch kann der an ihnen ablesbare Trend sicherlich für eine Betrachtung der deutschen Krimiszene herangezogen werden. Im vergangenen Jahr haben sich 191 deutschsprachige Autoren mit ihren Kriminalromanen für den Friedrich-Glauser-Preis beworben - so viele wie nie zuvor.31 Vom Boom der Kriminalliteratur profitieren jedoch hierzulande vor allem ausländische Autoren, denen mit ihren übersetzten Werken der weitaus größte Teil der Neuveröffentlichungen im Bereich der Kriminalliteratur zuzurechnen ist. Deutsche Titel liegen in ihren Verkaufszahlen weiter hinter denen amerikanischer und britischer Kriminalschriftsteller zurück. Während in Skandinavien 30% der veröffentlichten Krimis eines Jahres aus der Feder einheimischer Autoren stammen, handelt es sich im deutschsprachigen Raum lediglich bei 13,9% aller Neuveröffentlichungen um Originalausgaben (Stand 2003). Nach wie vor kommt dem Genre Kriminalliteratur in anderen Ländern wie Großbritannien und Frankreich eine höhere literarische Bedeutung zu, als dies momentan in Deutschland der Fall ist. Zwar ist es dem Krimi gelungen, erfolgreich gegen das Vorurteil der Schundliteratur anzukämpfen, doch mangelt es trotz zahlreicher essayistischer Auseinandersetzungen weiterhin an empirischen Untersuchungen zu diesem Genre.32 31 vgl. FAZ.NET. Horst Eckert:“ Es reicht nicht, einfach einen Mord aufzutischen“; Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Deutschland- Krimiland, S. 1, 3, 5; Vogt, S. 7. 32 vgl. Schindler, S. 188; Bruno Franceschini; Carsten Würmann. Verbrechen als Passion. Neue Untersuchungen zum Kriminalgenre. Berlin: Weidler Verlag (2004), S. 8; Krieg, S. 5; siehe Anhang A, Abb. 10, 11. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur Die Spiegel-Bestsellerlisten Kriminalschriftstellerinnen zeigen und deutlich, dass Kriminalschriftsteller 17 die auf erfolgreichsten dem deutschen Buchmarkt derzeit mit Patricia Cornwell, Donna Leon und Stephen King aus den USA, aber allen voran mit Håkan Nesser, Liza Marklund und Henning Mankell aus den skandinavischen Ländern kommen. 3.3 „Der Mord der aus der Kälte kam“: 33 Was macht skandinavische Krimis so erfolgreich? Abgesehen vom englischsprachigen Raum und Japan gibt es auf dieser Welt keine andere Gegend, in der das Genre Kriminalliteratur so populär ist wie in Skandinavien und in Relation zur jeweiligen Bevölkerungsdichte eine größere Verbreitung genießt. Jährlich werden derzeit in den drei skandinavischen Ländern rund 300 Kriminalromane veröffentlich. Längst hat diese „Krimiwelle aus dem Norden“34 auch Deutschland erreicht. 120 AutorInnen aus Skandinavien sowie Finnland und Island sind derzeit mit ihren Werken auf dem deutschen Krimimarkt vertreten, „davon schätzungsweise 40 allein aus Schweden“35. Die Wurzeln dieses gegenwärtigen Erfolgs reichen bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, weshalb ein kurzer Blick auf die neuere Geschichte der skandinavischen Kriminalliteratur notwendig wird, um dieses Phänomen zu erklären. Im Gegensatz zum geographischen Verständnis zählen neben Schweden, Dänemark und Norwegen auch die Werke der Länder Finnland sowie Island und der Färöer Inseln zur skandinavischen Kriminalliteratur, obgleich die drei letzteren in ihrer Entwicklung und Internationalität bislang nicht zu deren Hauptvertretern Schweden, Dänemark und Norwegen aufschließen konnten. In dem Bewusstsein, dass es sich im Falle der nordischen Kriminalliteratur keineswegs um eine homogene Literatur handelt, sondern sich diese indes schon durch 33 sprachliche wie entwicklungstechnische Unterschiede voneinander Alexandra Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam. Was machen skandinavische Krimis so erfolgreich? (2004). In: http://www.schwedenkrimi.de. 34 Alexandra Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam (2004). 35 Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 18 abgrenzt, sind dennoch charakteristische Gemeinsamkeiten nicht zu verkennen, anhand derer im Folgenden der internationale Erfolg dieser Literatursparte analysiert werden soll.36 Wie ihre Kollegen in den übrigen Ländern, so mussten auch die skandinavischen Kriminalautoren lange um Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer Werke kämpfen. Beinahe schlagartig änderte sich diese unbefriedigende Situation in den späten 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts durch das Autorenehepaar Maj Sjöwall (*1935) und Per Wahlöö (1926-1975), die rückblickend die entscheidende Rolle in der kriminalliterarischen Entwicklung Skandinaviens und hier insbesondere Schwedens spielten; ihr Einfluss wird von einigen Kritikern sogar als zu immens beschrieben. Sjöwalls und Wahlöös Romanzyklus um den Stockholmer Kommissar Martin Beck war für Autoren, Kritiker und Leser ausschlaggebend, Kriminalliteratur fortan nicht mehr als bloße Unterhaltungsliteratur, sondern „auch als ein Mittel der Überprüfung von Wirkungsweisen und Machtstrukturen der modernen Gesellschaft“37 zu sehen. Zu dieser Anerkennung der Kriminalliteratur trugen ohne Zweifel auch Kritiker und Experten wie Jörgen Elmström oder Åke Runnquist bei, die erste Werke der Sekundärliteratur zu diesem Genre veröffentlichten. Erste kriminalliterarische Zeitschriften wurden gegründet sowie mehrere Vereine und Organisationen ins Leben gerufen. Die wohl bedeutendste Organisation unter ihnen ist bis heute noch die Svenska Deckarakademin, die Schwedische Krimiakademie, die sich selbst der Niveauanhebung schwedischer Kriminalliteratur verschrieb. Nach der ersten Skandinavienwelle, die Deutschland mit Autoren wie Kierkegaard und Ibsen bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert erreichte, gelang es Sjöwall und Wahlöö erstmals, den skandinavischen Krimi in Deutschland salonfähig zu machen und überdies die Gattung des Kriminalromans nach den Querelen des Dritten Reiches nunmehr auch in der Bundesrepublik von den ihm anhaftenden Vorurteil der Schundliteratur zu befreien. Durch diesen Boom bekamen viele skandinavische Krimiautoren die Chance, endlich aus dem 36 vgl. Schindler, S. 188; Manuela Bruckner. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel Henning Mankell. (2002), S. 3, 6; Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam. 37 Schindler, S. 192. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 19 Schatten einer bislang verachteten Literatur in ihrem eigenen Land hervorzutreten, während sich zur gleichen Zeit bereits anerkannte skandinavische Autoren diesem ‚neu entdeckten’ Genre verschrieben. Bei weitem standen nicht alle Autoren unter dem direkten Einfluss von Sjöwall/Wahlöö. Die Entwicklung neuer Plotstrukturen, die Kreuzung verschiedener kriminalliterarischer Stile und Einflüsse anderer Autoren außerhalb des Genres trugen dazu bei, dass die Vielfalt des skandinavischen Krimis weiter wuchs. Das wohl berühmteste Beispiel hierfür ist Peter Høegs Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee, mit dem Høeg 1992 die Bestsellerlisten Deutschlands stürmte.38 Selbstverständlich kann eine Arbeit dieses Umfangs bei weitem nicht alle Facetten der nordischen Kriminalliteratur ansprechen, weswegen im Folgenden lediglich auf den augenblicklichen Mainstream dieses Genres eingegangen wird. Der Mainstream, der letzten Endes den enormen Erfolg in Deutschland auslöste und dem auch Henning Mankell mit seinen Kurt-Wallander-Romanen zuzuordnen ist. Nahezu alle gegenwärtig erfolgreichen skandinavischen KrimischriftstellerInnen wie z. B. Liza Marklund, Håkan Nesser, Åke Edwardson, Anne Holt und der bereits genannte Henning Mankell, stehen mehr oder weniger im Erbe des Autorenduos Sjöwall/Wahlöö und machen die ihnen gemeinsame sozialrealistische wie gesellschaftskritische Komponente zum unverkennbaren Markenzeichen des skandinavischen Kriminalromans.39 Der Kriminalroman aus dem Norden Europas hat jedoch weitaus mehr zu bieten: Der skandinavische Krimi ist in seiner Art internationaler als viele Vertreter seiner Gattung. Gekonnt verbinden Autoren wie Arne Dahl oder Olov Svedelid diese scheinbar am Rande der Welt liegenden Länder mit dem Rest der Erde und zeigen so die Auswirkungen der Globalisierung auf, die in der Bundesrepublik ebenso spürbar sind wie in Skandinavien. Ihre literarischen Protagonisten plagen dieselben Ängste und Sorgen wie den deutschen Krimifan, wodurch er sich in diesen für den nordischen Krimi so typischen menschlichen Charakteren leicht 38 vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Der schwedische Krimi. (1995), S. 8-20; Krieg, S. 75; Schindler, S. 188-194. 39 vgl. Tobias Gohlis. Das Böse kommt von Norden. Die Welt des nordischen Kriminalromans. Wien: Paul Zsolnay Verlag (2003/2004), S. 5; Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 20 wiedererkennen kann. Das beste Beispiel hierfür ist Henning Mankells Hauptfigur des Kurt Wallander. Einen Hauch von Modernität bringen Autoren wie Åke Edwardson durch ihren flotten Magazinstil, eine leicht verständliche Sprache und schnelle Szenenwechsel in ihre Kriminalromane. Auch das Autorentrio um Emma Vall hat sich, wenn auch nicht in einer derart expliziten Weise, diesem Sprachdaktus verschrieben, der den melancholischen Romanen zusätzliche Dynamik verleiht. Überdies machen Skandinaviens Kriminalautorinnen mit ihren Kommissarinnen auf sich aufmerksam. Liza Marklunds Hauptfigur Annika Bengtzon verkörpert in ihren Rollen als Mutter, Ehefrau und Journalistin nicht nur das vorbildliche skandinavische Gleichheitsmodell, sondern auch gleichzeitig den Traum vieler deutscher Frauen von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Neben dem feministischen Krimi ist auch der psychologische Krimi vor allem dank Karin Fossum nunmehr zu einem wichtigen Nebenstrom der skandinavischen Krimilandschaft geworden. Eine „Landschaft“, die einerseits weiterhin durch den Polizeiroman mit seinen verzweifelnden Protagonisten bestimmt wird; andererseits jedoch in der Zwischenzeit eine Vielfalt aufweist, die jeden Krimifan fündig werden lässt. Ein weiteres Merkmal, das den skandinavischen Krimi als solchen auszeichnet, stellt der hohe Grad an Realität dar, dem man z. B. in den Romanen von Åke Edwardson begegnet. Seine Romane sind das Ergebnis monatelanger Recherchen, die letztendlich in der detaillierten Schilderung der mühsamen Ermittlungsarbeit seiner Protagonisten ihren Niederschlag finden. Einen zweiten Weg verfolgt indes Henning Mankell. Durch die Einbindung realer Schauplätze, Persönlichkeiten und Ereignisse verleiht er seinen Kurt-WallanderRomanen zusätzliche Authentizität. Eine weitere Ursache dieses immens großen Erfolges hierzulande liegt jedoch in Deutschland selbst. Auch 55 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches kämpft Deutschlands Bevölkerung immer noch mit seiner Geschichte. Eine zu starke Kritik an der Gesellschaft, des Staates und seiner Regierung ist nach wie vor ein Tabuthema, weshalb sich die dt. Leser ihre Antworten auf die vielen offenen Fragen bezüglich des Themas Globalisierung und den benötigten Halt in der Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 21 Literatur suchen. Die deutsche Literatur kann diese Fragen derzeit nicht beantworten, weswegen der Leser auf die momentan politischsten Krimis zurückgreift - die Skandinavischen.40 Im Ergebnis unterscheidet sich der skandinavische Kriminalroman mit seinen charakteristischen Merkmalen deutlich von der jeweiligen typischen Kriminalliteratur anderer Länder. Anstatt lebenslustiger Menschen voller Humor und Esprit, wie sie der Leser aus zahlreichen südeuropäischen Krimis kennt, begegnet er im Norden Europas schwermütigen, beinahe ängstlichen Charakteren. Parodien und surreale Konstruktionen sind dem Liebhaber skandinavischer Kriminalliteratur ebenso fremd wie die den französischen Krimi kennzeichnenden verspielten Züge. Die traditionellen Kriminalromane aus dem hohen Norden sind für den Leser leicht als solche zu identifizieren, selbst wenn der Begriff des skandinavischen Kriminalromans literaturwissenschaftlich überhaupt nicht existiert.41 Henning Mankells Kurt-Wallander-Romane weisen die Mehrzahl der zuvor aufgeführten Attribute des traditionellen skandinavischen Krimis auf, wie im Laufe dieser Arbeit noch genauer zu sehen sein wird. Die Riege der momentan erfolgreichen Autoren aus Skandinavien ist immens und sicherlich hat der Sog dieses Erfolgs die deutschen Leser auch auf Kurt Wallander aufmerksam werden lassen. Jedoch kann auch diese Tatsache nicht die literarische Erfolgsgeschichte dieser Kriminalromanserie abschließend begründen.42 40 vgl. Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam; Peter E. M. Rohling. Der skandinavische Kriminalroman. Eine Erfolgsgeschichte (o. J.). In: http://www.heiner-k.de/specials/ skandinavische_ krimis/ einfuehrung.html. 41 vgl. Thomas Gohlis. Das Böse kommt von Norden. (2003/2004), S. 5. 42 vgl. Peter E. M. Rohling. Der skandinavische Kriminalroman (o. J.). Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 22 3.3.2 Das Erbe von Maj Sjöwall und Per Wahlöö Der Klappentext zu Mörder ohne Gesicht verrät dem Leser schon auf den ersten Blick zwei Vorbilder Henning Mankells. Angepriesen als Thriller in der Tradition von Maj Sjöwall und Per Wahlöö, darf der Liebhaber nordischer Kriminalliteratur gespannt sein, in welchem Ausmaß sich Mankell mit seinem Debütroman und mit den sich ihm anschließenden Romanen seiner Kurt-Wallander-Serie an die beiden „Urahnen“43 des skandinavischen Krimis anlehnt. Ein genauerer Blick auf die Romane Sjöwalls/Wahlöös und ein sich anschließender Vergleich mit Mankells Kriminalgeschichten aus Ystad wird zeigen, ob in dem Erbe des Autorenehepaares das Geheimnis um den Erfolg der Kurt-Wallander-Serie zu suchen ist. Inspiriert von Ed McBains Romanen über das 87. Polizeirevier, veröffentlichte das Autorenehepaar Maj Sjöwall und Per Wahlöö in den Jahren 1965-1975 seine Romanserie um eine Stockholmer Ermittlungsgruppe mit Kommissar Martin Beck als Hauptfigur. Die Serie, die von den beiden Schweden von Beginn an als 10-bändiges Werk konzipiert worden war, wies einerseits McBains Züge der Darstellung polizeilicher Ermittlungsroutine und ihrer Kriminalbeamten auf, die darüber hinaus mit einem glaubhaften Privatleben versehen waren. Andererseits versuchten Sjöwall und Wahlöö als bekennende linke Autoren, die gesellschaftlichen Verhältnisse Schwedens in ihren Romanen aus ihrer persönlichen Sicht widerzuspiegeln und mit ihren Büchern eine breite Bevölkerungsschicht zu erreichen. Die beiden übernahmen jedoch nicht vollständig das Konzept von McBain; bereits ihr zweiter Roman Der Mann, der sich in Luft auflöste trug ihre eigene Handschrift. Des Weiteren machten Sjöwall und Wahlöö durch eine Detailversessenheit und hohe Authentizität in ihrer Romanserie, die sie u. a. durch die Einbindung realer Persönlichkeiten und Ereignisse entstehen ließen, auf sich aufmerksam. Die Kritik am schwedischen 43 Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 23 Wohlfahrts- und Sozialstaat nahm indes von Roman zu Roman zu, so dass es sich bei den letzten beiden Werken dieser Serie nicht mehr um Kriminalliteratur im engeren Sinn handelt.44 Henning Mankells verwobene Gesellschaftskritik in den Romanen, sein Hauptprotagonist Kommissar Kurt Wallander und dessen Unbehagen gegenüber einer weiter zunehmenden Globalisierung erinnern stark an die Romanserie seiner Landsleute Sjöwall/Wahlöö. Es ist heute unumstritten, dass Mankell als Schüler der beiden ‚Großmeister des skandinavischen Krimis’ angesehen werden kann, doch stellen seine Romane keinesfalls nur eine Kopie der beiden dar. Mankell lässt keinen Hauch von Nostalgie aufkommen. Stattdessen hat er es verstanden, das von Wahlöö/Sjöwall beschriebene Szenario der schwedischen Gesellschaft konsequent weiterzudenken, den Verhältnissen des ausklingenden 20. Jahrhunderts anzupassen und damit auf eine vorübergehende Spitze zu treiben, was anhand folgender Beispiele verdeutlicht werden soll. Während Martin Beck erst im Laufe der Serie vom great detectiv „zum Sprachrohr moralischer Reflexionen wird“45, steht Kurt Wallander bereits in seiner ersten Mordermittlung fassungslos einer menschlichen Brutalität eines bislang unbekannten Ausmaßes gegenüber.46 Längst hat das Verbrechen auch in die vermeintlich letzte Ecke Schwedens Einzug gehalten, in die Wallanders Tätigkeit wesentlich enger gebunden ist als Beck an Stockholm. Diese enge Bindung kann als Ausdruck von Wallanders Suche nach Schutz vor der globalen Bedrohung gesehen werden. Schutz, den er in seiner Heimat Ystad trotz der dort wütenden Verbrechen findet und die er deshalb nur ungern verlässt. Dieser vermeintlich hoffnungslosen Situation wurde auch Wallanders Liebesleben angepasst, der im Unterschied zu seinem Kollegen Beck weiter auf die zweite große Liebe warten muss. Während Sjöwall/Wahlöö gerne ihre radikalsozialistischen Ideen in ihren Büchern zum Audruck brachten, blieb Mankell trotz seiner hervorgebrachten Gesellschaftskritik bürgerlich-neutral. Um 44 vgl. Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 9f; Hagenguth. Der Mord der aus der Kälte kam; Krieg, S. 75; Schindler, S. 188-194; Dr. Stephan Schwier. Krimis ohne Überhelden (o. J.). In: http://www.heiner-k/specials/skandinavische_krimis/interviewalzweig.html. 45 Krieg, S. 83. 46 vgl. Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 16 Z. 15-18. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 24 dem Leser seine Botschaft zu visualisieren, schlägt Mankell stattdessen neue Wege ein und weist der ihn umgebenden Landschaft eine herausragende Rolle zu.47 Sicherlich hat Mankell einen Teil des Erfolges seiner weltberühmten Krimiserie der Vorarbeit Maj Sjöwalls und Per Wahlöös zu verdanken, die ihren Nachfolgern den steinigen Weg der Anerkennung der Kriminalliteratur ebneten. Von der damaligen Krimieuphorie der 60/70er Jahre des letzten Jahrhunderts profitierte Henning Mankell jedoch nicht mehr. Der ‚Vater’ Kurt Wallanders veröffentlichte seinen ersten Kriminalroman im Jahre 1993 in Deutschland, 25 Jahre nach Sjöwalls/Wahlöös Deutschland Debüt. Vielmehr löste Mankell mit Kurt Wallander in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts eine neue und bis heute ungebrochene Krimiwelle aus. Dank Henning Mankell „ist der ‚Skandinavische Kriminalroman’ endgültig in die Belle Etage der guten Krimi-Literatur aufgestiegen“48. 3.3.2 Die „Mankellisierung“ Hoch gelobt von den Feuilletons der großen Zeitungen und beinahe durchgängig auf den Spiegel-Bestsellerlisten vertreten, wurde Mankell dank seiner KurtWallander-Serie mehr und mehr zum Publikumsmagneten. In kürzester Zeit gelang es dem Autoren, sich in die Herzen der deutschen Krimileser zu schreiben; Ende der 90er Jahre gelang ihm schließlich der Durchbruch in Deutschland. Von diesem Mankell-Rummel profitierten nicht nur bislang unbekannte skandinavische Schreiber wie Karin Fossum, Markku Ropponen oder Karin Altvegen. Auch in Liza Marklunds und Håkan Nessers Romanen, die dank der neu entdeckten Leidenschaft für nordische Krimis problemlos interessierte deutsche Verlage fanden, ist Mankells Einfluss zu spüren. Schriftsteller aus dem deutschsprachigen Raum lassen sich ebenso von Mankells Krimis inspirieren und veröffentlichten ihre Romane in der Tradition der Mankell´schen Schule. Eva Rossmann lieferte mit ‚Freudsche Verbrechen’ die östereichische Antwort auf Mankell, Ulrich Ritzel die Schwäbische. Doch auch über den deutschsprachigen 47 vgl. Rainer Sens. Dem Kommissar auf der Spur. Ein literarische Reiseführer zu den Tatorten der “Wallander-Romane“. Welver: Conrad Stein Verlag (2004), S. 12-15; Krieg, S. 84. 48 Rohling. Der skandinavische Kriminalroman. Das 20. Jahrhundert - Das Jahrhundert der Kriminalliteratur 25 Raum hinaus lassen sich KrimischriftstellerInnen von der ‚Mankellisierung’ des gesamten Krimigenres anstecken. Mit Mankellisierung bezeichnet Franz Schuh, der Kolumnist der Zeitschrift Literaturen, „die Verquickung von spekulativer, genre-spezifischer Gewaltdarstellung und einem politisierenden Moralismus, der es sich bei den realen Katastrophen, die er anspricht, gut gehen lässt“49. Erst kürzlich zeigte Alicia Giménez-Bartlett den deutschen Lesern mit ihrem Roman ‚Piranhas im Paradies’, dass längst nicht mehr überall, wo Schweden nicht drauf steht, Schweden nicht drin ist. Mankell ist allgegenwärtig. Was ist das Besondere an Mankells Krimiserie, das diesen Boom um Kurt Wallander auslöste und seine Kriminalgeschichten zu einer faszinierenden Erfolgsstory machten?50 49 Franz Schuh. Der Norden und der Süden (2004). In: http://www.literaturen.de/krimi-index.html. vgl. Klaus-Peter Walter. Reclams Krimi-Lexikon. Autoren und Werke. Stuttgart: Philipp Reclam jun. Verlag (2002), S. 23, 118, 138, 289, 362, 364f; Franz Schuh. Der Norden und der Süden (2004); Thomas Widmer. Morden im Norden. