Juni 2013 - Disclose

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Juni 2013 - Disclose
www.pwc.ch/disclose
Disclose
Im Fokus: Corporate Governance
Juni 2013
Aktuelles aus
Rechnungslegung
und Revision
Herausgeber: PricewaterhouseCoopers AG, Geschäftsbereich Wirtschaftsprüfung, Birchstrasse 160, 8050 Zürich
Konzept, Redaktion und Gestaltung: PricewaterhouseCoopers AG, Zürich
Redaktion: Graf Moll & Partner, Corporate Publishing GmbH, Zürich
Druck: Stämpfli Publikationen AG
Disclose – Aktuelles aus Rechnungslegung und Revision (www.pwc.ch/disclose)
Erscheint zweimal jährlich in deutscher und französischer Sprache mit einer Auflage von 14’000 Exemplaren.
Bestellungen von Gratisabonnementen und Adressänderungen: [email protected]
© 2013 PwC. All rights reserved. “PwC” refers to PricewaterhouseCoopers AG, which is a member firm
of PricewaterhouseCoopers International Limited, each member firm of which is a separate legal entity.
Peter Ochsner
Leiter Wirtschafts­prüfung Schweiz
[email protected]
«Zukunft
Ethik wird in
eine
noch wichtigere
Komponente
der Corporate
Governance sein.»
Im März dieses Jahres hat die Schweizer Bevölkerung
nicht über «Abzockerei» abgestimmt, sondern vielmehr
über Teilaspekte der Corporate Governance in börsenkotierten Unternehmen. Sobald der Gesetzgeber die
24 Punkte der «Minder-Initiative» dem Wortlaut oder dem
Sinne nach in der Verfassung verankert und die Aktienrechtsreform in deren Geiste verabschiedet hat, wird sich
die Machtbalance – zumindest formal – verschieben. Ob
die Generalversammlung ihre vermehrte Entscheidungsbefugnis auch effektiv wahrnehmen kann und will, wird
sich erst nach ein paar Jahren Erfahrung beurteilen
lassen. Einige Befürchtungen aber dürften sich bewahrheiten: Die Erwartungen der Öffentlichkeit an moderatere
Vergütungen in den Chefetagen werden sich kaum
erfüllen. Das Beziehungsgefüge zwischen den Organen
der Aktiengesellschaft aber wird durcheinandergeraten.
Die Machtbalance zwischen Generalversammlung,
Verwaltungsrat und Geschäftsleitung muss neu gefunden
werden.
Die klare Abgrenzung der Einflussbereiche und die Ausgestaltung der Kompetenzen für die einzelnen Organe sind ein konstituierendes Element für eine gute
Corporate Governance. Damit die Checks & Balances im Unternehmen aber
tatsächlich funktionieren, sind Interaktion und Kommunikation unverzichtbar. Für
die externe Revision hat sich in den letzten Jahren das Audit Committee als einer
der wichtigsten Ansprechpartner herauskristallisiert. Verwaltungsratsausschüsse
sind zwar – ausser in der stark regulierten Finanzbranche – rechtlich nicht
vorgeschrieben, setzen sich aber in der Praxis mehr und mehr durch. Eine gute
Governance ohne Kommunikation zwischen einem qualifizierten Prüfungsausschuss und der unabhängigen Revisionsstelle ist bei grossen Unternehmen kaum
mehr denkbar.
Für den Prüfer sind indes nicht nur Gesetze massgebend. Hinzu kommen die
nationalen und die internationalen Prüfungsstandards als unumstössliche
Leitplanken für die Prüfungshandlungen und die Interaktion mit anderen Organen
des zu prüfenden Unternehmens. Die Treuhand-Kammer als berufsständische
Organisation der Wirtschaftsprüfer hat gerade die Schweizer Prüfungsstandards
(PS) an die überarbeiteten «International Standards on Auditing», die sogenannten
Carified ISA, angepasst. Der neue PS 260 macht klare Vorgaben zur «Kommunikation mit den für die Überwachung Verantwortlichen».
Corporate Governance steht im engeren Sinne für die Führungs- und Überwachungsstrukturen eines Unternehmens. Der Begriff kann und sollte aber durchaus
weiter gefasst werden. Die Schnittstellen zwischen Corporate Governance,
Unternehmenskultur, Compliance und ethischem Verhalten umreissen sensible
Felder der Firmenpolitik. Sie sind entscheidend für die Wahrnehmung und damit
für die Reputation eines Unternehmens. Emotionen wecken heute vor allem
Themen, die sich um verantwortungsbewusste Produktion über die gesamte
Wertschöpfungskette hinweg und um die Gewinnbesteuerung drehen. Die
Öffentlichkeit verlangt nicht nur legale Konstruktionen, sondern fordert deren
Legitimität ein.
Vielen Unternehmen ist dies durchaus bewusst. Am letzten Audit Committee
Forum von PwC wurde unter anderem die Frage diskutiert, wie das Audit Committee mit der Compliance im Steuerbereich umgeht. Die Teilnehmer bezogen zu
einem skalierten Beurteilungsraster zur Steuerstrategie ihres Unternehmens
Stellung. Ich persönlich war überrascht und erfreut, wie engagiert die Verwaltungsräte auf diese Thematik eingegangen sind. Es bedarf keiner prophetischen
Fähigkeit, um vorauszusagen, dass Ethik in Zukunft eine noch wichtigere Komponente der Corporate Governance wird.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
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Im Fokus:
Corporate Governance
Inhalt
Corporate Governance – ein Führungssystem mit Checks & Balances von Peter Ochsner
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Corporate Governance von Schweizer Aktiengesellschaften – aktuelle Entwicklungen von Lorenz Lipp
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Relevante Corporate-Governance-Bestimmungen für Schweizer Unternehmen von Lorenz Lipp
Die externe Revision im Beziehungsdreieck mit Audit Committee und CFO von Stefan Räbsamen
Muss der Corporate-Governance-Bericht geprüft werden? von Stefan Räbsamen
Interne Revision und Corporate Governance von Werner Stebler
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«Die Unternehmen selbst müssen das öffentliche Vertrauen wiederherstellen»
Interview mit Stephen O’Hearn über Governance und Regulierung multinationaler Unternehmen
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Corporate Governance: Erfolg und Versagen einer Leitidee Gastbeitrag von Prof. Dr. Peter Böckli
6 Themen, 24 Fragen – eine Checkliste zur Corporate Governance
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Update
In der Rubrik Update thematisiert «Disclose» den Entwurf zur Erweiterung der Ethikstandards für Wirtschaftsprüfer, die
ergänzende Fachempfehlung für kotierte Unternehmen, die überarbeiteten Schweizer Prüfungsstandards und das neue
Rahmenwerk zum Integrated Reporting. 29
Leserservice
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Corporate Governance –
ein Führungssystem
mit Checks & Balances
Was bedeutet Corporate
Governance? Im Deutschen lässt sich der Begriff nur umschreiben:
Es geht um ausgewogene Führungsstrukturen
und eine funktionierende Überwachung innerhalb des Unternehmens.
Eine gute Corporate
Governance bezieht sich
nicht nur auf Organe
und Prozesse, sondern
spiegelt sich auch in der
Kultur, der Ethik und
den Verhaltensweisen.
Die meistzitierte Definition von Corporate
Governance ist jene der OECD. Danach
betrifft die Corporate Governance «das
ganze Geflecht der Beziehungen zwischen
dem Management eines Unternehmens, dem
Aufsichtsorgan, den Aktionären und anderen
Unternehmensbeteiligten (Stakeholder)».
Doch schon beim letzten Halbsatz dieser
Begriffsbestimmung scheiden sich die
Geister. Die puristische Auslegung reduziert
die Corporate Governance auf die Beziehung
zwischen Unternehmensführung und
Aktionariat. Der Verband der Schweizer
Unternehmen «economiesuisse» stellt auf
eine solch eng gefasste Definition ab, wenn
er Corporate Governance als «die Gesamtheit der auf das Aktionärsinteresse ausgerichteten Grundsätze» bezeichnet.
Die Forderungen nach Corporate Governance wurzeln in der Prinzipal-AgentenProblematik, die jeder Kapitalgesellschaft
innewohnt: Die Trennung von Eigentum und
Kontrolle bringt es mit sich, dass die
Eigentümer die Entscheidungskompetenz
und die Verantwortung für die Geschicke
ihres Unternehmens delegieren. Dies birgt
die Gefahr eines «Moral hazard»: Das
Management (als Agent) könnte versucht
sein, seinen Informationsvorsprung
eigennützig und auf Kosten der Aktionäre
(des Prinzipals) auszunutzen. Nach dieser
Sichtweise, die letztlich auf die Neue
Institutionenökonomie von Ronald Coase
(Wirtschaftsnobelpreis 1991) zurückgeht,
resultiert die Notwendigkeit einer guten
Governance einzig aus der personellen
Trennung von Geschäftsführung und
Eigentum, einer Konstellation, die vor allem
für Aktiengesellschaften konstituierend ist.
Die weitgefasste Auslegung von Corporate
Governance hingegen bezieht die Interessen
aller Anspruchsgruppen mit ein und zielt auf
ein ausgewogenes Beziehungsgeflecht
zwischen allen Unternehmensbeteiligten im
gesellschaftlichen Interesse.
Kultur, Ethik und Verhaltensweisen
Als «klassisch» gilt die weit gefasste Definition von Adrian Cadbury. Der langjährige
Chairman von Cadbury Schweppes, der
zeitweise auch Director der Bank von
England war, leitete zu Beginn der Neunzigerjahre das «UK Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance». Die
Prinzipien des nach ihm benannten «Cadbury Report» aus dem Jahr 1992 bilden die
Grundlage des «UK Corporate Governance
Code», den das Financial Reporting Council
herausgibt. Dieser Kodex, der im September
2012 in überarbeiteter Fassung erschien, gilt
als wegweisend.
Der UK-Code umfasst die fünf Bereiche
Führung, Wirksamkeit, Verantwortlichkeit,
Vergütung und Beziehungen zu den
Aktionären. Damit spiegelt er das breite
Themenspektrum der Corporate Governance; er verdeutlicht, dass es nicht nur um
Prozesse geht, sondern gerade auch um
Kultur, Ethik und Verhaltensweisen.
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Die Corporate Governance ist ein
Pfeiler für die Stabilität des
Wirtschafts- und Finanzsystems.
Peter Ochsner
Leiter Wirtschaftsprüfung Schweiz
[email protected]
Vertrauen festigen
Der Bezug zu Kultur und Werten ist wichtig,
denn man kann die Frage, was gute Corporate Governance ist, nicht von der Frage
trennen, wem sie zugute kommt. Dies sind
letztlich alle Stakeholder. Zunächst nützen
ausgewogene Führungsstrukturen mit
Checks & Balances dem Unternehmen selbst.
Sie verleihen der Unternehmensführung
Sicherheit, denn sie hat die Gewissheit, dass
die Überwachungsmechanismen funktionieren. Dies verringert die Gefahr unternehmerischer Fehlentscheidungen, etwa die
Akquisition nicht werthaltiger Firmen; eine
gute Corporate Governance verhindert, dass
sich das Unternehmen in eine strategisch
falsche Richtung entwickelt, sich Fehlleistungen und Ausreisser erlaubt. Sie geht mit
Reputation einher, festigt also das Vertrauen
von Investoren, Mitarbeitern und Geschäftspartnern, aber auch der Öffentlichkeit.
Damit sind die weiteren Gruppen der
Nutzniesser bereits genannt: Aktionäre und
Stakeholder. Für Aktionäre sind funktionierende Governance-Strukturen die beste
Möglichkeit, Prinzipal-Agenten-Konflikte zu
vermeiden. Zudem haben die Anteilseigner
wie auch andere Anspruchsgruppen ein
höheres Mass an Sicherheit (wenn auch nie
eine absolute), dass ihr Unternehmen in eine
Richtung gesteuert wird, die auf Dauer
Wachstum und Prosperität verspricht.
Darüber hinaus hat die Corporate Governance eine gesamtwirtschaftliche Komponente. Sie ist ein Pfeiler für die Stabilität des
Wirtschafts- und Finanzsystems. Wenn alle
Unternehmen über robuste Rahmenwerke
zur Führung und Kontrolle verfügen,
schaffen sie zugleich eine wichtige Voraussetzung für eine reibungslose Funktionsweise der Kapitalmärkte.
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Wache Öffentlichkeit
Um die Jahrtausendwende erregte das
Thema Corporate Governance weltweit
Aufsehen. Spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche, vor allen jene des Energiekonzerns Enron und des Telekommunikationsanbieters Worldcom, offenbarten ein
eklatantes Versagen von Führung und
Kontrolle. Seither sind die Finanzwelt, die
Regierungen und die Öffentlichkeit für
Corporate-Governance-Fragen sensibilisiert.
Die Skandale lösten eine Regulierungswelle
aus. In den USA wurde 2002 der SarbanesOxley Act verabschiedet; darin sind unter
anderen Vorschriften zur Corporate
Governance börsennotierter US-Unternehmen enthalten.
Auch in der Schweiz reagierten Wirtschaft
und Regulatoren rasch: 2002 veröffentlichte
die «economiesuisse» den Expertenbericht
«Corporate Governance in der Schweiz» und
den «Swiss Code of Best Practice for
Corporate Governance». Im gleichen Jahr
trat die «Richtlinie betr. Informationen zur
Corporate Governance» der Schweizer Börse
in Kraft. Sie verpflichtet alle börsenkotierten
Unternehmen, detaillierte Angaben «über
die Führung und Kontrolle auf oberster
Unternehmensebene» zu machen. Parallel
zur Regulierung kristallisierten sich
gesellschaftliche Instanzen heraus, die sich
einer guten Governance verschrieben haben.
In der Schweiz gewannen kritische Aktionärsvertreter rasant an Einfluss; die Empfehlungen von Stimmrechtsberatern wie der «Ethos
Stiftung» oder der US-amerikanischen
«Institutional Shareholder Services» (ISS)
finden bei institutionellen Investoren
zunehmend Gehör. Zudem reflektierten
Medien und Öffentlichkeit tatsächliche
oder vermeintliche unternehmerische
Fehlentscheidungen stets auch unter dem
Governance-Aspekt.
Bessere Kontrollsysteme
Hat das alles zu einer besseren Governance
beigetragen? Vieles deutet darauf hin,
etwa die Zunahme nicht exekutiver Verwaltungsratsmitglieder, die Einrichtung und
Zusammensetzung von Verwaltungsratsausschüssen, der Ausbau der internen Kontrolle
oder die Aufmerksamkeit, die heute einer
wirksamen Überwachung zukommt. Doch
mit einem klaren Ja zu antworten, wäre
verfrüht.
Fest steht: Die Regulierung, insbesondere der
Sarbanes-Oxley Act, hat die Governance
formalisiert. Ein entscheidender Schritt ist
die Vorgabe eines dokumentierten und
getesteten internen Kontrollsystems (IKS)
für die Finanzberichterstattung. Das
Management muss für den Verwaltungsrat
einen Bericht über die Effektivität (und nicht
nur das Vorhandensein) eines IKS erstellen;
das IKS ist zudem Gegenstand der externen
Prüfung. Derartige Vorschriften, die heute
längst nicht nur in den USA gelten, haben
sicher dazu beigetragen, dass Kontrollen
besser funktionieren und die Verlässlichkeit
der Rechnungslegung im Sinne eines
Rechenschaftsberichts der Unternehmen
gestiegen ist.
Die Finanzkrise hat eine erneute Debatte
über gute Corporate Governance ausgelöst –
auch wenn die heutige Krise nicht in erster
Linie auf ein Versagen der Governance der
Unternehmen zurückgeführt werden kann.
Sie hatte vielfältige Ursachen, von denen an
dieser Stelle nur die leichtfertige Kreditvergabe, die schier grenzenlose Kreativität bei
der Bündelung von Finanzprodukten und die
Modellgläubigkeit der Verantwortlichen in
den Finanzinstituten genannt sein sollen.
Dennoch können aus der Finanzkrise auch
Lehren für die Gestaltung der Corporate
Governance gezogen werden. Darauf weist
die OECD in ihrer Publikation «The Corporate Governance Lessons from the Financial
Crisis» (2009) hin und verweist insbesondere auf die Risikomanagement- und Vergütungssysteme.
«Comply or explain»
Auch die Europäische Kommission hat
Initiative ergriffen: 2011 veröffentlichte sie
ein Grünbuch zu einem Corporate-Governance-Rahmenwerk, ein Jahr später folgte
ein Aktionsplan zu einem europäischen
Unternehmensrecht und zur Corporate
Governance. Das Grünbuch spricht drei
Themenbereiche an, die der EU-Kommission
zufolge das Herz einer guten Corporate
Governance ausmachen: leistungsstarke und
effektive Verwaltungsräte, Aktionäre, die
sich für ihr Unternehmen engagieren, sowie
die Art und Weise, in welcher der Grundsatz
des «comply or explain» angewandt wird.
«Comply or explain» – halte dich an die
Vorgaben oder erkläre, weshalb du es nicht
tust – ist als Prinzip in vielen Rahmenwerken
zur Corporate Governance verankert. Der
UK Governance Code widmet ihm ein ganzes
Kapitel. In der Schweiz orientiert sich die
SIX-Richtlinie ebenfalls an diesem Prinzip,
während der Kodex der «economiesuisse»
nur inhaltliche Empfehlungen, aber ausser
dem Verweis auf die Offenlegungspflichten
der SIX-Richtlinie keine ausführlichen
Bestimmungen zur Transparenz enthält.
In der Praxis erklären die Unternehmen oft
nur unzureichend, weshalb sie einzelne
Richtlinien oder Empfehlungen zur Governance nicht einhalten. Eine EU-Studie
(«Study on Monitoring and Enforcement
Practices in Corporate Governance in the
Member States»), aber auch ein Blick in
manchen Geschäftsbericht zeigt, dass die
Informationsqualität unzulänglich ist.
Natürlich ist es für Unternehmen, welche die
Empfehlungen der Rahmenwerke nicht
einhalten wollen, oft schwierig und unangenehm, eine überzeugende Begründung zu
liefern. Doch gerade das Prinzip des «Comply
or explain» ist essenziell, wenn es darum
geht, die Corporate Governance nicht primär
in Gesetzen, sondern in Rahmenwerken zu
regeln.
Das Gesellschaftsrecht konzentriert sich
darauf, die Verantwortlichkeiten der Organe
zu regeln. Aspekte der Governance, die
darüber hinausgehen, sollten nicht formal
reguliert sein. Gerade weil Corporate
Governance eng an die Unternehmenskultur
und die Verhaltensweisen gekoppelt ist, lässt
sie sich nicht verordnen. Governance-Strukturen erweisen sich als robust, wenn sie auf
die Grösse, die Struktur und die Werte des
Unternehmens zugeschnitten sind; zudem
müssen sie flexibel genug sein, um Anpassungen an sich ständig ändernde Anforderungen zu erlauben. Eine gute Corporate
Governance ist, prägnant ausgedrückt, ein
dynamisches Führungssystem mit Checks &
Balances.
