Warum ist Gott verborgen

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Warum ist Gott verborgen
UMSCHAU
Von der Tagung des Arbeitskreise s «Naturwissenschaft und Glaube» der EMK Deutschland
Warum ist Gott verborgen?
Von Stefan We ller
Vor zwe i Jahren gründe te s ich der
Arbeitskreis «Naturwissenschaft
und Glaube>> der EMK in Deutschland. Initiator war der Physiker Dr.
Klaus Bratengeier, Laienmitglied
der EMK-Gemeinde in Würzburg.
Der Kreis hat mittlerweile übe r 50
Mitglieder und versteht sich als Dolmetscher in einem spannenden Di-
alog.
<<Wie beeinflussen die modernen Naturwissenschaften das Gottesbild?»,
hiess das Thema der 3. Jahrestagung
desArbeitskreisesam 17.Januar. Wegen des grossen Andrangs erwies
sieb die Würzburger EMK-Kapelle als
zu klein. Die benachbarte Neue Universität stellte einen Hörsaal zur Verfügung, in dem sich etwa 100 Personen versammelten.
Vielfalt der Welt
Dr. habil. Hansjörg Hemmirrger entfaltete das Thema zunächst aus der
Sicht eines Biologen und Verhaltensps ychologen. Er stellte dar, wie sich
Naturwissenschaften und Theologie
aktuell wieder annähern. Beide Seiten würden zunehmend lernen, dass
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Kirche und Welt
Nr. 03/2015
die Vielfältigkeit der Welt durch die
Eindeutigkeit der Naturwissenschaft
nicht irrfrage gestellt ist. Auf naturwissenschaftlicher Seite seien es besonders die theoretischen Physiker,
die ein Bewusstsein für die Grenzen
der Erkenntnis entwickelt hätten. Die
Naturwissenschaften könnten aber
helfen, das Verhältnis Gott- Mensch
immer wieder neu zu beschreiben.
Das gelte gerade auch im Blick auf die
Evolution als «Heldengeschichte des
Lebens>>.
Ungelöste Rätsel
Noch spannender wurde es im Referat des Theologen Prof. Dr. Armirr
Kreiner aus München. Er setzte sich
mit dem Anspruch des sogenannten
Naturalismus auseinander, der in seiner erweiterten Form als wntologischer Naturalismus» davon ausgeht,
«dass es nichts gibt, was die wissenscbaftliche Methode nicht erhellen
und aufklären kann» (Peter Atkins).
Wie kann man aus christlicher Sicht
auf die Annahme reagieren, das gesamteUniversumsei prinzipiell ohne
Gott begreifbar und erklärbar?
Kreiner erwog zwei Möglichkeiten.
Die erste nannte er <<Beat them Schlag sie!>> Man könne auf die unge-
lösten Rätsel bei der Welterklärung
hinweisen. Richard Swinburne, ein
Verfechter dieser Möglichkeit, sagt:
«Es gibt Rätsel, die sind zu gross für
die Wissenschaft. Die Lösung muss
ausseehalb des Rahmens der Wissenschart liegen.>> Solche ungelösten Rätsel seien:
I. die Komplexität, vor allem lebender Organismen, deren Entstehung
oft ungeklärt scheint (Hier setzt
«intelligent desigm> an.);
2. die Feinabstimmung der Naturkonstanten und -gesetze im Kosmos,
die schon bei geringster Abweichung die Entstehung vo n Leben
unmöglich machen würden und
die Hugh Ross <<the fingerprint of
God» nennt;
3. die Frage nach dem <<Urknall>>, dem
Anfang von allem, hinter den man
nicht zurückfragen kann;
4. die Entstehung des Bewusstseins.
Kein Lückenbüsser
Nun überraschte Professor Kreiner
das Auditorium mit einem persönlichen Statement: Er halte diesen Weg
-«Beat tbem>>- für wenig erfolgversprechend. Denn es handle sich bier
lediglich um die Suche nach <<Lücken
im System>>. Kann man wirklieb si-
eher sein, dass es wissenschaftlich
unlösbare Rätsel gibt? Und wenn eines, wie z.B. die Entstehung von Komplexität, doch gelöst ist? Befindet sich
der <<Lückenbüsser-Gott>> nicht schon
seit Jahrhunderten auf dem Rückzug?
Empfehlenswerter sei die andere Möglichkeit: «Join them>> - <<Schliess dich
an!>> Es war kein Geringerer als Dietrich Bon hoeffer, der gerade aus theologi scher Sicht forderte, wir müssten
von der Welt reden und in ihr handeln
<<als ob es Gott nicht gäbe>> (lat. <<etsi
deus non daretur»). Gott als Arbeitshypothesemüsse aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit fallengelassen werden.
Sinnvolle Verborgenheit
Aus christlicher Sicht stellt sich dann
aber ei ne andere Frage: Wenn Gott
existiert- warum ist die Welt so beschaffen, dass wir sie ohne Gott erklären können? Warum ist er so verborgen, dass man ihn ni cht wissenschaftlich nachwei sen kann? Hat
seine Verborgenheit, die wir ja alle
kennen und unter der wir nicht selten
leiden, gar einen tieferen Sinn und
Zweck?
Der Referent bot drei Antworten
an:
1. Vielleicht ist Gott kein Wesen, das in einer kausalen Erklärung eine Rolle spielt. Vielleicht ist er kein Seiendes, sondern das Sein selbst, die <<Tiefe des Seins>> (Paul
Tillich).
2. Vielleicht bleibt Gott deshalb verborgen, weil er festhalten möchte: Die Welt- seine Schöpfung- ist auch in
sich selber wertvoll, unüberbietbar schön und logisch.
Sie funktioniert auch, wenn er ruht - wie am siebten
Schöpfu ngstag.
3. Vielleicht ermöglicht die Verborgenheit Gottes <<Dinge>>,
die anderenfalls nicht möglich wären: Glaube, Hoffnung, Liebe. Denn Glaube ist Vertrauen ohne Beweise;
Hoffnung ist der Blick auf das, was man noch nicht
sieht; Liebe ist freie Zuwendung ohne eine offensichtliehe Instanz, die dazu verpflichtet.
Antwort des Herzens
Am Schluss lud Kreiner ein zu einem Gedankenexperiment: Wenn tatsächlich eines Tages alle naturwissenschaftliehen Rätsel gelöst wären und der Mensch wüsste,
wie die Welt funktioniert, liessesich immer noch fragen:
«Warum ist die Welt, wie sie ist?>> (Leibnitz). Und die
Antwort des Herzens an den Verstand ist nach wie vor
möglich.
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Informatione n zum Arbeitskreis Glaube und Naturwissensehaften finden Sie unter
ti}
www.emk-naturwissenschaften.de
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