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer Nachrichtenmagazin 15. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001). S. 147; Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47. »Ein Mensch wie du und ich« (2002), S.36. 50 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 26 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 4.1 Mankells literarischer Stil Es kommt nicht von ungefähr, dass der Satz »Jeder Autor hat seinen eigenen Stil« in Buchhändlerkreisen so weit verbreitet ist, lassen sich doch nur schwerlich und verallgemeinernd die Stile mehrerer Autoren miteinander vergleichen. Ein literarischer Stil ist mehr als das Befolgen bestimmter Grundregeln der Schriftstellerei. Er spiegelt persönliche Erfahrungen und Eigenschaften des Autors wider. Während Mankells Schreibstil auf den ersten Blick eher nüchtern und spröde wirkt, eröffnet sich dem Leser nach einer genaueren Betrachtung seiner Texte die gesamte Breite ihrer mystischen wie kontroversen Wirkung. 4.1.1 Erzähltechnik Mankell hat seine Kurt-Wallander-Romane allesamt als Berichte im Präteritum geschrieben. Seine oftmals einfachen und kurzen Sätze enthalten kaum Fremdwörter und sind so für den Leser leicht verständlich. Den für den Thriller typischen chronologisch sukzessiven Erzählverlauf hält der Autor jedoch nicht durchgehend ein. Mehrmals unterbricht Mankell den jeweils gegenwärtigen Handlungsverlauf, um über zurückliegende Ereignisse zu berichten. Nicht immer verwendet er hierfür das gebräuchliche Plusquamperfekt und zwingt den Leser so seine Aufmerksamkeit zu schärfen. Während Wallanders Kollegen damit beschäftigt sind, die vier verschleppten Frauen aus der Dominikanischen Republik zu vernehmen, erfährt der Leser mitten im Textfluss von deren schicksalshafter Vorgeschichte (Die falsche Fährte). Zum Anderen geht der Autor zeitweise in die für den Detektivroman typische rückwärtsgerichtete Erzählweise über. Mit Hilfe von Vorgriffen wie „Später sollte er sich an den Abend in Helsingör als an den Wendepunkt der ganzen Ermittlung erinnern“51 vermischt Mankell endgültig zwei völlig unterschiedliche Erzähltechniken miteinander. Insgesamt betrachtet entspricht der Erzählverlauf damit nicht mehr dem Ablauf der objektiven Zeit.52 51 Mankell. Die falsche Fährte, S. 399 Z. 28f. vgl. Rainer Sens. Dem Kommissar auf der Spur. (2004), S. 12; Nusser, S. 52; Susanne Schanda. «Ich reise gerne in der Zeit» (1998). In:http://www.espace.ch/medien/bz/archiv/details_2.cfm? id=9082&simplesearch=kriminalliteratur &template=index.cfm; Mankell. Die falsche Fährte, S. 391 Z.22, S. 453 Z. 6ff, S. 462 Z. 18ff; Die fünfte Frau, S. 532 Z. 10ff. 52 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 27 Auch bei der Wahl der Erzählperspektive entschied sich der Schwede für eine Mischform - den perspektivischen Wechsel. Der Erzähler konzentriert sich in allen Romanen auf die Perspektive des Kurt Wallander, lässt den Leser ständig einen Blick über Wallanders Schulter werfen und ermöglicht ihm somit einen hohen Identifikationsgrad mit der Hauptfigur. Einen Höhepunkt stellt hierbei sicherlich die erste Vernehmung von Anita Carlman dar (Die falsche Fährte). Der ständige Wechsel zwischen der eigentlichen Vernehmung und Wallanders parallel zum Gespräch verlaufenden inneren Monologen zwingt den Leser, die entsprechenden Zeilen mit einer erhöhten Konzentration zu lesen.53 Die Figurenperspektive wird jedoch in Mankells späteren Romanen - und hier vor allem in seinen drei Erfolgreichsten - unterbrochen. In eingeschobenen Passagen entfernt sich die Handlung von der Hauptfigur und geht sowohl in die Opfer- wie Täterperspektive über. Die introspektive Schilderung des Mörders unterbreitet Mankell die Möglichkeit, das Tatmotiv, welchem, wie im Verlauf dieser Arbeit noch zu sehen sein wird, eine große Bedeutung zukommt, genauestens zu beleuchten. Der Leser begleitet den Mörder bei seinen Tatvorbereitungen und der eigentlichen Tat und erhält überdies Einblicke in die (kranken) Täter- wie leidenden Opferseelen. Mankell steigert diese psychologisch-kritische Tendenz des Thrillers, indem er in ausgesuchten Momenten in die Ich-Perspektive einer Person wechselt bzw. seine Hauptfigur Kurt Wallander mit den Worten „Von wo konntest Du ihn sehen, ohne gesehen zu werden?“54 direkt zu dem Täter sprechen lässt. Hervorgehoben werden die beiden zuletzt genannten Textabschnitte zusätzlich durch Kursivdruck im Layout. Dank dieser weniger statischen Erzählweise ist der Leser letzten Endes dem Ermittler in seinem Wissen voraus und kennt in den meisten Fällen bereits nach wenigen gelesenen Seiten die Identität des Täters. Trotz des Wissensvorsprungs kann der Leser jedoch nicht sagen, ob der nächste Schritt Wallander zu seinem Ziel bringen wird.55 53 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 135 Z. 12 - 32. Mankell. Die falsche Fährte, S. 174 Z.1f. 55 vgl. Sens, S. 12; Nusser, S. 52f; Mankell. Die fünfte Frau, S. 57 Z. 31ff, S. 59 Z. 4ff, S. 65 Z. 31ff; Die falsche Fährte, S. 152 Z. 7ff. 54 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 28 Die angewandte Erzähltechnik verleiht Mankells Büchern insgesamt einen hohen Grad an Dynamik. Damit der Leser dennoch den Überblick behält, bilden unzählige exakte Zeitangaben das Gerüst der Handlung und erleichtern ihm die Orientierung. Im Ergebnis trägt die angewandte dualistische Erzählweise mit den aus ihr hervorgehenden Handlungsunterbrechungen ebenso zur Intensivierung der Grundspannung des Lesers bei wie auch der bereits im Vorfeld erläuterte Erzählverlauf. 4.1.2 Spannungsaufbau Die Grundspannung hingegen ist abhängig von der konkreten Situation, in der sich die Hauptfigur befindet. Höhepunkte der Spannung fallen mit einem bevorstehenden Durchbruch der Ermittlungen wie auch mit einer drohenden Gefahr für den Hauptprotagonisten zusammen. Mankells minutiöse Schilderung befindet sich in diesen Momenten auf ihrem Höhepunkt.56 Während der Leser über die sich in einigen Situationen überschlagenden Ereignissen sprichwörtlich hinwegfliegt, schafft Mankell mit Hilfe der gegensätzlich wirkenden absoluten Stille eine nicht mindere Spannung.57 Die Bestsellerromane des Schweden weisen keinen einheitlichen Spannungsaufbau auf. Dem Leser stockt der Atem, als Hoover eines Nachts vor Wallanders Bett steht und den Kommissar im Schlaf beobachtet, bis sich dieser entschließt, unerkannt die Wohnung wieder zu verlassen.58 Kennzeichnend für die gesamte Gattung des Thrillers lässt sich daher jeder Kurt-Wallander-Roman in mehrere Handlungsbögen unterteilen, entsprechend derer das Erzähltempo zwischen den einzelnen aktionistischen Situationen und den ihnen gegenüber stehenden retardierenden Momenten stark variiert. Besonders zeichnet sich Mankell für seine starken Romananfänge aus, in deren Prologen meist schon der erste Mord zu beklagen ist. Gemäß Mankells Ansicht, der Leser würde sich bereits nach der ersten gelesenen Seite entscheiden, ob er das Buch weiter läse oder wegwürfe, entschied er sich bewusst für diese 56 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 570 Z. 1ff. vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 407 Z. 7ff. 58 vgl. Nusser, S. 53; Mankell. Die falsche Fährte, S. 315 Z. 12ff. 57 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 29 Anfänge.59 Mankells Spannung ist jedoch mehr. Sie ist mehrdimensional. Neben dem Plot erzeugt Mankell auch durch seine lebendigen Figuren, die Tatmotive sowie beinahe kämpferischen Dialoge Spannung.60 Katarina Taxells Vernehmung spitzt sich in Form eines Frage-Antwort-Spiels mehr und mehr zu, bis Wallander das Gespräch plötzlich auf S. 395 Z. 24 abbricht und die ständig ansteigende Spannung somit abrupt gestoppt wird (Die fünfte Frau). Mit der Prostituierten Elisabeth Carlén liefert sich Wallander gar ein regelrechtes Wortgefecht.61 Indem Mankell seine Leser lediglich über Wallanders Absicht, „einen Besuch [zu] machen“62, in Kenntnis setzt, ohne hierbei zunächst das Ziel zu erwähnen, erzeugt der Autor wiederum die für den Krimi charakteristische suspense. Erst auf der folgenden Seite des betreffenden Romans lüftet der Schwede schließlich das Geheimnis.63 Suspense entsteht jedoch an einigen Stellen auch durch die Allwissenheit des Lesers. Während Wallander in einem Gespräch mit Martinsson noch nicht ahnt, dass er selbst das neunte Opfer Åke Larstams sein soll, bangt die Lesergemeinde bereits um das Leben des Kult-Kommissars. » Larstam hat Hansson und den Kollegen aus Malmö nicht erschossen. Und keiner redet mir ein, er hätte sie verfehlt. Es war nur, weil keiner von beiden die neunte Person war. « » Und das bist du also auch nicht? « » Wohl kaum. «64 Durch den gezielten Einsatz von Überraschungseffekten an vielen Kapitelenden gelingt es Mankell überdies den Spannungsbogen nicht an diesen prägnanten Stellen abbrechen zu lassen.65 Viele Leser sind obendrein neugierig, ob Wallander z. B. tatsächlich nach dem Romanende von Die weiße Löwin seinen Dienst quittieren und ob es für ihn und Baiba eine gemeinsame Zukunft geben wird. Der Spannungsbogen kann damit sowohl als kapitel- als auch romanübergreifend gewertet werden. Ein Indiz hierfür ist auch der insgesamt hohe Anteil der befragten Leser, die alle Kurt-Wallander-Romane gelesen haben (57,14%). 59 vgl. Susanne Schanda. «Ich reise gerne in der Zeit» (1998). vgl. Schindler, S. 52. 61 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 392 Z. 323 - S. 396 Z. 29. 62 Mankell. Mittsommermord, S. 467 Z. 32. 63 vgl. dazu auch Mankell. Mittsommermord, S. 467 Z. 32 - S. 468 Z. 28; Die falsche Fährte, S. 341 Z. 24ff. 64 Mankell. Mittsommermord, S. 545 Z. 26ff. 65 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 389 Z. 6, 11f, S. 452 Z. 1ff. 60 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 30 Allgemein betrachtet ist die Spannung in Mankells Kurt-Wallander-Romanen ein grundlegendes Element. 88,5% der befragten Leser sahen den Faktor Spannung als sehr wesentlich für ihre Gesamtbeurteilung der Wallander-Romane an, die im Übrigen 84,6% der Leser sehr gut gefallen haben.66 4.1.3 Literarische Stilmittel Hinter der Spannung, die unangefochten den ersten Platz unter den möglichen Einflussfaktoren auf die Bewertung der Kurt-Wallander-Romane einnimmt, rangiert der literarische Stil auf dem zweiten Rang. Immerhin 51,2% der Leser betrachten den Stil Mankells als sehr wesentlich für ihre Gesamtbewertung seiner Werke. Lediglich 1,4% der Befragten weisen dem Stil keinerlei Bedeutung für ihre Gesamtbewertung der Kriminalgeschichten aus Ystad zu. Die Frage, was die Leser unter Mankells literarischem Stil verstehen und als solchen erkennen, wurde im Rahmen dieser Umfrage nicht erörtert.67 Die beiden Rhetorikfiguren, derer sich Henning Mankell in seinen Romanen am häufigsten bedient, sind die Metapher sowie der Simili. In dem Augenblick, in dem Mankell seinen Wallander spüren lässt, „daß ein weiterer, unsichtbarer, aber schwerer Mantel der Verantwortung um seine Schultern gehängt wurde“68, wird dem Leser bewusst, dass der Kommissar nicht glücklich in seiner Rolle des Ermittlungsleiters ist, und er befürchtet, er könne die gesamte Ermittlung in eine falsche Richtung lenken, ohne dass der Autor diese Aussage wörtlich wiedergibt. Der Simili/Vergleich hingegen veranschaulicht den jeweiligen Textinhalt, indem er zwei Bereiche miteinander verknüpft, die in einem Punkt übereinstimmen. „An den trockenen und harten Tauen zu nagen war [für Gösta Runfelt] wie eine tröstende Hand“69. Unter normalen Umständen vermag eine Hand einer verzweifelten Person Trost zu spenden; während Gösta Runfelts Gefangenschaft erfüllen 66 die Fesseln des Blumenhändlers siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 12) 13a). siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 13b). 68 Mankell. Die falsche Fährte, S. 338 Z. 21f. 69 Mankell. Die fünfte Frau, S. 59 Z. 34f. 67 nunmehr diese Aufgabe. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory Beide Stilmittel weisen eine angenehme Mischung 31 aus Bildern der Umgangssprache sowie neu geschaffenen Bildern auf. Mankells Sprache wirkt daher nicht künstlich erhoben und macht das Lesen seiner Bücher angenehm. Während dem Leser Bilder, wie der Kloß im Hals oder der springende Punkt in einem Problemfall wohl bekannt sind, vergleicht er die Seezeichen des Fahrwassers hingegen nicht alltäglich mit „verlassene[n] Statuen in einem Museum, das für die Saison geschlossen hat“70.71 Um den aktuellen Stand der Ermittlung treffend zu veranschaulichen, bedient sich der Autor häufig der Bilder aus der Schifffahrt bzw. dem Bild des Puzzles.72 Ferner begegnet der Leser in den Romanen wiederholt Bildern aus den Bereichen der Flora und Fauna sowie der Kriegs- („Das war ihr Wallgraben, und es führte kein Eingang zur Festung hinein“73) und Theaterwelt („Immer noch standen die Menschen dort und betrachteten den Epilog des düsteren Schauspiels, von dessen eigentlicher Handlung sie nichts mitbekommen hatten.“74). Mehrfach findet man auch Metaphern und Simili aus den Bereichen der Unterwelt und Meteorologie vor. So manche Ermittlung Wallanders erweist sich als „Abstieg in die Unterwelt“75, und zahlreiche Nebelbänke sowie Herbststürme verleihen Mankells Romanen die von den Lesern geliebte mystische Stimmung.76 Selten dagegen verwendet der Autor Bilder aus dem Sport wie „Sie setzte sich auf die äußere Kante des Stuhls. Wie eine Läuferin, die in den Startlöchern sitzt und sich auf den Startschuß konzentriert, dachte Wallander.“77 Zu der Gruppe der rhetorischen Wiederholungen werden sowohl die Anaphora wie die Epiphora gerechnet, derer sich Mankell bedient, um eindringlich auf einen bestimmten Sachverhalt hinzuweisen. Streng nach den Regeln der Anaphora 70 Mankell. Mittsommermord, S. 603 Z. 24ff. vgl. M. H. Abrams. A Glossary of Literary Terms. 3rd edition. New York: Holt, Rinehart, and Winston, Inc. (1971); Mankell. Mittsommermord, S. 69 Z. 21, S. 549 Z. 22. 72 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 316 Z. 18ff, S. 398 Z. 7 - 13. 73 Mankell. Die falsche Fährte, S. 60 Z. 17f; vgl. dazu auch Mittsommermord, S. 63 Z. 14f, S. 360 Z. 6f, S. 533 Z. 30f. 74 Mankell. Mittsommermord, S. 409 Z. 4ff; vgl. auch S. 66 Z. 19f; Die falsche Fährte, S. 320 Z. 28f. 75 Mankell. Mittsommermord, S. 109 Z. 2ff. 76 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 508 Z. 20ff; Der Mann, der lächelte, S. 12 Z. 14ff; vgl. dazu auch Die falsche Fährte, S. 53 Z. 11f. 77 Mankell. Mittsommermord, S. 152 Z. 31f. 71 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 32 wiederholt Wallander die Worte „Nichts spricht dafür“78 an zwei aufeinander folgenden Satzanfängen und betont damit, dass derzeit nichts darauf hindeutet, dass sein Kollege Svedberg in den Dreifachmord im Naturreservat Hagestadt verwickelt ist. Das Gegenstück der Anaphora bildet folglich die Epiphora, die den Schluss eines Satzes wiederholt. „Wallander dachte nach, bevor er antwortete. »Wie du und ich«, sagte er dann. »Im großen und ganzen genau wie du und ich.«“79 Exakt die gleiche Wirkung entfaltet die einfache Wortwiederholung, das Epizeuxis, des Adjektivs verkleidet auf Seite 173 des Mittsommermordes. Eine ebenso eindringliche Wirkung verbreiten überdies Mankells angewandte literarische Stilmittel wie z. B. die Kette, die Akkumulation oder Alliterationen wie das „klassische Klatschzentrum“. Der letzte Satz von Wallanders Gedankengang „Hier brauchte er nie daran zu denken, wer er war. Auch nicht daran, daß er recht hatte. Recht hatte damit, daß es keine Gerechtigkeit gab.“80 beginnt mit exakt den gleichen Worten wie ihm vorausgehenden Satz, weshalb diese Satzfolge als Kette bezeichnet wird. Die Akkumulation hingegen erreicht eine gesteigerte Eindringlichkeit des geschriebenen Wortes durch die Anhäufung mehrerer Begriffe wie „Zwischen all den Dummheiten, Irrtümern und Fehlschlüssen (…)“81.82 Bei der insgesamt grundlegenden melancholisch-mystischen Stimmung aller Romane verpasst es Mankell nicht auch kommunikative rhetorische Mittel wie die Ironie („Das ist eine Mutter, die ihre Tochter wirklich liebt (…).“83) oder das Oxymoron („lautlose Alarmsignale“84) in seinen Plot einzubauen. Ebenso unterhaltend wirken Mankells Einschübe wie „Dieses Arschloch von Staatsanwalt. Er stänkert.“85; eine Figur, die in der literarischen Fachsprache als Stilbruch bezeichnet wird. Wallanders Einkauf von fünf Brillen zaubert dem 78 Mankell. Mittsommermord, S. 196 Z. 19f. Mankell. Die falsche Fährte, S. 370 Z. 20f. 80 Mankell. Mittsommermord, S. 157 Z. 23f. 81 Mankell. Die falsche Fährte, S. 240 Z. 14f. 82 vgl. M. H. Abrams. A Glossary of Literary Terms. (1971). 83 Mankell. Mittsommermord, S. 174 Z. 20. 84 Mankell. Die fünfte Frau, S. 98 Z. 27f. 85 Mankell. Mittsommermord, S. 329 Z. 10; vgl. dazu auch Die falsche Fährte, S. 351 Z. 6. 79 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 33 Leser ein Lächeln auf die Lippen; die von Wallander unbemerkte Begegnung mit Yvonne Ander, als diese ihn um die Fahrscheine zwecks einer durchzuführenden Fahrkartenkontrolle bittet, stellt indessen einen besonderen ‚Gag’ dar.86 Spannende wie anschauliche Wirkung verbreiten hingegen das Paradoxon und die beiden Formen der Reihung. Die scheinbar widersinnige Aussage Wallanders über Hoover „ …, er ist Marionette und Marionettenspieler zugleich“87 erweist sich im Nachhinein als richtig und erfüllt damit die Kriterien des Paradoxons. Die Kriterien des Asyndetons, der ersten Form der Reihung, erfüllt dagegen Wallanders Bild des Täters als „Mager, durchtrainiert, barfuß, wahnsinnig“88. Im Gegensatz zum Asyndeton reiht das Polysyndeton Begriffe wie „Regen und Kälte und Mist“89 bewusst mit der Wiederholung des Bindewortes und aneinander und wirkt somit verstärkt auf den Leser. Sprachlich eigentlich falsch ist dagegen die Form des Pleonasmus. Die doppelte Wiedergabe des Sachverhalts „Wallander gewann den Eindruck, daß Birgersson als Polizeiintendant vorbildlich auftrat, eine der wirklich seltenen Ausnahmen“90, veranschaulicht dem Leser die Rarität vorbildlicher Vorgesetzter.91 Darüber hinaus verzichtet Mankell nicht darauf, die bislang erläuterten rhetorischen Figuren miteinander zu kombinieren und somit deren Wirkung nochmals zu verstärken. Folgende Textstelle beinhaltet sowohl eine Metapher als auch das literarische Stilmittel einer Kette: „Wallander wollte den Täter dazu bringen, sich zu bewegen. Bewegliches Wild war leichter zu sehen als das, was sich still verhielt und sich im Schatten verbarg.“92 Henning Mankell setzt die gesamten literarischen Stilmittel sehr prägnant - vor allem in retardierenden Momenten und Gedanken - ein, um die Aussagen einzelner Passagen zu untermauern und bedeutende Szenen seiner Romane 86 vgl. Stefan Ohlerich. Die fünfte Frau (o. J.). In: http://www.x-zine.de; Abrams. A Glossary of Literary Terms; Mankell. Die fünfte Frau, S. 271 Z. 6ff, S. 278 Z. 14ff. 87 Mankell. Die falsche Fährte, S. 172 Z. 12f. 88 Mankell. Die falsche Fährte, S. 416 Z. 27. 89 Mankell. Die falsche Fährte, S. 261, Z. 5. 90 Mankell. Die falsche Fährte, S. 454, Z. 15ff. 91 vgl. Abrams. A Glossary of Literary Terms. 92 Mankell. Die fünfte Frau, S. 225 Z. 8ff; vgl. dazu auch S. 215 Z. 1 (Metapher und Similli), S. 548 Z. 11f (Similli und Oxymoron). Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 34 herauszuarbeiten. Auf eine abschließende Besprechung des literarischen Stils wird an diesem Punkt der Arbeit bewusst verzichtet. Ziel dieses Unterabschnittes war es, den Stil, der den Kurt-Wallander-Romanen zu Grunde liegt und letztendlich zu deren Erfolg beigetragen hat, kurz anzureißen und somit einen ersten Eindruck der Wirkungsmöglichkeiten literarischer Stilmittel zu vermitteln. Einige weitere Aspekte zu Mankells Stil werden in den folgenden Unterpunkten jeweils themenbezogen besprochen. 