Die «klassische»
Cadbury-Definition
«Corporate governance is the
system by which companies are
directed and controlled. Boards
of directors are responsible for the
governance of their companies.
The shareholders’ role in
governance is to appoint the
directors and the auditors and to
satisfy themselves that an
appropriate governance structure is
in place. The responsibilities of the
board include setting the company’s
strategic aims, providing the
leadership to put them into effect,
supervising the management of the
business and reporting to
shareholders on their stewardship.
The board’s actions are subject to
laws, regulations and the
shareholders in general meeting.»
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Quintessenz: Kennzeichnend für die Aktiengesellschaft in der Schweiz sind die Selbstverwaltung in weitgehender
Gestaltungsfreiheit einerseits und die stark strukturierte interne Funktionsaufteilung andererseits. Jede Regulierung,
die dieses Balancegefüge durcheinanderbringt, sollte sich am Gebot einer nachhaltig angelegten, erfolgreichen
Unternehmensführung orientieren.
Corporate Governance von
Schweizer Aktiengesellschaften –
aktuelle Entwicklungen
In der Schweiz, aber nicht nur dort, ertönt seit
geraumer Zeit der Ruf nach einer Stärkung der
Aktionärsrechte. Eine Machtverschiebung im
Verhältnis von Anteilseignern und Verwaltungsräten
erscheint auf den ersten Blick sinnvoll; denn ihr Ziel
ist es, den Eigentümern des Unternehmens eine
wirksamere Kontrolle der Unternehmensführung zu
ermöglichen. Genauer betrachtet aber könnte das
austarierte Balancegefüge der Gesellschaftsorgane
aus den Fugen geraten.
Die Organe eines Unternehmens sind von grundlegender
Bedeutung für die Corporate Governance. Ihre Rechte
und Pflichten sowie die Beziehungen, in denen sie
zueinander stehen, bilden ein Gerüst, um das herum sich
Governance-Strukturen errichten lassen. Das Gerüst
ist – differenziert nach Rechtsform – im Gesellschaftsrecht verankert.
Corporate Governance ist für alle Unternehmen ein
Thema, unabhängig von der Rechtsform, der Grösse oder
den Eigentumsverhältnissen. Die aktuelle Debatte aber
dreht sich fast ausschliesslich um (börsenkotierte)
Aktiengesellschaften. Daher sei einleitend ein Blick auf
den besonderen Charakter der Aktiengesellschaften
gerichtet: Die Eigentümer einer Aktiengesellschaft sind
die Aktionäre. Doch im Gegensatz zu einem «echten»
Eigentümer, der letztlich für seine Handlungen und
Entscheidungen voll verantwortlich und unter Umständen auch persönlich haftbar ist, ist der Aktionär gesetzlich von jeglicher Verantwortung und Haftung befreit.
Der Aktionär ist zu nichts weiter verpflichtet als zur
Einzahlung des gezeichneten Kapitals, und er haftet
nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (Art. 680
Abs. 1 OR). Auch ist es nicht zulässig, durch statutarische
Bestimmungen irgendwelche Nebenleistungen des
Aktionärs (beispielsweise eine Treuepflicht gegenüber
der Gesellschaft, an der er beteiligt ist) zu verlangen.
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Der Aktionär als «verantwortungsfreier
Eigentümer»
In Anlehnung an Professor Peter Böckli könnte man
daher den Aktionär als «verantwortungsfreien Eigentümer» bezeichnen (vgl. Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich 2009, § 1, N 152, S. 70). Dies ist
keinesfalls abschätzend gemeint. Vielmehr ist die
Ausgabe von Anteilscheinen (Aktien) ohne weitere
Haftung ein grossartiges Konstrukt, das die Niederländer
zur Finanzierung ihrer Ostindien-Kompanie im Jahre
1602 erstmals herangezogen haben. Die Aktiengesellschaft hat sich – entgegen den Befürchtungen von Adam
Smith (im Hinblick auf die Trennung von Management
und Eigentum) – zu einer überaus erfolgreichen
Rechtsform entwickelt. Dank ihrer Flexibilität, aber auch
wegen ihrer klaren Organisationsstruktur hat sich die
Aktiengesellschaft in der Schweiz als die dominierende
Rechtsform – geeignet sowohl für KMU als auch für
kotierte Gesellschaften – durchgesetzt. Den unterschiedlichen Gegebenheiten bei grossen und kleinen Unternehmen begegnet das Schweizer Recht pragmatisch:
Einerseits betreffen viele Bestimmungen in der Praxis
nur die grösseren Unternehmen (bedingtes Kapital,
institutionelle Stimmrechtsvertretung, Vinkulierungsregime für kotierte Namenaktien, Zweiteilung der
Exekutive in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung);
andererseits bestehen zahlreiche Erleichterungen für
KMU (so bei der Rechnungslegung, der Revision, der
Konsolidierungspflicht, der Finanzplanung, dem
Lagebericht oder den vereinfachten Anforderungen an
KMU bei Fusion, Spaltung und Umwandlung).
Obwohl die Aktionäre «verantwortungsfrei» sind, ist die
Stärkung der Aktionärsrechte ein oft formuliertes
Anliegen; auch der Bundesrat verfolgt dieses Ziel explizit
im Rahmen der Aktienrechtsreform. Nach geltendem
Recht manifestieren sich die Mitwirkungsrechte der
Aktionäre primär in der Generalversammlung, dem
obersten Organ der Aktiengesellschaft (Art. 698 OR).
Hier müsste denn auch der Hebel angesetzt werden,
wenn die Aktionärsrechte gestärkt werden sollen. Dabei
kommen der Rechenschaftspflicht des Verwaltungsrates
gegenüber dem obersten Organ und der transparenten
Rechnungslegung an die Aktionäre höchste Bedeutung
zu. Nur eine ungeschönte finanzielle Berichterstattung
ermöglicht dem Aktionär überhaupt, eine Beurteilung
der Leistung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung
vorzunehmen. Auch sollten teilweise noch bestehende
Hürden möglichst tief gelegt werden, wenn es etwa um
die Erfordernisse für die Einberufung einer Generalversammlung, die Teilnahme-, Traktandierungs-, Informations- und Auskunftsrechte, die Durchführung einer
Sonderprüfung oder Beschränkungen der Stimmrechtsausübung geht.
Die Aktionäre sind nicht
verpflichtet, ihre Rechte im
nachhaltigen Interesse des
Unternehmens auszuüben.
Die derzeitige Diskussion aber zielt in eine andere Richtung; sie dreht sich in erster Linie darum, die (vermeintliche) Macht der Verwaltungsräte zu beschneiden, indem
die Aktionäre weitreichende Mitspracherechte, etwa bei
der Vergütung oder der Amtsdauer, erhalten. Dabei ist in
Erinnerung zu rufen, dass das Schweizer Aktienrecht
den drei Organen Generalversammlung, Verwaltungsrat
und Revisionsstelle klare Aufgaben und Verantwortlichkeiten zuteilt. (Zur Rolle der externen Revision im
Rahmen der Corporate Governance vgl. den Beitrag auf
Seite 12.)
Lorenz Lipp
Partner, Wirtschaftsprüfung
[email protected]
Divergierende Interessenlage
Der Verwaltungsrat nimmt als Gremium zwischen den
Aktionären und der Geschäftsführung eine doppelte
Verpflichtung wahr. Er wird von der Generalversammlung gewählt und handelt insofern als Treuhänder der
Aktionäre; zugleich obliegt ihm ausdrücklich eine
Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen (Art. 717 OR).
Von daher kann sich – zumindest vorübergehend –
eine unterschiedliche Interessenlage ergeben, insbesondere wenn Aktionäre nur kurzfristige Ziele verfolgen.
Aktionäre sind nicht verpflichtet, ihre Rechte im
(nachhaltigen) Interesse des Unternehmens auszuüben,
sondern dürfen diese eigennützig und ohne Rücksicht
auf andere Stakeholder wahrnehmen. Die divergierende
Interessenlage erfährt eine besondere Brisanz, wenn
man sich vor Augen hält, dass viele Anteilseigner nur
wenige Tage oder – dank des «Machine Trading» – gar
nur Bruchteile von Sekunden in einem Unternehmen
investiert sind.
In Zeiten elektronischer Handelsplattformen dürfte die
Anzahl der langfristig engagierten Aktionäre, die wie der
Verwaltungsrat primär das Wohl der Gesellschaft im
Auge haben, tendenziell abnehmen. Doch selbst, wenn
man sich an diesem Idealbild des traditionellen Aktionärs orientiert, erscheint eine Ausweitung der Aktionärsrechte fraglich. Sind die Anteilseigner mit der Leistung
und der Strategie des Verwaltungsrats nicht einverstanden, haben sie an jeder Generalversammlung die
Möglichkeit, einzelne oder alle Verwaltungsräte
abzuwählen. Zudem steht es ihnen frei, ihre Aktien jederzeit zu veräussern. Weil dies bei KMU nicht so leicht
möglich ist, erhalten die Rechte zum Schutz der
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Minderheiten gerade für diese Unternehmen eine
erhöhte Bedeutung. Je enger der Kreis der Aktionäre ist
und je stärker diese wirtschaftlich vom Erfolg des
Unternehmens abhängig sind (was vor allem bei
Familiengesellschaften der Fall ist), desto besser sind
jene Aktionäre, die nicht im Unternehmen in Führungsfunktionen tätig sind, zu informieren.
Verändern sich die Rechte der
Generalversammlung, hat dies
Konsequenzen für die Stellung
des Verwaltungsrats.
Verändern sich die Rechte der Generalversammlung, hat
dies unweigerlich Konsequenzen für die Stellung des
Verwaltungsrats. Als oberstes Leitungs- und Aufsichtsorgan stehen ihm von Gesetzes wegen wesentliche
Kompetenzen zu; Art. 716a Abs. 1 OR bezeichnet diese
als «unübertragbare und unentziehbare Aufgaben». Eine
dieser Aufgaben ist «die Ernennung und Abberufung der
mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten
Personen». Wenn nun, wie mit der Annahme der
«Minder-Initiative» beschlossen, die Generalversammlung bei kotierten Gesellschaften über die Vergütung der
Geschäftsleitung abstimmen soll, wirft dies eine
juristische Frage auf: Wird eine unübertragbare Aufgabe
des Verwaltungsrats beschnitten? Denn in der Praxis ist
es kaum vorstellbar, dass der Verwaltungsrat Geschäftsleitungsmitglieder bestellen kann, ohne die Kompetenz
zu haben, deren Anstellungskonditionen und damit auch
die Vergütung auszuhandeln. – Auf die Antwort des
Gesetzgebers darf man gespannt sein.
rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge
haben sollen und zur persönlichen Mitwirkung im
Unternehmen bereit sein müssen. Damit der Verwaltungsrat gegenüber der Geschäftsführung als ebenbürtiger Sparringspartner funktionieren kann, sollte er als
Gremium alle wesentlichen Bereiche und Funktionen des
Unternehmens kompetent abdecken.
Anforderungsprofile an Verwaltungsräte
Unter Corporate-Governance-Aspekten ist eine weitere
Bestimmung des rechtlichen Gerüsts von Bedeutung:
Der Verwaltungsrat hat das Recht, Geschäftsleitungsaufgaben zu delegieren (was ihn aber in keiner Weise
von der Verantwortung befreit); bei allen grösseren
Aktiengesellschaften macht er davon Gebrauch. Mit der
Geschäfts­leitung oder dem Management kommt dann
ein weiteres Gremium ins Spiel. Sobald der Verwaltungsrat die Geschäftsführung delegiert, obliegt ihm –
abgeleitet aus der Oberaufsicht gemäss Art. 716a Abs. 1
Ziff. 5 OR – eine Überwachungsfunktion für die
Geschäftsleitung.
Oberste Leitung und Überwachung der Gesellschaft –
wer diese Aufgaben gut erfüllen will, muss besonderen
Anforderungen genügen. Die Qualifikation der einzelnen
Verwaltungsräte und die Zusammensetzung des
Gremiums sind denn auch Eckpunkte der Corporate
Governance. Im Gesetz finden sich nur sehr rudimentäre
Bestimmungen zur Qualifikation, wie etwa die Handlungs- und Urteilsfähigkeit. Daneben sind Fachkompetenz, Unabhängigkeit und Führungsstärke unbestritten
die entscheidenden Kriterien für das Anforderungsprofil
eines Verwaltungsrats. Es herrscht auch ein – nicht
kodifizierter – Konsens darüber, dass alle Verwaltungsräte Grundkenntnisse der Rechnungslegung sowie der
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Was für den Verwaltungsrat als Ganzes gilt, trifft in noch
höherem Masse auf dessen Ausschüsse zu. Eine Personalplanung für den Verwaltungsrat selbst drängt sich
geradezu auf. Wichtig ist diese vor allem für die Besetzung des Prüfungs- und des Entschädigungsausschusses,
deren Mitglieder «unabhängig» sein sollten (das heisst,
sie sollten während der letzten Jahre keine Führungsfunktion im Unternehmen ausgeübt haben) und zudem
vertiefte Kenntnisse im Finanz- und Rechnungswesen
(«financial literacy») aufweisen sollten.
Balancegefüge aufrechterhalten
Kennzeichnend für die Aktiengesellschaft in der Schweiz
sind die Selbstverwaltung in weitgehender Gestaltungsfreiheit einerseits und die stark strukturierte interne
Funktionsaufteilung andererseits. Jede Regulierung, die
dieses Balancegefüge durcheinanderbringt, sollte sich
am Gebot einer nachhaltig angelegten, erfolgreichen
Unternehmensführung orientieren. Daran ist auch der
postulierte Ausbau der Aktionärsrechte zu messen. Eine
Verstärkung der Einflussmöglichkeiten der Aktionäre
ohne adäquate Ausgleichsmechanismen erscheint
fragwürdig.
Will man – dem Leitgedanken des Aktienrechts folgend –
den Aktionären neben der Liberierungspflicht keine
weiteren Pflichten auferlegen, so könnte man, wie
Professor Peter Forstmoser auf einer Tagung des
Europa-Instituts an der Universität Zürich zur Diskussion
gestellt hat, gewisse Verhaltensweisen belohnen.
Aktionäre, die ihre Anteile längerfristig halten, könnten
beispielsweise in den Genuss einer Vorzugsdividende
oder einer gewichtigeren Stimmkraft kommen.
Ähnliche Gedanken haben sich bereits die Gründer der
niederländischen Ostindien-Kompanie gemacht. Deren
Aktionäre waren zehn Jahre lang an ihre Anlage
gebunden.
Relevante Corporate-GovernanceBestimmungen für Schweizer Unternehmen
Das Schweizer Aktienrecht regelt zwar die Kompetenzen
und Verantwortlichkeiten der einzelnen Organe, lässt
dem Verwaltungsrat jedoch einen weiten Gestaltungsspielraum für die Organisation des Unternehmens.
Bei kotierten Unternehmen verlangt die SIX Swiss Stock
Exchange die Beachtung ihrer «Richtlinie betr. Informationen zur Corporate Governance» (RLCG, mit Anhang).
Diese Richtlinie stützt sich auf das Börsengesetz, wonach
die Börse dafür zu sorgen hat, dass die Investoren
Informationen zur Beurteilung der Qualität der Emittenten erhalten.
Die Handlungsmaxime des Aktienrechts für den
Verwaltungsrat ist sehr abstrakt. Art. 717 OR verlangt
kurz: «Die Mitglieder des Verwaltungsrates […] müssen
ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt und die Interessen der
Gesellschaft in guten Treuen wahren. Sie haben die
Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu
behandeln.» Wegen dieser abstrakten Formulierung
besteht in der Praxis ein Bedürfnis nach Leitlinien zur
Umsetzung. Diesem Bedürfnis ist der Dachverband der
Schweizer Wirtschaft, die economiesuisse, mit den
Empfehlungen des «Swiss Code of Best Practice for
Corporate Governance» im Jahr 2002 nachgekommen.
Die Leitlinie dieses Kodex ist primär das Interesse der
Aktionäre. Die darin angestrebten Ziele sind ein
ausgewogenes Verhältnis von Führung und Kontrolle, die
Sicherstellung von Entscheidungsfähigkeit und Effizienz
der Unternehmensführung sowie die Transparenz. Es
geht also um die Regeln guter Unternehmensführung
und -kontrolle im Interesse der Aktionäre (und allenfalls
weiterer Stakeholder) und um die Offenlegung solcher
Regeln.
Während für die kotierten Gesellschaften somit anerkannte Leitlinien zur Verfügung stehen, fehlen solche
Umsetzungshilfen für die in der Schweiz so wichtigen
KMU. Zwar sehen sich KMU teilweise den gleichen
Herausforderungen gegenüber wie kotierte Unternehmen; es gibt aber auch spezifische Wesensmerkmale
kleiner und mittelgrosser Unternehmen. Verglichen mit
den Publikumsgesellschaften ist der Interessengegensatz
zwischen den Beteiligten, die an der Unternehmensführung aktiv mitwirken, und denjenigen, die daran nicht
teilhaben, oftmals verschärft. Zudem besteht bei KMU
eine grössere Gefahr, dass andere Interessen als das der
langfristigen Gewinnerzielung verfolgt oder dass
Gesellschafts- und Privatvermögen vermischt werden.
Im konkreten Einzelfall sind im Sinne einer guten
Unternehmensführung bei KMU insbesondere folgende
Punkte unter den Beteiligten zu regeln:
• präzise Festlegung der Unternehmensziele und
-strategie sowie eines Zeitplans zu deren Erreichung
beziehungsweise Umsetzung;
• Zusammensetzung der Unternehmensorgane
(Vertretung der Aktionäre im Verwaltungsrat,
Mitwirkung in der Geschäftsleitung, Beizug externer,
unabhängiger Verwaltungsräte);
• Ausschüttungspolitik (angemessene Dividenden);
• Modalitäten für den Aus- und Eintritt von Beteiligten
(Bewertungsverfahren zur Bestimmung des wirklichen Wertes des Unternehmens, transparente
Rechnungslegung, Vinkulierungsbestimmungen);
• strikte Trennung von Privat- und Unternehmens­
sphäre.
Auch wenn die meisten und wichtigsten Regeln sich
bereits aus den gesetzlichen Vorschriften ergeben, sind
vertragliche Ergänzungen für den konkreten Einzelfall
in der Regel sinnvoll.
Strengeren Anforderungen unterliegen in der Schweiz
nur Finanzinstitute. Deren Corporate Governance hat die
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA in den
Rundschreiben 2008/24 «Überwachung und interne
Kontrolle bei Banken» und 2008/32 «Corporate Governance, Risikomanagement und Internes Kontrollsystem
bei Versicherern» detailliert geregelt.
Als Gründungsmitglied der OECD hat sich die Schweiz
auch zur Einhaltung der 2004 verabschiedeten OECDGrundsätze der Corporate Governance verpflichtet.