4.2 Polizeiarbeit ‚en détail’ Eine der Stärken Henning Mankells ist die genaue, ja sogar akribische Beschreibung polizeilicher Arbeit. Durch die zu großen Teilen angewandte Figurenperspektive gelingt es dem Bestsellerautor, seine Leser intensiv in die Ermittlungsarbeit Wallanders und seiner Kollegen einzubeziehen und somit die Polizeiarbeit in all ihren Details zu schildern. Es ist ein Genuss für jeden Leser, sich mit Wallander und seinem Ermittlungsteam auf Tätersuche zu begeben oder sich mit ihnen erneut aufraffen zu müssen, wenn sich verheißungsvolle Spuren als Sackgassen erweisen. Kein Telefonanruf, keine Tasse Café, aber auch kein ermittlungstechnischer Fehler wird ausgelassen.93 4.2.1 Ablauf der Polizeiarbeit Mankell gelingt es in seinen Büchern einen zu großen Teilen realistischen Überblick der Ermittlungstätigkeit der Polizei zu geben, so dass der Leser einen Eindruck der Arbeit dieses Berufsstandes gewinnen kann. Er erfährt so von den ersten Arbeitsschritten einer Mordermittlung, deren Reihenfolge von Wallander und seinen Kollegen stets beharrlich eingehalten wird. Der zunächst erforderlichen Absperrung folgen gegebenenfalls Videoaufnahmen zur Beweissicherung, die Feststellung des Todes durch einen Arzt und die sich anschließende Arbeit der Kriminaltechniker. Steht die Identität des Toten fest, liegt es an den Beamten in Begleitung eines Polizeigeistlichen den Angehörigen 93 Thomas Wörtche. Der Overkill des Krimimarktes. Eine Sammelbesprechung (1998). In: http://kaliber38.de/woertche/einzelteile/woche98.htm; Stefan Ohlerich. Die falsche Fährte (o. J.). In: http://www.x-zine.de. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 35 des Mordopfers die Todesnachricht zu überbringen. Schon in diesem frühen Ermittlungsstadium wird ein erster Zeitplan des begangenen Verbrechens erstellt, werden erste Zeugen befragt und die Recherche in den polizeilichen Datensystemen aufgenommen. In dieser Anfangsphase jeder Ermittlung, die einer „mühsame[n] Grundlagenarbeit“94 gleicht, sind die Kriminalbeamten bemüht, sich zunächst ein Bild des Toten zu machen und möglichst unvoreingenommen in alle Richtungen zu ermitteln.95 Eine Verallgemeinerung der sich daran anschließenden Ermittlungsschritte ist nur mit vielen Zugeständnissen möglich, die zu einer Verfälschung ihrer Aussagekraft führen würden, da wie Wallander treffend zum Ausdruck bringt, „eine Verbrechensermittlung (…) nie einer anderen [gleicht], zumindest nicht in der Tiefe.“96 Im Folgenden wird daher auf eine weitere Darstellung von Mankells Schilderung der Polizeiarbeit verzichtet und stattdessen auf einige Besonderheiten des Autors in Bezug auf dieses Thema eingegangen. Mankell greift die tatsächlich zweimal täglich stattfindenden Besprechungen der Kriminalbeamten in Ystad in seinen Romanen auf, um dem Leser den aktuellen Ermittlungsstand offen zu legen und das Geschehene kurz zusammenzufassen. In einer zunächst stattfindenden Informationsrunde werden dem Leser schließlich die Ergebnisse der Ermittlungen von Wallanders Kollegen mitgeteilt, während er selbst mit dem Ermittlungsleiter unterwegs war.97 Die Ermittlungserfolge Kurt Wallanders und seines Teams basieren letzten Endes auf einer Mischung aus logischen Schlüssen, labortechnischen Untersuchungsergebnissen, viel Laufarbeit und einem leicht übertriebenen Maß an Intuition und Glück. In schriftstellerischer Perfektion gelingt es Mankell dem außen stehenden Leser durch entsprechende, in die Handlung eingebaute Textpassagen den notwendigen polizeilichen Erfahrungsschatz näher zu bringen, so dass er ständig den Gedankengängen der Kriminalbeamten folgen und die sich daraus ergebenden Ermittlungsschritte nachvollziehen kann. Anhand des lockeren Seils, mit dem Gösta Runfelt an einen Baum gefesselt war, und seiner plötzlichen 94 Mankell. Die fünfte Frau, S. 164 Z. 12. vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 197 Z. 2f; Die fünfte Frau, S. 138 Z. 2ff, S. 189 Z. 7f. 96 Mankell. Die fünfte Frau, S. 131 Z. 22ff. 97 vgl. Interview Anhang A, Abb.12; Mankell. Die falsche Fährte, S. 478f; Mittsommermord, S. 432 Z. 35f; Die fünfte Frau, S. 37ff. 95 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 36 Abmagerung schließt Wallander, dass der Blumenhändler in seinem Todeskampf keinen Widerstand leisten konnte (Die fünfte Frau).98 Mankells Schilderung der Polizeiarbeit wird lebendig, indem er seinen Protagonisten typische polizeiliche Redewendungen in den Mund legt. Mats Eckholm deklariert den Skalpmörder kurzerhand zu Wallanders Täter; Nyberg ist dagegen gespannt, was ihm die technische Untersuchung der Fingerabdrücke ‚erzählen’ wird.99 Des Weiteren geht Mankell in seiner Darstellung des Polizeialltages über die jeweils aktuelle Mordermittlung hinaus und integriert die tatsächlichen Kriminalitätsschwerpunkte des Polizeidistriktes Ystad wie den Autoschmuggel, Körperverletzungs- sowie Verkehrsdelikte in die Handlung.100 Insgesamt betrachtet schätzt der größte Teil der befragten Leser sowohl den Ablauf der Polizeiarbeit (44,2%) als auch die allgemeine Ermittlungstaktik (50,7%) teils realistisch ein. Eine spezifische Auswertung der befragten Polizisten bestätigte das gewonnene Bild. 42,2% der Polizeibeamten bewerten den geschilderten Ablauf der Polizeiarbeit zum Teil realistisch, gar 64,4% die dargestellte Ermittlungstaktik. Die beschriebene Spurensicherung als ein spezifischer Aspekt der Polizeiarbeit stuften 47,9% aller befragten Personen absolut realistisch ein. Zwar konnten nur 29,5% der Polizeibeamten dieses Urteil bestätigten, jedoch sahen weitere 45,5% in Nybergs Arbeit realistische Elemente.101 4.2.2 Die Schattenseiten der Polizeiarbeit Angesichts der pedantischen Schilderung der Polizeiarbeit, die schließlich am Ende jedes Romans zum Erfolg führt und in der Festnahme des Täters ihren vorläufigen Abschluss findet, verpasst es Henning Mankell nicht, die Schattenseiten dieses Berufes samt der Fehler seiner Protagonisten ins Rampenlicht zu rücken. Der Beruf des Polizisten wird in Mankells KurtWallander-Romanen keinesfalls als DER Traumberuf dargestellt. Entsetzliche Leichenfunde, die Überbringung ungeliebter Todesnachrichten und eine ständig 98 vgl. Stefan Ohlerich. Die falsche Fährte (o. J.); Mankell. Die fünfte Frau, S. 182f, S. 190 Z. 23ff; vgl. dazu auch Mittsommermord, S. 98 Z. 11ff; Die falsche Fährte, S. 447 Z. 23ff. 99 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 171 Z. 24; Mittsommermord, S. 339 Z. 6. 100 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 37 Z. 13ff; Mittsommermord, S. 409 Z. 36f, S. 599 Z. 1f. 101 siehe Anhang B, Anlage 2 u. 3 Frage 8 e) f) g). Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 37 zunehmende Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung zeigen zudem auf, was es heißt, in der heutigen Zeit den Beruf des Polizisten auszuüben. Neben finanziellen Engpässen, etlichen Überstunden, einer maroden Technik und zwangsläufig verworfenen Urlaubsplanungen, leidet die Ermittlungsgruppe um Kommissar Wallander unter dem bestehenden Personalmangel, während die Arbeitsbelastung der einzelnen Polizeibeamten ständig größer wird. Dies äußert sich nicht nur in der jeweils aktuellen Mordermittlung; auch andere polizeiliche Aufgaben wie die Verfolgung von Trunkenheitsfahrten müssen angesichts der begrenzten personellen Kapazitäten hinten anstehen und werden so vernachlässigt.102 Während Wallander und seine Kollegen mit den widrigen Arbeitsbedingungen vor Ort kämpfen, kümmert sich die Reichspolizeibehörde um scheinbar belanglose Dinge wie das erneute Aufrollen des Slogans einer „bürgernahen Polizei“103 oder erlässt sinnentleerte Direktiven, „daß die einzelnen Polizeibezirke ihr Verhältnis zu den Massenmedien verbessern und intensivieren sollten.“104 Paradoxerweise steht die Polizei in Ystad zur gleichen Zeit beinahe mittellos den aufkommenden Bürgerwehren und deren Folgen gegenüber (Die fünfte Frau).105 Aufgrund bestehender binnenländischer ‚Grenzen’ zwischen den unterschiedlichen Polizeidistrikten und damit verbundener Formalitäten im Falle einer ‚Grenzüberschreitung’, werden den Kriminalbeamten immer wieder in ihrer Arbeit zusätzliche Steine in den Weg gelegt.106 Während es wie bereits erläutert an Beamten ‚auf der Straße’ fehlt, scheint der Verwaltungsapparat der (schwedischen) Polizei zunehmend größer zu werden.107 Doch auch Mankells Protagonisten sind Menschen und daher nicht unfehlbar in der Ausübung ihres Berufs. Die Vermisstensache Holger Eriksson wird zunächst vergessen (Die fünfte Frau), ein Schlauchboot wird unbemerkt aus dem Präsidium 102 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 220 Z. 17ff; Die falsche Fährte, S. 64 Z. 27; Mittsommermord, S. 34 Z. 15ff, S. 409 Z. 36 - S. 410 Z. 2. 103 Mankell. Die fünfte Frau, S. 48 Z. 1. 104 Mankell. Mittsommermord, S. 134 Z. 6 - 8. 105 vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Henning Mankell - Die fünfte Frau. (1999), S. 4; Mankell. Die fünfte Frau, S. 398ff. 106 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 303 Z. 17ff; Die falsche Fährte, S. 254 Z. 9f, S. 350 Z. 6ff. 107 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 276 Z. 3ff. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 38 entwendet (Hunde von Riga) und die Erreichbarkeit der einzelnen Beamten ist aufgrund ausgeschalteter Mobiltelefone keinesfalls durchgehend gesichert.108 Die Frage bleibt offen, ob Yvonne Ander durch eine professionellere Observation von Katarina Taxells Wohnung schneller hätte gefasst werden können oder die Beamten im Falle einer veranlassten kriminaltechnischen Untersuchung der Blutlache in Gösta Runfelts Blumengeschäft schneller auf deren Spur gekommen wären.109 Hin und wieder verdanken die Beamten es reinem Glück, dass es aufgrund der einen oder anderen Nachlässigkeit zu keinem größeren Schadensereignis gekommen ist. Welchen Eklat hätte es gegeben, hätte Yvonne Ander Ann-Britt Höglund mit Hanssons Dienstwaffe erschossen?110 Den negativen Höhepunkt bilden jedoch die straffällig gewordenen Polizeibeamten. Dabei handelt es sich nicht nur um einen namenlosen Polizisten, „der Anfang der fünfziger Jahre eine Reihe von Morden beging und dann selbst an der Aufklärung der Verbrechen beteiligt war.“111 Auch Svedberg, ein Kollege aus Wallanders unmittelbarer Nähe, kann zweifelsohne zu dieser Gruppe gerechnet werden, da er in seiner Vergangenheit Åke Larstam zu gefälschten personenbezogenen Dokumenten verholfen hat.112 Im Ergebnis wird damit nicht nur Mankells Hauptfigur Kurt Wallander, wie später noch zu sehen sein wird, realistisch dargestellt; auch der schwedische Polizeiapparat samt seinen Beamten wird ‚menschlich’ - mit etlichen Fehlern und Schwächen - geschildert. 4.2.3 Das Kollegenverhältnis Im Einklang mit den bereits geschilderten Missständen der (schwedischen) Polizei steht auch das Kollegenverhältnis von Kurt Wallander, seiner Vorgesetzten Lisa Holgersson, Ann-Britt Höglund, dem Computerspezialisten Martinsson, Karl Evert Svedberg, dem Kriminaltechniker Sven Nyberg und Ove Hansson. Bilden die sieben Kriminalbeamtinnen und -beamten zwar arbeitstechnisch ein perfekt 108 vgl. Mankell. Hunde von Riga, S. 98 Z. 32 - S. 99 Z. 30; Die fünfte Frau, S. 73 Z. 9, S. 372 Z. 4f. 109 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 369 Z. 1ff, S. 434 Z. 28 - S. 441 Z. 22. 110 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 537 Z. 22 - S. 539 Z. 27. 111 Mankell. Die falsche Fährte, S. 158 Z. 30ff. 112 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 189 Z. 1 - 4. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 39 eingespieltes Team, das sich blind zu verstehen scheint, wird im Laufe der Romane klar, wie wenig sie über ihr jeweiliges Gegenüber wissen.113 „Wir wissen nicht viel, (…) [verrät Wallander dem Leser in seinen Gedanken]. Weder die anderen über mich, noch ich über die anderen. Wir arbeiten zusammen. Vielleicht ein ganzes Berufsleben lang. Aber was wissen wir eigentlich voneinander? Nichts.“114 Daher ist es nicht verwunderlich, dass Hansson um 12.30 Uhr noch nicht einmal bemerkt hat, dass Svedberg an diesem Tag nicht zum Dienst erschienen ist (Mittsommermord). Innerhalb seines Kollegenkreises konnte Wallander lediglich zu dem bereits verstorbenen Evert Rydberg ein wirklich freundschaftliches Verhältnis aufbauen. Private Gesprächsthemen gibt es unter den KollegInnen kaum. Lisa Holgerssons Nachfrage, wie es denn Wallander in Rom ergangen sei, hat ebenfalls den Anschein, eine reine Höflichkeitsfloskel zu sein.115 Zudem kämpfen Wallanders ältere Kollegen noch mit heftigen Vorurteilen gegenüber weiblichen Kolleginnen, obwohl deren neue Vorgesetzte Lisa Holgersson wie auch die junge Absolventin Ann-Britt Höglund in ihrer jeweiligen Tätigkeit überzeugen. Sowohl Hansson als auch Svedberg, dem es schwerfällt, „weibliche Kolleginnen zu akzeptieren“116, demonstrieren offen ihren Unmut über diese Entwicklung.117 Mankells Schilderung des Kollegenverhältnisses wird von keinem Leser als völlig unrealistisch bewertet. Je 47,4% der befragten Leser schätzten den beschriebenen Umgang der Kriminalbeamten miteinander sowohl absolut realistisch als auch teils realistisch ein. Die Mehrzahl der befragten deutschen Polizeibeamten hingegen bewertet das dargestellte Kollegenverhältnis nur in Teilen als authentisch (59,1%). Trotz der ausführlich geschilderten Missstände innerhalb des Polizeiapparates, gaben 17,30% der befragten Leser an, ihr Bild von der Polizei hätte sich durch Mankells Kurt-Wallander-Romane positiv verändert. 118 113 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 38 Z.30ff , S. 86 Z. 11ff, S. 130 Z. 7ff, S. 195 Z. 25, S. 29f. Mankell. Mittsommermord, S. 42 Z. 24 - 27. 115 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 44 Z. 11f; Die fünfte Frau, S. 70 Z. 3. 116 Mankell. Die falsche Fährte, S. 57 Z. 20. 117 vgl. Mankell. Mittsommermord, S. 35 Z. 33ff, S. 74 Z. 5, S. 259 Z. 10f; Die fünfte Frau, S. 38 Z. 9ff, S. 411 Z. 10 - 15; Die falsche Fährte, S. 30 Z. 12f, S. 498 Z. 32 - S. 499 Z.4. 118 siehe Anlage B, Anhang 2 u. 3 Frage 8 d) 14). 114 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 40 4.2.4 Realität und Fiktion Die von Mankell detailliert geschilderten Vorurteile gegenüber Frauen in der praktischen Polizeiarbeit sind ein sehr gutes Beispiel für dessen exzellente Recherchearbeit. Wie Frau Westford in unserem Interview bestätigen konnte, musste auch sie trotz ihrer 32-jährigen Diensterfahrung noch gegen die Engstirnigkeit einiger Kollegen in Ystad ankämpfen - und das trotz eines landesweiten Frauenanteils von 25 %. In liebevoller Feinarbeit gelang es Mankell, des selbst kleinste Details alltäglichen Polizeidienstes wirklichkeitsgetreu in seine Romane einfließen zu lassen. Die sagenumwobenen Gerüchte innerhalb des Polizeiapparates werden in derselben Weise erwähnt wie unzählige Tassen starken Cafés - ungeachtet seines letztendlichen Geschmacks.119 Dieses insgesamt äußerst hohe Maß an Realität ist das Ergebnis einer beträchtlichen Recherchearbeit, die jedem Roman des Schweden vorausgeht. Hilfreich erwiesen sich hierbei für den Autor nicht nur der Richterberuf seines Vaters, sondern auch gute Freunde unter Polizisten und Staatsanwälten. Die detaillierten Computerkenntnisse für seinen Roman Die Brandmauer eignete sich der Schwede z. B. von einem 19-jährigen Hacker an. Henning Mankell steht zwar nicht in direktem Kontakt zur schwedischen Polizei, abonniert jedoch die schwedische Polizeizeitung und eine junge Polizistin schreibt für ihn Erlebnisse aus ihrem Berufsalltag auf. Die inoffizielle Verwendung der Kurt-WallanderRomane in Mankells Geburtsland Schweden für die dortige Polizeiausbildung ist sicherlich eine der größten Anerkennungen für den Autor hinsichtlich seiner eingebrachten Authentizität.120 Neben dem bereits in Punkt 2.3 geschilderten realen Hintergrund zu Mörder ohne Gesicht, mag der Leser mutmaßen, inwiefern die Übereinstimmungen zwischen Kurt Wallander und seinem realen Kollegen Kurt Ingvar Wald, der die Funktion des leitenden Kommissars in diesem Fall innehatte, zufällig sind. Beide haben eine Tochter namens Linda, trinken Whiskey, lieben die Oper und haben bzw. 119 vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Mankell. Mittsommermord, S. 346 Z. 5f; Die falsche Fährte, S. 33 Z. 22ff, S. 45 Z. 27ff, S. 338 Z. 5 - 9. 120 vgl. Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000, 2001); Interview Anhang A, Abb. 12. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 41 hatten eine weibliche Vorgesetzte. Mankell gelingt es in seinen Romanen Wirklichkeit und Fiktion auf eine Weise zu verweben, die seine Romane v. a. für direkt Betroffene, wie Frau Westford von der Polizei in Ystad, mystisch macht.121 Sieht man von den reinen Tatsachenberichten in der Welt der Literatur ab, so enthält jedes literarische Werk fiktionale Momente. Wohl angesichts der vielen realen Szenen in Henning Mankells Büchern, weist der Autor explizit in mehreren Nachworten seiner Romane auf die bestehende Freiheit in der Welt des Romans hin (Hunde von Riga, Die fünfte Frau). Wie die Ermittlungstaktik, enthalten auch Mankells Romanausgänge unrealistische Elemente. Wallanders Ablehnung einer personellen Verstärkung wäre in der polizeilichen Wirklichkeit nicht vertretbar. Hier weicht Mankell zu Gunsten des literarischen Wertes seiner Bücher von der Wirklichkeit ab, um die Anzahl der Ermittlungsbeamten begrenzt zu halten und somit eine Identifikation des Lesers mit den Kollegen Wallanders weiterhin zu gewährleisten. Auf realistische Romanausgänge, vor allem unter dem Aspekt der Eigensicherung, verzichtet Mankell zu Gunsten der Spannung. Svedbergs Frage „Sollen wir bewaffnet sein?“122 als die Kriminalbeamten zu Yvonne Anders Hof fahren, wäre in der Realität völlig überflüssig. Sicherlich ist auch Wallanders alleinige Überwältigung Åke Larstams mittels einer Planke im spärlichen Mondlicht wesentlich nervenaufreibender als der Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos, das dem Landbriefträger völlig überlegen wäre (Mittsommermord). Mankells Leser sind sich der fiktionalen Szenen vor allem in den Bereichen der Eigensicherung bewusst. Während erwartungsgemäß wesentlich mehr befragte Polizeibeamte die dargestellte Eigensicherung ihrer ‚Kollegen’ zumindest in Teilen unrealistisch beurteilten (81,8%), waren immerhin 59,1% aller befragten Leser der gleichen Meinung. Erstaunlicherweise bewerteten die befragten Gesetzeshüter die Romanausgänge der Kurt-Wallander-Romane insgesamt realistischer, als der Durchschnitt aller befragten Personen.123 Obgleich Henning Mankell, abgesehen von dessen Debütroman Mörder ohne Gesicht, alle Tatgeschehen in seinen Romanen frei erfunden hat, weisen doch 121 vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Wolfgang Gehrmann. Die richtige Fährte (2000). In: http://www.zeit.de/2000/42/Reisen/200042_wallander.html. 122 Mankell. Die fünfte Frau, S. 523 Z. 34. 123 siehe Anhang B, Anlage 2 u. 3 Frage 8 h) i). Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 42 einige seiner Fälle erstaunliche Parallelen zu begangenen Taten in der Wirklichkeit auf. Nach der Veröffentlichung des Romans Vor dem Frost, in dem Schwäne angezündet werden, mussten Igel in Malmö dasselbe Schicksal erleiden. Ein Artikel in der Ausgabe der Schwetzinger Zeitung vom 21. Juni 2004 berichtet dagegen von drei zusammengebundenen Leichen, die am Lake Michigan (USA) an Land geschwemmt wurden, und ruft damit sofort Erinnerungen an Mankells Roman Hunde von Riga hervor. Ein weiterer Artikel dieser Lokalzeitung informiert den Leser über einen Suizidversuch, der deutliche Parallelen zu Maria Dolores Santanas Selbstmord aufzeigt (Die falsche Fährte). Diese drei exemplarischen Fälle zeigen deutlich, dass es dem Autor auf eine beinahe magische Art und Weise gelingt, Taten vorherzusagen. Das Ergebnis der vorliegenden Fragebogenauswertung zeigt, dass die Menschen - unabhängig von ihrem Berufs - den potentiellen Realitätsgrad der Tatgeschehen erkannt haben und diese zumindest in einigen Punkten als realistisch einschätzen (88,4%). Erstaunlich ist auch hier der geringere Anteil an Polizeibeamten, die den übrigen Lesern in ihrer Meinung zustimmen (70,6%). Henning Mankells Zitat vom Beginn dieser Arbeit „Was immer ich schreibe, die Realität ist noch schlimmer. Das bestätigt sich früher oder später bei jedem meiner Bücher.“124, kann hiermit als bestätigt angesehen werden.“125 Wenngleich der Unterhaltungswert der Bücher insgesamt für die Mehrzahl der befragten Personen wichtiger ist als deren kriminalistischer Wert, trug das allgemein hohe Maß an Authentizität ohne Zweifel mit zum Erfolg der KurtWallander-Serie bei.126 124 Literaturportal Schwedenkrimi. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000). vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; siehe Anhang A, Abb. 4 u. 5; Anhang B, Anlage 2 u. 3 Frage 8 a). 126 siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 11 a) b), siehe dazu auch: Frage 13c) u. Anhang A, Abb. 2. 125 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 4.3 43 Gesellschaftskritik „Erst nachdem ich den achten und letzten Teil der Serie über Kurt Wallander geschrieben hatte, wurde mir klar, welchen Untertitel ich die ganze Zeit gesucht, aber nicht gefunden hatte. Als alles, oder zumindest das meiste, geschrieben war, erkannte ich, daß der Untertitel »Romane über die europäische Unruhe« lauten müßte.“127 Mit diesen ersten Worten Henning Mankells zu seinem Werk Wallanders erster Fall betont der Romancier explizit die sich in allen seinen Kurt-WallanderRomanen wieder findende gesellschaftskritische Komponente. Ganz in der Tradition des skandinavischen Kriminalromans bedient sich auch Mankell seiner Romane, um seinen Lesern die Missstände der Gesellschaft, in der sie leben, vor Augen zu führen. Schließlich waren es diese, die Mankell dazu veranlassten, die Figur des Kurt Wallander zu erschaffen und letztendlich aus ihr einen ‚Serienhelden’ zu kreieren. Obgleich die Romane rein technisch dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen sind, schreibt Mankell in seinem Herzen gesellschaftskritische Romane. Allen Kurt-Wallander-Romanen liegt daher eine politisch motivierte Frage zu Grunde. Während sein Debütroman Mörder ohne Gesicht das Problem der Fremdenfeindlichkeit in Südschweden aufgreift, widmet sich der Autor in Die fünfte Frau einem heute noch, v. a. in den gehobenen Bevölkerungsschichten, absoluten Tabuthema: Der Gewalt gegen und dem Missbrauch von Frauen.128 Mankell überlässt es dabei keineswegs dem Zufall, ob sich der Leser seiner Botschaft in den Romanen bewusst wird, sondern bringt seine Kritik am schwedischen Wohlfahrts- und Rechtsstaat gleich multidimensional zum Ausdruck. Kein Täter, kein Verbrechen wurde von Mankell zufällig entwickelt; seine literarischen Serienmorde spiegeln stattdessen den Zustand der Gesellschaft wider. In einem Interview bezüglich der Veröffentlichung des Romans Die falsche Fährte gab Mankell mit aller Deutlichkeit zu verstehen: „Es gibt keine schlechten Menschen, nur schlechte Umstände“129 und machte damit klar, dass 127 Henning Mankell. Wallanders erster Fall, S. 1 Z.1-5. vgl. Peter Henning. Mich interessiert die Spirale des Unglücks. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer Nachrichtenmagazin 24. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (1999). S. 138. 129 Peter Henning. Mich interessiert die Spirale des Unglücks. (1999). S. 138. 128 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 44 das Böse in einem Menschen seiner Meinung nach ein Resultat der Gesellschaft sei. Mankells Täter morden also nicht ohne Grund. Hoovers Motiv hatte seinen Ursprung in der Unfähigkeit des Justizsystems und endete letztendlich in einem Rachefeldzug für seine geschändete Schwester Louise (Die falsche Fährte).130 Henning Mankell sympathisiert nicht mit den Tätern, obgleich er klarstellt, dass sie für ihn in gewisser Weise Opfer der heutigen Gesellschaft darstellen; in einer Gesellschaft, in der die Kluft „zwischen Arm und Reich, zwischen den Erfolgreichen und den Ausrangierten“131 immer größer wird. Fehlende soziale Bindungen und Kontakte sowie die Sorgen um seine Arbeitslosigkeit lassen es für Åke Larstam, der für die zuletzt genannten Menschen steht, unerträglich werden, glückliche Menschen zu sehen (Mittsommermord). Mankell hält diese Menschen nicht für unschuldig, möchte jedoch mit seiner Opfertheorie zum Ausdruck bringen, dass die tieferen Gründe für Taten dieser Art in der Gesellschaft zu suchen sind. Ein Mensch wird ebenso wenig als Verbrecher geboren wie der Gesellschaft die alleinige Schuld hierfür gegeben werden kann. In diesem Zusammenhang ist Mankells Verwendung des Wortes ‚Opfer’ leicht missverständlich. Die Aufklärung des Tatmotivs muss neben der Täterfestnahme vorrangiges Ziel jeder polizeilichen Ermittlung sein. Nur so ist es möglich, Verbrechen dieser Art, zumindest im theoretischen Ansatz, langfristig zu bekämpfen.132 Indem Mankell der Suche nach dem Motiv ebenso viel Platz in seinen Büchern einräumt wie der Suche nach dem Täter, leistet er hierzu den ersten Schritt und zeigt dem Leser, wo die Ursachen solcher Verbrechen zu finden sind. Wallander will verstehen, wie es dazu kommen kann, dass ein 14-jähriger Junge vier Männer skalpiert, die Augen verätzt und einen ihrer Köpfe in einem Backofen gart (Die falsche Fährte). In der Gewichtung der Motivfrage hebt Mankell sich deutlich von anderen Vertretern seines Genres ab und lässt bereits an diesem Punkt erahnen, welchen Stellenwert die sozialkritische Komponente in seinen Romanen innehat. 130 vgl. Wissen.de. Interview mit Henning Mankell: „Wir leben in einer schrecklichen Welt“ (o. J.). 131 Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000). In: http://www.schwedenkrimi.de; vgl. dazu auch Mankell. Die fünfte Frau, S. 298 Z. 5ff. 132 vgl. ZDF.de. Serienkiller sind nicht nur ein Phänomen Amerikas (2001). In: http://www.zdf.de. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 45 Die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels werden jedoch nicht nur durch Täter und Tote deutlich. Mit Kurt Wallander gelingt es Mankell, seine persönliche Sichtweise über das Interieur der schwedischen Gesellschaft mit der eigentlichen Handlung zu verstricken und hebt seinen Kriminalbeamten so zum moralischen Sprachrohr seiner Romane empor.133 Mit Wallander will Mankell jedoch den Leser nicht belehren; der Kommissar verkörpert echte Sorge. Wie kein anderer seiner Charaktere lässt Mankell ihn getreu seiner eigenen wertkonservativen Einstellung über die Abgründe der (schwedischen) Gesellschaft sinnieren. Wallander kann deren moralischen Zusammenbruch nicht überwinden. Durch seinen Beruf wird er überdies direkt mit den zu anfangs geschilderten Konsequenzen einer härter werdenden Gesellschaft konfrontiert, was ihn mit jedem weiteren Mord seiner Karriere fassungsloser vor der wachsenden Brutalität einiger Menschen stehen lässt. In seinen Gedanken und Ängsten, die sich im Laufe der Romanserie verändern, kann der Leser trefflich den sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandel ablesen.134 Wallander ist mit seinen Sorgen über die Zukunft der (schwedischen) Gesellschaft jedoch kein Ausnahmefall. Fast schon genial zeigt Mankell seinen Lesern, dass diese Ängste nicht nur ein Problem weniger vereinsamter Personen sind, indem er sie an den Sorgen seiner Haupt- wie Nebenfiguren Teil haben lässt. Halt suchend widmen sich die Bürger Schonens den unterschiedlichsten Dingen. Für Wallanders Vater stellt seine Malerei mit dem immer wiederkehrenden Motiv des Auerhahns die einzig feste Instanz in diesem Chaos dar.135 Zuflucht und Schutz suchen jedoch auch andere; Wallander in Verdis Opern, Yvonne Ander in ihren Zeitplänen und Holger Eriksson in seinen Gedichten über aus Schweden ‚fliehende’ Vögel (Die fünfte Frau). Betrachtet man jedoch die Motivation für die Malerei von Wallanders Vater oder die akribischen Zeitpläne im Leben der Yvonne Ander genauer, so symbolisieren sie „in einem Umkehrschritt den 133 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 234 Z. 17-31, S. 429 Z. 36 - S. 430 Z. 8. vgl. Sens, S. 14; Christian Wymann. Moral und Verantwortung (2001) In: http://www.wallander.ch; Henning, S. 139; ZDF.de. Serienkiller sind nicht nur ein Phänomen Amerikas (2001); Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000). 135 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 140 Z. 22-26. 134 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 46 fließenden Übergang zum Wahnsinn“136 und münden erneut ins Chaos.137 Auffällig viele Zeugen in Die fünfte Frau leben in völliger Abgeschiedenheit. Die Frage bleibt wohl bewusst offen, ob sie Opfer des gesellschaftlichen Wandels sind oder vor diesem auf der Flucht. Wie Kritik letztendlich kaum unmissverständlicher sein kann, verkündet Holger Eriksson im selben Roman, dass die Gesellschaft dabei ist „vor die Hunde zu gehen“138. Trotz lautstarker Unmutsäußerungen bekommt der Leser den Eindruck, dass die älteren Menschen der momentanen Situation hilflos gegenüber stehen und sich in Erinnerungen an vergangene Zeiten flüchten.139 Anders die jungen Menschen; sie versuchen Antworten auf ihre Fragen nach dem Warum zu finden. Paradoxerweise lässt Mankell sie hierbei auf Wallander stoßen, der sich wiederholt als unfähig erweist und die Gespräche beendet.140 Die heranwachsende Generation als Zeichen Mankells, dass es noch nicht zu spät ist, um die Ursachen der Probleme zu erforschen und diesen zu begegnen?141 Tatsächlich verfolgt der Bestseller-Autor mit diesem sowohl offensiven wie intensiven Umgang mit dieser Thematik gleich zwei Ziele und spricht dementsprechend verschiedene Bevölkerungsgruppen an. Zunächst möchte der Romancier die Bevölkerung auf mögliche Zukunftsszenarien vorbereiten bzw. dafür sensibilisieren, indem er versucht in seinen Geschichten „Dinge aufzugreifen, bevor sie passieren“142. Tatsächlich gelingt dies dem Schweden auch, wie bereits im vorigen Kapitel ausführlich dargestellt wurde. Obwohl Mankell seit Jahren in Afrika lebt und dort die meiste Zeit des Jahres verbringt, wisse der Autor sehr gut was in Schweden passiert, gibt Frau Westford in unserem Interview zu verstehen. Im Ergebnis hat die schwedische Gesellschaft mit exakt denselben Problemen zu kämpfen wie die Bundesrepublik Deutschland. Die Arbeitslosenrate steigt unaufhörlich, viele Menschen fühlen sich vergessen und reagieren aggressiv. Die Schreckensmeldungen von rechtsextremen Gewalttaten 136 Krieg, S. 86. vgl. Krieg, S. 85f. 138 Mankell. Die fünfte Frau, S. 153 Z. 12f. 139 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 298 Z. 21f. 140 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 234 Z. 4ff, S. 297 Z. 12ff; Mittsommermord, S. 58 Z. 21ff. 141 vgl. Klaus-Peter Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Henning Mankell-Die fünfte Frau, S.4. 142 Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2001). 137 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 47 reissen nicht ab, Jugendliche fühlen sich nutzlos und unwillkommen. Obwohl die Emanzipation der Frauen weit fortgeschritten ist, haben beide Länder mit einer hohen Dunkelziffer im Bereich des Missbrauchs von Frauen und Kindern zu kämpfen. Die Politiker scheinen diesen gesellschaftspolitischen Themen hilflos gegenüber zu stehen, der Rechtsstaat an einigen Stellen zu versagen. In ihrer Verzweiflung verhelfen sich Menschen wie Yvonne Ander zu ihrem und anderer ‚Recht’ und gehen den in ihren Augen einzig gebliebenen Weg, auch wenn es letztendlich der falsche ist. Anhand der Analyse der politischen Entwicklung und der damit einhergehenden Offenbarung der in der Tiefe liegenden Krankheiten des schwedischen Rechtsstaates, wendet sich Mankell überdies speziell an die Politiker der Länder des europäischen Kontinents - Kritik, die jedoch von den reichen Ländern unserer Welt nur ungern gehört wird.143 Nach Lösungsansätzen für die geschilderten Probleme sucht der Leser in Mankells Kurt-Wallander-Romanen vergebens. Hier präsentiert sich Mankell bürgerlich-neutral, zumal es nicht Wallanders Charakter entsprechen würde, die passenden Antworten zu den komplexen Problemen dieser Art parat zu haben. Trotzdem belässt es Mankell nicht beim Schreiben über die gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart. Im wirklichen Leben engagiert sich der Autor vor allem für seine Wahlheimat Afrika in politischen wie gesellschaftlichen Bereichen - wie zum Beispiel dem Kampf gegen AIDS - und liefert damit das beste Vorbild, das er sich für seine Romane wünschen könnte, selbst und wird demzufolge in seiner Botschaft glaubhaft. Insgesamt betrachtet erweist sich Henning Mankell als ein Mensch, der die Augen nicht vor den Fehlern der westlichen Zivilisationen verschließt, sondern diese an den Pranger stellt. In seiner Kritik am schwedischen Wohlfahrts- und Rechtsstaat, der mit seinen Problemen stellvertretend für die meisten Staaten Europas steht, präsentiert sich Mankell als ernst zu nehmender und glaubhafter Mann. Trotz der umfassenden gesellschaftskritischen Komponente, die seinen Romanen eine melancholische, manchmal auch deprimierende Grundstimmung verleiht, 143 vgl. Christian Wymann. Moral und Verantwortung (2001); Krieg, S. 86; Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000). Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 48 überschreitet der Bestsellerautor zu keinem Zeitpunkt die Grenze, hinter der „die Handlung nur noch als Vehikel für die Kritik dient. Eine wichtige Voraussetzung für seinen internationalen Erfolg“144.145 In den Augen der Leser spielt Mankells eingebrachte Gesellschaftskritik für die Gesamtbeurteilung der Kurt-Wallander-Romane unterschiedlich wichtige Rollen. In einer Umfrage der deutschen Wallander-Fanseite http://www.wallander-web.de vom März 2003 sahen 28% der Leser Mankells subtile Gesellschaftskritik als wichtigsten Faktor für den internationalen Großerfolg dieser Kriminalromanserie an. In hiesiger Meinungsumfrage beurteilten gar 39,80% der befragten Leser Mankells gesellschaftskritische Komponente als sehr wesentlich für deren Gesamtbeurteilung der Romane, die wiederum deren Erfolg begründet. Andererseits darf dieser Aspekt jedoch nicht bei der Suche nach möglichen Erfolgsgründen überbewertet werden. Immerhin 25,00 % der Leser sehen in der Gesellschaftskritik ein unwesentliches Element, gar 5,10% ein völlig unwesentliches.146 144 Sens, S. 18. vgl. Sens, S. 18; Ludger Menke. Henning Mankell - steget efter - dt.: Mittsommermord (o. J.). In: http://www.der-buecherfreund.de/krimi/mankell2.html . 146 siehe Anhang A, Abb. 2; Anhang B, Anlage 2 Frage 13e) 145 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 4.4 49 Kurt Wallander - (k)ein Superheld? Während die Entwicklung des Verbrechens in der Geschichte der Kriminalliteratur immer brutalere und beinahe groteske Formen annahm, verlief die Entwicklung der ihnen entgegenwirkenden Individuen beinahe durchgängig diametral. Die Ermittler des ausklingenden 20. Jahrhunderts und des nunmehr neu begonnenen 21. Jahrhunderts verkörpern nicht mehr den klassischen Überhelden, sondern sind von weicherem Charakter gezeichnet, kommen fürwahr nicht mehr mit ihren Aufgaben, den gesellschaftlichen Um- und Missständen im Allgemeinen und der daraus resultierenden sinnlosen Brutalität zurecht.147 Ist Henning Mankell diesem Trend mit Kurt Wallander, dem Kriminalkommissar aus dem südschonischen Ystad, gefolgt oder schlägt er in Bezug auf seine Hauptfigur neue Wege ein? 4.4.1 Die familiären Eckdaten Kurt Wallander, geboren 1947, wächst zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester Kristina in Klagshamn, etwas außerhalb von Malmö, in einer alten umgebauten Schmiede auf. Nach anfänglichen Berufswünschen Pressefotograph bzw. Opernsänger zu werden, beginnt Kurt zum großen Unverständnis seines Vaters im Alter von 18 Jahren eine Ausbildung bei der Polizei in Malmö, wo er auch die ersten Jahre als Streifenpolizist tätig ist. Wallander heiratet 1970 seine Freundin Mona; noch im selben Jahr kommt ihre Tochter Linda zur Welt. Als Kurt Wallander im Sommer 1976 die Zusage für eine Stelle bei der Kriminalpolizei in Ystad bekommt, zieht die dreiköpfige Familie in die Zweizimmerwohnung eines Mehrfamilienhauses in der Mariagatan, einer schmucklosen Wohnstraße im Osten Ystads. Linda, die nach zwei Selbstmordversuchen eine lange Selbstfindungsphase durchlebt, zieht früh aus und so wohnt Wallander nach der Trennung von seiner Frau alleine in der ehelichen Wohnung. Noch Jahre nach der Trennung, die Wallander nie überwinden wird, hat er große Sehnsucht nach Mona und hofft ständig auf eine Versöhnung mit ihr. Als diese für Kurt völlig überraschend die Scheidung 147 einreicht, vgl. Krieg, S. 9. versinkt er in Kummer und Selbstmitleid; sein Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 50 Selbstwertgefühl ist am Boden. Erst als er beinahe seinen Führerschein einbüßen muss, wird ihm sein Lebenswandel bewusst und es gelingt Wallander sich langsam aufzuraffen. Es vergeht eine lange Zeit, bis zwischen den geschiedenen Eheleuten eine Begegnungsebene der Normalität entstehen kann.148 Mankell wollte mit Kurt Wallander alles andere als einen leicht fassbaren Charakter schaffen. Während die ersten Fakten einen nüchternen Eindruck seiner Hauptfigur hinterlassen, lernt der Leser im Laufe der Romanserie einen mit „zahlreichen, wenn auch klischeehaften Widerhaken ausgestatteten“149 Mann im besten Alter kennen. 4.4.2 Eine Hauptfigur mit vielen Facetten Wallander gibt sich gänzlich seiner Arbeit hin, die, so kann man berechtigt mutmaßen, ursächlich für das Scheitern seiner Ehe ist. Weder unzulängliche Arbeitsbedingungen noch unzählige unbezahlte Überstunden schmälern Wallanders Motivation; vielmehr werden diese nach der Scheidung mehr und mehr zu einer lieb gewonnenen Begründung, nicht in die leere Wohnung zurückkehren zu müssen. Wallander ist praktisch immer im Dienst, jedoch führen seine oftmals unorthodoxen Arbeitsweisen und sein ausgesprochen sturer Charakter mitunter zu Problemen. Seit seinem ersten Fall agiert Wallander viel zu oft auf eigene Faust. In seinen Ermittlungen verstößt der Kommissar häufig gegen polizeiliche Vorschriften. Zeugen werden zum Reden gebracht (Die falsche Fährte), Åke Larstams Wohnung ohne jeglichen Durchsuchungsbeschluss aufgebrochen (Mittsommermord) und Wallanders Überwältigung Harderbergs stellt von juristischer Seite gar einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr dar (Der Mann, der lächelte). Einen negativen Höhepunkt seiner beruflichen Karriere stellt mit Sicherheit die Ermittlung gegen ihn wegen Polizeiwillkür dar, der sich Wallander in seinem letzten Fall Die Brandmauer zu stellen hat.150 148 vgl. Daniel Imort. Kurt Wallander (o. J.) In: http://www.wallander-web.de; Bianca Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt (2000); Ystads Kommun, S. 4; Sens, S. 132ff, 148f. 149 Krieg, S. 88. 150 vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Thomas Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit (2001). In: http://www.zeit.de/2001/45/Kultur/print_200145_ka-krimi.html; Ystads Kommun, S. 4; Mankell. Die falsche Fährte, S. 207 Z. 13ff, S. 294; Mittsommermord, S. 499ff; Der Mann, der lächelte, S. 369 Z. 35 - S. 370 Z. 21. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 51 Trotz jahrelanger Polizeiarbeit ist Wallander sensibel und empfindlich geblieben. Die Grausamkeit des Verbrechens erschüttert ihn zunehmend im Alter, reist ihn aus seinen Gedanken, in denen er sich nach der einst heilen Welt zurücksehnt „eine Welt ohne sinnlose Gewalt, ohne brutale Übergriffe, ohne rasante politische Veränderungen, die unter anderem Rassismus und gesellschaftliche Übergriffe mitsichbringt.“151 Auch die Sehnsucht nach einer heilen familiären Welt zermürbt den allein lebenden Kommissar. Ständig hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis nach Zweisamkeit und der bestehenden Bindungsangst, gelingt es dem geschiedenen Mann nicht, eine neue Beziehung einzugehen. Sowohl der Annäherungsversuch an die Staatsanwältin Anette Brolin als auch die Beziehung zu der verwitweten lettischen Übersetzerin Baiba Liepa misslingt; lediglich in seinen Träumen erfährt der Kommissar erotische Momente mit verschiedensten Frauen. Die Einsamkeit dieses Mannes spiegelt sich auch in dem bereits unter Kapitel 4.2.2 geschilderten Kollegenverhältnis wider. Lediglich seinem früheren Mentor Evert Rydberg kann er das nötige Vertrauen entgegenbringen und eine über das kollegiale Miteinander hinausgehende Freundschaft zu ihm aufbauen. Über seinen Tod hinaus ist er Wallanders Vorbild und selbst seine einfühlsame Kollegin Ann-Britt Höglund kann ihm diesen Freund nicht ersetzen. Als einzigen Freund Wallanders außerhalb des Polizeiapparates lernt der Leser den Pferdezüchter Sten Widén kennen. Die Einsamkeit des Kommissars findet schließlich ihren Zenit als Wallander zum Mobbingopfer wird (Die Brandmauer).152 Neben der Oper, gehören der Whisky, literweise Kaffee und Wienerbröd zu Wallanders Vorlieben. Trotz wiederkehrender guter Vorsätze gelingt es dem übergewichtigen Kommissar nicht, seine Ernährung, die größtenteils aus Fastfood und unzähligen Konditoreibesuchen besteht, umzustellen oder sich mehr Bewegung zu verordnen. Der ihm diagnostizierten Diabetes versucht der unter Schlafstörungen leidende Wallander in seiner Angst vor dem Älter werden und der sich abzeichnenden schlechter werdenden Gesundheit zu verdrängen. 