Diese stellen eine anerkannte Richtlinie für die Selbstregulierung dar und sind primär für die kotierten
Unternehmen konzipiert, können aber auch «ein nützliches Instrument zur Verbesserung der Unternehmensführung in nicht börsennotierten Unternehmen»
darstellen. Zudem finden sich bei der OECD eigene
Leitsätze zur Corporate Governance in staatseigenen
Unternehmen.
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Disclose
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Die externe Revision im
Beziehungsdreieck mit Audit
Committee und CFO
Verwaltungsratsausschüsse sind
heute in zahlreichen Schweizer
Unternehmen etabliert. Fragen
der Rechnungslegung und Revision delegiert der Gesamtverwaltungsrat – vor allem in börsenkotierten Unternehmen – meist
an einen Prüfungsausschuss, das
Audit Committee. Die Revisionsstelle unterhält somit eine Dreiecksbeziehung mit dem Audit
Committee und dem CFO. Der
Schlüssel für die Funktionsweise
liegt in der Machtbalance und
der Kommunikation.
Die externe Revision ist – neben der Generalversammlung und dem Verwaltungsrat –
das dritte Organ der Aktiengesellschaft im
rechtlichen Sinne. Das Beziehungsgeflecht
zwischen diesen Organen bestimmt zu
einem grossen Teil die Qualität der Corporate Governance. Das Schweizer Obligationenrecht (OR) enthält dazu nur rudimentäre
Bestimmungen. Aus der Perspektive des
Wirtschaftsprüfers sind die Berichte der
Revisionsstelle an die Generalversammlung
und den Verwaltungsrat gemäss
Art. 728b OR hervorzuheben.
Den meisten Schweizer Unternehmen dient
der «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance» der «economiesuisse» als
Leitfaden. Dieser Kodex thematisiert auch
die Zusammensetzung und die Aufgabengebiete von Verwaltungsratsausschüssen und
geht dabei explizit auf den Prüfungsausschuss (Audit Committee) und den Entschädigungsausschuss (Compensation Committee) ein. Rechtlich sind die Ausschüsse nicht
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Disclose
Juni 2013
verankert; das Gesetz kennt lediglich eine
Kann-Vorschrift, wonach der Verwaltungsrat
bestimmte Aufgaben «Ausschüssen oder
einzelnen Mitgliedern» übertragen darf
(Art. 716a Abs. 2 OR). In der Praxis aber sind
Verwaltungsratsausschüsse zumindest bei
börsenkotierten Schweizer Unternehmen
Best Practice.
Auch hinsichtlich der Governance-Bestimmungen gilt es, zwischen Industrie und
Handel einerseits sowie dem Finanzsektor
andererseits zu unterscheiden. Grob gesagt,
stehen sich eine nicht oder (durch die
SIX-Richtlinie) nur schwach regulierte und
eine stark regulierte Welt gegenüber. In
letzterer schreibt die Eidgenössische
Finanzmarktaufsicht FINMA etwa vor, dass
Banken, die bestimmte Grössenkriterien
erfüllen, ein Audit Committee haben
müssen. In ihrem Rundschreiben 2008/24
beschreibt die FINMA die Aufgaben des
Prüfungsausschusses und umreisst die
Anforderungen an dessen Mitglieder. In der
anderen, der kaum regulierten Welt
sprechen überzeugende Argumente für die
Einrichtung von Ausschüssen: Damit der
Verwaltungsrat seinen weitreichenden
gesetzlichen Aufgaben in vollem Umfang
nachkommen kann, ist er nahezu gezwungen, Überwachungsfunktionen etwa auf den
Gebieten der Rechnungslegung und der
Revision an ein spezialisiertes und qualifiziertes Gremium zu übertragen.
Audit Committee und
Gesamtverwaltungsrat
Diese Delegation hat dazu geführt, dass
das Audit Committee neben dem CFO
(als für die Finanzen verantwortliches
Mitglied der Geschäftsleitung) der wich­
tigste Ansprechpartner der Revisionsstelle
ist. Über das Beziehungsdreieck Audit
Committee – CFO – externe Revision läuft
ein Grossteil der Kommunikation zur
Finanzberichterstattung und zu anderen
prüfungsrelevanten Themen, etwa zum
internen Kontrollsystem (IKS). Damit die
Kommunikation professionell abläuft, muss
der Verwaltungsrat seinen Prüfungsausschuss mit klaren Kompetenzen ausstatten
und ihm einen eindeutig definierten
Aufgabenbereich zuteilen. Darüber darf der
Prüfer nicht aus dem Auge verlieren, dass der
Gesamtverwaltungsrat nach wie vor das
entscheidende Organ ist – schliesslich trägt
er die Verantwortung für die Erstellung des
Geschäftsberichts. Der Dialog mit dem
Gesamtgremium und dessen Präsidenten
bleibt daher unerlässlich.
Entscheidend ist die Position des Audit
Committee innerhalb des Gesamtverwaltungsrats. Für die Kompetenzzuteilung
spielen die Unternehmensgrösse beziehungsweise die Anzahl der Verwaltungsratsmitglieder und die Branche eine Rolle. Grundsätzlich gehört es zur Best Practice, dass der
Verwaltungsratspräsident kein Mitglied des
Audit Committee ist. Für Banken macht die
FINMA eine klare Vorgabe. In dem bereits
zitierten Rundschreiben 2008/24 heisst es
unmissverständlich: «Der Vorsitzende des
Verwaltungsrats soll dem Audit Committee
nicht angehören. Entscheidet das Institut,
dass dieser dem Audit Committee angehört,
so ist dies im Jahresbericht zu begründen.»
Die Überlegung dahinter zielt auf die
Unabhängigkeit des Audit Committee:
Gehört der Verwaltungsratspräsident dem
Prüfungsausschuss an, besteht die Gefahr,
dass die Verantwortlichkeiten verwischt
werden und die Funktionentrennung
ausgehebelt wird; damit geriete das Machtgefüge auf der obersten Führungsebene aus
der Balance. Audit Committees können ihrer
Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie
unabhängig urteilen können – auch innerhalb des Verwaltungsrats.
Unterschiedlich gestaltet sich die Praxis,
wenn es um die Teilnahme des Verwaltungsratspräsidenten an den Sitzungen des
Prüfungsausschusses geht. Bei Handels- und
Industrieunternehmen ist dies heute noch
durchaus üblich, bei Finanzinstituten
zumindest nicht explizit untersagt. Eine
verbindliche Regelung für alle Unternehmen
stiesse vielerorts in der Wirtschaft auf
Unverständnis. Letztlich kommt es auf die
Persönlichkeiten an: Mischt sich ein
dominanter Verwaltungsratspräsident
ständig in die Beratungen des Audit
Committee ein, kann dies eine unabhängige
Arbeit beeinträchtigen, zumal wenn der
Vorsitzende des Ausschusses weniger
Durchsetzungsvermögen hat.
Audit Committee und
Revisionsstelle
Stefan Räbsamen
Partner, Wirtschaftsprüfung
[email protected]
Abgesehen von dem klar umrissenen
Aufgabenkatalog der FINMA bietet der
«Swiss Code of Best Practice» eine generelle
Leitlinie für das Tätigkeitsfeld des Prüfungsausschusses. Danach macht sich das Audit
Committee ein Bild von der Wirksamkeit der
externen und der internen Revision sowie
von deren Zusammenwirken. Vielfach ist das
Spektrum jedoch weiter gefasst. Eine
empirische Umfrage, die PwC im Jahr 2010
gemeinsam mit der Universität St. Gallen
durchgeführt hat, zeigt: Das Audit Committee entwickelt sich mehr und mehr zu einem
Audit, Risk & Compliance Committee.
Dies ist einerseits ein Zeichen der Professionalisierung; andererseits verändert sich mit
der Aufgabenerweiterung auch das Anforderungsprofil des Gremiums insgesamt und der
einzelnen Mitglieder (insbesondere des
Vorsitzenden). Denn die Qualifikation muss
auf die Aufgabenpalette abgestimmt sein.
In fachlicher Hinsicht sind natürlich vor
allem Wissen zu Rechnungslegung und
Revision erforderlich. Doch je stärker
Prüfungsausschüsse auch für Fragen des
(finanziellen) Risikomanagements und der
Compliance verantwortlich sind, desto mehr
sind auch organisatorische und juristische
Kenntnisse verlangt. Generell sollte der
Verwaltungsrat die Zusammensetzung
seines Prüfungsausschusses regelmässig
hinterfragen. Nur so kann er sichergehen,
dass das Gremium auch im Hinblick auf
strategische Veränderungen oder neue
Rahmenbedingungen den Anforderungen
gerecht wird. Über das Fachwissen hinaus
sollten die Mitglieder des Audit Committee
eine Unabhängigkeit des Denkens und eine
kritische Grundhaltung mitbringen.
Für die Prüfer sind Unabhängigkeit und
kritische Grundhaltung ein rechtlich
kodifiziertes und berufsethisch verankertes
Postulat. Das Audit Committee muss sich auf
die Arbeit der Revisionsstelle verlassen
können. Dies bedeutet auch, dass der
Abschlussprüfer im Dialog mit dem Audit
Committee seine Meinung unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Das Persönlichkeitsprofil des Prüfers gewinnt auch mit Blick
auf die Beziehung zum Audit Committee
immer mehr an Bedeutung.
Vorgaben der Prüfungsstandards
an die Kommunikation
Was die Häufigkeit der Kommunikation
anbelangt, so sollte die externe Revision an
allen Treffen des Audit Committee teilnehmen; dies entspricht bei vielen Unternehmen
auch der Praxis. Unverzichtbar ist die
Anwesenheit des Prüfers an der Besprechung
und der Verabschiedung des Prüfungsplans,
der Prüfungsresultate und der zu publizierenden Jahresrechnung. An diesen Sitzungen bringt die Revisionsstelle Fakten und
Meinungen ein, denen sich das Audit
Committee nicht verschliessen darf.
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Disclose
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Die Finanzverantwortlichen und das Prüfungsteam
müssen als Sparringspartner funktionieren, beide Seiten müssen auf dem neusten Stand der Rechnungslegung sein, Bilanzierungsansätze hinterfragen und über
schwierige Themen frühzeitig diskutieren.
Der Revisor muss seine Arbeit an den
Prüfungsstandards des Berufsstands
ausrichten. Sowohl die Schweizer Prüfungsstandards (PS) als auch die International
Standards on Auditing (ISA) legen fest, unter
welchen Umständen und in welcher Form
eine Kommunikation zwischen dem Prüfer
und der Unternehmensleitung erfolgen soll.
Die seit 2010 geltenden «clarified ISA», an
die nun auch die Schweizer PS angepasst
wurden (vgl. Beitrag auf Seite 38), legen
besonderen Wert auf einen echten Informationsaustausch, eine «two-way communication», zwischen dem Prüfer und der
Unternehmensleitung. Laut PS 260 gehört es
auch zur Best Practice, dass «der Prüfungsausschuss mindestens jährlich ohne
Anwesenheit des Managements mit dem
Abschlussprüfer zusammenkommt».
CFO und externe Revision
Der CFO ist im Beziehungsdreieck Audit
Committee – CFO – externe Revision der
zweite Hauptansprechpartner der Revisionsstelle. Diese Beziehung ist von vielfältigen
Qualitäten geprägt. Zu erwähnen ist an
erster Stelle die Fachkompetenz. Die
Finanzverantwortlichen und das Prüfungsteam müssen als Sparringspartner funktionieren, beide Seiten müssen auf dem neusten
Stand der Rechnungslegung sein, Bilanzierungsansätze hinterfragen und über
schwierige Themen frühzeitig diskutieren.
Hier sind kritische Denkansätze gefragt. Im
Regelfall allerdings decken sich die Interessen von CFO und Revisionsstelle: Es geht
darum, eine korrekte Jahresrechnung zu
erstellen.
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Problematisch sind jene Positionen, deren
Bewertung einen Ermessensspielraum
beinhalten, beispielsweise die Werthaltigkeit
von Goodwill oder Rückstellungen. Für
solche Themen gilt: Erstens, sie müssen mit
dem Audit Committee besprochen werden.
Zweitens, die Revisionsstelle bindet Spezialisten für fachspezifische Fragestellungen,
etwa Bewertungen, in ihr Prüfungsteam ein.
Drittens, bei komplexen Transaktionen
braucht der verantwortliche Abschlussprüfer
eine gewisse Hartnäckigkeit; er muss so
lange nachhaken, bis er die Vorgänge, die
Verbuchung und Abbildung vollständig
verstanden hat und sich damit einverstanden
erklären kann.
Im Verhältnis zwischen dem Audit Committee und dem CFO schliesslich ist zu beachten,
dass keine Spannungsfelder entstehen. Das
Audit Committee sollte als Sparringspartner
des CFO fungieren, ohne in das tägliche
Geschäft einzugreifen. Eine solche Gefahr
spiegelt die Kehrseite der Professionalisierung des Audit Committee: Je tiefer das
Wissen der Ausschussmitglieder, desto
grösser die Versuchung, sich in operative
Aufgaben einzumischen. Auch unter diesem
Aspekt ist stets das Postulat der Balance im
Beziehungsdreieck zu beachten. Sie erlaubt
eine vertrauensvolle Dreiecksbeziehung, die
von einer offenen Kommunikation und
konstruktiver Arbeit geprägt ist.
Der Jahresabschluss und die Konzernrechnung basieren auf anerkannten
Rechnungslegungsstandards und vermitteln heute in der Regel einen guten
Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Anders als bei der Finanzberichterstattung lässt das Qualitätsniveau der Angaben zur Corporate Governance bisweilen zu wünschen übrig. Es scheint, dass bei einigen Unternehmen
vor allem die Transparenz der Vergütungsberichte der Entwicklung der Finanzberichterstattung um einiges hinterherhinkt. Dies hat auch die SIX Exchange
Regulation in den vergangenen Jahren immer wieder moniert. Wenn der
Vergütungsbericht künftig der Generalversammlung zur bindenden Abstimmung
vorgelegt wird, muss sich jedes börsenkotierte Unternehmen fragen, ob die
Transparenz des Vergütungssystems und -berichts ausreichend ist.
Muss der
CorporateGovernanceBericht geprüft
werden?
Aus der Sicht der externen Revision sind diese Berichte durchaus von Bedeutung,
auch wenn sie kein direkter Prüfungsgegenstand sind. Die Prüfungsstandards
(insbes. PS 720 und dessen internationales Pendant ISA 720) verpflichten den
Revisor, darauf zu achten, dass die finanziellen und nichtfinanziellen Informationen in anderen Teilen des Geschäftsberichts (also ausserhalb des Abschlusses und
des dazu erteilten Vermerks des Abschlussprüfers) mit den Angaben in der
Jahres- und der Konzernrechnung konsistent sind. Stellt der Prüfer «wesentliche
Unstimmigkeiten» zwischen diesen «sonstigen Informationen» und der Finanzberichterstattung fest, muss er nach PS 720 entscheiden, ob Berichtigungen
vorgenommen werden müssen. ISA 720, der momentan überarbeitet wird, zählt
in der vorgeschlagenen revidierten Fassung den Corporate-Governance-Bericht
ausdrücklich zu den «begleitenden Dokumenten», die in den Anwendungsbereich
des Standards fallen.
Besonders relevant ist auch hier wieder der Vergütungsbericht, denn er enthält
Angaben, die einen Bezug zu der entsprechenden Offenlegungspflicht im Anhang
des statutarischen Jahresabschlusses gemäss Art. 663bbis OR haben. Insofern sind
zumindest Teile der Corporate-Governance-Berichterstattung ein indirekter
Prüfungsgegenstand.
Innerhalb des Verwaltungsrats sollte der Vergütungsbericht auch dem Audit
Committee vorgelegt werden. Der Prüfungsausschuss sollte den Vergütungsbericht insbesondere daraufhin untersuchen, ob das Zahlenwerk mit den Angaben
im Jahresabschluss konsistent ist. Ein Austausch zwischen Audit und Compensation Committee ist umso wichtiger, je stärker die Vergütungsberichte ins Visier
der Aktionäre und der Öffentlichkeit rücken. In zahlreichen Unternehmen
bestehen personelle Verflechtungen zwischen den beiden Ausschüssen; in
einigen fällt der Vergütungsbericht oder gar der gesamte Geschäftsbericht unter
die Kompetenz des Audit Committee.
Ein weiteres Arbeitsfeld für das Audit Committee dürfte künftig das «Integrated
Reporting», die integrierte Berichterstattung, sein (vgl. hierzu den Beitrag auf
Seite 40). «Konsistenz und Vergleichbarkeit» ist eines der sechs Prinzipien, die
dem derzeit diskutierten Rahmenwerk des «International Integrated Reporting
Council» (IIRC) zugrunde liegen. Auch der revidierte ISA 720 nimmt auf diese
Form der Berichterstattung Bezug. Danach fallen integrierte Berichte in den
Anwendungsbereich dieses Prüfungsstandards, wenn sie den geprüften Jahresabschluss und den Bericht des Prüfers darüber enthalten. Integrierte Berichte
dürften dann auch Gesprächsgegenstand zwischen Audit Committee und
Revisionsstelle sein.
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Disclose
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Interne Revision und
Corporate Governance
Die interne Revision ist das Auge und das Ohr der Unternehmensführung. Sie unterstützt primär den Verwaltungsrat bei der
Wahrnehmung seiner Überwachungs- und Kontrollaufgaben, sekundär auch das Management. Die interne Revision spielt eine
wichtige Rolle in der Corporate Governance, wenn die Mitarbeiter der internen Revision kompetent sind sowie unabhängig und
kritisch denken und handeln. Zudem müssen der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung offen kommunizieren.
Die interne Revision ist eine vom
Tagesgeschäft losgelöste
Assurance- und Beratungsfunktion innerhalb des Unternehmens. Sie unterstützt die
Unternehmensführung, indem
sie die Organisationsstruktur
und die Geschäftsabläufe
überprüft. Besonderes Augenmerk richtet sie auf das interne
Kontrollsystem und das
Risikomanagement.
Die Ausgestaltung und die
Aufgaben der internen Revision
sind von Unternehmen zu
Unternehmen verschieden. Ihre
Leitlinien definieren die Firmen
im sogenannten «Internal Audit
Charter», der vom Verwaltungsrat beziehungsweise vom Audit
Committee genehmigt wird.
Diese Leitlinien enthalten die
Beschreibung des Auftrags: Sie
legen fest, welche Aufgaben die
interne Revision erfüllen soll
und – noch wichtiger – welche
Ziele sie erreichen soll.
Manche Firmen orientieren die
interne Revision bewusst am
Finanzwesen und an der
Compliance. Sie lassen also
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Disclose
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ähnliche Aktivitäten durchleuchten, die auch Prüfungsgegenstand der externen Revision sind.