151 Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt. vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Thomas Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit (2001); Krieg, S. 88. 152 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 52 In dieser Lebensphase verfällt Wallander mehr als einmal in eine melancholische Stimmung. Er fragt nach dem Sinn des Lebens. Nicht sein Leben, sondern das Leben überhaupt und bezieht diese großen Lebensfragen in seinen Arbeitsalltag mit ein. Am Abend bleibt Wallander häufig an der Whiskyflasche hängen und versucht bei den Klängen Verdis seine Sorgen zu vergessen. Sorgen, die er sich auch um seine Tochter Linda und seinen alten Vater macht, deren Lebenswandel er nicht nachvollziehen kann. Wallander versteht sich nach dem Auszug der Tochter wieder zunehmend besser mit ihr und die Besuche und Telefonate Lindas muntern in auf. Das Verhältnis zu seinem schwer kranken Vater, seinem einzig gebliebenen Familienmitglied, bleibt bis kurz vor dessen Tod angespannt; Besuche enden oft im Streit. Ohne es zu jedoch merken, wird Wallander im Laufe der Romanserie seinem Vater, der ihm selbst fremd erscheint, immer ähnlicher.153 Der Mann mit dem alten blauen Peugeot ist wahrlich kein Superheld; nicht clever wie Sherlock Holmes, „nicht sexy wie James Bond, nicht cool wie Philip Marlow und schon gar nicht skrupellos wie Dirty Harry“154. Ein ganz normaler Mensch; ständig begleitet von privaten Konflikten und seinen eigenen körperlichen wie psychischen Schwächen; „mit Ecken und Kanten, mit Zweifeln und Sorgen“155. „Ein Mensch wie du und ich.“156 4.4.3 Die andere Seite des Kurt Wallander Doch Mankell gelingt es seinen auf den ersten Blick misanthrop wirkenden Kriminalbeamten liebenswert zu machen, indem er die Leser, exklusiv nur die Leser, teilhaben lässt an seinem Innenleben. Weder seine Kollegen noch Familienmitglieder ahnen etwas von dieser Seite des Kurt Wallander. Ein Kommissar, der ständig mit seinem schlechten Gewissen, herrührend von zu seltenen Anrufen bei seiner Tochter und nicht eingehaltenen Besuchen bei seinem 153 vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit; Christian Wymann. Wallanders schlimme Fälle (2001). In: http://www.wallander.ch; Ystads Kommun, S. 4. 154 Walter Wüllenweber. Wallanders Welt (2001). 155 Krieg, S. 92. 156 Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 53 Vater, kämpft. Ein Kommissar, der schüchtern ist und sich nach Zweisamkeit sehnt. Ein Kommissar, der Angst hat.157 Kurt Wallander hat jedoch noch eine andere Seite. Dieser melancholische und zeitweise wütend um sich schlagende Mann verwirklicht den Traum vieler Leser. In einer mittlerweile unüberschaubaren, chaotischen und mutmaßlich unregierbaren Welt tritt er nicht nur aus Berufsgründen, sondern auch aus einem inneren Bedürfnis - einem Gefühl der Ehre - den alleinigen Kampf gegen das Übel an, „auch wenn er selber der Ansicht ist, dieses gelinge ihm nicht immer oder zu spät“158. Obwohl Kurt Wallander mehr als einmal an der Richtigkeit seiner Berufswahl zweifelt, bisweilen sogar daran denkt, seine Uniform sprichwörtlich an den Nagel zu hängen und sich bei einer privaten Sicherheitsfirma zu bewerben, lebt er für seinen Beruf. Private Wünsche stellt er strikt hinter seine berufliche Pflicht.159 Leidend, aber zäh durchhaltend zeigt er, dass auch heute noch der Einzelne Gutes für die Allgemeinheit tun kann. Durch zielstrebige aber auch hartnäckige Arbeit, kombiniert mit genialer Intuition, gelingt es ihm am Ende jedes Romans, den bzw. die Täterin zu ergreifen. Doch anstatt eines strahlenden und jubelnden Superhelden erlebt der Leser einen erschöpft wirkenden Kommissar, der müde und still nach Hause schleicht.160 „Der strahlende Detektiv, der unmenschlich und unangefochten über allen Dingen steht, hat ausgedient“161. Stattdessen hat Mankell mit seinem Kommissar einen weitaus passenderen Helden geschaffen, einen „Helden unserer Zeit“162. Mit Hilfe einer präzisen Beschreibung seines Hauptprotagonisten und einer geschickten Verstrickung dessen privater Seite mit dem eigentlichen Plot, ist es Mankell gelungen eine lebendige, sich von Roman zu Roman ändernde Figur zu erschaffen. Während Wallander im ersten Fall noch bestimmte Meinungen vertritt, wird er von Jahr zu Jahr skeptischer und steht letztendlich beinahe 157 vgl. Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit. Krieg, S. 89. 159 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 303; Die falsche Fährte, S. 281. 160 vgl. Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Krieg, S. 89; Mankell. Die falsche Fährte, S. 281; Die fünfte Frau, S. 36 Z. 1ff. 161 Krieg, S. 92. 162 Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit. 158 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 54 ohnmächtig den aktuellen Geschehnissen gegenüber. Zuweilen weiß der Leser nicht mehr, ob er denn nun Bewunderung oder Mitleid für Kurt Wallander empfinden soll. Dank seiner (schlechten) Gewohnheiten wird dem Kommissar aus dem südschwedischen Ystad überdies ein hoher Wiedererkennungsgrad zuteil. Der sympathische Kriminalbeamte stellt mit seinen Ängsten und Unsicherheiten, seinem Durchhaltevermögen und seinem Einsatz für das Gute, der ihm zuweilen den Beinamen des „letzten Mohikaners“ zukommen lässt, ohne Zweifel eine Identifikationsfigur für einen Großteil seiner Leser dar. Knapp die Hälfte der befragten Leser sah die Identifikation mit Kurt Wallander als wesentlichen Gesichtspunkt ihrer Gesamtbewertung der nach ihm benannten Kriminalromanserie an.163 Nicht zu unterschätzen ist hierbei die Beurteilung der Authentizität des Kurt Wallander. 71,4% der befragten Personen und 57,8% der befragten Polizeibeamten empfinden die Schilderung des Hauptcharakters absolut realistisch. Kein Teilnehmer beurteilt den literarischen Kommissar als völlig unrealistisch. Die Darstellung seiner privaten Situation schätzten gar rund ¾ der befragten Leser als absolut realistisch ein. Eine spezifische Auswertung der befragten Polizeibeamten ergab ein ähnlich eindeutiges Ergebnis.164 Im Ergebnis ist es Mankell mit Kurt Wallander gelungen, eine Hauptfigur zu erschaffen, die kaum lebendiger sein könnte. Der Autor selbst sieht in der Lebendigkeit und der Identifikationskraft des Kommissars aus Ystad zwei Gründe des enormen Erfolges seiner Kurt-Wallander-Romane. Und tatsächlich ist Wallander für viele seiner Leser ein lebendiger Mensch, eine Persönlichkeit geworden. „Er ist aus den Buchseiten herausgetreten und zu einem Mitmenschen geworden.“165 Diesen Eindruck vermittelte auch Ewa-Gun Westford in unserem Gespräch und beschreibt ihren literarischen Kollegen als den Vertreter des typisch unsicheren schwedischen Mannes mittleren Alters. 166 163 vgl. Krieg, S. 89, Literaturportal Schwedenkrimi.de. Interview mit dem Autoren Henning Mankell (2000); siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 13 d). 164 siehe Anhang B, Anlage 2 u.3 Frage 8 b) c). 165 Mankell. Wallanders erster Fall, S. 11 Z. 7-11. 166 vgl. Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit; Reineke. Der Ritter von der traurigen Gestalt; Christian Wymann. Wallanders schlimme Fälle (2001); Krieg, S. 89f; Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36; Interview Anhang A, Abb.12. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 4.5 55 Südschweden: Land und Leute 4.5.1 Ystad - Kleinstadtidyll statt Mordmetropole? Ystad ist nicht nur das literarische Revier des weltberühmten Kommissars Kurt Wallander. Ystad ist mehr. Die Kleinstadt in der südschwedischen Provinz Skåne ist die einzige Stadt in Nordeuropa und eine der wenigen auf dem europäischen Festland, die die Abrissmanie der 60er Jahre überlebt hat und somit ihr historisches Antlitz mit über 300 Fachwerkhäusern wahren konnte. Eine der schönsten Straßen Ystads ist sicherlich die Lilla Västergatan, die aus kleinen, einstöckigen, für die Gegend so typischen Häusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert schmücken besteht. die Rosenstöcke Klinkersteinfassaden auch in der Harmonigata, in der Åke Larstam in seinem Schlafzimmer schallisolierten heimlich die Briefe glücklicher Menschen las (Die falsche Fährte). Unweit davon wohnte Yvonne Ander in der Liregatan (Die fünfte Frau), die an ihrem östlichen Ende in die Stickgatan mündet, wo Wallander im Garten von Berta Duner eine Mine mittels Telefonbuch zur Explosion brachte (Der Mann, der lächelte). Explosionen sind keineswegs unbekannt in der beschaulichen Altstadt Ystads, der Gamla Staden. Die Schwestern Anna und Emilia Eberhardsson wurden in der Vergangenheit samt deren Haus an der Ecke Möllegatan, Hamngatan in die Luft erster gesprengt Fall). (Wallanders Wallanders langjähriger Kollege Svedberg fand gar in seiner Wohnung in der Lilla Norregatan seinen Tod (Mittsommermord). Und Wallander? Den ließ und lässt Mankell trotz heftiger Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 56 Vorwürfe seitens der Ystader Fans, die sich persönlich für ihren quasi Nachbarn einsetzen wollen, in der einzigen heruntergekommenen Wohnstraße der Stadt hausen, der Mariagatan, die durchaus als Spiegelbild des traurigen Helden betrachtet werden kann. Der Arbeitsplatz des Kommissars befindet sich in der Kristianstadvägen, im Norden Ystads. An der Seite des alten städtischen Wasserturms posiert das Polizeigebäude erhöht auf einem Hügel, so dass der Eindruck entsteht, Wallander würde nebst Martinsson, Nyberg und Hansson von diesem Hügel über die Stadt wachen, die sich an diesem sonnigen Augusttag meiner Schonen - Reise von ihrer schönsten Seite zeigt.167 „Was ist aus den eintönigen Wohnsiedlungen geworden, in denen Inspektor Kurt Wallander nach Mördern sucht? Wo ist der gespenstische Nebel, durch den er sich zu kämpfen hat? Wo sind die klumpigen Lehmäcker, über die er stolpert?“168 Mankell hat dieses Bilderbuchstädtchen bewusst zu Wallanders Revier auserkoren. Als die Figur des Kurt Wallander entstand, beschrieb Mankell, es läge so nahe, es sei die Gegend, in der er selbst bereits 10 Jahre lebte. Absichtlich wich er damals von der gängigen Großstadt als literarischem Schauplatz des Verbrechens ab, um der Gesellschaft auf diesem Weg deutlich zu machen, dass auch in einer Kleinstadt wie Ystad Verbrechen von einem bislang ungeahnten Ausmaß an Brutalität geschehen können. Wie eine Flutwelle, die von London über die Nordsee schließlich die skandinavischen Länder erreicht, erfasst die Kriminalität nach und nach Stockholm und Malmö und macht schon lange nicht mehr vor ländlichen Gebieten - wie in unserem Fall Schonen - halt. Längst kann man in Ystad die gleichen Drogen kaufen wie in Berlin. In meinen Augen gelingt es Mankell diese Aussage geschickt zu verdeutlichen, indem er „fast alle 167 vgl. Touristeninformation Ystad. Ystad. Wegweiser für die Stadt und ihre Umgebung. Schweden: o. V. (2004/2005), S.52; Jochen Reinert. Wallander-Pilger erobern Ystads Gassen (2004); Sens, S. 49, 60, 66f; Wüllenweber. Wallanders Welt; vgl. dazu auch Ystads Kommun, S. 4. 168 Christian Wymann. Wallanders Revier (2001). In: http://www.wallander.ch. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 57 Handlungsorte (…) in das reale Ystad und dessen Umgebung projiziert“169 und somit bei so manchem Wallander-Pilger auf seiner Erkundungstour durch die Stadt Gänsehaut hervorruft.170 Mit seinem Fährhafen ist Ystad nicht nur ein Modell Schwedens, sondern auch ein Tor zur Welt - ein Grenzland zwischen Polen und dem Kontinent mit der Ostsee in ihrer Rolle des Río Grandes. Während Ystad zu Zeiten des Kalten Krieges noch am Ende der Welt lag, wird heute praktisch der gesamte Verkehr von Skandinavien nach Osteuropa und Asien in Ystads Hafen verladen und die Stadt damit ins Zentrum gerückt - eine Entwicklung, die durch den Beitritt Schwedens zur EU 1995 sicherlich weiter verstärkt wurde. Weit verfehlt sind Ansichten einer abgeschiedenen Welt, in der die Uhren stehen geblieben und deren Menschen ein nahezu unbewegliches und konservatives Leben führen. Victor Mabasha (Die weiße Löwin), Maria Dolores Santana (Die falsche Fährte) und Anna Ander (Die fünfte Frau) sind nur drei der Charaktere, mit Hilfe deren Geschichte Henning Mankell die kriminalistischen Konsequenzen der Globalisierung am Beispiel Ystads veranschaulicht und es ihm somit gelingt, Schweden nunmehr auch literarisch mit der Welt zu verbinden. Die Mehrzahl seiner Romane beginnt in fernen Ländern, wie in Algerien oder der Dominikanischen Republik, die letztendlich den Ausgangspunkt für einen neuen Krimifall Wallanders bilden. Als Markenzeichen Mankells kann die dadurch entstehende geographische wie kulturelle Bipolarität angesehen werden, mit der der Autor daran erinnern möchte, dass sein Ystad ein Teil der Welt ist. Eine Steigerung der geographischen Globalisierung stellt schließlich Mankells letzter Roman Die Brandmauer dar, in dem die weltweite Bedrohung durch einen Blick auf die Cyberworld vollends zum Ausdruck gebracht wird.171 169 Sigrid Reinert. In Wallanders Welt. Ystad war ein friedlicher Ort. Bis Henning Mankell hier Krimis erfand (2004). In: http://www.archiv.tagesspiegel.de/archiv/11.07.2004/1236263.asp. 170 vgl. Touristeninformation Ystad. Ystad. (2004/2005), S. 35; Interview Anhang A, Abb.12; ZDF.de. Sie hielten mir eine Pistole an den Kopf (2001). In: http://www.zdf.de; Reinert. Wallander-Pilger erobern Ystads Gassen. 171 vgl .ZDF.de. Wallander zu spielen, ist sehr, sehr reizvoll (2001). In: http://www.zdf.de; Interview Anhang A, Abb. 12, Thomas Steinfeld. Wallanders Landschaft. Eine Reise durch Schonen. Wien: Paul Zsolnay Verlag (2002), S. 5f; Wüllenweber. Wallanders Welt; Sens, S. 14; Schanda. «Ich reise gerne in der Zeit». Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 58 In der Gemeinde Ystad leben ca. 26.000 Menschen, von denen wiederum 16.000 in der Stadt wohnen. Die 220 Polizeibeamten, die hier ihren Dienst im Hauptquartier des Polizeidistrikts Südschonen verrichten, sind jedoch für ein weitaus größeres Gebiet zuständig. Der Polizeidistrikt umfasst neben Ystad, das aufgrund seiner historischen Funktion als bedeutender Hafen eine Art Oberzentrum dieses Gebietes ist, die Bezirke Trelleborg, Vellinge, Svedåla, Skurup, Sjöbo, Tomellila und Simrishamn - eine Fläche, die größer ist als der gesamte Rhein-Neckar-Kreis. Ystads Altstadt umfasst lediglich ca. 52 ha. Oft nimmt Wallander seinen Wagen, um in dieser ‚Kleinstadt’ Wegstrecken von wenigen hundert Metern zurückzulegen. Einerseits steht dies im Einklang mit Wallanders Lebensgewohnheiten und seiner Diabetes Erkrankung; andererseits gelingt es Mankell durch diesen erzählerischen Trick „das begrenzte Pflaster Ystads größer erscheinen zu lassen“172. Während Wallanders Kollegen im letzten Jahrzehnt 53 Mordopfer zu beklagen hatten, passiert hier statistisch gesehen lediglich alle 7 Jahre ein Mord. Das letzte Tötungsdelikt wurde zu Beginn dieses Jahres, am 09./10. Januar 2004, begangen. Die Kriminalitätsschwerpunkte Südschonens sind einerseits aufgrund seiner Küstenlage im Bereich der Autoschieberei, des Drogenschmuggels und der illegalen Einreise zu beklagen; ¾ aller illegalen Ausländer Schwedens werden hier aufgegriffen. Weitere Hauptaufgaben stellen andererseits die Bekämpfung verschiedener Diebstahls- und Körperverletzungsdelikte sowie die gesamte Bandbreite der Verkehrsdelikte dar. Eine höhere Kriminalitätsbelastung, durch die die Stadt Christian Wymanns (Webmaster der Schweizer Kurt-WallanderFanseite) Bild einer gespenstischen Hauptstadt des Verbrechens gerecht werden würde, hat Ystad jedoch trotz einer vergleichsweise hohen Anzahl an Schmuggeldelikten nicht zu verzeichnen.173 172 Christian Wymann. Wallanders Revier (2001). vgl. Touristeninformation Ystad, S. 102; Interview Anhang A, Abb.12; Wolfgang Gehrmann. Die richtige Fährte (2000); Sens, S. 23; Wüllenweber. Wallanders Welt. 173 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 59 4.6.2 Skåne - eine Landschaft in der Hauptrolle Südschonen ist für Henning Mankell keineswegs nur zwingend notwendige Kulisse der schauerhaften Verbrechen seiner Romane. Obgleich der Romancier in seinen Kurt-Wallander-Romanen nach eigenen Angaben nicht von Ystad und seiner Umgebung beeinflusst wurde, räumte er der unverkennbaren schonischen Landschaft mit ihren typischen Jahreszeiten eine Hauptrolle in seiner Romanserie ein. Die Natur Schonens ist für den Schweden mehr als die bloße Möglichkeit, einen kritischen Blick auf die schwedische Gesellschaft zu werfen. „Sie ist vielmehr Teil der Handlung.“174 Damit unterscheidet sich Mankell nicht nur von seinen angelsächsischen und französischen Kollegen, bei denen Landschaften und Städte lediglich der schemenhaften Kulisse dienen. Auch schwedische Kriminalautoren wie Håkan Nesser bevorzugen es, ihre Kommissare in fiktiven Ländern und Städten agieren zu lassen. Keiner der gegenwärtigen literarischen ¸Helden´ ist so eng an einen realen Ort gebunden wie Wallander, der sich Schutz suchend an Ystad - seine Burg - klammert, die er nur ungern verlässt.175 Malerische Schilderungen der Landschaft ermöglichen es dem Leser, einen umfangreichen Eindruck der südlichsten Provinz Schwedens zu gewinnen. In ihr finden sich Äcker, die in weichen Wellen zum Meer hinabfallen, und Alleen gestutzter Weiden, die zu weißgekalkten alten Schonenhöfen führen.176 Eine Landschaft, die geprägt ist von kleinen Dörfern, zahlreichen Bauernhöfen und ihrer landwirtschaftlichen Nutzung, die ihr berechtigterweise das Bild einer „grenzenlosen Kornkammer“177 zukommen lässt. Eine endlose Ebene, die lediglich von vereinzelten Buchenwäldern unterbrochen wird. Auf der einen Seite bedient sich der Bestseller-Autor einiger dieser Texteinbindungen, um dem Leser die vorherrschende Stimmung einzelner Passagen zu vergegenwärtigen. Nach vielen Jahren des Unverständnisses darf Wallander den letzten Spaziergang mit seinem Vater am schönsten Sandstrand Schwedens, dem Strand von Sandhammaren, genießen, wo sich die beiden Männer endlich näher kommen.178 174 Sens, S. 18. vgl. Touristeninformation Ystad, S. 35; Sens, S. 12. 176 vgl. Mankell. Die fünfte Frau, S. 22 Z. 5f; Die falsche Fährte, S. 122 Z. 8f. 177 Steinfeld. Wallanders Landschaft. (2004), S. 10. 178 vgl. Mankell. Die fünfte Frau. S. 140 Z. 36- S. 141 Z. 32, S. 187 Z. 33f. 175 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 60 Die gelben Rapsfelder, die das Landschaftsbild Schonens im Sommer prägen, begleiten Wallander während der gesamten Ermittlung in Die falsche Fährte. Nachdem sich Maria Dolores Santana in einem Rapsfeld bei Marvinsholm das Leben genommen hat, ist auch Arne Carlmans Anwesen von den Feldern dieser Hülsenfrucht umgeben. Das immer wiederkehrende Bild von unendlichen blühenden Rapsfeldern erinnert den Leser ständig an den Suizid des jungen Mädchens Dolores Maria, der letztendlich auch im Zusammenhang mit der im Vordergrund stattfindenden Fahndung nach dem Skalpmörder steht. 179 Auf der anderen Seite verbindet Mankell auf eine bizarre Art und Weise die idyllischen Beschreibungen der vermeintlich schönsten Provinz Schwedens mit dem allgegenwärtigen Verbrechen dieser Welt. Gekonnt lässt Mankell einen wunderschönen Schimmel an der völlig entstellten Leiche des Valfrid Ström vorbeireiten (Mörder ohne Gesicht) und den Orchideenfreund Gösta Runfelt ausgehungert an einem Baum zwischen Svarte und Marvinsholm sterben (Die fünfte Frau). Auf einem ebenso ‚widersprüchlichen Boden’ finden die jungen Leute Astrid, Lena und Martin in ihren prunkvollen Rokokokostümen inmitten eines der schönsten Naturreservate ihren Tod (Mittsommermord). Mit Hilfe zahlreicher Gegensätze dieser Art gelingt es Mankell auf eine weitere Weise die bereits geschilderte Gesellschaftskritik erzähltechnisch zu visualisieren.180 Wie das Landschaftsbild, so ist auch das Wetter Schonens mit mitteleuropäischen Verhältnissen vergleichbar. Während der Sommer in Schonen, der Riviera Skandinaviens, sechs Wochen länger dauert, ist die Provinz für ihre starken Herbstwinde bekannt, die über die Ebene blasen, „als ob die Landschaft ein riesengroßes, weit geöffnetes Fenster wäre“181. Obwohl der Winter aufgrund des maritimen Klimas bei weitem nicht so hart ist wie im Norden Schwedens und Schnee eher selten fällt, gibt es heftige Schneestürme, die den Schnee in kurzer Zeit meterhoch auf den Straßen türmen können.182 Gezielt setzt Mankell diese widrigen Wetterverhältnisse Schonens ein, um die Spannung an von ihm 179 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, S. 35 Z. 37 - S. 38 Z. 12, S. 141 Z. 1f, S. 243 Z. 23f. vgl. Sens, S. 18; Krieg, S. 87; Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 247 Z. 9-33; Die fünfte Frau, S. 168 Z. 25-34; Mittsommermord, Prolog. 181 Steinfeld, S. 7. 182 vgl. Mankell. Mörder ohne Gesicht, S. 298 Z. 27-34. 180 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 61 ausgewählten Stellen zu forcieren. Was wäre Wallanders Verfolgungsjagd nach Konovalenko in herrlichem Sonnenschein (Die weiße Löwin)? Endlose Regentage unterstreichen die Eintönigkeit, ja fast schon Abscheulichkeit der Kriminalwelt; die drückende Sommerhitze dagegen steht symbolisch für den Druck der Bevölkerung hinsichtlich geforderter Ermittlungserfolge.183 Anhand des Wetters ist es dem aufmerksamen Leser überdies an einigen wenigen Stellen möglich, korrekte Prognosen bezüglich des weiteren Handlungsverlaufs zu stellen. Von schweren Wolken begleitet steht Wallander an einem Donnerstagmorgen auf, während es im Laufe des Vormittages schließlich mehr und mehr zu regnen beginnt. „Es regnet(e) [schließlich] ununterbrochen“184, als Wallander fünf Seiten später entsetzt vor der Leiche des Holger Eriksson steht. Im diesem Fall kündigt jedoch nicht nur das regnerische Wetter den Tod des Ornithologen an. Bereits in Erikssons Haus nimmt Wallander - wenn auch unbewusst - den lärmenden Krähenschwarm wahr. Mankell arbeitet mit diesen schwarzen Vögeln, die in der Welt der Literatur sinnbildlich für die Ankündigung des Todes stehen, um den Leichenfund Erikssons vorherzusagen. Während sich Wallander dem späteren Fundort nähert, schreien die Krähen immer lauter, bis diese letztendlich davon fliegen und so Wallander den Blick auf die Pfahlgrube freigeben. (Die fünfte Frau).185 4.6.3 Die Menschen - mehr als nur Statisten Neben der Landschaft und den Hauptakteuren spielen auch die Nebencharaktere aller Kurt-Wallander-Romane eine nicht unbedeutende Rolle. In seiner Gesamtheit wird das schonische Volk als ein konservativer und naiver Menschenschlag beschrieben, der in der Gegenwart noch mit Vorurteilen in Sachen Homosexualität und der Emanzipation des weiblichen Geschlechts zu ringen hat. Wie Wallanders Kollege Svedberg (Mittsommermord) hält auch die Blumen- und Gemüsehändlerin Maria Svensson ihre Homosexualität vor der Öffentlichkeit geheim, um keine Kunden zu verlieren (Die fünfte Frau). Beruflich kämpfen nicht nur die Polizeibeamtin Ann-Britt Höglund und deren Vorgesetzte 183 vgl. Mankell. Die falsche Fährte, Kapitel 20. Mankell. Die fünfte Frau, S. 78 Z. 22. 185 vgl. Sens, S. 17f, 25; Steinfeld, S. 10; Mankell. Die fünfte Frau, S. 69-79. 184 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 62 Lisa Holgersson um Anerkennung seitens ihrer männlichen Kollegen. Die Pastorin Gunnel Nilsson hat es in ihrem Beruf nicht leichter. „Es gibt bestimmt viele, die sich nur einen Mann als Pastor vorstellen können“186, gibt Sven Andersson Wallander bei einem Treffen in Smedstorp zu verstehen. Begangenen Verbrechen und geschehenen Unglücksfällen steht das schonische Volk in Mankells Romanen und in der Realität völlig fassungslos gegenüber, wie Frau Westford in unserem Interview zu bestätigen wusste.187 Durch eine detaillierte Wiedergabe der Gedanken und Probleme einzelner Protagonisten gestaltet Mankell auch Charaktere der zweiten Reihe, wie zum Beispiel das Ehepaar Rykoff (Die weiße Löwin), lebendig und plastisch. Einigen Personen räumt Henning Mankell sogar über den jeweils betreffenden Roman hinausgehende Auftritte ein. Die Bankangestellte Brita-Lena Bodén, die Wallander dank ihrer ausgezeichneten Beobachtungsgabe den entscheidenden Hinweis zur Ergreifung der Täter in Mörder ohne Gesicht geben konnte, trifft den Kommissar in Die falsche Fährte zufällig in einem Selbstbedienungsrestaurant wieder. Die Krankenschwester Ylva Brink lernt der Leser ebenfalls zunächst in der Zeugenrolle kennen (Die fünfte Frau), bevor sie durch den Tod ihres Cousins Svedberg direkt mit den Folgen des Verbrechens konfrontiert wird (Mittsommermord). Der Leser fühlt sich so automatisch stärker mit den Charakteren, denen der Autor allesamt typisch schwedische Namen gab, verbunden. Insgesamt betrachtet geht Henning Mankell nicht sparsam mit der Einführung neuer Charaktere um - rund 650 Personen werden in den WallanderRomanen bei ihrem Namen genannt. Doch weitaus nicht jeder von Mankells Charakteren ist wie er zunächst zu sein scheint. Der Blumenhändler Runfelt betreibt im Verborgenen eine Detektei (Die fünfte Frau), Svedberg war homosexuell und selbst die als Bestie eingeschätzte Yvonne Ander war in ihrem Innersten das zutiefst traumatisierte Mädchen, das sowohl ihre Schwester als auch die Mutter durch die Brutalität der Männer des eigenen Umfelds verlor (Die fünfte Frau).188 186 Mankell. Die falsche Fährte, S. 206 Z. 13f. vgl. Interview Anhang A, Abb. 12; Mankell. Die fünfte Frau, S. 55 Z. 1. 188 vgl. Sens, S. 16, 136; Krieg, S. 86; Mankell. Die fünfte Frau, S. 231 Z. 12f. 187 Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 63 Zum Erfolg der Kurt-Wallander-Serie in Deutschland hat Ystad mit seinen Einwohnern in zweifacher Hinsicht beigetragen. Die detaillierte Beschreibung der Handlungsorte und der Landschaft mit ihren typischen Wetterlagen wie auch immer wiederkehrende Orts-, Straßen- und Personennamen ermöglichen es dem Leser, auch ohne jemals in Skåne gewesen zu sein, sich in die Situationen hineinzuversetzen. In seinen Gedanken reist er mit Wallander und seinem Vater nach Rom und steht dem Kommissar zur Seite, als er betrunken von seinen Kollegen einer Fahrzeugkontrolle unterzogen wird. Ein Gefühl, als wäre man ‚mitten drin dabei’… Ein Teil der Leser, die bereits Ystad besucht haben, steht womöglich, wenn sie dieses Kleinstadtidyll sehen, zunächst vor einem scheinbaren Widerspruch. Mankells literarische Verbrechen mögen so gar nicht in ihr gewonnenes Bild von Ystad hineinpassen. Glücklicherweise gibt es in der Realität (noch) keinen Ort auf dieser Welt mit einer derart negativen Bilanz begangener Kapitalverbrechen; Wallander begegnete in seiner Karriere immerhin direkt oder indirekt 29 Mördern.189 Die täglichen Nachrichten zeigen uns jedoch deutlich, was Mankell bereits Anfang der 90er-Jahre mit seinen Büchern voraussagte: Verbrechen dieser Art können heute überall auf dieser Welt geschehen. Aktuell berichten hiesige Printmedien über den Franzosen Michel Fourniret, auf dessen Konto womöglich weit mehr als die bislang neun eingeräumten Morde an jungen Frauen und Mädchen in Belgien und Frankreich gehen. Mit dem geschilderten Maß an realen Handlungsorten und möglichem Tatgeschehen gelingt es Mankell, seinen Lesern am Beispiel Ystad diese Botschaft zu vermitteln. Genauso gut hätten die Romane in jedem anderen Ort auf dieser Welt spielen können. Dieser Ansicht sind auch über ¾ der befragten Leser. In ihrer Beurteilung des Realitätsgrades der Romane ist es völlig gleichgültig, ob die Romane in Schweden oder der Bundesrepublik Deutschland spielen. Das Maß an Realität ist in beiden Ländern gleich groß. Drei Teilnehmer gaben gar an, die BRD wäre als Handlungsort für Mankells Romane realistischer.190 Im Ergebnis sind dies damit zwei weitere Gesichtspunkte, die ohne Zweifel zur Beliebtheit Henning Mankells Kurt-Wallander-Romanen beigetragen haben. 189 190 vgl. Sens, S. 135. siehe Anhang B, Anlage 2 Frage 10. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 4.6 64 Das Marketingkonzept Die Flut von Krimis, die Jahr für Jahr auf den deutschen Buchmarkt strömt und ständig an Größe gewinnt (im Jahre 2003 wurden ca. 1375 Kriminalromane im deutschsprachigen Raum veröffentlicht), kann der Leser schon lange nicht mehr selbst bewältigen. Er muss eine Auswahl treffen, welchen Krimi er letzten Endes lesen wird und welchen nicht. Diesen notwendig gewordenen Entscheidungsprozess versuchen nunmehr die Verlage durch den gezielten Einsatz von Werbung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.191 Das Marketingkonzept von Henning Mankells Kurt-Wallander-Romanen wird hauptsächlich beim Hardcover-Verlag Zsolnay erstellt, der die Romane zunächst in gebundener Form veröffentlicht. Der dtv-Verlag entwirft zusätzlich bei jeder neu erscheinenden Taschenbuchausgabe Poster, spezielle Verkaufsboxen und Buchpakete für den Buchhandel vor Ort. Geworben wird vor allem in Zeitschriften wie der Brigitte oder auch dem Endkundemagazin des dtv-Verlages selbst sowie in der Branchenpresse wie z. B. dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Jedem verkauften dtv-Krimi liegt zusätzlich ein DIN A 6 Prospekt des Verlages bei, in dem auch für Mankells Romane geworben wird. Lesezeichen im Henning-Mankell-Design werden überdies in Form von Give-Aways für den Buchhandel hergestellt. In den letzten Jahren fand die Literaturwerbung auch den Weg in die elektronischen Medien. Neben der bereits laufenden TV-Werbung warb der dtvVerlag für den zuletzt erschienenen Roman Wallanders erster Fall zum ersten Mal fünf Tage lang auf Infoscreens in deutschen Großstädten. Die Zeitschrift Stern veröffentlichte gar ab Juni 2001 Wallanders letzten Roman Die Brandmauer im Vorabdruck, der im Laufe von zehn Ausgaben komplett in der Zeitschrift erschien.192 191 vgl. Krimi-Couch.de; Literaturportal schwedenkrimi.de. krimi rezession (2004). In: http://www.schwedenkrimi-forum.krimi-couch.de/forum/idThread-810.html; siehe Anhang A, Abb. 9f. 192 vgl. Walter Wüllenweber. Wallanders letztes Abenteuer (2001). In: http://www.stern.de/unterhaltung/ buecher/index.html?id=71331; Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.. dtv - Henning Mankell 13. Frankfurt: Buchhändler-Vereinigung GmbH, (2004). S. 12f. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 65 Das Marketingkonzept der Kurt-Wallander-Romane war und ist natürlich in Bezug auf die Cover- und Postergestaltung in erster Linie auf den BestsellerAutor und auf den Serien-Charakter seiner Kriminalromane ausgelegt. Mit dem Marketingkonzept wird jedoch keine bestimme Altersgruppe angesprochen. Der dtv-Verlag ist daher bemüht, seine Werbung möglichst neutral zu halten, um alle Zielgruppen ansprechen zu können. Zuletzt erschien bei ihm auch der Band Die Pyramide, der einen Auszug aus Wallanders erster Fall darstellt, in einer Großdruckausgabe, um auch die sehbehinderten Leser Mankells bedienen zu können. Im Allgemeinen verkaufen sich Krimis vor allem in ihrer jeweiligen Taschenbuchausgabe. Im Falle bekannter Autoren wie z. B. Henning Mankell sind aber auch die Hardcover sehr gefragt, da viele Fans nicht auf die später erscheinende Taschenbuchausgaben warten wollen oder die Romane schlichtweg sammeln. Eine erhöhte Nachfrage nach den Kurt-Wallander-Romanen ist überdies nach ausgestrahlten Verfilmungen im TV zu verzeichnen.193 Obwohl literarische Doppel- und Mehrfachexistenzen in der Welt der Kriminalliteratur keineswegs außergewöhnlich sind, verzichtete Henning Mankell bislang auf die Benutzung eines Pseudonyms. Das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel von Pseudonym und Enttarnung ist sicherlich unter dem Gesichtspunkt des Marketings nicht zu verachten. Die Enttarnung eines Pseudonyms kurbelte in der Vergangenheit schon so manchen Buchverkauf an. Darüber hinaus ließ sich Henning Mankell auch nicht von dem Schubladendenken einiger Kollegen und Kritiker abhalten und veröffentlichte nach zahlreichen Kinder- und Jugendbüchern nunmehr auch Kriminalromane unter seinem Namen. Cora Stephan alias Anne Chaplet war in dieser Hinsicht weniger mutig und befürchtete zum Gespött der Öffentlichkeit zu werden. Der Schöpfer Kurt Wallanders steht fest hinter seinen Büchern, so dass ihn auch nicht das heute noch in Teilen bestehende Image des Schmuddelgenres abbringen konnte, seine Romane unter seinem Namen zu veröffentlichen.194 193 vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 27; siehe dazu auch Anhang A, Abb. 8. 194 vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 27. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 66 Nach einem völligen Fehlstart beim Berliner Kleinverlag Edition Q ließ auch der Erfolg beim Zsolnay Verlag auf sich warten. Die Reaktionen auf die Frankfurter Buchmesse im Jahre 1998 konnten die Erwartungen, die man in Mankells Kriminalromane gesteckt hatte, nicht erfüllen; eine Lesung in einer Münchner Buchhandlung musste gar wegen mangelnden Interesses im Herbst des gleichen Jahres abgesagt werden. Zwei Jahre später war Henning Mankell bereits Bestsellerautor in Deutschland. Praktisch ohne Werbung verkauften sich seine Bücher innerhalb von 3 Jahren 4,5 Millionen Mal in Deutschland - Rekord. Auch die Feuilletons jubelten erst, als der Name Mankell bereits in den Bestsellerlisten zu lesen war. Umso erstaunlicher ist dieser Blitzerfolg in Anbetracht dessen, dass „dem Phänomen ‚Mankell’ [meine Hervorhebung !] alle Zutaten fehlen, aus denen die Marketing-Abteilungen in den letzten Jahren ihre Erfolge in der Sparte Designer-Literatur mixten: Der Autor ist nicht sexy. Sein Held ist kein Held. Shoppen, Ficken, der ZweitPorsche und das Thema Ich-Ich-Ich spielen keine Rolle.“195 Stattdessen erfindet Mankell ‚altmodische’ Geschichten aus der Wirklichkeit ohne jeglichen Blendcharakter.196 Die durchgeführte Leserumfrage bestätigte Rainer Traubs These eines Spiegelartikels aus dem Jahre 1999, dass neben glänzenden Kritiken auch die Mundpropaganda Mankells Roman Die fünfte Frau in die Bestsellerlisten brachte und belegt darüber hinaus die Bedeutung der Mundpropaganda für den grandiosen Erfolg der gesamten Serie. Lediglich durchschnittlich 5% der befragten Leser gaben an, durch Werbung auf die Kriminalgeschichten aus Ystad aufmerksam geworden zu sein. Im Gegensatz zu den Printmedien (6,5%) nimmt das WorldWideWeb als Werbeplattform eine bislang zu vernachlässigende Rolle (0,9%) ein. Immerhin 11,6% der Leser orientieren sich in ihrem Leseverhalten an den Bestsellerlisten. Die Empfehlung der örtlichen Buchhandlung war bei gut einem Viertel der Leser der ausschlaggebende Punkt, die Kurt-Wallander-Romane zu lesen. Die Mehrzahl der Lesergemeinde wurde jedoch durch Empfehlungen 195 196 Walter Wüllenweber. Wallanders letztes Abenteuer (2001). vgl. Wüllenweber. Wallanders letztes Abenteuer. Die Wallander-Romane: Eine faszinierende Erfolgsstory 67 von Freunden, Bekannten oder Kollegen auf den schwedischen Autor aufmerksam (69,9%). Dieses Lese- und damit verbundene Kaufverhalten führt zu einer Verstärkung ohnehin bestehender Trends.197 Ein Marketing ‚mit’ seiner literarischen Erfindung verbittet sich der BestsellerAutor jedoch. Weder möchte er, dass Ystad die Figur des Kurt Wallander als Symbol der Stadt und für den Toursimus vermarktet, noch stimmte er der Produktion und dem Verkauf von Wallander Fan-Artikeln zu. Henning Mankell willigte lediglich dem Faltblatt Auf den Spuren von Kurt Wallander, der in diesem Jahr neu erschienenen CD-Rom sowie Touristenfahrten auf einem ausrangierten Spritzenwagen der Freiwilligen Feuerwehr Ystads zu den wichtigsten Schauplätzen seiner Krimis ein. Henning Mankell legt damit großen Wert darauf, dass mit seiner literarischen Erfindung kein Schindluder getrieben wird. Diese Haltung unterstreicht Henning Mankells Echtheit. Stände das Geld im absoluten Vordergrund, hätte der Autor einer sicherlich gewinnbringenden Vermarktung seines melancholischen Kommissars zugestimmt und die Kurt-Wallander-Serie nicht auf dem Höhepunkt ihres Erfolges beendet.198 197 vgl. Rainer Traub. Der Spiegel des Verbrechens (1999), S. 179; Krimi-Couch.de; Literaturportal schwedenkrimi.de. krimi rezession (2004). 198 vgl. Christian Wymann. Wallanders Revier; Sigrid Reinert. In Wallanders Welt (2004). Schlussbetrachtung 5. 68 Schlussbetrachtung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sicherlich jeder der hier untersuchten Aspekte seinen Teil dazu beigetragen hat, dass Henning Mankells KurtWallander-Romane in vielerlei Hinsicht eine wahrlich faszinierende Erfolgsstory seit Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts schreiben konnten. Ein Erfolg, der sich nicht nur in Rekordzahlen bezüglich des Verkaufs begründet. Schon nach der Veröffentlichung des Debütromans Mörder ohne Gesicht fanden die ersten Kurt-Wallander-Fans ihren Weg nach Ystad. Die Zahl der ‚Krimi-Touristen’ nimmt seither von Jahr zu Jahr kontinuierlich zu; jeder zweite Fan stammt dabei aus dem deutschsprachigen Raum. In diesem Jahr startete gar das größte Filmprojekt in der Geschichte Skandinaviens, an dem auch die deutsche ARD beteiligt ist - 13 neue Wallander-Filme sollen dann im kommenden Jahr über Europas Kinoleinwände und TV-Kanäle flimmern. Ein Erfolg, der trotz einiger Widersprüchlichkeiten in den Romanen (Auerhahn/Birkhuhn bzw. das Geburtsdatum Wallanders), nichts von seiner Anziehungskraft einbüßen musste.199 Während das Marketingkonzept der Romane sicherlich eine weniger bedeutende Rolle für den internationalen Erfolg der Kriminalgeschichten aus Ystad spielte, kann die Mundpropaganda unter den deutschen Krimifans nicht hoch genug in ihrem Einfluss gewertet werden. Das Genre der Kriminalliteratur als eines der derzeit erfolgreichsten auf dem deutschen Buchmarkt sowie das gute Image skandinavischer Krimis ließen mit Sicherheit so manchen unentschlossenen Kunden in den Buchhandlungen Deutschlands auf Wallander und sein Ermittlungsteam aufmerksam werden. Doch welche Faktoren verhalfen Henning Mankells Kurt-Wallander-Romanen in erster Linie zu diesem durchschlagenden Erfolg, wie er in der heutigen Zeit nur noch schwerlich zu finden ist? Zum Einen ist hierunter sicherlich Mankells Schreibkunst zu sehen. Die von den Lesern hoch geschätzte mystische Stimmung, sein unverkennbarer literarischer 199 vgl. Reinert. Wallander-Pilger erobern Ystads Gassen; Reinert. In Wallanders Welt; Sens, S. 134. Schlussbetrachtung 69 Stil und die zeitweise ins unermessliche ansteigende Spannung hoben Kurt Wallander ebenso zum Kult-Kommissaren empor wie Ystad - das literarische Revier des weltberühmten Kommissars - sowie das schonische Landschaftsbild, dem Mankell wie bereits erläutert eine Hauptrolle in seinen Bestseller-Romanen einräumte. Inmitten unendlicher Kornfelder und den typisch weißgekalkten Schonenhöfen sorgt der zuweilen melancholische Kommissar, mit dessen Sorgen und Ängsten sich eine Vielzahl seiner Leser identifiziert, für die sprichwörtliche ‚Ruhe und Ordnung’. Kurt Wallander, „ein Mensch wie du und ich“200. Den vierten Faktor stellt ohne Frage Mankells gesellschaftskritische Komponente seiner Kriminalromane dar, mit denen der Autor seine Leser nicht nur unterhalten möchte. In erster Linie liegt dem Schweden daran, die Menschen - und hier vor allem die Politiker aller europäischen Länder - dazu zu bringen, über ihre Gesellschaft und deren offensichtliche Missstände nachzudenken und entsprechend aktiv zu werden. Der letzte und gleichzeitig bedeutendste Faktor des grandiosen Erfolges der Kurt-Wallander-Romane stellt Mankells gleichermaßen minutiöse und authentische Schilderung der Polizeiarbeit dar. Polizeiarbeit ‚en détail’, die dem Leser einen in Teilen realistischen Blick auf die alltägliche Arbeit eines Kriminalbeamten gibt. „Mankells Krimis verkörpern [damit] par excellence, was man die «Wärmeströmung» des Kriminalromans nennen könnte.