Andere Unternehmen lassen die
interne Revision hauptsächlich
im operativen Geschäft tätig
werden. Sie verfolgen damit das
Ziel, Effizienzpotenziale zu
identifizieren sowie Verbesserungen in den Strukturen oder bei
den Systemen anzustossen. Die
meisten Firmen siedeln die
interne Revision irgendwo in der
Mitte zwischen diesen beiden
Ansätzen an.
Unterschiedliche Themen
und Interessen
Die Frage der Ausgestaltung der
internen Revision hängt nicht
zuletzt von der Bedeutung ab,
die der Verwaltungsrat und das
Management ihr zumessen. Im
Idealfall ist die interne Revision
direkt dem Verwaltungsratspräsidenten oder dem Präsidenten
des Audit Committee unterstellt.
Das Management sollte ein
Mitspracherecht bei der
Ausgestaltung erhalten, damit
die interne Revision innerhalb
des Unternehmens eine höhere
Akzeptanz findet. Zu beachten
ist ferner die Rolle der Unternehmenskultur. Wenn der Verwaltungsrat und das Management
häufig und offen kommunizieren, dann kann die interne
Revision im Unternehmensinneren ihre höchste Wirksamkeit entfalten.
Die interne Revision unterliegt
keinerlei Restriktionen in Bezug
auf die Prüfungsthemen. Sie
kann einzelne Prozesse wie den
Einkauf, den Verkauf, die
Informatik oder die Innovation
unter die Lupe nehmen, oder sie
kann sich der Analyse und der
Beurteilung der gesamten
Wertschöpfungskette widmen.
Sie kann zudem laufende
Projekte oder gar komplexe
Operationen wie Akquisitionen
überprüfen, um unabhängig und
objektiv festzustellen, wie diese
initiiert und abgewickelt wurden
und ob die gesetzten Ziele
erreicht werden.
Trotz ihrer vielfältigen Einsatzbereiche im Unternehmen sollte
die interne Revision von den
Mitarbeitern nicht als «Kontrollinstanz» wahrgenommen
werden; im Sinne einer Best
Practice sollte sie vielmehr als
eine Beratungsinstanz in
Erscheinung treten, die hilft,
Mehrwert für das Unternehmen
zu schaffen.
Die Anspruchsgruppen der
Unternehmen haben in der Regel
unterschiedliche Erwartungen
an die interne Revision. Dies
zeigt die von PwC regelmässig
durchgeführte Studie «State of
the internal audit profession».
Es gibt Verwaltungsräte, die
ausgesprochen Complianceorientiert sind. Sie legen vor
allem auf Regelkonformität der
unternehmerischen Aktivitäten
Wert und möchten von der
internen Revision die Bestätigung
erhalten, dass das IKS und die
Corporate Governance zuverlässig funktionieren. Das Management hingegen erwartet eher,
dass die interne Revision
Potenziale für Effizienzsteigerungen identifiziert und damit einen
Beitrag zur Schaffung von
Mehrwert leistet. Die Anliegen
der Stakeholder decken sich also
nicht immer. Sie sind jedoch
gleichermassen legitim; deshalb
Werner Stebler
Partner, Wirtschaftsprüfung
[email protected]
müssen Verwaltungsrat und
Management im offenen
Gespräch den für das Unternehmen richtigen Weg suchen und
finden.
Die neueste Ausgabe der Studie
«State of the internal audit
profession» stellt fest, dass sich
die interne Revision in vielen
Unternehmen neuen Themen
widmet. Eines ist das Talentmanagement, also die Frage, wie
ein Unternehmen die richtigen
Mitarbeiter gewinnen und nach
der internen Ausbildung auch
halten kann. Mit diesem Thema
beschäftigte sich in der Vergangenheit beinahe ausschliesslich
das Management. In einigen
Branchen wird neuerdings auch
das Knowledge Management zu
einem wichtigen Prüfungsgegenstand der internen Revision. Ein
drittes neues Thema der internen
Revision ist der Datenschutz
beziehungsweise die Datensicherheit. Da dieser Bereich gerade in
der jüngsten Vergangenheit
global sehr drängende Probleme
birgt, beschäftigen sich neben der
internen Revision auch andere
Unternehmensinstanzen wie das
Risikomanagement, die Informatik oder die Rechtsabteilung
damit.
Unabhängigkeit und
Objektivität
Die interne Revision ist nach dem
schweizerischen Obligationenrecht kein Organ des Unternehmens. Sie unterstützt den
Verwaltungsrat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben. Es wäre
falsch, die Aktivitäten der
internen Revision gesetzlich
regeln zu wollen. Der Gesetzgeber hat sich bislang zurückgehalten; konkrete regulatorische
Anforderungen bestehen nur für
Finanzinstitute. Auch künftig
sollten die Aufgaben der internen
Revision vorwiegend durch die
Unternehmen selbst festgelegt
werden. Detaillierte regulatorische Vorschriften würden genau
das zunichtemachen, was die
interne Revision auszeichnet:
ihre vielfältigen Anwendungs-
möglichkeiten, ihre Ausrichtung
auf die je nach Grösse und
Komplexität unterschiedlichen
Bedürfnisse des Unternehmens
und damit ihren Nutzen.
Der Schweizerische Verband für
Interne Revision (SVIR oder IIA
Switzerland) sorgt als nationale
Vertretung des «Institute of
Internal Auditors» (IIA) für eine
laufende Anpassung der
Prüfungsstandards. Interne
Revisoren haben diese Standards zu beachten. In deren
Zentrum stehen die beiden
wichtigsten Prüfungskriterien
der internen Revision: Unabhängigkeit und Objektivität. Wenn
diese beiden Kriterien eingehalten werden, ist die interne
Revision befähigt, eine wichtige
Rolle in der Corporate Governance zu spielen.
Die beiden wichtigsten
Prüfungskriterien
der internen Revision sind
Unabhängigkeit und
Objektivität.
Unabhängigkeit bedeutet nicht,
dass die interne Revision
organisatorisch unabhängig sein
soll. Im Gegensatz zur externen
Revision – die explizit nicht Teil
des Unternehmens sein darf –
soll die interne Revision «nur»
insofern unabhängig sein, als
ihre Mitarbeiter unabhängig
denken und handeln. Objektivität kann die interne Revision
dann gewährleisten, wenn sie
Interessenkonflikte vermeidet
und ihre Mitarbeiter professionell arbeiten. Das Unternehmen
hat dafür zu sorgen, dass die
interne Revision über genügend
ausgebildete Revisoren zur
Bewältigung der vom Verwaltungsrat definierten Aufgaben
verfügt.
Die IIA-Standards werden
laufend überarbeitet mit dem
Ziel, mehr Wirkung zu erzeugen.
So gab es in der Vergangenheit
häufig Soll-Bestimmungen, die
mittlerweile zu Muss-Bestimmungen umformuliert wurden.
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Was ist interne Revision?
«Die interne Revision erbringt
unabhängige und objektive
Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen, welche darauf
aus­gerichtet sind, Mehrwerte
zu schaffen und die Geschäfts­
prozesse zu verbessern. Sie
unterstützt die Organisation
bei der Erreichung ihrer Ziele,
indem sie mit einem systematischen und zielgerichteten
Ansatz die Effektivität des
Risikomanagements, der
Kontrollen und der Führungsund Überwachungsprozesse
bewertet und diese verbessern
hilft.»
Definition nach dem Institute of
Internal Auditors
Die Standards schreiben klar vor,
dass der Leiter der internen
Revision sicherstellen muss, dass
es innerhalb der Organisation
einen Prozess zur Qualitätssicherung gibt. Der Leiter muss
zudem explizit definieren, wie
die interne Revision geplant und
durchgeführt wird und wie die
Berichterstattung und die
Fortschrittskontrolle erfolgen.
Die interne Revision wird in
manchen Firmen zunehmend in
die Arbeiten der externen
Revision einbezogen. Aus Sicht
der Corporate Governance ist
dieser Trend nicht unproblematisch. Die Eidgenössische
Revisionsaufsichtsbehörde
(RAB) bezweifelt, dass die
internen Revisoren ausreichend
unabhängig sind, und fordert
deshalb, dass bedeutende
Prüfungshandlungen nur von
der externen Revisionsstelle
durchgeführt werden dürfen.
Falls weniger bedeutende
Prüfungshandlungen von der
internen Revision durchgeführt
werden, so seien sie von der
externen Revisionsstelle
ausreichend zu überwachen und
zu überprüfen.
Die IIA-Standards verlangen,
dass die Unternehmen mindestens alle fünf Jahre eine
unabhängige Beurteilung der
internen Revision durchführen
lassen. Diese Review muss durch
einen qualifizierten, unabhängigen Gutachter, der nicht der
Organisation angehört, vorgenommen werden. Der Auftrag
sollte vom Verwaltungsrat erteilt
werden, damit die Beurteilung
und die Berichterstattung auch
tatsächlich unabhängig und
objektiv erfolgen.
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Disclose
Juni 2013
Der Berufsverband ist kein
Aufsichtsgremium, das die
Praxis der internen Revision in
den Unternehmen überwacht.
Die richtige Ausgestaltung und
Durchführung der internen
Revision bleibt in der Verantwortung des Verwaltungsrates und
des Managements.
Es gibt mehrere Modelle für die
organisatorische Ausgestaltung
der internen Revision innerhalb
des Unternehmens. Das Team
der internen Revision kann
entweder aus Profi-Revisoren
zusammengesetzt werden oder
aus Personen bestehen, die diese
Funktion nur als Teil ihrer
Aufgaben im Unternehmen
beziehungsweise über einen
begrenzten Zeitraum hinweg
ausüben. Die Wahl des Modells
hängt davon ab, welche Ziele das
Unternehmen mit der internen
Revision verfolgt.
Bevor sich ein Unternehmen für
ein bestimmtes Modell der
internen Revision entscheidet,
sollte es veranlassen, dass alle
Abteilungen durchleuchtet
werden, die Assurance-Funktionen ausüben. Ziel dieser Analyse
muss es sein, die Zusammenarbeit zwischen Risikomanagement, IKS, Compliance-Stellen
sowie externer und interner
Revision aufeinander abzustimmen. Mit der Koordination sollen
Duplikationen von Aktivitäten
vermieden, aber auch Lücken
erkannt werden. Der Verwaltungsrat erhält ein höheres Mass
an Sicherheit, wenn er davon
ausgehen kann, dass die
Assurance-Aktivitäten aufeinander abgestimmt sind und die
Corporate Governance funktioniert.
Stephen O’Hearn
über Governance und
Regulierung multinationaler Unternehmen
«Die Unternehmen
selbst müssen das
öffentliche Vertrauen
wiederherstellen»
Regeln zur Corporate Governance werden
grundsätzlich auf nationaler Ebene erlassen.
Genügt es, wenn sich multinationale
Unternehmen an die Gesetzgebung der
Länder halten, in denen sie operieren, oder
sollte die Regulierung auf einer supranationalen Ebene stattfinden?
Stephen O’Hearn: Als Erstes möchte ich
hervorheben: Wir leben in einer Zeit, die sich
durch eine erhebliche Zunahme der
Regulierung auszeichnet. Noch nie gab es
einen solchen Druck auf die Unternehmen,
besonders auf jene in der Finanzwirtschaft,
neue Vorschriften einzuhalten. Das lässt sich
in der ganzen Welt beobachten. Tatsächlich
müssen die Finanzinstitute und die multinationalen Unternehmen das öffentliche
Vertrauen wiedergewinnen, und es ist sehr
wichtig, dass sie dies ernst nehmen.
Persönlich bin ich der Meinung, dass zu viele
Regeln und Regulierungen aufkommen. Was
man hingegen wirklich gerne sähe, wäre
eine gute Governance, die sich aus einer
gefestigten Unternehmenskultur und dem
Wunsch, das Richtige zu tun, ergibt und
nicht aus der Notwendigkeit, Vorschriften zu
erfüllen.
Dennoch wird die Diskussion geführt, und es
liegen Vorschläge auf dem Tisch – etwa
seitens der EU –, staatenübergreifende
Rahmenwerke für die Corporate Governance
mit detaillierten Regeln aufzustellen. Halten
Sie solche Vorschläge für nützlich?
Stephen O’Hearn: Meines Erachtens ist die
Einhaltung umfangreicher, komplexer Regelwerke ein kostspieliges Unterfangen, das die
Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in
bestimmten Jurisdiktionen beeinträchtigt.
Man kann wirklich nur hoffen, dass Regeln
und Regulierungen im Verlauf der Zeit an
Bedeutung verlieren und dass die Kultur des
richtigen Verhaltens an Einfluss gewinnt.
Eine derartige Kultur beeinflusst das
Verhalten viel nachhaltiger als die schwerfällige Infrastruktur, die sich aus einem komplexen regulatorischen Umfeld ergibt.
Aber böte ein supranationales Rahmenwerk
den Unternehmen nicht auch die Chance,
weltweit gemeinsame Governance-Prinzipien anzuwenden und über deren Anwendung transparent zu berichten?
Stephen O’Hearn: Gut geführte Unternehmen verfolgen generell die Praxis, zumindest
die nationalen Anforderungen überall
einzuhalten. Darüber hinaus setzen sie
ethische Standards und geben ihren
Mitarbeitern in aller Welt Verhaltensweisen
vor, deren Einhaltung sie erwarten und
überwachen. Dies reicht weit über die
Mindestanforderungen nationaler Gesetzgebungen hinaus. Wenn multinationale
Unternehmen ihre Standards systematisch
anwenden und zudem über ihre Aktivitäten
in den Bereichen Governance und Compliance berichten, dann sollte die Transparenz,
die sie für die Öffentlichkeit schaffen, mehr
als angemessen sein. Geeignet für die
Offenlegung sind beispielsweise die
Prinzipien des Rahmenwerks für Integrated
Reporting, das gerade in der Diskussion ist.
Wie kann ein Unternehmen auf wirksame
Art und Weise gute Governance-Strukturen
entlang der gesamten Wertschöpfungskette
einrichten?
Stephen O’Hearn: Nun, grundlegend ist,
dass gute Governance für alle Verhaltensweisen massgebend ist, die das Unternehmen zeigen will. Insofern beeinflusst die
Governance alles Verhalten innerhalb der
Organisation – egal, ob sich dies um die
Wertschöpfungs­kette, die Finanzbericht-
Stephen O’Hearn ist Partner bei PwC USA und Leiter
Versicherungen des PwC Central Cluster, der Europa,
den Nahen Osten und Afrika umfasst.
[email protected]
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«Man kann nur hoffen, dass Regeln und Regulierungen
im Verlauf der Zeit an Bedeutung verlieren und dass die
Kultur des richtigen Verhaltens an Einfluss gewinnt.»
erstattung, die steuerliche Compliance oder
sonst etwas handelt. Für ein multinationales
Unternehmen gilt dies offenkundig überall
dort, wo es seinen Geschäften nachgeht.
Gute Governance bedeutet, dass die
Verhaltensweisen, die man erwartet, auch
verstanden werden und dass der richtige Ton
gesetzt wird. Es muss entsprechende Anreize
geben und integre Personen als Vorbild.
Verantwortlich dafür sind letztlich die
Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat.
Wie lässt sich intern und extern überwachen,
dass in multinationalen Unternehmen die
Politik und die Prinzipien zur Corporate
Governance beachtet werden?
Stephen O’Hearn: Meine Erfahrung zeigt:
Die Mitarbeiter müssen an Schulungen
teilnehmen; es gibt Erwartungen an diese
Schulungen, und es gibt Bescheinigungen
über die Einhaltung von Verhaltenskodizes,
Richtlinien und Prozessen. All dies zusammen ist notwendig, um die Art der Unternehmenskultur durchzusetzen, die das Unternehmen haben will. Was die interne und
externe Überwachung anbelangt, so haben
die Vereinigten Staaten mit dem SarbanesOxley Act die Einrichtung von Whistleblower-Hotlines vorgeschrieben. Der DoddFrank Act, der Tausende von Seiten neuer
Unternehmensregulierung, vor allem für
Finanzinstitute, umfasst, geht noch einen
Schritt weiter: Er sieht die Einrichtung eines
Prämiensystems vor, wonach Whistleblower,
die Fehlverhalten melden, mit einem Teil
allfälliger Strafzahlungen belohnt werden.
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Dies hat der Rolle von Whistleblowern eine
völlig neue Dimension verliehen. Ich glaube,
dass sich die Hotlines – ob mit oder ohne
Prämiensystem – als ein sehr wirksames
Mittel erwiesen haben, um schlechtes
Verhalten zu beobachten und darüber zu
berichten. Meine Erfahrung der letzten zehn
Jahre spricht dafür, dass Hotlines generell zu
einem recht effizienten Instrument geworden sind, um richtige Verhaltensweisen zu
überwachen – auch wenn sie gelegentlich
von Angestellten mit persönlichen Beschwerden missbraucht werden können, sind solche
Mechanismen nötig, um Fälle von Fehlverhalten zu identifizieren.
Probleme entstehen, wenn ein westliches
Unternehmen Geschäfte in Afrika oder Asien
tätigt, wo eine völlig andere Kultur herrscht
und andere Standards gelten. Dort kann es
beispielsweise üblich sein, sich innerhalb der
Familie oder anderen Kreisen gegenüber
erkenntlich zu zeigen – etwas, das im Westen
als Korruption ausgelegt wird und das es zu
bekämpfen gilt.
Stephen O’Hearn: Das kann in Afrika oder
Asien eine Herausforderung sein, aber auch
im Nahen Osten. Der Nahe Osten bietet
heute ein prosperierendes Geschäftsumfeld,
und zahlreiche westliche Firmen sind hier
tätig. In vielen Teilen der Welt sind Zahlungen an Kunden oder Lieferanten Gepflogenheit. Nach meiner Erfahrung zu urteilen,
vermeiden gut geführte westliche Unternehmen so etwas jedoch um jeden Preis. Sie
nehmen eher von dem Geschäft Abstand und
schrecken vor sich bietenden Gelegenheiten
zurück, als dass sie ihren Namen und ihre
Reputation riskieren und mit korrupten
Geschäftspraktiken in Verbindung gebracht
werden.
Was ist, wenn man dies von der anderen
Seite her betrachtet? Angenommen, ein
chinesisches Unternehmen investiert mehr
und mehr in die westliche Wirtschaft.
Welche Standards gelten dann?
Stephen O’Hearn: Ich habe während der
vergangenen Jahre viel Zeit in Lateinamerika verbracht. Das chinesische Engagement
für die Entwicklung der dortigen Infrastruktur – Versorgung, Strassenbau – ist sehr
bedeutend. In ganz Lateinamerika und
Afrika konnte ich – auch wenn meine
Erfahrungen in Afrika ein paar Jahre
zurückliegen – überall Aktivitäten unter
chinesischer Führung beobachten. Ihre
Investitionstätigkeit in den aufstrebenden
Märkten ist enorm. Ihre Frage ist, welche
Standards herangezogen werden. Ich kann
darauf keine umfassende Antwort geben.
Klar ist aber, dass auch chinesische Unternehmen zumindest das national anwendbare
Recht einhalten müssen. Wenn sie global
operieren und etwa nennenswerte Geschäfte
in den USA und Grossbritannien machen,
dann müssen sie auch die Antibestechungsvorschriften dieser Länder respektieren.
Zudem gibt es die Macht der öffentlichen
Meinung. Sie wird dazu führen, dass auch
Unternehmen aus den Schwellenländern
vermehrt auf ihre Reputation achten werden.
Wäre es vor diesem Hintergrund nicht doch
wünschenswert, einen globalen Kodex für
Corporate-Governance-Praktiken zu
entwickeln?
Stephen O’Hearn: Ich glaube, das ist,
zumindest derzeit, ziemlich unrealistisch.
Noch vor fünf Jahren sah es für mich danach
aus, als würde sich die Welt in Richtung
einer globalen, zumindest weniger regional
ausgerichteten Regulierung entwickeln. Dies
hätte den Unternehmen mehr Kapitalfungibilität verschafft und ihnen bessere Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Nutzung
von Ressourcen eröffnet. Heute aber gibt es
eine Tendenz hin zum Nationalen. Die
Regulatoren sind viel mehr damit beschäftigt, was in ihren eigenen Ländern vorgeht.
Wie erklären Sie diese Verschiebung hin zu
einem nationalen Fokus?
Stephen O’Hearn: Ich denke, dies ist eine
Reaktion auf die Finanzkrise. Die Regulatoren haben das Gefühl, die Marktteilnehmer
in ihrem Land beschützen zu müssen, und
wollen die Regulierung nicht an andere
Behörden abtreten. Dieser Schutzgedanke
nimmt verschiedene Ausprägungen an.
Vieles hat mit der Einstellung der Regulatoren zum Risikobewusstsein zu tun. Sie
glauben, dass sich ein Versagen der Governance in unangemessenen Anreizen und
exzessiver Risikoübernahme manifestiert.
Der Denkweise der Regulatoren zufolge
können sich die grossen Finanzinstitute
nicht selbst regulieren und überwachen;
daher müssten sie es im Interesse der
Marktteilnehmer tun. Bei den Regulatoren
lässt sich daher das Bestreben beobachten,
das Eingehen von Risiken zu begrenzen.
Das Risikomanagement ist auch deshalb
wichtig, weil es mit den internen Strukturen
und dem Vergütungssystem eines Unternehmens zusammenhängt.
Stephen O’Hearn: Ja, und weil das
Verständnis davon, wie Risiken zu managen
sind, Teil einer guten Governance ist. Was es
wirklich braucht, ist eine Umgebung, in der
das richtige Verhalten den Menschen in
Fleisch und Blut übergeht, in der sich die
Mitarbeiter auch dann im gewünschten
Sinne verhalten, wenn keiner hinschaut.
Nicht eine Umgebung, die durch die
Compliance mit Regeln und Regulierung
und durch Überwachung geprägt ist.
Somit sind also Erziehung und Integrität
sowie der Charakter einer Person die
wichtigsten Voraussetzungen für eine gute
Governance?
Stephen O’Hearn: Ja, genau. Bei einer
guten Governance dreht sich alles um eine
solche Unternehmenskultur und darum,
dass sie innerhalb der gesamten Organisation gelebt wird. Hierin sehe ich die Hauptverantwortung des Verwaltungsrats und der
Geschäftsleitung. Dies ist ein viel effektiverer
Weg, um zu den richtigen Verhaltensweisen
zu gelangen, als ein behördlich verordnetes
Regelwerk.
Welche konkreten Schritte sind Ihrer
Meinung nach nötig, um die richtige Kultur
in einem Unternehmen zu verankern?
Stephen O’Hearn: Ein sehr wichtiger Punkt
ist, wie die Performance der Mitarbeiter
gemessen wird. Metriken lenken das
Verhalten. Letztlich, und darum geht es bei
guter Governance, müssen die richtigen
Kennzahlen gewählt werden, um Anreize für
das richtige Verhalten zu setzen. Um das
Vertrauen der Öffentlichkeit wiederzugewinnen, müssen die Unternehmen genau das
angehen: die richtigen Kennzahlen heranziehen und Anreize für das richtige Verhalten
setzen. Auf diese Weise können sie übertriebene Risikobereitschaft oder schlichtes
Fehlverhalten vermeiden. Zudem können sie
die Regulatoren davon überzeugen, dass sie
die Dinge unter Kontrolle haben. Sie müssen
dies tun, um die Flut an Regulierungen
einzudämmen – und weil es im ureigenen
Geschäftsinteresse liegt.
Gehen demnach Vertrauensbildung und
wirtschaftliche Lebensfähigkeit Hand in
Hand?
Stephen O’Hearn: Ja, die Rückgewinnung
des öffentlichen Vertrauens hat ganz
offensichtlich einen wirtschaftlichen Nutzen.
Wenn die öffentliche Wahrnehmung eines
Unternehmens positiver wird, liegt der
wirtschaftliche Nutzen in der erhöhten
Marktfähigkeit der Produkte.
Juni 2013
Disclose
21
Corporate Governance:
Erfolg und Versagen
einer Leitidee
Wenn man sich heute überlegt, in welchen Punkten II.Erfolge der Corporate Governance
die Corporate Governance zu Erfolgen geführt hat 1. Das Bewusstsein der Problematik von «Macht» und «Risiko»
an der Unternehmensspitze ist gestiegen: Gleich vorweg ist
und wo sie versagt hat, muss man sich nochmals
festzustellen, dass die jahrelange Debatte um die Verwirklichung
kurz auf den Kern der methodischen Leitidee der
von Corporate-Governance-Ansätzen gegenüber früher einen
Corporate Governance besinnen.
gewaltigen Fortschritt gebracht hat, und zwar im Umgang des
I. Corporate Governance – die ursprüngliche Leitidee
Die «Corporate Governance» hatte ihre hohe Zeit vor etwas mehr
als zwanzig Jahren in der angelsächsischen Welt – mit der
Veröffentlichung des «Cadbury Report» der Briten («Financial
Aspects of Corporate Governance») im Jahre 1992. Diese neuartig
formulierten Grundsätze verbreiteten sich rasch praktisch über
die ganze Welt – nach zehn Jahren Inkubationszeit folgte
bekanntlich auch die Schweiz.
Es geht um die Beobachtung, dass die Aktionäre einer Publikumsgesellschaft – in der angelsächsischen Denkweise als «Principals»
(die Auftraggeber) verstanden – die Führung der Geschäfte einer
Gruppe von Beauftragten, ihren «Agents» (den Managern),
übertragen. Die Manager, die im Interesse ihrer Aktionäre zu
handeln haben, entwickeln nun erfahrungsgemäss ein Eigeninteresse und tendieren mit der Zeit dazu, diesem den Vorrang
einzuräumen.
Durch die Einführung von spezifischen «checks and balances» an
der Unternehmensspitze, zuerst im inneren Dreieck (Verwaltungsrat – Management – Revisionsstelle), versucht man, ein ausgewogenes Verhältnis von Führung und Kontrolle einzurichten und den
Fehlentwicklungen entgegenzuarbeiten. Dabei sollen diese
«checks and balances» als selbstauferlegte Grundsätze ein
Gegenstand der Selbstbestimmung der Publikumsgesellschaften
bleiben, in der Grundidee und als «soft law» ohne neue Zwangsjacken. Das ist der kraftvolle Kern der Corporate Governance.
In der Folge wurde der eigentliche Ansatzpunkt der Corporate
Governance immer mehr verwischt, die Grundsätze wurden
verwässert, bis hin zu inhaltsarmen Allerweltsformeln. Heute
zeigt sich, dass die Leitidee der Corporate Governance in der
Praxis sowohl grosse Erfolge wie auch eklatante Misserfolge
gezeitigt hat; in mehreren konkreten Ansätzen ist das erkennbar.
Eine kurze Übersicht lässt in der Tat ein disparates Bild erkennen.
Den Anfang sollen die Erfolge machen.
22
Disclose
Juni 2013
Managements und des ganzen Führungskaders mit Macht und
Risiken. Eigentlich war es immer schon offensichtlich, dass die
Aktionäre ihren Beauftragten – den Managern – grosse Macht
verschaffen und ihnen in einem nach Gewinn strebenden
Unternehmen gestatten müssen, erhebliche Risiken einzugehen.
Erst die Corporate-Governance-Debatte zeigte aber, wie notwendig «checks and balances» sind, um Machtmissbräuchen, einer
Selbstbedienungsmentalität und der fatalen Neigung, zulasten
Dritter allzu grosse Risiken einzugehen, entgegenzuwirken.
2. Das Bauchgefühl für die Schädlichkeit von Entscheidungen,
die in einem Interessenkonflikt getroffen werden, ist heute
verbreitet vorhanden: In die Erfolgskategorie gehört auch die
Erkenntnis, dass Interessenkonflikte an der Unternehmensspitze
zu identifizieren und tatkräftig zu bewältigen sind. Fast überall
hat aufgedämmert, dass ein unerkannter oder nicht bewältigter
Interessenkonflikt damit zu Ende zu gehen pflegt, dass der im
Konflikt stehende Verwaltungsrat oder Manager seinem persönlichen Interesse den Vorrang einräumt und im Ergebnis seinen
Auftraggeber schädigt. Der Grundsatz der Fernhaltung der im
Interessenkonflikt stehenden Personen von der Willensbildung im
Unternehmen (Swiss Code Ziff. 16 und Art. 717a des Entwurfs zur
Änderung des Obligationenrechts vom 21. Dezember 2007) ist
heute unbestritten.
3. Der Leitgedanke einer Kombination von Leitung und Kontrolle hat sich durchgesetzt: Zu den Erfolgen der Corporate
Governance zählt eine grosse Zahl von heute durch Selbstregulierung geradezu flächendeckend befolgten gesunden Grundsätzen,
abgebildet zum Teil auch in Normen des Aktienrechts:
• Grundsatz der Ausgewogenheit von Leitung und Kontrolle,
insbesondere an der Spitze des Unternehmens (Swiss Code
Ziff. 18);
• Trennung der Funktionen von Verwaltungsratspräsident und
CEO als Regelfall (Swiss Code Ziff. 18/2)
• Stärkung der Aufsichtsfunktionen des Verwaltungsrates
(OR 716a Abs. 1);
• zentrale Bedeutung einer durchwegs risikoorientierten
Kontrolle (Swiss Code Ziff. 19; OR 663b Ziff. 12 bzw. 961c
Ziff. 2; OR 728a Abs. 2 ).
Dissertation über das Aktienstimmrecht. Anwalt bei White & Case in
New York und Paris. Habilitation 1975, a.o. Professor 1977 bis 2001. Autor
von Büchern und wissenschaftlichen Artikeln, darunter «Die unentzieh­
baren Kernkompetenzen des Verwaltungsrates»; «Revisionsstelle und
Abschlussprüfung nach neuem Recht»; «Schweizer Aktienrecht»
(4. Auflage 2009); «Die Schweizer Verwaltungsräte zwischen Hammer
und Amboss» (2010); «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance» (Initiative und Vorsitz des Redaktionsteams). Schiedsrichter
in internationalen Schiedsgerichten. Verwaltungsrat in Schweizer
Publikumsgesellschaften, zuletzt bis 2008 bei der Nestlé S.A.; Verwaltungsrat der Manufacture des Montres Rolex S.A. bis heute.
4. Das Verständnis für die Bedeutung des Internen Kontrollsystems (mit der internen Revision) und der Compliance hat sich
stark ausgebreitet: Es ist eine oft verdrängte Tatsache, dass bis
zum Erscheinen des «Swiss Code of Best Practice» im April 2002
der Begriff IKS («Internes Kontrollsystem») eher nur in Fachkreisen
bekannt, in der breiteren Unternehmenswelt jedoch, abgesehen
von wohl organisierten Konzernen, weitgehend ein Fremdwort
war. Nicht zuletzt auch dank der Corporate-Governance-Bewegung ist die Compliance ihrerseits – obwohl eigentlich im Gesetz
mit den etwas umständlichen Worten «Oberaufsicht im Hinblick
auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen» (OR 716a) schon lange festgehalten – heute ziemlich
ausnahmslos als ein wichtiges Glied der «checks and balances»
erkannt.
5. Die Verwaltungsräte sind heute eindeutig weniger gross,
ausgewogener und nach sachlicheren Kriterien zusammengesetzt und arbeiten professioneller: In diesem Bereich bleibt
zwar noch einiges zu tun, doch gehören die Verhältnisse, die bis in
die 70er- und 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts vorgeherrscht
hatten – mit 24-köpfigen Verwaltungsräten und obskuren
Auswahlkriterien –, der Wirtschaftsgeschichte an. Die Verbesserung ist eindeutig; die Verwaltungsräte der Publikumsgesellschaften sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Ihre Informationsbeschaffung und die Beschlussverfahren sind professioneller. Zur
besseren Qualität der Arbeit des Verwaltungsrates haben die von
Beginn an im Corporate-Governance-Konzept geförderten
Ausschüsse des Verwaltungsrates beigetragen (Swiss Code
Ziff. 21). Vor allem das Audit Committee spielt heute eine so
gewichtige Rolle, dass man sich einen Verwaltungsrat ohne einen
solchen Ausschuss kaum mehr vorstellen kann. Der Vergütungsausschuss seinerseits wird jetzt für Publikumsgesellschaften durch
den «Minder»-Zusatz zur Bundesverfassung sogar auf höchster
Ebene für obligatorisch erklärt (Art. 95 Abs. 3 Bst. a BV).
III. Misserfolge der Corporate Governance
Neben den unbestreitbaren Erfolgen, die im Bereich der Corporate
Governance in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen waren, hat
die Corporate Governance doch vor allem in zwei Bereichen nicht
das gebracht, was man ihr zu Beginn noch zugetraut hatte:
Peter Böckli, Dr. iur., Advokat
Böckli Bodmer & Partner, Basel
em. Professor für Steuer- und Wirtschaftsrecht
der Universität Basel
• die Corporate Governance versagte im Umgang mit den
Spitzenvergütungen in den grössten Publikumsgesellschaften;
• die Figur des «unabhängigen Verwaltungsrates» ist ein Konzept,
das in der Corporate Governance eine geradezu dominante
Rolle spielt; der «unabhängige Verwaltungsrat» hat jedoch
keineswegs gebracht, was man sich von ihm versprochen hatte.
Auf das zweite Thema wird im Rahmen dieses Beitrags nicht
näher eingegangen.
1. Versagen der Corporate Governance im Umgang mit Spitzenvergütungen – trotz Teilerfolgen (nämlich mit dem Vergütungsreglement, dem Vergütungsbericht und der konsultativen Abstimmung): Eigentlich gehörte die Regelung der Vergütung, welche den Spitzenmanagern in grossen Gesellschaften
zuerkannt werden soll, von Anfang an (Swiss Code Ziff. 25/26) zu
den Kernbereichen der Corporate Governance. Es geht darum,
durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern, dass die «Agents» –
die Manager, die von den «Principals», den Aktionären, zur
Führung der Geschäfte eingesetzt worden sind – durch Ausnützung ihrer grossen faktischen Machtstellung und ihres Wissensvorsprungs zu hohe finanzielle Leistungen aus der Firmenkasse
beziehen.
Die ersten aufsehenerregenden Fälle von zweifelhaften oder
exzessiven Vergütungspraktiken in Schweizer Publikumsgesellschaften ereigneten sich effektiv schon vor dem Inkrafttreten des
«Swiss Code of Best Practice» (nämlich in den Jahren 2001 und
2002). Aber später ging es recht munter weiter. Es trifft zwar
zu – und ist zweifellos ein Teilerfolg der Corporate Governance –,
dass mit dem 2007 erlassenen «Anhang I zum Swiss Code»
allmählich das Vergütungsreglement, der Vergütungsbericht und
die konsultative Abstimmung der Aktionäre in den meisten
Publikumsgesellschaften eingeführt wurden (Anhang I, Ziff. 8/9).
Aber das geschah zeitlich viel zu zögerlich, inhaltlich zu wenig
konsequent, und erst in allerjüngster Zeit erfüllen die Vergütungssysteme und -berichte mehrheitlich die drei Erfordernisse der
Vollständigkeit, Klarheit und Nachvollziehbarkeit.
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2. Der grosse Groll des Volkes (die Erklärung mit Neidgefühlen
greift zu kurz): In einem Punkt indessen hat die Corporate
Governance mit ihren guten Vorsätzen versagt, wenn man das
Verdikt des Schweizer Volkes vom 3. März 2013 nun einmal als
schlichte Tatsache akzeptiert: Die breite Mehrheit des Volkes hat
einen hoheitlichen Zwangseingriff ausgerechnet auf jenem Gebiet
beschlossen, auf dem nach der Grundidee der Corporate Governance eigentlich der Verwaltungsrat (als Vertreter der Arbeitgeberinteressen) mit den Spitzenmanagern (als Arbeitnehmern) im
Interesse der «Principals» hart verhandeln und nachvollziehbar
bemessene, auch nach aussen vertretbare und somit sozial
akzeptable Entlöhnungen aushandeln sollte.
Wenn wir an die Frage herantreten, warum das geschehen konnte
und das Volk – aus seiner Sicht – zur politischen Notbremse
glaubte greifen zu müssen, sind zwei Vorbemerkungen nötig:
• Es kann hier nicht um die Diskussion darüber gehen, ob die
konkreten Vorkehrungen, die mit der «Minder»-Initiative
beschlossen wurden und jetzt in Art. 95 Abs. 3 BV stehen,
vernünftig und zielführend sind; das ist eine separate Frage;
• hier handelt es sich darum, von der überwältigenden Tatsache
Kenntnis zu nehmen, dass das Schweizer Volk offensichtlich
die Entwicklung der Vergütungspraktiken in grossen Publikumsgesellschaften als Versagen der Corporate Governance
empfunden hat. Das Volk hat unter zwei möglichen Massnahmen gegen diese Praktiken die eindeutig schärfere, den sogar
mit drakonischen Strafandrohungen bestückten Text von
Thomas Minder, mit einer Zweidrittelmehrheit und der
Zustimmung aller Kantone angenommen. In diesem Akt des
Protests lag nicht nur ein Missbehagen über die teils immer
noch zweifelhafte Qualität von Vergütungssystemen und
-berichten, sondern – auch wenn das von manchen bestritten
wird –
zugleich eine Verwerfung der Quantität bestimmter Vergütungen. Jahresbezüge in astronomischen Millionenzahlen
(obgleich Ausnahmen und statistisch eine einsame Spitze)
blieben dem Volk im Gedächtnis und haben das Ihre zum
Ergebnis des 3. März beigetragen.