“201 In dem Verzicht auf machoide Schießereien, der Absenz von Special Effects, Autorasereien oder gar wilden Frauengeschichten traf Henning Mankell, so kann man vermuten, den Geist der Zeit.202 Es wäre völlig übertrieben anhand der im Rahmen dieser Arbeit angesprochenen Erfolgsfaktoren mutmaßen zu wollen, die Erfolgsgeschichte der Kurt-WallanderRomane an dieser Stelle abschließend erörtert zu haben. Ein Teil des Geheimnisses von Henning Mankells literarischem Erfolg wurde sicherlich gelüftet, ein anderer Teil bleibt sowohl den Theoretikern sowie den Lesern 200 Börsenverein des deutschen Buchhandels. Börsenblatt Extra Krimi 47, S. 36. Thomas Widmer. Bewusst langsam. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer Nachrichtenmagazin 02. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001), S. 113. 202 vgl. Thomas Widmer. Bewusst langsam. (2001), S. 113. 201 Schlussbetrachtung 70 vorenthalten und lädt beide Personengruppen an dieser Stelle ein, Mankells Romane erneut in die Hand zu nehmen und bei einem zweiten oder dritten Lesen von Mal zu Mal mehr zu genießen. „Es gehört [wohl] zur Magie des Erfolges, zumal des wirklich großen, dass nicht gänzlich aufzuklären ist, worauf er eigentlich beruht.“203 „Etwas hat er vergessen, das weiß er genau, als er aufwacht. Etwas, das er geträumt hat in dieser Nacht. Etwas, an das er sich erinnern sollte…“204 203 204 Gohlis. Kurt Wallander, Held unserer Zeit. Mankell. Mörder ohne Gesicht, Kapitel 1. Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis A. Primärliteratur Interview mit Frau Ewa-Gun Westford. Dolm. Frau Ulrika Luka. 09. August 2004, 10.00 Uhr, S-27180 Ystad, Stora Östergatan. Mankell, Henning. Die falsche Fährte. Übs. Dr. Wolfgang Butt. 8. Auflage. 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Literaturverzeichnis VI Widmer, Thomas. „Bewusst langsam“. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer Nachrichtenmagazin 02. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001). S. 113. „Morden im Norden“. In: Tamedia AG (Hg.): Facts. Das Schweizer Nachrichtenmagazin 15. Zürich: Hans Heinrich Conxinx, (2001). S. 146-149. F. Unveröffentlichte Quellen Bruckner, Manuela. Skandinavische Kriminalliteratur am Beispiel Henning Mankell. Facharbeit Deutsch Wien, Höhere Bildende Schule für Tourismus (2002). Anhang A VII Anhang A Anhang A VIII Abbildung 1: Die Kurt-Wallander-Serie in ihrer chronologischen Reihenfolge Deutscher Titel (Erscheinungsjahr)* * Originaltitel Erstveröffentlichung Mörder ohne Gesicht (2001) Mördare utan ansikte 1991 Hunde von Riga (2000) Hundarna i Riga 1992 Die weiße Löwin (2002) Den vita lejoninnan 1993 Der Mann, der lächelte (2001) Mannen som log 1994 Die falsche Fährte (1999) Villospår 1995 Die fünfte Frau (1998) Den femte kvinnan 1996 Mittsommermord (2000) Steget efter 1997 Die Brandmauer (2001) Brandvägg 1998 Wallanders erster Fall (2002) Pyramiden 1999 Berücksichtigt werden hier die Escheinungsdaten des Paul Zsolnay Verlages, Wien. Abbildung 2: Leserumfrage: Welcher Faktor hat Ihrer Meinung nach am meisten dazu beigetragen, dass die Wallander-Romane internationale Bestseller geworden sind? ** 33% 39% 28% spannende Kriminalgeschichten aus dem düsteren Schweden subtile Gesellschaftskritik anhand aktueller Themen realitätsnahe Fälle und sympathische Figuren ** Diese Umfrage wurde im März 2003 durch die deutsche Kurt-Wallander-Fanpage http://www.wallander-web.de durchgeführt. An dieser Umfrage nahmen 702 Personen teil. Anhang A IX Abbildung 3: Leserumfrage: Welcher der bisher in Deutschland veröffentlichten Romane um Kommissar Wallander gefällt Ihnen persönlich am Besten?* 5% 15% 31% 13% 2% 18% Mörder ohne Gesicht Der Mann, der lächelte Mittsommermord * 16% Hunde von Riga Die falsche Fährte Die weiße Löwin Die fünfte Frau Diese Umfrage wurde im April/Mai 2001 durch die deutsche Kurt-Wallander-Fanpage http://www.wallander-web.de durchgeführt. Mankells achter Roman Die Brandmauer sowie Wallanders erster Fall waren zum Zeitpunkt der Meinungsumfrage noch nicht auf dem deutschen Buchmarkt veröffentlicht. Eine Beteiligtenzahl konnte nicht ermittelt werden. Anhang A X Abbildung 4: Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Leichenfund am Strand“. In: Schwetzinger Zeitung 140, 21.Juni 2004, S. 4. Abbildung 5: Zeitungsartikel. Schwetzinger Zeitung (Hg.). „Selbstmordversuch scheitert“. In: Schwetzinger Zeitung 218, 20.September 2004, S. 20. Anhang A XI Abbildung 6: Das Genre der Kriminalliteratur * Verbrechensliteratur Kriminalliteratur Kriminalroman/ Kriminalerzählung Detektivroman Polizeikrimi Detektiverzählung Thriller Feministischer Krimi Schauerroman Regionalkrimi Tierkrimi Historischer Krimi Nostalgische Kriminalromane Soziokrimi Kriminalistische Abenteuererzählung Gebrestenkrimi Psychokrimi Kloster- und Kirchenkrimi Cyberpunk Verbrechensdichtung Psychopathenkrimi Romantik-Thriller Schwulen-/ Lesbenkrimi Politkrimi Spionageroman Heftromankrimi hard-boiled school * vgl. Nusser, S. 1-7, 106; Vogt, S. 7; Schindler, S. 21-24; Walter. Lexikon der Kriminalliteratur. Vorwort, S. 1. Anhang A XII Abbildung 7: Umsatzanteile der Warengruppen nach Editionsformen 2003 * Hardcover Taschenbuch Hörbuch/ Audiobook Belletristik 16,1 65,0 45,4 Kinder- und Jugendbuch 16,1 7,1 24,9 9,1 1,9 0,4 20,2 9,7 8,0 12,1 9,4 6,1 8,3 2,0 0,2 7,2 4,3 0,7 10,9 0,6 14,4 100,0 100,0 100,0 Reise Sachbuch/ Register Geisteswissenschaften, Kunst & Musik Mathematik, Naturwissenschaft & Technik Sozialwissenschaft, Recht & Wirtschaft Schule und Lernen Abbildung 8: Umsatzanteile innerhalb der Warengruppe Belletristik 2003 * Hardcover Taschenbuch Hörbuch/ Audiobook Romane 41,8 55,1 48,6 Krimis 13,1 27,5 21,9 Science Fiction/ Fantasy 5,5 7,9 9,9 1,3 0,2 2,1 2,9 2,3 6,5 8,2 5,1 2,9 3,8 0,2 0,9 12,7 1,0 7,1 10,9 0,6 0,0 Märchen/ Sagen/ Legenden/ Fabeln Lyrik/ Dramatik/ Essays/ Aufsätze Briefe/ Tagebücher/ Biographien Fremdsprachige Literatur Humor/ Cartoons/ Comics/ Satire Geschenkbücher * Nach den Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V.. Anhang A XIII Abbildung 9: Monatszahlen der Neuveröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, die dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen sind * 200 1999 180 2000 160 2001 140 120 2002 100 2003 80 2004 60 40 20 0 Jan * Febr März April Mai Juni Juli Aug vgl. kaliber.38. Krimis im Internet. Neuerscheinungen (2004). In: http://www.kaliber38.de. Sept Okt Nov Dez Anhang A XIV Abbildung 10: Jahreszahlen der Neuveröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, die dem Genre der Kriminalliteratur zuzuordnen sind * 1999 2000 2001 2002 2003 2004 0 * 200 400 600 800 1000 1200 1400 vgl. kaliber.38. Krimis im Internet. Neuerscheinungen (2004). In: http://www.kaliber38.de. Abbildung 11: Jahreszahlen deutschsprachiger Erstveröffentlichungen im Bereich der Kriminalliteratur ** 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 ** vgl. Das Syndikat. Glauser (2004). In: http://www.das-syndikat.com. Anhang A XV Abbildung 12: Interview mit Frau Ewa-Gun Westford am 09. August 2004, 10.00 Uhr in 27180 Ystad, Stora Östergatan (Dolmetscherin: Ulrika Luka, BKA). Frage: Das erste Buch „Mörder ohne Gesicht“ beruht auf einer wahren Begebenheit, laut derer ein Bauernehepaar in der Nähe von Ystad überfallen und hierbei schwer verletzt wurde. Wann ist dies geschehen und war diese Tat tatsächlich der ausschlaggebende Punkt für Mankell sein erstes Buch mit Kommissar Wallander zu schreiben? Antwort: Das stimmt so. Das Buch basiert auf einer wahren Begebenheit. Das Ehepaar wurde jedoch nicht - wie in den Büchern geschildert - ermordet, sondern schwer misshandelt. H. M. hat das einfach nur noch ein bisschen schlimmer gemacht. Frage: Gab es tatsächlich fremdenfeindliche Reaktionen auf diese Tat? Antwort: H. M. hat die Stimmung, die es gab, auffangen können. Er hat des Öfteren schon über Dinge geschrieben, bevor diese überhaupt geschehen waren. Er hat also ein Vermögen Stimmungen aufzufangen und zu vermitteln. Eine fremdenfeindliche Stimmung dieses Ausmaßes gab es jedoch nicht. Fremdenfeindlichkeit ist eigentlich ein sehr tabu belegtes Thema, vor allem hier in Schweden, weil wir Schweden immer denken: „Wir sind super korrekt und tüchtig.“ Frage: Wie hat H. M. auf den Fall reagiert? Hat er den Kontakt zur Polizei gesucht, um mehr über diesen Fall zu erfahren und wann hat er sich das erste Mal bei der Polizei gemeldet? Antwort: Wie und wann das Ganze angefangen hat - das weiß keiner. H. M. lebt jedoch seit 25 Jahren auf einem Hof außerhalb von Ystad und beschreibt die Stadt als eine Art Grenzland zwischen Polen und dem Kontinent. Die südliche Spitze von Schweden ist ein Grenzland zu Polen. H. M. hat die Polizisten in Ystad viel besucht und es kommen Dinge in den Büchern vor, die an die Wirklichkeit grenzen. Es gibt zum Beispiel einen Polizisten namens Wald. Er hat eine Tochter Anhang A XVI namens Linda, trinkt gerne Whiskey und liebt die Oper. Auch die Polizeidirektorin von Ystad war bis Dezember letzten Jahres eine Frau. Es gibt also ein paar Dinge, die real sind. Liza Hold entspricht jedoch keineswegs Eva Astrid Rosberg, der damaligen Chefin der Ystader Polizei. Deren Gemeinsamkeit liegt lediglich darin, dass es sich jeweils um eine weibliche Führungskraft handelt. Wirklichkeit und Fiktion werden auf eine Art verwoben, die das Ganze ein wenig mystisch macht. Frage: Ist der Name Wallander auf den Kriminalbeamten Wald zurückzuführen, der in dem o. g. Fall der ermittelnde Beamte war? Antwort: Ich habe nicht versucht H. M. dazu auszuquetschen. Gewisse Dinge braucht man nicht zu wissen. Je älter man wird desto mehr hat man vielleicht so das Gefühl: „Das muss man nicht wissen. Es ist schon besser wenn man es nicht weiß.“. Es ist schlimm genug zu sehen wie viel man in der Filmwelt pfuscht, um einfach gute Bilder zu bekommen. Das, was wir letztendlich im Film sehen, ist nicht so wie es richtig gelaufen ist. Frage: In den Büchern werden sowohl die Autoschieberei nach Polen als auch die Rauschgiftkriminalität zu Kriminalitätsschwerpunkten dieser Stadt erklärt. Trifft diese Aussage zu und was zeigen aktuelle Entwicklungen auf? Antwort: Dies sind zwei Hauptpunkte der Polizeiarbeit hier in Ystad. Luxusautos, in denen oftmals gleichzeitig Drogen versteckt sind, werden nach Polen geschmuggelt. Leider hat die Polizei in Ystad keine Ressourcen, um diese Sachen zu überwachen. Kfz- und Drogenschmuggel sind OK-Delikte, die von Malmö aus gesteuert werden. Malmö ist in diesem Fall zuständig für den Bereich Skåne. In den Romanen kommt Wallander mit diesen Kriminalitätsfeldern in Berührung. In der Realität würde das nicht passieren, sondern von Malmö aus gesteuert werden. Anmerkung: In diesem Augenblick kommt Herr Göran Schön, ein Kollege von Frau Westford, hinzu. Er vermittelte dem Schauspieler Krister Hendriksson, der Kurt Wallander in „Vor dem Frost“ spielt, die männliche Perspektive eines Kriminalbeamten aus Ystad und trug somit dazu bei die Authentizität der Anhang A XVII Verfilmungen zu erhöhen. Die folgende Frage wird deshalb von Herrn Schön beantwortet. Frage: Einige Male hält Wallander absichtlich Informationen gegenüber seinen Kollegen zurück und ermittelt letztendlich auf eigene Faust. Privat hat er u. a. Ernährungsprobleme und leidet unter der Scheidung von Mona, was ihn immer wieder in eine melancholische Stimmung versetzt. Könnte die Person Kurt Wallander - sowohl aus privater als auch dienstlicher Sicht - im realen schwedischen Polizeiapparat existieren? Antwort: In der Realität müsste Wallander mit einer Kündigung rechnen, sobald er gegen geltende Gesetze verstößt. Zur privaten Situation des Kurt Wallander kann ich nichts sagen, da ich mich nicht in einer vergleichbaren privaten Situation befinde. Frage: Weist Ystad eine höhere Kriminalitätsrate im Vergleich zu anderen Städten Südschwedens auf? Antwort: Nein. Angesichts des Hafens überwiegen hier lediglich die Schmuggeldelikte. Die übrigen Bereiche Südschwedens haben ihrerseits jedoch andere spezifische Kriminalitätsschwerpunkte. In Småland, dessen Landschaft von Wäldern geprägt ist, überwiegen Delikte wie Diebstähle, Hehlerei oder Schwarzbrennerei. Auch die Hells Angels sind hier aktiv. Angesichts der Nähe zum Baltikum stellt in Lappland hingegen die Prostitution einen Kriminalitätsschwerpunkt dar. Die Hauptstadt wiederum muss ihre Schwerpunkte im OK-Bereich der Wirtschaftskriminalität setzen, deren Ursprünge in Lettland, Litauen und Estland zu suchen sind. Gerade das Phänomen durchorganisierter Banden ist mittlerweile auch in Ystad zu beobachten. Mit der Kriminalität verhält es sich so wie mit der Mode. Die neuen Trends kommen von London über Stockholm und Malmö letztendlich nach Ystad. Betrachtet man die Morde an Olof Palme oder Anna Lind, wird einem klar, dass die Schweden in dieser Hinsicht naiv sind. Während die Welt mit diesem Thema versiert umgeht, fragt sich das schwedische Volk ganz erstaunt: „Ups, wie konnte das denn passieren?“ Anhang A XVIII Frage: Wo liegen die Schwerpunkte der kriminalpolizeilichen Arbeit in Ystad? Antwort: Es handelt sich hierbei um Eigentumsdelikte und Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit. Im Falle von schwerwiegenderen Delikten wie Mord oder Totschlag greift die Polizei in Ystad auf die technische und personelle Unterstützung der Landespolizei in Malmö zurück. Den Fall untersucht sie jedoch selbst. Frage: Wie lange liegt der letzte Mord in Ystad zurück? Antwort: Es handelt sich hierbei um den Totschlag an einem neugeborenen Kind vom 09./10. Januar diesen Jahres in einer Nachbarkommune von Ystad. Die Täterschaft konnte bis heute noch nicht eindeutig geklärt werden. Man weiß, Wallander gibt es nicht, aber im Falle der Brandstiftungsserie vom Oktober 2003 oder dem zuvor erwähnten Totschlag denkt man für sich: „Oh Mann, das ist ja wie der Anfang eines Wallander Romans“. Wallander gibt es überall. Frage: Wie viele Einwohner hat Ystad? Antwort: Ich glaube 13.000, bin mir aber nicht sicher. Frage: Wie viele Polizisten arbeiten hier in Ystad? Und wie groß ist deren Zuständigkeitsbereich? Antwort: Insgesamt sind 320 Beamten und Angestellte für die Polizei in Ystad tätig. Abzüglich der örtlichen Angestellten handelt es sich letztendlich hierbei um ca. 220 PolizeibeamtInnen. Die Polizei in Ystad ist darüber hinaus für die sieben Bereiche Trelleborg, Vellinge, Svedåla, Skurup, Ystad, Tomellila und Simrishamn zuständig. Frage: Sind die übrigen Fälle, die in den Büchern beschrieben werden, jemals in einer gewissen Ähnlichkeit in Skandinavien passiert? Antwort: H. M. hat die übrigen Mordfälle erfunden. Es gibt jedoch immer eine gewisse Realitätsanknüpfung. So haben zum Beispiel Einwanderer in Malmö Igel angezündet. Das hat uns sehr stark an die brennenden Schwäne in „Vor dem Frost“ erinnert. Anhang A XIX Frage: Das Kollegenverhältnis wird in den Büchern nicht sehr innig dargestellt. Wallander weiß zum Beispiel nichts von Svedbergs Bewunderung ihm gegenüber. Lediglich mit Ann-Britt Höglund spricht der Kommissar über private Probleme. Trifft das auch für den realen Polizeialltag in Ystad zu? Antwort: Das entspricht der Realität. In diesem Zusammenhang muss man jedoch erwähnen, dass die Polizei eine sehr strikte, hierarchische und männliche Organisation ist. Es gibt erst seit 1958 Frauen bei der schwedischen Polizei. Im Vergleich zu dem normalen Tagesdienst kommt man sich zum Beispiel um 4 Uhr morgens - zusammen in einem Streifenwagen - wesentlich näher. Das Verhältnis ist dann ein anderes. Frauen bei der Polizei haben dazu beigetragen, dass vermehrt auch über private Belange gesprochen wird. Man hat in den letzten Jahren mit Hilfe der weiblichen Perspektive die Polizeiarbeit in eine andere Richtung lenken können. Der Mitbürger wurde ins Zentrum gerückt und man setzt in manchen Situationen auf weichere und sanftere Töne im Gegensatz zu der strikten männlichen Welt, die die Polizeiarbeit lange Zeit geprägt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob das der Grund ist, weshalb Linda Wallander nun Polizistin wird. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie H. M. Linda beschreiben wird, wie sie ihre Aufgabe als Polizistin meistern und Kurt Wallander diesen Umstand bewältigen wird. Frage: Sowohl Ann-Britt Höglund als auch Martinsson müssen zunächst um die Akzeptanz ihrer neuen Kollegen kämpfen. Bestehen tatsächlich Vorurteile gegenüber Frauen und jüngeren Kollegen innerhalb des schwedischen Polizeiapparates? Antwort: Diese Vorurteile bestehen leider seitens einiger Kollegen in Ystad, da die Welt hier sehr traditionsgebunden ist und zum Beispiel einige Kollegen schon immer hier arbeiten. Ich selbst habe das vor zwei Jahren trotz meiner 32-jährigen Diensterfahrung erleben müssen, als ich nach Ystad kam und mich einer traditionellen Männerwelt gegenübersah. Das war sehr anstrengend. 1974 haben sich Männer noch geweigert mit Frauen Streife zu fahren Gleichstellungspläne waren nicht vorhanden. Frage: Wie hoch ist heute der Frauenanteil bei der schwedischen Polizei? und Anhang A XX Antwort: Während der Frauenanteil landesweit bei ca. 25% liegt, sind es in Ystad ungefähr 10%. Bei den Neueinstellungen wird jedoch eine Frauenquote von 30% angestrebt. Momentan ist man bestrebt vermehrt Ausländer bei der schwedischen Polizei einzustellen, so dass sich der Fokus in diesem Bezug etwas verschoben hat. Frage: Sind die beschriebenen Täterprofile der Bücher in Schweden so denkbar? Antwort: H. M. schmückt wie gesagt vieles aus, weshalb man nicht genau sagen kann, was nun der Realität entspricht. Er tendiert hier mehr zu Afrika - aber eben doch im schwedischen Sinne. Obwohl H. M. viel in Afrika lebt, weiß er genau wo die Probleme in Schweden liegen und berichtet von Dingen, bevor sie hier passieren. Das ist das Mystische an diesen Büchern und verursacht Gänsehaut. Frage: Wallander baut zu Hoover, dem Mörder aus „Die falsche Fährte“, ein fast schon persönliches Verhältnis auf und geht sogar zu dessen Beerdigung. Kann es in der Tat zu solchen Verhältnissen zwischen dem einzelnen Kriminalbeamten und dem Täter kommen? Antwort: Das passiert eigentlich nicht in der Realität. Bei dem zuvor erwähnten Totschlag hat man z. B. lediglich darüber gesprochen, wie man und wer denn dieses Neugeborene beerdigen soll. Frage: Ist die beschriebene Ermittlungstaktik, zum Beispiel in Bezug auf die Dienstbesprechungen und Wallanders „berühmten“ Block, authentisch? Antwort: Diesen Block gibt es wirklich. Es handelt sich hierbei um ein kleines schwarzes Wachsbuch, das die Kollegen immer bei sich haben. Dienstbesprechungen finden zweimal täglich statt. Frage: Dieses Besprechungszimmer gibt es angeblich aber nicht. Antwort: Es gibt unterschiedliche Arten von Besprechungen und demnach auch unterschiedliche Räume, in denen diese stattfinden. Frage: Gibt es einen speziell ausgebildeten Spurensicherungsbeamten? Antwort: Ja, dieser Beamte ist ein Techniker, der für seine Arbeit speziell ausgebildet wird. Ist ein Verbrechen passiert, sperrt zunächst die Streifenpolizei Anhang A XXI das Gebiet ab und anschließend wartet man auf den Techniker, der dann die Spuren sichert und bei Bedarf auch filmt. Frage: Ist es üblich, dass die Staatsanwaltschaft im selben Gebäude wie die Polizei untergebracht ist? Antwort: Das ist nicht üblich für Schweden, jedoch tatsächlich so in Ystad und ausgezeichnet für die Zusammenarbeit. Die Staatsanwaltschaft in Ystad besteht aus einem Staatsanwalt und einer Staatsanwältin. Frage: Kurt Wallander kombiniert bei seiner Ermittlungsarbeit Logik und Instinkt. Antwort: Wallander ist ein sehr engagierter Polizist, was ihn unter anderem seine Ehe gekostet hat. Er ist ein typisch unsicherer schwedischer Mann für sein Alter. Nach seiner gescheiterten Ehe widmet er sich völlig seiner Arbeit und agiert auch sonst typisch angesichts der privaten Situation, in der er sich befindet. So integriert er zum Beispiel die großen Lebensfragen in seine Arbeit und wenn alles zu viel für ihn wird, greift er zur Whiskeyflasche und hört Opern. Da ist es nicht verwunderlich, dass Wallander in eine melancholische Stimmung verfällt. Frage: Hängt diese melancholische Stimmung, die immer wieder in den Büchern zum Ausdruck kommt, mit dem Beruf des Polizisten zusammen oder könnte man diese auch auf Kurts gescheiterte Ehe und die damit zusammenhängenden Probleme zurückführen? Antwort: Man sollte schon daran denken, dass Polizisten in ihrer Tätigkeit viel auf Gewalt und andere schlimme Situationen treffen. Ärzte machen das zum Beispiel auch auf eine ähnliche Weise.Der Polizist wird in seiner Arbeit viel mit menschlichen Defekten konfrontiert. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Beruf des Polizeibeamten einzigartig und das sollte man in diesem Punkt nicht vergessen. Frage: Ist es möglich verallgemeinernd zu sagen, dass die Scheidungsrate in der Polizei höher ist als in anderen Berufen? Antwort: Bei der Polizei ist die Scheidungsfrequenz in der Tat sehr hoch. Anhang A Frage: Sind XXII speziell die Romanenden unter dem Gesichtspunkt der Eigensicherung unrealistisch? Antwort: Ja, das wird hier so gesehen. Gerade im Hinblick auf die Eigensicherung gibt es in Schweden ein Regelbuch nach dem sich die Beamten richten. Gerade das macht Wallander nicht, was ihn in diesem Punkt unglaubwürdig macht. Aber ohne diesen Fakt gäbe es kein Buch und keinen Film. Frage: H. M. beschreibt die gesellschaftliche Situation in Schweden als sehr bedenklich. Ist diese tatsächlich gekennzeichnet von einer fremdenfeindlichen Stimmung, einer zunehmenden Gewaltbereitschaft, einem immer größer werdenden Gegensatz zwischen Arm und Reich sowie von Jugendlichen, die nicht wissen, was sie tun sollen? Antwort: Das ist exakt richtig. Malmö zum Beispiel ist eine tickende Bombe. Erst letzten Freitag hat hier ein 16-jähriger Junge eine andere Person hingerichtet. Die Politiker beurteilen die Situation falsch. Frage: H. M. warnt vor dem Kollaps des schwedischen Sozialstaates. Antwort: Ich kann diesen Eindruck nur bestätigen. Das ist ein politisches Problem. Politiker setzen sich lieber selbst in Szene als sich um Probleme dieser Art zu kümmern. Frage: Sind die gesellschaftlichen Probleme größer als in den übrigen skandinavischen Ländern? Antwort: Wahrscheinlich. Ich glaube, eine Ursache hierfür ist, dass sich Schweden im Gegensatz zu Dänemark und Norwegen im Zweiten Weltkrieg neutral verhalten hat. Dadurch sind die Schweden etwas naiver. Frage: H. M. wird in Deutschland vor allem für die genaue Schilderung der Polizeiarbeit gelobt. Wie recherchiert H. M.? Antwort: Ich erlebe Mankell wie eine Art Schwamm, der alles in sich aufsaugt. Wenn man mit ihm zusammen ist, dann ist er sehr ruhig und zurückhaltend. Er ist mit einer schwedischen Frau verheiratet und eine schwedische Polizistin schreibt für ihn Erlebnisse auf. Anhang A XXIII Frage: Verhält sich die schwedische Polizei ihm gegenüber aufgeschlossen? Antwort: H. M. steht nicht im direkten Kontakt zur Polizei. Ich schicke ihm jedoch ausgewählte Zeitungsartikel zu, die eventuell für ihn von Interesse sein könnten. Darüber hinaus abonniert er auch die schwedische Polizeizeitung. Ich bin sozusagen das Verbindungsglied zwischen Mankell und den Schauspielern, die bei den Verfilmungen seiner Bücher mitwirken. Frage: Sind die Namen der Personen in den Büchern typisch schwedisch? Antwort: Ja. Frage: Trifft es zu, dass H. M.s Bücher inoffiziell zur Polizeiausbildung benutzt werden? Antwort: Das weiß ich nicht. Als Verantwortliche für neue Kollegen in Ystad gebe ich diesen jedoch jeweils eine Ausgabe von „Mörder ohne Gesicht“, da ich der Meinung bin, dass man dieses Buch gelesen haben sollte. Frage: Ist dies das beliebteste Buch in Schweden? Antwort: Nein, aber es ist das erste Buch. Meiner Meinung sollte man die Nummer eins lesen, wenn man sich Wallander nähern möchte. Ich persönlich finde die „Rückkehr des Tanzlehrers“ und „Vor dem Frost“ am Besten. Anhang B XXIV Anhang B Anhang B XXV Anlage 1: Fragebogen „Henning Mankell“ Persönliche Angaben: Geschlecht männlich weiblich Familienstand ledig verheiratet geschieden Alter …….. Jahre Wohnort …….. Beruf …….. 1) Wie viele Bücher lesen Sie durchschnittlich im Laufe eines Monats? …….. Stück 2) Wie hoch ist der Anteil der von Ihnen gelesenen Bücher an Kriminalliteratur? …….. % 3) Wie lange interessieren Sie sich schon für dieses Genre der Literatur? …….. Jahre 4) Welche Romane von Henning Mankells „Kurt-Wallander-Serie“ haben Sie gelesen? (Bitte kreuzen Sie die von Ihnen gelesenen Romane an.) 1. FALL Mörder ohne Gesicht 2. FALL Hunde von Riga 3. FALL Die weiße Löwin 4. FALL Der Mann, der lächelte 5. FALL Die falsche Fährte 6. FALL Die fünfte Frau 7. FALL Mittsommermord 8. FALL Die Brandmauer Wallanders erster Fall. Erzählungen. 5) Wie sind Sie auf Mankells „Kurt-Wallander-Romane“ aufmerksam geworden? Empfehlung von Bekannten/ Freunden Empfehlung von Kollegen Buchhandlung Bestsellerliste Werbung. Falls zutreffend: Art des Mediums: Fernsehen/ Hörfunk Zeitung/ Zeitschrift Internet Anhang B XXVI 6) Welcher der „Kurt-Wallander-Romane“ hat Ihnen am Besten …...... am Wenigsten …….. gefallen? 7) Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den authentischsten Roman der Serie …….. als den unrealistischsten Roman der Serie …….. ein? 8) Wie realistisch empfinden Sie 1 2 3 4 das Tatgeschehen den Hauptcharakter Kurt Wallander die private Situation des Kurt Wallander die Nebencharaktere das Kollegenverhältnis die dargestellten Täterprofile das Täter-Ermittlungsbeamter Verhältnis den Ablauf der Polizeiarbeit die Ermittlungstaktik die Vorgehensweise bei der Spurensicherung die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit den jeweiligen Romanausgang der „Kurt-Wallander-Romane“? (Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= absolut realistisch, 2=teils realistisch, 3= teils unrealistisch, 4= völlig unrealistisch.) 9) Henning Mankells „Kurt-Wallander-Roamne“ spielen in Ystad - einem kleinen Ort in Südschweden. Kennen Sie die Unterschiede zwischen den deutschen und schwedischen Ermittlungsbehörden? Ja. Nein. 10) Beeinflusst die Tatsache, dass die Romane in Schweden spielen Ihre Bewertung der Realität in den Romanen? Ja. Die Bundesrepublik Deutschland als Handlungsort wäre realistischer. Ja. Die Bundesrepublik Deutschland als Handlungsort wäre unrealistischer. Anhang B XXVII Nein. Es ist völlig gleichgültig in welchem der beiden Länder die Romane spielen. Das Maß an Realität ist in beiden Ländern gleich. 11) Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane 1 2 3 4 der Unterhaltungsfaktor der kriminalistische Wert? (Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= absolut wichtig, 2=wichtig, 3=unwichtig, 4=völlig unwichtig.) 12) Wie haben Ihnen die „Kurt-Wallander-Romane“ insgesamt gefallen? 1 2 3 (Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr gut, 2=gut, 3=weniger gut, 4=überhaupt nicht.) 13) Worin liegen die Gründe hierfür? 1 2 3 4 die Spannung der literarische Stil die Authentizität die Identifikation mit dem Hauptcharakter die eingebrachte Gesellschaftskritik (Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr entscheidend, 2=entscheidend, 3=unwesentlich, 4=völlig unwesentlich.) 14) Hat sich Ihr Bild von der Polizei dadurch verändert? Nein. Wenn ja, wie? 1 2 3 4 Positiv Negativ (Beantworten Sie diese Frage mit Hilfe der Skala 1= sehr stark, 2=stark, 3=gering, 4=äußerst gering.) Vielen Dank für Ihre Mithilfe, Iris Lörch 4 Anhang B XXVIII Anlage 2: Fragebogenauswertung Geschlecht Gültig Gültige Prozente 58,3 Kumulierte Prozente 58,3 41,5 41,7 100,0 99,5 100,0 Häufigkeit 126 Prozent 58,1 weiblich 90 Gesamt 216 männlich Fehlend System Gesamt 1 0,5 217 100,0 Alter Gültig 15-24 Häufigkeit 43 Prozent 19,8 Gültige Prozente 19,9 Kumulierte Prozente 19,9 25-34 92 42,4 42,6 62,5 35-44 49 22,6 22,7 85,2 45-54 23 10,6 10,6 95,8 55-65 9 4,1 4,2 100,0 216 99,5 100,0 Gesamt Fehlend System Gesamt 1 0,5 217 100,0 Beruf Gültig Schüler/in Häufigkeit 7 Prozent 3,2 Gültige Prozente 3,3 Kumulierte Prozente 3,3 Student/in 28 12,9 13,4 16,7 Angestellte/r 57 26,3 27,3 44,0 Absolvent/in 56 25,8 26,8 70,8 3 1,4 1,4 72,2 Rentner/in Arbeitslose/r 1 0,5 0,5 72,7 45 20,7 21,5 94,3 Selbstständig 8 3,7 3,8 98,1 Hausfrau 1 0,5 0,5 98,6 Azubi 3 1,4 1,4 100,0 Gesamt 209 96,3 100,0 System 8 3,7 217 100,0 Polizeibeamter/in Fehlend Gesamt Anhang B XXIX Frage 1: Wie viele Bücher lesen Sie durchschnittlich im Laufe eines Monats? Häufigkeit Gültig 0,25 4 Prozent 1,8 Gültige Prozente 1,8 Kumulierte Prozente 1,8 0,50 4 1,8 1,8 3,7 1,00 52 24,0 24,0 27,6 2,00 78 35,9 35,9 63,6 3,00 42 19,4 19,4 82,9 4,00 13 6,0 6,0 88,9 5,00 14 6,5 6,5 95,4 6,00 3 1,4 1,4 96,8 7,00 2 0,9 0,9 97,7 8,00 3 1,4 1,4 99,1 10,00 1 ,5 0,5 99,5 100,0 25,00 1 0,5 0,5 Gesamt 217 100,0 100,0 Frage 2: Wie hoch ist der Anteil der von Ihnen gelesenen Bücher an Kriminalliteratur? 27,60% 30,00% 22,10% 25,00% 20,00% 13,80% 15,00% 9,70% 14,80% 10,60% 10,00% 5,00% 1,40% 0,00% <10% 10-25% 26-40% 41-55% 56-70% 71-85% 86-100% Anhang B XXX Frage 3: Wie lange interessieren Sie sich schon für dieses Genre der Literatur? 34,42 35 30 25 20,93 18,14 20 15 12,09 9,77 10 4,65 5 0 01-05 Jahre 06-10 Jahre 11-15 Jahre 16-20 Jahre 21-30 Jahre über 30 Jahre Frage 4: Welche Romane von Henning Mankells „Kurt-Wallander-Serie“ haben Sie gelesen? 100,00% 91,20% 90,00% 89,40% 87,10% 86,20% 88,00% 88,00% 82,50% 78,30% 80,00% 70,00% 65,00% 60,00% 50,00% ng en Er zä hl u 8. Fa ll 7. Fa ll 6. Fa ll 5. Fa ll 4. Fa ll 3. Fa ll 2. Fa ll 1. Fa ll 40,00% Anhang B XXXI Frage 5: Wie sind Sie auf Henning Mankells „Kurt-Wallander-Romane“ aufmerksam geworden? 70,00% Empfehlung von Bekannten/ Freunden Empfehlung von Kollegen 62,50% 60,00% 50,00% Buchhandlung 40,00% Bestsellerliste 30,00% Werbung- TV/ Hörfunk 24,50% 20,00% Werbung- Printmedien 11,60% 7,40% 10,00% 6,50% 4,20% 0,90% Werbung- Internet 0,00% Frage 6a: Welcher der „Kurt-Wallander-Romane“ hat Ihnen am Besten gefallen? 40,00% 38,20% 35,00% 30,00% 25,00% 18,90% 20,00% 15,00% 10,10% 10,00% 5,00% 8,30% 6,90% 6,50% 5,10% 3,70% 1,80% 0,50% k. A. 8. Fa Er ll zä hl un ge n 7. Fa ll 6. Fa ll 5. Fa ll 4. Fa ll 3. Fa ll 2. Fa ll 1. Fa ll 0,00% Anhang B XXXII Frage 6b: Welcher der „Kurt-Wallander-Romane“ hat Ihnen am Wenigsten gefallen? 18,00% 18,00% 16,10% 16,00% 15,20% 14,30% 14,00% 12,00% 11,10% 10,00% 9,20% 7,80% 8,00% 6,00% 4,00% 3,20% 3,20% 1,80% 2,00% k. A. 8. Fa Er ll zä hl un ge n 7. Fa ll 6. Fa ll 5. Fa ll 4. Fa ll 3. Fa ll 2. Fa ll 1. Fa ll 0,00% Frage 7a: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den authentischsten Roman der Serie ein? 40,00% 35,00% 30,00% 24,90% 25,00% 20,00% 17,50% 15,00% 12,40% 9,70% 10,00% 9,70% 7,40% 5,00% 6,00% 6,50% 3,20% 2,80% . k. A 8. Fa Er ll zä hl un ge n al l 7. F al l 6. F al l 5. F al l 4. F al l 3. F al l 2. F 1. F al l 0,00% Anhang B XXXIII Frage 7b: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den unrealistischsten Roman der Serie ein? 30,00% 25,00% 24,10% 20,00% 15,00% 13,90% 13,90% 12,50% 9,30% 10,00% 7,90% 7,90% 6,00% 5,00% 3,20% 1,40% k. A. 8. Fa Er ll zä hl un ge n 7. Fa ll 6. Fa ll 5. Fa ll 4. Fa ll 3. Fa ll 2. Fa ll 1. Fa ll 0,00% Frage 8: Wie realistisch empfinden Sie a) das Tatgeschehen Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 61 28,1 28,1 28,1 120 55,3 55,3 83,4 33 15,2 15,2 98,6 3 1,4 1,4 100,0 217 100,0 100,0 Anhang B XXXIV b) den Hauptcharakter des Kurt Wallander Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch Gesamt c) Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 155 71,4 71,4 71,4 50 23,0 23,0 94,5 12 5,5 5,5 100,0 217 100,0 100,0 die private Situation des Kurt Wallander Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend System Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 161 74,2 74,5 74,5 44 20,3 20,4 94,9 9 4,1 4,2 99,1 2 0,9 0,9 100,0 216 99,5 100,0 1 0,5 217 100,0 d) das Kollegenverhältnis Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch Gesamt Fehlend Gesamt System Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 102 47,0 47,4 47,4 102 47,0 47,4 94,9 11 5,1 5,1 100,0 215 99,1 100,0 2 0,9 217 100,0 Anhang B XXXV e) den Ablauf der Polizeiarbeit Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 62 28,6 28,6 28,6 96 44,2 44,2 72,8 51 23,5 23,5 96,3 8 3,7 3,7 100,0 217 100,0 100,0 f) die Ermittlungstaktik Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend System Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 59 27,2 27,4 27,4 109 50,2 50,7 78,1 37 17,1 17,2 95,3 10 4,6 4,7 100,0 215 99,1 100,0 2 0,9 217 100,0 g) die Vorgehensweise bei der Spurensicherung Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend Gesamt System Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 103 47,5 47,9 47,9 86 39,6 40,0 87,9 21 9,7 9,8 97,7 5 2,3 2,3 100,0 215 99,1 100,0 2 0,9 217 100,0 Anhang B XXXVI h) die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend System Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 30 13,8 14,0 14,0 58 26,7 27,0 40,9 89 41,0 41,4 82,3 38 17,5 17,7 100,0 215 99,1 100,0 2 0,9 217 100,0 i) den jeweiligen Romanausgang Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend Gesamt System Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 48 22,1 22,2 22,2 107 49,3 49,5 71,8 47 21,7 21,8 93,5 14 6,5 6,5 100,0 216 99,5 100,0 1 0,5 217 100,0 Anhang B XXXVII Frage 10: Beeinflusst die Tatsache, dass die Romane in Schweden spielen Ihre Bewertung der Realität in den Romanen? Ja. Die Bundesrepublik Deutschland als Handlungsort wäre realistischer. 75,20% 80,00% 70,00% 60,00% Ja. Die Bundesrepublik als Handlungsort wäre unrealistischer. 50,00% 40,00% 30,00% 23,40% Nein. Es ist völlig gleichgültig, in welchem der beiden Länder die Romane spielen. Das Maß an Realität ist in beiden Ländern gleich. 20,00% 10,00% 1,40% 0,00% Frage 11a: Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane der Unterhaltungsfaktor? 77,50% 80,00% 60,00% 40,00% 18,40% 20,00% 4,10% 0,00% 0,00% absolut wichtig wichtig unwichtig völlig unwichtig Anhang B XXXVIII Frage 11b: Wie wichtig ist Ihnen beim Lesen dieser Kriminalromane der kriminalistische Wert? 54,90% 60,00% 50,00% 40,00% 30,00% 27,00% 14,40% 20,00% 10,00% 3,20% 0,00% absolut wichtig wichtig unwichtig völlig unwichtig Frage 12: Wie haben Ihnen die „Kurt-Wallander-Romane“ insgesamt gefallen? 100,00% 84,60% 80,00% 60,00% 40,00% 17,10% 20,00% 0,90% 0,50% 0,00% sehr gut gut weniger gut überhaupt nicht Anhang B XXXIX Frage 13: Worin liegen die Gründe hierfür? a) die Spannung 100,00% 88,50% 80,00% 60,00% 40,00% 20,00% 9,20% 2,30% 0,00% unwesentlich völlig unwesentlich 0,00% sehr entscheidend entscheidend b) der literarische Stil 60,00% 51,40% 50,00% 38,00% 40,00% 30,00% 20,00% 9,30% 10,00% 1,40% 0,00% sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig unwesentlich Anhang B XL c) die Authentizität 58,10% 60,00% 50,00% 40,00% 25,10% 30,00% 13,50% 20,00% 10,00% 3,30% 0,00% sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig unwesentlich d) die Identifikation mit dem Hauptcharakter 48,10% 50,00% 40,00% 28,20% 30,00% 17,10% 20,00% 6,50% 10,00% 0,00% sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig unwesentlich e) die eingebrachte Gesellschaftskritik 39,80% 40,00% 30,10% 30,00% 25,00% 20,00% 10,00% 5,10% 0,00% sehr entscheidend entscheidend unwesentlich völlig unwesentlich Anhang B XLI Frage 14: Hat sich Ihr Bild von der Polizei dadurch verändert? 100,00% 82,20% 80,00% 60,00% 40,00% 17,30% 20,00% 0,50% 0,00% Nein. Ja. Positiv. Ja. Negativ. Anlage 3: Fragebogenauswertung unter Berücksichtigung des Berufsfeldes „Polizeibeamter/in“ Frage 7a: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den authentischsten Roman der Serie ein? 35,60% 30,00% 25,00% 20,00% 17,80% 15,60% 15,00% 10,00% 6,70% 6,70% 6,70% 4,40% 5,00% 4,40% 2,20% k. A. 7. Fa ll 6. Fa ll 5. Fa ll 4. Fa ll 3. Fa ll 2. Fa ll 1. Fa ll 8. Fa Er ll zä hl un ge n 0,00% 0,00% Anhang B XLII Frage 7b: Welchen der „Kurt-Wallander-Romane“ schätzen Sie als den unrealistischsten Roman der Serie ein? 44,40% 30,00% 25,00% 20,00% 15,60% 15,00% 11,10% 10,00% 8,90% 4,40% 5,00% 4,40% 2,20% 4,40% 2,20% 2,20% k. A. hl un ge n 8. Fa ll Er zä 7. Fa ll 6. Fa ll 5. Fa ll 4. Fa ll 3. Fa ll 2. Fa ll 1. Fa ll 0,00% Frage 8: Wie realistisch empfinden Sie a) das Tatgeschehen Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 11 24,4 24,4 24,4 21 46,7 46,7 71,1 12 26,7 26,7 97,8 1 2,2 2,2 100,0 45 100,0 100,0 Anhang B XLIII b) den Hauptcharakter des Kurt Wallander Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 26 57,8 57,8 57,8 15 33,3 33,3 91,1 4 8,9 8,9 100,0 45 100,0 100,0 c) die private Situation des Kurt Wallander Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend System Gesamt d) Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 32 71,1 72,7 72,7 11 24,4 25,0 97,7 1 2,2 2,3 100,0 44 97,8 100,0 1 2,2 45 100,0 das Kollegenverhältnis Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch Gesamt Fehlend Gesamt System Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 15 33,3 34,1 34,1 26 57,8 59,1 93,2 3 6,7 6,8 100,0 44 97,8 100,0 1 2,2 45 100,0 Anhang B XLIV e) den Ablauf der Polizeiarbeit Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt f) Gültige Prozente Kumulierte Prozente 4 8,9 8,9 8,9 19 42,2 42,2 51,1 17 37,8 37,8 88,9 5 11,1 11,1 100,0 45 100,0 100,0 die Ermittlungstaktik Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend System Gesamt g) Prozent Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 5 11,1 11,4 11,4 27 60,0 61,4 72,7 11 24,4 25,0 97,7 1 2,2 2,3 100,0 44 97,8 100,0 1 2,2 45 100,0 die Vorgehensweise bei der Spurensicherung Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend Gesamt System Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 13 28,9 29,5 29,5 20 44,4 45,5 75,0 8 17,8 18,2 93,2 3 6,7 6,8 100,0 44 97,8 100,0 1 2,2 45 100,0 Anhang B h) XLV die Eigensicherung der Ermittler bei ihrer Arbeit Häufigkeit Gültig absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Fehlend System Gesamt i) Gültige Prozente Kumulierte Prozente 3 6,7 6,8 6,8 5 11,1 11,4 18,2 23 51,1 52,3 70,5 13 28,9 29,5 100,0 44 97,8 100,0 1 2,2 45 100,0 den jeweiligen Romanausgang Häufigkeit Gültig Prozent absolut realistisch teils realistisch teils unrealistisch völlig unrealistisch Gesamt Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente 4 8,9 8,9 8,9 23 51,1 51,1 60,0 13 28,9 28,9 88,9 5 11,1 11,1 100,0 45 100,0 100,0 Selbstständigkeitserklärung XLVI Selbstständigkeitserklärung „Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus Quellen entnommen wurden, habe ich als solche gekennzeichnet.“ ……………………………………. ……………………………….. Ort, Datum Unterschrift Zusammenfassung Die Kurt-Wallander-Serie des Autors Henning Mankell erlebt hierzulande seit Ende der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts mit bislang 10 Millionen verkauften Exemplaren einen durchschlagenden Erfolg - ein Erfolg, der angesichts rückläufiger Umsätze deutscher Buchhändler umso beachtlicher ist. Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit gilt es daher, die in Frage kommenden Erfolgsfaktoren dieser Kriminalromanserie aus dem hohen Norden näher zu erforschen. Worin liegt das Geheimnis von Henning Mankells literarischem Erfolg? Nach einer einleitenden biographischen Vorstellung des Schweden und seiner bislang erfolgreichsten Romanserie, werden in den beiden darauf folgenden Hauptteilen dieser Arbeit die prägnantesten Faktoren des literarischen Erfolgs von Henning Mankell mit seinem melancholischen Kommissar Kurt Wallander erörtert. Zunächst wird demzufolge das Genre der Kriminalliteratur genauer beleuchtet. Welche Rolle nimmt dieser Literaturzweig auf dem internationalen Buchmarkt ein, wie gestaltet sich die deutsche Krimiszene und welche Rolle spielt hierbei der skandinavische Krimi? Nach einem kurzen sich daran anschließenden Blick auf Mankells Vorläufer und dessen Nachahmer, werden im dritten Teil dieser Diplomarbeit schließlich die Kriminalgeschichten aus Ystad, in denen mitunter die Hauptgründe für deren faszinierende Erfolgsstory zu suchen sind, selbst in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Nach Mankells literarischem Stil stellen sicherlich auch die detaillierte wie authentische Schilderung der Polizeiarbeit und die in allen Romanen enthaltene gesellschaftskritische Komponente potentielle Erfolgsfaktoren dar, die es an dieser Stelle näher zu untersuchen gilt. Keineswegs von geringer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang außerdem die Analyse der literarischen Hauptfigur des Kurt Wallander und der malerischen Beschreibung seines Reviers - die Hafenstadt Ystad im südlichen Schonen. Mit der Vorstellung des Marketingkonzepts der Romane am Ende dieser Arbeit wird die Untersuchung potentieller Erfolgsgründe der Kurt-Wallander-Serie schließlich abgerundet und deren Ergebnisse in einem Schlusswort zusammengetragen.