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Disclose
Juni 2013
Konzentrieren wir uns auf die Frage «Wie konnte es zu Managervergütungen kommen, die vom Volk auch rein quantitativ schlicht
nicht akzeptiert werden?», so ist zunächst eindeutig, dass die
«Neid»-Theorie das Aufbegehren des Volkes nicht hinreichend zu
erklären vermag. Missgunst mag mitspielen, wie so oft, aber sie
kann niemals die vollständige Erklärung für das Aufwallen des
Protests bieten. Auch steht fest, dass «Minder» keine quantitativen
Beschränkungen für Vergütungen enthält, sondern mit Teilverboten, organisatorischen Zwängen und Genehmigungsprozessen
arbeitet.
3. Drei Erklärungsansätze
Nun die Hauptfrage: Wie konnte es überhaupt zu den Entlöhnungspraktiken für Spitzenmanager kommen, die vom Volk
offenbar nicht akzeptiert werden?
Es gibt zwei eindeutig widerlegbare Thesen und einen hier
vorgetragenen Erklärungsversuch.
a) Die Transparenzthese: Eindeutig falsch, jedoch sehr weit
verbreitet ist die These, es sei deshalb zu dem steilen Anstieg
der Managervergütungen gekommen, weil die CorporateGovernance-Richtlinie der Schweizer Börse (seit 2003) und das
Aktienrecht (seit 2007) die Offenlegung der Verwaltungsratshonorare und der Gesamtvergütung der Geschäftsleitung
sowie der höchsten Einzelvergütung verlangen. In Tat und
Wahrheit hat sich der steile Anstieg jedoch, angestossen durch
die Entwicklung in den USA, schon zwischen 1995 und 2002
hinter vorgezogenen Vorhängen abgespielt. Übrigens ist auch die
in der These implizit enthaltene Behauptung, Spitzenmanager
hätten vor 2003 nicht gewusst, auf welchem Niveau die
Entlöhnungspakete ihrer Kollegen in den Konkurrenzfirmen
liegen, ein Ammenmärchen. Das Buschtelefon der Spitzenmanager funktionierte schon vor 2003 perfekt.
b) Die These «Die Berater sind schuld»: Nicht schlüssig ist auch
eine oft gehörte zweite These, der steile Anstieg der Spitzenvergütungen zwischen 1995 und 2002 (der danach, weniger steil,
noch weiterging) sei den vorwiegend angelsächsischen
Salärberatungsfirmen anzulasten. Zwar trugen die Interessenkonflikte und die raffinierte Auswahl von Vergleichszahlen
offensichtlich dazu bei, dass die Verhandlungspartner der
Spitzenmanager – nämlich die Verwaltungsräte als Arbeitgebervertreter – unter Druck gerieten. Aber warum gaben sie
diesem Druck in so vielen Fällen nach? Darauf bietet auch die
zweite These keine Antwort.
c) Die These einer Asymmetrie am Verhandlungstisch: Diese
Frage führt uns zur dritten These: Der Verwaltungsrat ist in
den Salärverhandlungen mit dem obersten Management
offensichtlich in einer sehr schwierigen Lage. Eigentlich sollte
der Verwaltungsrat – nach der klassischen Doktrin der
Corporate Governance – in dieser Verhandlung die Seite des
Arbeitgebers vertreten. Er wahrt ja letztlich die Interessen der
Aktionäre, die als «Principals» die Geschäfte nicht selber
führen, sondern diese Aufgabe den «Agents», dem Topmanagement, anvertrauen. Genau nach dieser Doktrin geht es darum,
die «Principals» davor zu schützen, dass die «Agents» ihre
eigenen Geldinteressen zu stark durchsetzen.
In Tat und Wahrheit hat nun aber der Verwaltungsrat grösste
Schwierigkeiten, gegenüber einem als erfolgreich geltenden
CEO (und einer kleinen Spitzengruppe, zusammengesetzt
etwa aus Chief Financial Officer, Chief Operating Officer und
Chief Risk Officer) die Arbeitgeberinteressen durchzusetzen.
Dem ist nachzugehen.
4. Asymmetrische Verhandlungssituation führt zu asymmetrischen Verträgen über die Vergütungspakete für Spitzenmanager
a) Die Verhandlungssituation
Man geht in der juristischen Literatur von einer ganz bestimmten Anspruchshaltung des Spitzenmanagers in seiner Verhandlung mit dem Arbeitgeber aus:
«Ein CEO, der sich bewährt hat, wird konsequenterweise einen
Teil des geschaffenen Mehrwerts […] für sich beanspruchen.»
(Jentsch/von der Crone)1
Dieser Anspruch des CEO auf «einen Teil des geschaffenen
Mehrwerts» ist nun aber eigentlich nicht ganz so selbstverständlich, wie es zunächst aussieht: Als Arbeitnehmer nimmt
er die zahlreichen Schutznormen des OR in Anspruch,
darunter den absoluten Schutz vor der Teilhabe am Verlust.
Dafür hat er Anrecht auf eine gute Entlöhnung, und als
wichtigster Angestellter unbestrittenermassen auf eine sehr
gute. Dadurch aber, dass er Anspruch auch auf einen Teil des
unternehmerischen Mehrwerts erhebt, kombiniert er die
relative Sicherheit, die rechtlichen Schutznormen und
insbesondere den Schutz vor einer Teilhabe am Verlust (alles
Elemente, die für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend sind)
mit einem Element, das eben gerade typisch ist für eine echte
Unternehmerstellung – mit der Teilhabe an Gewinn und Verlust.
Der Manager verlangt also «nach unten» ein Arbeitsverhältnis
mit Minimallohn in bar und Schutz vor Teilhabe am Verlust,
«nach oben» aber eine unternehmerische Teilhabe am
geschaffenen Mehrwert, und nur am Mehrwert.
Dieses Begehren in der Verhandlung zielt auf ein asymmetrisches Vertragsverhältnis ab. Dies ist an sich legitim. Aufschlussreich dagegen ist, dass der Verwaltungsrat sich darauf in so
weitem Mass einlässt. Gewiss gibt es im Arbeitsvertragsrecht
die Möglichkeit eines ergänzenden Anteils am Geschäftsergebnis (OR 322a). Die meisten variablen Entlöhnungsbestandteile
für Spitzenmanager enthalten jedoch nicht einen Anteil am
Jahresgewinn des Unternehmens; vielmehr sind die variablen
Bestandteile oft so bemessen, dass sowohl bei einem Jahresgewinn wie auch im Falle eines Jahresverlustes hohe variable
Vergütungen ausgerichtet werden können.
b) Erklärung des asymmetrischen Verhandlungsergebnisses
Solche teilweise asymmetrischen Verträge und sehr weitgehende quantitative Zugeständnisse kommen zustande, weil –
entgegen der Generalprämisse der ganzen Corporate Governance – die Aktionäre gar nicht so sehr auf eine Einschränkung
des Quantums der Managervergütungen erpicht sind. Meist
macht der entsprechende Betrag nur eine geringe Quote des
unter die Aktionäre verteilbaren Gewinns aus, zu exemplifizieren in einer Grössenordnung von 0,5 % bis 5 %.
1 Valentin Jentsch/Hans Caspar von der Crone, Aktuelle Entwicklungen in der
Vergütungslandschaft des Finanzplatzes Schweiz, SZW 2012, 377 ff., 398.
Mit zahlreichen Hinweisen.
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Für die Aktionäre ist die reine Nachvollziehbarkeit des
Quantums wichtiger als das Quantum selbst, und auch dies ist
wiederum Nebensache im Vergleich zum Wertzuwachs und
zum Dividendenvolumen. Wenn aber die «Principals», die
Aktionäre, an einem Anliegen der Corporate Governance gar
nicht sonderlich interessiert sind, geht dem ganzen CorporateGovernance-Maschinchen die Kraft aus.
Auch die Verwaltungsräte selbst, die in allen konkreten
Belangen die Unternehmens- und damit in erster Linie auch die
Aktionärsinteressen im Auge behalten sollten, haben wenig
Anlass, mit eisernem Willen gewissen Verhandlungsbegehren
der Manager entgegenzutreten. Das Management verhandelt
um eigenes Geld, der Verwaltungsrat jedoch um fremdes; der
Verwaltungsrat zahlt, was er zugesteht, nicht selbst. Und
Verwaltungsräte, die dem Management durch ihre Haltung
und ihre Interventionen unangenehm auffallen, haben in
ihrem Amt erfahrungsgemäss eine verkürzte Durchlaufzeit.
In der Verhandlung besteht eine Asymmetrie. Die Verwaltungsräte und in erster Linie deren Vergütungsausschüsse
können die ihnen ursprünglich in der Corporate Governance
zugedachte Rolle – jene eines tatkräftigen Vertreters der
Arbeitgeberseite – wegen eines relativ schwachen Interesses
des Aktionariats und überhaupt wegen ihrer Stellung in der
Verhandlung nicht richtig erfüllen. Sie lassen sich auf asymmetrische Verhandlungsergebnisse ein und tragen damit, obwohl
sie das abstreiten, in politischer Hinsicht zum Groll des Volkes
und zu staatlichen Zwangseingriffen bei.
Es bleibt abzuwarten, ob die jährliche verbindliche Abstimmung des Aktionariats über die gesamten Geschäftsleitungsvergütungen (wie im «Minder»-Zusatz zur Bundesverfassung
vorgesehen) die Stellung der Verwaltungsräte auf der Arbeitgeberseite zu stärken vermag. Wäre dem so, so würde eine nach
Jahren der Praxis immer offensichtlichere Schwachstelle der
Corporate Governance durch eine direkte Staatsintervention
behoben.
IV. Schlusswort
Dieser Kurzbeitrag konnte nur Schlaglichter auf das breite Thema
werfen: Corporate Governance ist in vielen Bereichen eine
Erfolgsgeschichte, die Beispiele haben es gezeigt. Aber es gibt bei
den Spitzenvergütungen einen grossen schwarzen Tintenklecks.
Die Corporate Governance hat im Umgang mit Spitzenvergütungen bei den grössten Publikumsgesellschaften – trotz Teilerfolgen
im Bereich der Vergütungsreglemente und -berichte sowie der
Konsultativabstimmungen – in entscheidenden Punkten versagt.
Denn für das Aktionariat, die «Principals», ist das reine Quantum
der Gesamtvergütung offensichtlich nicht die Hauptsache, und
der Verwaltungsrat hat keine starken eigenen Anreize, über die
Vertretung der in diesem Punkt schwachen Aktionärsinteressen
hinaus den gestrengen Arbeitgeber zu spielen.
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Juni 2013
6 Themen, 24 Fragen – eine Checkliste
zur Corporate Governance
I. Grundsätzliches
m Nach welchen Grundsätzen ist die Corporate Governance in Ihrem Unternehmen gestaltet?
Werden diese Grundsätze intern und extern kommuniziert? Wie stellen Sie sicher, dass die
Corporate-Governance-Bestimmungen in der Praxis auch eingehalten werden?
m Reichen die Checks & Balances im Verhältnis der Unternehmensorgane aus?
m Orientiert sich Ihr Unternehmen an einem nationalen oder internationalen Kodex zur Corporate
Governance? Falls nicht, aus welchen Gründen? Werden einzelne Abweichungen gegenüber
dem Kodex hinreichend erklärt?
m Welche Anspruchsgruppen (Stakeholder) sind in Ihrem Corporate-Governance-Konzept berücksichtigt?
II. Verwaltungsrat
m Ist der Verwaltungsrat so zusammengesetzt, dass er alle für Ihr Unternehmen wichtigen fachlichen und persönlichen Kompetenzen auf sich vereinigt?
m Nach welchen Kriterien wählt Ihr Unternehmen die Kandidaten für den Verwaltungsrat aus?
m Wie gross ist der Anteil der «unabhängigen» Verwaltungsratsmitglieder? (Unabhängigkeit etwa
gemäss der Definition des «Swiss Code of Best Practice»)
m Werden die Leistungen des Verwaltungsrats als Ganzen und seiner einzelnen Mitglieder
regelmässig gemessen und beurteilt?
III. Verwaltungsratsausschüsse
m Welche Ausschüsse des Verwaltungsrats bestehen? Welche Aufgabenbereiche decken sie ab?
Ist die Organisation der Ausschüsse konkret umschrieben und festgelegt (Charter)?
m Ist das Audit Committee ein Prüfungsausschuss im klassischen Sinne, oder erstreckt sich seine
Tätigkeit auf weitere Gebiete (wie das Risikomanagement oder die Compliance)?
m Wie sind die Ausschüsse hinsichtlich fachlicher Qualifikation, Persönlichkeit, Unabhängigkeit und
Internationalität zusammengesetzt?
m Wird die Zusammensetzung regelmässig mit Blick auf Veränderungen der Strategie und der
Rahmenbedingungen überprüft?
Juni 2013
Disclose
27
IV. Kommunikation
m Wie gestaltet sich die Kommunikation zwischen Verwaltungsrat und Aktionariat? Werden die
Anträge des Verwaltungsrats in der Einladung zur Generalversammlung ausreichend begründet?
Findet im Vorfeld der Generalversammlung ein Austausch mit wichtigen Aktionären statt?
m Wie verlaufen die Informationskanäle zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung? Über welche Angelegenheiten muss die Geschäftsleitung den Verwaltungsrat in Kenntnis setzen? Welche
Gewähr gibt es, dass der Verwaltungsrat auch ausserhalb der institutionalisierten Kanäle über
wichtige Entscheidungen und Ereignisse informiert wird?
m Wie läuft die Kommunikation zwischen dem Gesamtverwaltungsrat und seinen Ausschüssen
ab?
m Gibt es einen Informationsaustausch zwischen den einzelnen Ausschüssen? Wie stimmen sich
beispielswiese das Audit und das Compensation Committee bei der Formulierung des Vergütungsberichts ab?
V. Externe und interne Revision
m Wer sind auf oberster Führungsebene die Hauptansprechpartner für die externe Revisionsstelle?
m Wie stark stützen sich der Verwaltungsrat und das Audit Committee auf die Erkenntnisse und
Prüfungsergebnisse der externen Revision?
m Wie ist die interne Revision organisatorisch eingegliedert? Untersteht sie dem Verwaltungsrat,
dessen Präsidenten oder dem Audit Committee?
m Wie wird die Arbeit von externer und interner Revision aufeinander abgestimmt?
VI. Offenlegung
m Veröffentlicht Ihr Unternehmen einen aussagekräftigen Corporate-Governance-Bericht?
m Orientiert sich die Offenlegung an dem Grundsatz «comply or explain», das heisst, wird die
Nichteinhaltung von Transparenzvorschriften etwa der SIX-Richtlinie überzeugend erklärt?
m Enthält der Corporate-Governance-Bericht auch Informationen über die Zusammenarbeit mit
den einzelnen Anspruchsgruppen (Mitarbeiter, Lieferanten, Behörden usw.)?
m Thematisiert der Bericht die grundlegenden Prinzipen der Corporate Governance und ethische
Standards?
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Juni 2013
Update
Inhalt
Wird der Wirtschaftsprüfer zum Whistleblower? von Roger Kunz
30
Ergänzende Fach­empfehlung für kotierte Unternehmen von Dr. Daniel Suter
34
Schweizer Prüfungs­standards auf internationalem Niveau von Stefan Haag
38
Das Rahmenwerk zum Integrated Reporting erlaubt Flexibilität von Rolf Johner
40
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Disclose
29
Wird der Wirtschaftsprüfer
zum Whistleblower?
Der internationale Ethikrat für Wirtschaftsprüfer hat einen Entwurf zur
Erweiterung seiner Standards vorgelegt. Danach sollen Wirtschaftsprüfer
die zuständigen Behörden informieren, wenn sie einen erhärteten Verdacht auf illegale Tätigkeiten haben, die Unternehmensleitung und der
Verwaltungsrat aber nichts unternehmen. Der Entwurf verfolgt ein achtbares Ziel, ist aber problematisch; denn er durchbricht das fundamentale
Prinzip der Vertraulichkeit.
Im vergangenen August publizierte das
International Ethics Standards Board for
Accountants (IESBA) den Entwurf «Re­
sponding to a suspected illegal act». Dieser
erweitert den «Code of Ethics for Professional Accountants» um eine Regelung,
wie bei Verdacht auf Bestehen von illegalen
Handlungen vorgegangen werden muss.
Diese legt fest, wann die Revisoren das
Recht oder vielmehr die Pflicht haben, das
fundamentale Prinzip der Vertraulichkeit
zu durchbrechen und einen Verdacht auf
illegale Handlungen in dem von ihnen
geprüften Unternehmen der zuständigen
Behörde zu melden.
Der Entwurf zielt darauf ab, über klare Richtlinien eine konsistente Behandlung von
Fällen mit «suspected illegal acts» zu
erreichen. Des Weiteren soll definiert
werden, wann das fundamentale Prinzip der
Vertraulichkeit verletzt werden soll.
Gründe für die Erweiterung des
Ethikkodex
Anlass zur angestrebten Änderung des
Ethikkodex gab die – aus Sicht des IESBA –
nicht genügend geregelte
30
Disclose
Juni 2013
Vorgehensweise für die Fälle, in denen ein
Verdacht auf Betrug innerhalb eines Unternehmens vorliegt. Die IESBA kritisiert zudem
die Tatsache, dass die professionelle Pflicht
des Revisors, Kundeninformationen
vertraulich zu behandeln, es verhindert,
einen identifizierten «suspected illegal act»
einer Behörde ausserhalb des Unternehmens
zu melden. Hinzu kommt, dass auch in der
Öffentlichkeit der Ruf nach einer stärker
geregelten Marktwirtschaft immer lauter
ertönt und die Ethik stärker in den Fokus des
gesellschaftlichen Interesses rückt.
Geltende Regelung: Verantwortung
beim Unternehmen
Die derzeit gültigen international anerkannten Grundsätze zur Abschlussprüfung
(International Standards on Auditing, ISA)
umfassen bedeutend weniger weitgehende
Vorschriften. Aktuell ist der Revisor
verpflichtet, Prüfungshandlungen mit einer
professionellen Skepsis durchzuführen. Das
Risiko, dass der Jahresabschluss wesentliche
falsche Angaben (seien diese absichtlicher
oder unabsichtlicher Natur) enthält, soll auf
ein vernünftiges Minimum reduziert werden
(ISA 240). Zudem wird verlangt, dass
Gesetze und andere Rechtsvorschriften, die
einen Einfluss auf den Jahresabschluss
haben können, bei der Prüfung beachtet
werden (ISA 250). Liegt ein Verdacht auf
einen Verstoss gegen Gesetze oder Regulierungen vor, ist die Geschäftsleitung zu
informieren (oder der Verwaltungsrat bei
Verdacht auf Betrug innerhalb der
Wer ist das IESBA?
Das International Ethics Standards Board for Accountants, kurz IESBA, ist eine
unabhängige Organisation, die unter dem Patronat der International Federation of
Accountants (IFAC) und des Public Interest Oversight Board (PIOB) steht. Die Organisation setzt sich aus 18 unabhängigen Mitgliedern (natürlichen Personen) zusammen;
sie erarbeitet und erlässt Standards rund um das Thema Ethik. Mitglieder der Treuhand-Kammer unterstehen automatisch den Regeln des IESBA.
Was ist ein «illegal act»?
Illegales Handeln wird definiert als absichtliches (= Fraud) oder unabsichtliches
(= Error) Unterlassen oder Ausführen von Handlungen, die gegen die in einem Staat
geltenden Gesetze oder Regulierungen verstossen und die von einem Angestellten des
Unternehmens, vom Management oder von einer anderen mit der Führung beauftragten Person begangen werden.
Roger Kunz
Partner, Wirtschaftsprüfung
[email protected]
Geschäftsleitung). Die Verantwortung für
Handlungen, die aus dem Verdacht resultieren, tragen somit die Gremien des Unternehmens. Betrachtet der Wirtschaftsprüfer die
Massnahmen des Unternehmens als
inadäquat, stehen ihm – unter Abwägung der
vorherrschenden Umstände und Fakten –
folgende Handlungsmöglichkeiten offen:
Information der Generalversammlung,
Einschränkung oder gar Verweigerung der
Attestierung des Abschlussberichtes sowie
die Möglichkeit, das Mandat niederzulegen
und als Revisionsstelle zurückzutreten.
Es bleibt festzuhalten: Heute liegt die
Verantwortung für jede Art der externen
Kommunikation über Verdachtsmomente bei
der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat. Nur in wenigen, klar definierten
Ausnahmefällen hat der Revisor die
zuständige Behörde über vermeintlich
illegale Handlungen in Kenntnis zu setzen.
So verpflichten die Artikel 27 und 29 des
Finanzmarktaufsichtsgesetzes sowie das
FINMA-Rundschreiben 08/1 2008 (bewilligungs- und meldepflichtige Tatbestände bei
Börsen, Banken, Effektenhändlern und
Prüfgesellschaften) die Revisionsstelle zu
einer Meldung an die FINMA. Ansonsten ist
der Prüfer an die Vertraulichkeit gegenüber
dem zu prüfenden Unternehmen gebunden.
Kernpunkt des Entwurfs:
Meldepflicht für Revisoren
Der Entwurf des IESBA sieht vor, dass ein
«Professional Accountant» (nachfolgend
auch «Berufsangehöriger» genannt) unter
gewissen Umständen dazu verpflichtet ist,
sich über die Vertraulichkeitserklärung
hinwegzusetzen und einen «suspected illegal
act» der zuständigen Behörde zu melden.
Eine solche Mitteilung steht als letzte
Massnahme am Ende einer Reihe vorhergehender Schritte.
Wer ist ein «Professional Accountant»?
Die Definition eines «Professional Accountant» im Sinne des Proposals geht sehr weit.
Wenn der Mitarbeiter oder dessen Arbeitgeber einer anerkannten Berufsorganisation
angehört, gilt die Person als «Professional Accountant». In der Schweiz wären das alle
Mitglieder der Treuhand-Kammer (direkt als Einzelmitglied oder indirekt als Arbeitnehmer einer Mitgliedsfirma). Somit können also auch Mitarbeiter und Berater in den
Bereichen Risikomanagement, IT, Projektmanagement oder Treasury, aber auch
Bewertungsspezialisten oder strategische Berater unter die Definition fallen.
Besteht Grund zur Annahme, dass in einem
Unternehmen illegale Handlungen vorgenommen wurden, dann müssen alle
entsprechenden Massnahmen in die Wege
geleitet werden, um diesen Tatverdacht
entweder zu bestätigen oder zu beseitigen.
Dieser Schritt beinhaltet (unter anderem)
zwingend die Diskussion der Sachlage mit
der dafür zuständigen Führungsperson.
Weigert sich diese, sich der Sache anzunehmen, oder sind die ergriffenen Massnahmen
dem Sachverhalt nicht angemessen, muss in
einem zweiten Schritt die nächsthöhere
Führungsstufe und – falls notwendig – der
Verwaltungsrat involviert werden.
Um beurteilen zu können, ob die Stellungnahme und die lancierten Massnahmen des
Managements adäquat sind, muss der
Revisor sowohl über ein professionelles
Urteilsvermögen als auch über das entsprechende Fachwissen verfügen. Der nächste
Schritt, die Meldung an die zuständige
Behörde, ist an zwei Voraussetzungen
gekoppelt: Der Verwaltungsrat hat es
versäumt, innerhalb einer angemessenen
Frist eine adäquate Lösung beziehungsweise
eine Stellungnahme zum identifizierten
«suspected illegal act» zu präsentieren, und
die Feststellung ist von derart signifikanter
Bedeutung, dass ihre Offenlegung im
öffentlichen Interesse liegt. Sind diese beiden
Bedingungen erfüllt, sieht der Entwurf
folgende Konsequenzen vor:
• Ein externer Revisor ist dazu verpflichtet,
die Vertraulichkeitserklärung zu
verletzen und seinen Tatverdacht der
zuständigen Behörde vorzulegen.
• Interne Revisoren sowie Berufsangehörige, die für ein Unternehmen andere
Tätigkeiten als Prüfungshandlungen
ausführen, sind dazu angehalten, den
Sachverhalt dem externen Revisor zu
melden, und haben unter gewissen
Umständen das Recht, ihren Tatverdacht
direkt der Behörde mitzuteilen.
Konsequenzen für das betroffene
Unternehmen
Externe und interne Revisoren sowie
auswärtige oder intern angestellte Berufsangehörige wären dazu angehalten, jeden
Tatverdacht auf illegale Handlungen, die in
ihrem Zuständigkeitsbereich liegen, zu
untersuchen und den verantwortlichen
externen Revisor oder die zuständige
Behörde darüber zu informieren, falls sie die
Offenlegungen der illegalen Aktivität als
eine Angelegenheit von öffentlichem
Interesse betrachten und sich das Unternehmen der Sache nicht annimmt. Aus dieser
Vorschrift resultieren zwei massgebliche
Risiken:
Juni 2013
Disclose
31
Erstens besteht die Gefahr, dass ungenügend
fundierte Anschuldigungen an eine Behörde
gemeldet werden, die sich im Nachhinein als
fälschlicherweise erhobene Beschuldigungen herausstellen. Dem Unternehmen
entstünde ein Reputationsschaden, vor
allem, wenn die vertraulichen Informationen
an die Öffentlichkeit durchsickern sollten.
Die Kosten zur Behebung eines solchen
Reputationsschadens können immens sein,
und die Wiederherstellung der einstigen
Corporate Integrity kann Jahre dauern.
Zweitens sind die Kosten für detaillierte
Abklärungen und administrative Arbeiten,
die notwendigerweise anfallen, wenn man
jedem Verdacht auf illegale Handlung – unabhängig von dessen Wesentlichkeit – nachgehen würde, nicht zu unterschätzen. Hier
stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen
bereit ist, diese Kosten zu tragen; denn wird
der Vorwurf nicht erhärtet, entsteht kein
Mehrwert für das Unternehmen, auch nicht
aus moralischer Sicht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die
Qualität der Kommunikation. Nicht nur der
Dialog zwischen dem Unternehmen und
dem Prüfer, sondern auch die Kommunikation des Revisors mit anderen Berufsangehörigen und allenfalls sogar mit den eigenen
Mitarbeitern dürfte schwieriger werden. Die
potenzielle Mitteilungspflicht nach aussen
hängt wie ein Damoklesschwert über der
internen Kommunikation. Unternehmen
müssten sich aber auch überlegen, ob sie
Berater oder Mitarbeiter engagieren, die in
die Kategorie der «Professional Accountants»
fallen, oder ob sie lieber mit Personen zusammenarbeiten, welche die Regeln des IESBA
nicht anwenden müssen, dafür aber
möglicherweise weniger qualifiziert sind.
Folgen für die Revisoren und andere
Berufsangehörige
Das geprüfte Unternehmen verlässt sich auf
die Verschwiegenheit des Revisors, die
diesem aufgrund der Regeln des Berufsstandes, aber auch von Gesetzes wegen auferlegt
ist. Dieses gegenseitige Vertrauen bildet die
Grundlage der Beziehung zwischen dem
Unternehmen und dem Revisor. Mit der
neuen Regelung ist dieses Vertrauensverhältnis jedoch nicht mehr garantiert, was zur
Folge hätte, dass der Informationsaustausch
zwischen den beiden Parteien beeinträchtigt
würde. Ein versickernder Informationsfluss
aber bedroht unmittelbar die Effektivität und
Effizienz des Revisionsprozesses.
Ein weiteres Problem käme hinzu: Mit der neu
eingeführten Meldepflicht für Berufsangehörige, die keine Revisionsleistungen erbringen,
würde der externe Revisor zur Anlaufstelle
für Berichte über potenzielle illegale Handlungen. Somit würde er automatisch ein Teil
des unternehmensinternen WhistleblowerSystems, was wiederum impliziert, dass seine
Unabhängigkeit gegenüber dem Unternehmen infrage gestellt werden müsste.
Vorgehensweise, wenn Grund zur Annahme eines
«suspected illegal act» besteht
Schritt 4
Abwägen, ob Sachverhalt von «öffentlichem
Interesse» ist
Schritt 1
Massnahmen ergreifen, um den Verdacht
zu bestätigen oder zu
widerlegen
Schritt 2
Management der entsprechenden Stufe in
Kenntnis setzen
Verdacht
auf illegale
Handlungen kann
nicht widerlegt
werden
Schritt 3
Management auf
höherer Stufe bis hin
zu den FührungsEs
erfolgt immer
verantwortlichen
noch keine
Resonanz oder die
informieren
Management
dieser Stufe bezieht
nicht Stellung und
ergreift keine
Massnahmen
Massnahmen sind
unzureichend
Externer Revisor
Ô Benachrichtigung der
zuständigen Behörde
über den Verdacht
wenn
ja
Berufsangehörige
ohne Prüfungsfunktion
Ô Information des
externen Revisors
(Pflicht)
Ô Bericht an die
zuständige Behörde
(Recht)
weitere Konsequenzen (wie bisher):
•Information der Generalversammlung
•Einschränkung oder Verweigerung der
Attestierung des Abschlussberichtes
•Rücktritt als Revisionsstelle
Die Schritte 1 bis 3 sieht auch der Internationale Prüfungsstandard ISA 260 vor, jedoch nur für
erhärtete Verdachtsfälle und nur für Revisoren, welche die Abschlussprüfung durchführen.
32
Disclose
Juni 2013
Gegenseitiges Vertrauen bildet die
Grundlage der Beziehung zwischen
dem Unternehmen und dem Revisor.
Mit der neuen Regelung ist dieses
Vertrauensverhältnis jedoch nicht
mehr garantiert.
Revisoren, Berater und Mitarbeiter, die als
«Professional Accountants» gelten, werden
zum verlängerten Arm der Aufsichtsbehörden. Die Forderungen dieses Vorschlags
stehen im klaren Widerspruch zu den
Schweizer Gesetzen (Art. 728c und 730b
Obligationenrecht; Art. 321 Strafgesetzbuch).
Obwohl der Entwurf darauf abzielt, die
Vorgehensweise bei der Behandlung von
«suspected illegal acts» konsistenter zu
gestalten, lassen einige vage verfasste
Formulierungen einen zu grossen Interpretationsspielraum offen und werfen neue
Fragen auf, die für Verwirrung sorgen
könnten. Hierunter fällt beispielsweise die
Formulierung «im öffentlichen Interesse».
Eine Definition, wann konkret ein Sachverhalt von öffentlichem Interesse ist und der
zuständigen Behörde gemeldet werden
muss, ist nicht vorhanden und liegt folglich
im Ermessen des Revisors. Das Risiko der
Willkür ist beträchtlich. Zudem erweitert
sich die Erwartungslücke, also die Kluft
zwischen den Erwartungen der Öffentlichkeit an den Prüfer und dessen tatsächlichem
Leistungsauftrag. Ebenfalls nicht klar
geregelt ist, ab welchem Punkt «vernünftige
Schritte» eingeleitet werden müssen, um
einen Verdacht zu erhärten oder auszuräumen; ebenso fehlt ein Wegweiser dafür, was
unter «genügende Beweise» zu verstehen ist.
Diese unklaren Formulierungen könnten zu
einer individuellen Auslegung des Ethikkodex führen. Je nach den Motiven der
einzelnen Berufsangehörigen und deren
Auffassung von Ethik könnten die Verdachtsfälle unterschiedlich gehandhabt werden.
Das definierte Ziel, ein hohes Mass an
Einheitlichkeit zu erreichen, ist im vorliegenden Falle nicht erreicht. Vielmehr könnte der
Entwurf zu Misstrauen und Unsicherheit
führen.
Alternative Vorschläge
Bis Mitte Dezember vergangenen Jahres
hatten interessierte Organisationen die
Möglichkeit, dem IESBA ihre Meinung und
Verbesserungsvorschläge zu diesem
Proposal mitzuteilen. Über 70 Berufsorganisationen, Verbände und Organisationen,
darunter auch PwC, haben die Chance zur
Kommentierung des Entwurfs genutzt und
mehrheitlich Bedenken geäussert. Ein
aufdatierter Entwurf wird in der zweiten
Hälfte dieses Jahres erwartet. Der erweiterte
Ethikkodex dürfte somit voraussichtlich
Ende 2014 in Kraft treten.
PwC unterstützt alle Bestrebungen, ein
ethisch verankertes Berufsbild des Wirtschaftsprüfers am Kapitalmarkt und in der
Öffentlichkeit zu etablieren. Die Pflichten
und Verantwortlichkeiten der Revisoren im
sich stetig wandelnden globalen Marktumfeld führen zu veränderten Ansprüchen an
die Berufsethik. Dies wiederum bleibt nicht
ohne Folgen für die Erwartungen an die
Prüfungshandlungen. In diesen Anpassungsprozess sollten aber auch Banken, Anwälte
und andere relevante Berufsgruppen
integriert werden.
Bei der Ausarbeitung des vorliegenden
Entwurfes wurde übersehen, dass die
verschärfte Meldepflicht gegenüber den
Behörden das Vertrauensverhältnis zwischen
dem Kunden und dem Wirtschaftsprüfer zu
einem grossen Teil zerstören würde. Des
Weiteren wären Revisoren stärker in der
Öffentlichkeit exponiert und bräuchten – insbesondere wenn der Verdacht auf Fraud sich
im Nachhinein als unbegründet herausstellt – einen Whistleblower-Schutz, den
ihnen das IESBA jedoch nicht gewährt.
Künftig wären Wirtschaftsprüfer, die für ihre
Kunden nur Beratungs- oder andere
Serviceleistungen erbringen und keine
Revision durchführen, ebenfalls dazu
verpflichtet, bei Verdacht auf illegale
Handlungen entsprechende Massnahmen zu
ergreifen.
PwC ist der Überzeugung, dass der vorliegende Entwurf zur Anpassung des «Code of
Ethics for Professional Accountants» nicht
praktikabel ist. Er hätte für den Revisor, das
geprüfte Unternehmen und für das gesamte
Marktumfeld nicht beabsichtigte negative
Folgen, womit das achtbare Ziel, illegalen
Handlungen vorzubeugen, nicht vorangetrieben, sondern vielmehr behindert würde.
Dies gilt auch, weil viele Begriffe nicht klar
definiert sind und keine einheitliche
Auslegung möglich ist.
PwC schlägt einen anderen Weg vor:
Revisoren, aber auch alle anderen Kapitalmarktteilnehmer (Anwälte, Bankmitarbeiter
usw.) sollten verpflichtet sein, die Geschäftsleitung und allenfalls den Verwaltungsrat
über Anzeichen von illegalen Handlungen,
die sie innerhalb ihres Fachgebiets entdecken, zu informieren. Ferner schlägt PwC
vor, den «Code of Ethics for Professional
Accountants» um einige Prinzipien zu
ergänzen, etwa: Ein Berufsangehöriger darf
einen Kunden nicht bei illegalen Handlungen
unterstützen; ein Berufsangehöriger darf die
Augen nicht vor illegalen Handlungen
verschliessen; ein Berufsangehöriger muss
beurteilen, was wem innerhalb des Unternehmens berichtet werden soll.
Juni 2013
Disclose
33
Ergänzende Fach­empfehlung
für kotierte Unternehmen
Die Fachkommission für Empfehlungen zur Rechnungs­legung (Fachkommission) setzt
Swiss GAAP FER 31 «Ergänzende Fachempfehlung für kotierte Unternehmen» zum
1. Januar 2015 in Kraft. Die neue FER beinhaltet vorwiegend zusätzliche Offenlegungen – auch zur mit Spannung erwarteten Segmentberichterstattung. Basierend auf
den in der Vernehmlassung kommunizierten Anliegen hat die Fachkommission den im
September 2012 veröffentlichten Entwurf angepasst und ist zuversichtlich, damit
eine angemessene Lösung gefunden zu haben.
Die Swiss GAAP FER richten sich primär an kleinere und
mittelgrosse Unternehmen (KMU) mit nationaler
Ausstrahlung. Durch die zunehmende Anzahl an
Unternehmen, die in jüngerer Zeit einen Wechsel von
den International Financial Reporting Standards (IFRS)
zu den Swiss GAAP FER vollzogen haben, erhielt der
Schweizer Rechnungslegungsstandard eine erhöhte
Aufmerksamkeit am Kapitalmarkt. Es ist das Ziel der
Fachkommission, die Swiss GAAP FER als anerkannten
Standard für kotierte Unternehmen im «Domestic
Standard» und im «Standard für Immobiliengesellschaften» langfristig zu festigen und dabei der Tendenz zu
sehr detaillierten Rechnungslegungsvorschriften
bewusst nicht zu folgen.
Die Vernehmlassung von 34 Unternehmen und Personen
hat bei vielen Themenbereichen eine hohe Übereinstimmung mit den Überlegungen der Fachkommission
ergeben.
Dr. Daniel Suter
Partner, Wirtschaftsprüfung
[email protected]
Tabelle 1: Bereiche der «Ergänzenden Fachempfehlung für
kotierte Unternehmen» und Übersicht über die Reaktionen
aus der Vernehmlassung
Neu zu regelnde Bereiche
Reaktion gemäss
Vernehmlassung
Definition kotierte Unternehmen
Übereinstimmung
Erstanwendung
Übereinstimmung
Aktienbezogene Vergütung
Übereinstimmung
Aufzugebende Geschäftsbereiche
Teilweise Überein­
stimmung
Ergebnis je Beteiligungsrecht
Übereinstimmung
Ertragssteuern
Teilweise Überein­
stimmung
Vermögenswerte und Verbindlich­
Teilweise Überein­
keiten finanzieller Art
stimmung
Segmentberichterstattung
Sehr kontroverse
Meinungen
Zwischenberichterstattung
Übereinstimmung
Die Fachkommission hat die Ergebnisse der Vernehmlassung analysiert, den Entwurf entsprechend angepasst
und die revidierte Fassung zum 1. Januar 2015 in Kraft
gesetzt.
34
Disclose
Juni 2013
Erweitertes Konzept der Swiss GAAP FER
Das Konzept der Swiss GAAP FER begründet sich im
modularen Aufbau. Kleine Organisationen wenden
sowohl das Rahmenkonzept wie auch die Kern-FER an.
Grössere Organisationen haben neben den Kern-FER
weitere Standards zu erfüllen. Die Fachkommission
definiert grössere Organisationen als solche, die zwei der
drei Schwellenwerte (Bilanzsumme von CHF 10 Mio.,
Umsatzerlöse von CHF 20 Mio. und 50 Vollzeitstellen im
Jahresdurchschnitt) in zwei aufeinanderfolgenden
Jahren überschreiten. Falls eine Organisation andere
Organisationen beherrscht, ist auch eine Konzernrechnung nach Swiss GAAP FER 30 zu erstellen (kleine
Organisationen können eine Konzernrechnung gemäss
den Kern-FER erstellen).
Neu werden zusätzliche Anforderungen an die Jahresoder Konzernrechnung kotierter Unternehmen gestellt
und das Konzept der Swiss GAAP FER erweitert (vgl.
Abb. Seite 35).
Im Zentrum des neuen Standards stehen wichtige Fragen
der Offenlegung, die für kotierte Unternehmen wesentlich sind und das Verständnis der externen Empfänger
verbessern sollen. Die Regelungen der ergänzenden
Fachempfehlung orientieren sich nach wie vor an der
«True and Fair View», sind prinzipienorientiert und damit
in keiner Art und Weise detailbezogen. FER 31 ist von
kotierten Unternehmen zusammen mit allen anderen
relevanten Swiss GAAP FER anzuwenden, geht aber dem
Rahmenkonzept und den übrigen Fachempfehlungen
vor.
Kotierte Unternehmen werden sich gemäss der Einleitung der neuen FER nicht auf die Anwendung der
Kern-FER beschränken können.
Erweiterter modularer Aufbau der Swiss GAAP FER
«True and Fair View»
Rahmenkonzept
+
KernFER
+
Weitere
Standards
mit
spezifischen
Themen
+
FER 30 zur
Konzernrechnung
+
FER 31 für
kotierte
Unternehmen
Kleine Organisationen
Mittelgrosse und grosse Organisationen
Organisationen, die eine Konzernrechnung erstellen
Im «Domestic Standard» oder im «Standard für Immobiliengesellschaften» kotierte Unternehmen
Die neuen Bestimmungen
1 Kotierte Unternehmen
Swiss GAAP FER definiert kotierte Unternehmen als
Organisationen, deren Beteiligungsrechte und/oder
Forderungsrechte kotiert sind oder die im Begriff sind,
eine Kotierung vorzunehmen.
2 Erstanwendung
Gemäss dem Rahmenkonzept müssen KMU bei der
Umstellung lediglich die Vorjahresbilanz in Übereinstimmung mit den Swiss GAAP FER offenlegen. Im Gegensatz dazu sollen kotierte Unternehmen die gesamte
Jahresrechnung mit Vorjahresangaben (beispielsweise
für das Jahr 2012 und das Jahr 2011) präsentieren.
3 Aktienbezogene Vergütungen
Bei dieser Vergütungsart werden (leitende) Mitarbeiter
mit Aktien entschädigt. Dafür muss das Unternehmen
eigene Aktien beschaffen (oder neu herausgeben), die
anschliessend gratis oder verbilligt abgegeben werden.
Die buchhalterische Behandlung erworbener eigener
Aktien ist von der Swiss GAAP FER 24 «Eigenkapital und
Transaktionen mit Aktionären» vorgegeben. Die Abgabe
dieser eigenen Aktien stellt gemäss Swiss GAAP FER 31
einen Aufwand dar, der bei der Zuteilung zum Tageswert
zu bewerten ist. Dieser Aufwand soll über jenen
Zeitraum als Personalaufwand erfasst werden, während
dessen sich die berechtigten Mitarbeiter die Vergütung
«erdienen» (häufig hängt der Erhalt dieser Vergütung
von der Zugehörigkeitsdauer eines Mitarbeiters zur
Organisation ab). Ein Beispiel veranschaulicht die
Berechnung: Der Aktienbonusplan sieht 2’000 Aktien für
den CEO und je 1’500 Aktien für die weiteren vier
Mitglieder der Konzernleitung zur unentgeltlichen
Abgabe vor, falls die gesetzten Ziele für das Jahresergebnis erreicht werden.
Zum Zuteilungszeitpunkt beträgt der Wert der Aktien
CHF 15.–, und der Plan basiert auf einem «Erdienungszeitraum» von drei Jahren. Aufgrund der Erfahrung
vergangener Jahre nimmt das Unternehmen an, dass ein
Mitglied der Konzernleitung vor Ablauf dieser Frist
kündigt und deshalb die zugesagten Aktien nicht
erhalten wird.
Tabelle 2: Bestimmung der Anzahl an Aktien gemäss
Aktienbonusplan und des Bonuswertes
Aktienbonusplan
Anzahl
CHF
Aktien für den CEO
2’000
30’000
Aktien für drei Mitglieder der
4’500
67’500
Konzernleitung
Wert bei der Zuteilung
6’500
97’500
Der Aufwand wird direkt über das Eigenkapital verbucht.
Die abzugebenden Aktien wurden zum Preis von
CHF 96’000.– erworben.
Tabelle 3: Erfassung des Aktienbonusplans über die drei
«Erdienungsjahre» und beim Bezug im Jahr 20x3
Jahr
Soll
Haben
CHF
20x1
Personalaufwand Eigenkapital
32’500
(Aktienplan)
20x2
Personalaufwand Eigenkapital
32’500
(Aktienplan)
20x3
Personalaufwand Eigenkapital
32’500
(Aktienplan)
20x3
Eigenkapital
Eigene Aktien
97’500
(Aktienplan)
20x3
Eigene Aktien
Kapitalreserve
1’500
Die Differenz zwischen dem Erwerbspreis eigener
Aktien und dem Abgabewert an die Konzernleitung von
CHF 1’500.– wird der Kapitalreserve zugeordnet.
Juni 2013
Disclose
35
Falls die Schätzung nicht zutrifft und das fünfte Mitglied
der Konzernleitung den «Erdienungszeitraum» ebenfalls
erfüllt, muss im dritten Jahr ein zusätzlicher Aufwand
von CHF 22’500.– (1’500 Aktien zu CHF 15.– bzw. zum
aktuellen Wert der Aktie) erfasst werden.
Allenfalls kann die Entschädigung auch in bar erfolgen.
In diesem Fall orientiert sich der Wert der Entschädigung
am Wert der Aktien des Unternehmens. Die geschuldete
Entschädigung wird als regelmässig neu zu bewertende
Verbindlichkeit erfasst.
Falls ein Unternehmen plant, nur Barentschädigungen
auszuzahlen, handelt es sich um einen «normalen»
Bonus, der nicht als aktienbezogene Vergütung zu
verstehen ist.
4 Aufzugebende Geschäftsbereiche
Sofern eine Organisation einen Geschäftsbereich aufgibt
und diese Entscheidung veröffentlicht hat, muss sie den
Nettoerlös aus Lieferung und Leistung und das Betriebsergebnis dieses Geschäftsbereichs separat offenlegen. Es
besteht das Ziel, den Adressaten über den Umfang des
künftigen Geschäfts zu informieren.
5 Ergebnis je Beteiligungsrecht
Eine wichtige Kennzahl kotierter Unternehmen ist das
Ergebnis je Beteiligungsrecht. Ein Vergleich dieser
Grösse zwischen einzelnen Unternehmen ist aussagekräftiger als eine Gegenüberstellung des Konzernergebnisses in absoluten Zahlen. Das Ergebnis je Beteiligungsrecht ist unverwässert und verwässert auszuweisen.
Beim unverwässerten Ausweis wird das Konzernergebnis durch die durchschnittliche Anzahl der ausstehenden
Beteiligungsrechte (Gesamtzahl der Beteiligungsrechte
abzüglich der vom Unternehmen selbst gehaltenen
Beteiligungsrechte) dividiert. Für die Ermittlung des
verwässerten Ergebnisses je Beteiligungsrecht müssen
die Effekte beispielsweise von ausgegebenen Optionen
oder von Wandelanleihen berücksichtigt werden. Dabei
werden möglicherweise sowohl das ausgewiesene
Konzernergebnis wie auch die Zahl der Beteiligungsrechte beeinflusst. Swiss GAAP FER verlangt von den
kotierten Unternehmen die Offenlegung, wie diese Kennzahlen berechnet werden, ohne selbst dafür eine
Vorschrift zu erlassen.
6 Ertragssteuern
Für die Berechnung der laufenden und der latenten
Ertragssteuern für jeden Einzelabschluss ist Swiss GAAP
FER 11 «Ertragssteuern» massgebend. Gemäss Swiss
GAAP FER 31 ist der auf der Basis des ordentlichen
Ergebnisses gewichtete durchschnittlich anzuwendende
Steuersatz offenzulegen. Das ordentliche Ergebnis ist ein
Zwischentotal gemäss Swiss GAAP FER 3 «Darstellung
und Gliederung». Es geht also um den Steuersatz, der
aufgrund des ordentlichen Ergebnisses anzuwenden ist,
bzw. um den Steuerbetrag, der aufgrund des ordentlichen Ergebnisses zu bezahlen ist.
36
Disclose
Juni 2013
Tabelle 4: ordentliches Ergebnis gemäss Swiss GAAP FER 3
Betriebliches Ergebnis
+/– Finanzergebnis
= ordentliches Ergebnis
+/– ausserordentliches Ergebnis
+/– betriebsfremdes Ergebnis
= Gewinn/Verlust vor Ertragssteuern
Ertragssteuern
= Gewinn/Verlust
Andererseits sollen Abweichungen zum offengelegten
Steuersatz gezeigt werden. Dabei geht es der Fachkommission vor allem darum, dass die Auswirkungen von
Veränderungen aus Verlustvorträgen ersichtlich werden.
Die Ertragssteuern im Verhältnis zum Gewinn vor
Steuern werden in aller Regel vom offengelegten
Steuersatz abweichen. Dabei dürften in erster Linie
steuerliche Verlustvorträge eine Rolle spielen. Folgende
Fälle sind denkbar:
• Verluste des Berichtsjahrs, deren mögliche Steuerfolgen nicht erfasst werden;
• Verwendung steuerlicher Verlustvorträge, deren
mögliche Steuerfolgen nicht erfasst waren;
• Neuerfassung bisher nicht erfasster möglicher Folgen
steuerlicher Verlustvorträge aufgrund einer Neueinschätzung;
• Verfall oder Neueinschätzung steuerlicher Verlustvorträge, deren mögliche Steuerfolgen erfasst waren.
Ein Beispiel zeigt die Zusammenhänge: Bei einem
konsolidierten ordentlichen Gewinn von CHF 9 Mio.
und einem durchschnittlich anzuwendenden Steuersatz
von 22 % wird ein konsolidierter Steueraufwand von
CHF 1’980’000.– erwartet.
Tabelle 5: Zusammensetzung von Gewinn und Steuerauf­
wand
KonzernOrdentlicher
Steuersatz
Steuer­
tochterGewinn in CHF
in %
betrag
gesellschaft
in CHF
A
900’000
10
90’000
B
2’700’000
20
540’000
C
5’400’000
25
1’350’000
Total
9’000’000
22
1’980’000
Kann beim Tochterunternehmen C, das einen Gewinn
von CHF 5,4 Mio. zum Konzerngewinn beiträgt und mit
25 % besteuert wird, ein steuerlicher Verlustvortrag von
CHF 3,16 Mio. angerechnet werden, dessen entsprechende Steuerfolgen bisher nicht erfasst waren, reduziert sich
der auszuweisende Steueraufwand um CHF 790’000.–
(0,25 × 3’160’000) auf CHF 1’190’000.–. Der auszuweisende Steueraufwand beläuft sich auf 13,2 %
(CHF 1’190’000.– geteilt durch das ordentliche Ergebnis
von CHF 9 Mio.). Der Verlustvortrag verringert den
Steueraufwand, der zum durchschnittlich anzuwendenden Steuersatz berechnet wird, um 40 %. Diese Verminderung ist als wesentlich zu qualifizieren und deshalb
offenzulegen.
7 Verbindlichkeiten finanzieller Art
Im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten finanzieller
Art geht es um die Offenlegung von Bewertungsgrundsätzen und Konditionen. Die Offenlegung kann in
Gruppen gleichartiger Instrumente oder einzeln erfolgen
und betrifft beispielsweise den Zinssatz, die Laufzeit
oder die Währung. Zudem soll offengelegt werden, wie
die finanziellen Verbindlichkeiten in der Jahresrechnung
dargestellt werden. Es ist erlaubt, eine Optionsanleihe in
ihren rechnerischen Eigenkapital- und ihren Fremdkapitalbestandteil zu zerlegen und zu erfassen. Die Regelung
für Vermögenswerte finanzieller Art wurde von der
Fachkommission gestrichen.
8 Segmentberichterstattung
Bei diesem Thema unterscheiden sich die Ansichten der
Empfänger der Jahres- oder Konzernrechnung klar von
jenen der Anwender. Die Empfänger befürworten
mehrheitlich eine detailliertere Segmentberichterstattung, weil sie ihnen einen vertieften Einblick in die
Ergebnisse des Unternehmens ermöglicht. Die Anwender
befürchten insbesondere Nachteile im Wettbewerb und
plädieren dafür, dass nur die Segmentumsätze offenzulegen sind. Wettbewerbsnachteile bestehen einerseits
gegenüber privaten Konkurrenten, weil diese keine
Ergebnisse je Segment/Geschäftsbereich offenlegen
müssen; über die Segmentberichterstattung für kotierte
Unternehmen können diese Wettbewerber – wie auch
Kunden und Lieferanten – zu Informationen kommen,
über die sie sonst nicht verfügten. Andererseits bestehen
diese Nachteile auch gegenüber kotierten grösseren
Unternehmen, weil diese die Segmentberichterstattung
auf stark aggregierter Ebene offenlegen können.
Die Fachkommission hat eine Regelung beschlossen,
welche die Argumente beider Seiten berücksichtigt. Die
Segmenterlöse und -ergebnisse sind grundsätzlich
offenzulegen. In begründeten Fällen, wenn etwa
Wettbewerbsnachteile vorliegen und dies erklärt werden
kann, darf ein Unternehmen auf den Ausweis der
Segmentergebnisse verzichten. Die Begründung ist
im – prüfungspflichtigen – Anhang der Jahres- oder
Konzernrechnung offenzulegen.
Oft wurde in der Vernehmlassung argumentiert, durch
die Forderung nach einer Segmentberichterstattung
entstünden zusätzliche Kosten für die Unternehmen.
Dieses Argument findet die Fachkommission nicht
stichhaltig, weil Unternehmen zur Steuerung ihres
Geschäfts eine interne Berichterstattung an die oberste
Leitungsebene (Verwaltungsrat, Konzern- oder Geschäftsleitung) benötigen. Für die Offenlegung der
Segmente und Segmentergebnisse müssen die
Unternehmen auf diese interne Berichterstattung
zurückgreifen. Dies gilt auch dann, wenn die Segmentrechnung für einzelne Segmente/Geschäftsbereiche
beispielsweise aufgrund von Zurechnungsproblemen
nicht bis zum ordentlichen Ergebnis geführt wird. Die
interne Segmentrechnung muss für die Offenlegung
nach FER 31 nicht ergänzt werden. Auch ist in solchen
Fällen keine Erläuterung erforderlich. Es muss eine
Überleitung zwischen dem ausgewiesenen Segmentergebnis und der entsprechenden Grösse der Erfolgsrechnung offengelegt werden.
Wenn ein Unternehmen ohne interne Segmentberichterstattung geführt wird, ist auch keine solche offenzulegen. Diese Situation kann beispielsweise bei einem
Unternehmen vorkommen, das in wirtschaftlich gleichen
Sparten tätig ist. Im Interesse eines besseren Verständnisses der Jahres- oder Konzernrechnung empfiehlt sich
eine entsprechende Erläuterung im Anhang.
9 Zwischenberichterstattung
Swiss GAAP FER 12 «Zwischenberichterstattung» wird
gestrichen, weil deren Bestimmungen in die «Ergänzende Fachempfehlung für kotierte Unternehmen» integriert
wurden. Die mit Beteiligungsrechten kotierten Unternehmen müssen ihre Zwischenberichte nach FER 31
erstellen. Alle übrigen Organisationen – einschliesslich
die mit Forderungsrechten kotierten Unternehmen –
können freiwillig eine Zwischenberichterstattung nach
dieser Fachempfehlung erstellen.
Fazit
Unternehmen, die ihre Rechnungslegung von den IFRS
auf die Swiss GAAP FER umgestellt haben, müssen
weniger Offenlegungsanforderungen erfüllen als dies
gemäss IFRS der Fall wäre; teilweise verlangen beide
Regelwerke aber dieselben Offenlegungen. Die Komplexität und der Umfang der Regelungen der Swiss GAAP
FER sind geringer – die Aussagekraft der Jahres- oder
Konzernrechnung bleibt aber erhalten.
Die «Ergänzende Fachempfehlung für kotierte Unternehmen» stellt aus Sicht der Fachkommission Swiss GAAP
FER eine massvolle Erweiterung für einen klar abgrenzbaren Kreis der Swiss-GAAP-FER-Anwender dar.
Aufgrund der erhöhten Bedeutung der Finanzberichterstattung für den Kapitalmarkt ist eine Anpassung der
Regelungen für kotierte Unternehmen vertretbar. Ihnen
soll eine verlässliche und stabile Grundlage der Rechnungslegung zur Verfügung gestellt werden.
Juni 2013
Disclose
37
Schweizer Prüfungs­standards
auf internationalem Niveau
Für ordentliche Revisionen von
obligationenrechtlichen Abschlüssen
der Geschäftsjahre 2013 gelten die
überarbeiteten Schweizer Prüfungsstandards. Die Abschlussprüfung in
der Schweiz erfüllt damit die international üblichen Qualitätsanforderungen.
Stefan Haag
Director, Wirtschaftsprüfung
[email protected]
Die grossen Unternehmenszusammenbrüche
um die Jahrtausendwende (z.B. Enron)
führten auch zu Kritik an der Rolle der
Abschlussprüfer. Als Reaktion darauf
wurden im Rahmen des sogenannten
«Clarity-Projekts» die international anwendbaren Prüfungsnormen (International
Standards on Auditing, kurz ISA) grundlegend überarbeitet. Dies führte mit ISA 265
«Mitteilungen über Mängel im internen
Kontrollsystem an die für die Überwachung
Verantwortlichen und das Management» zu
einem neuen Prüfstandard und zur inhaltlichen Überarbeitung von 16 bestehenden
Standards. Die «clarified ISA» müssen bereits
für IFRS-Abschlüsse ab dem Jahr 2010
angewendet werden; in der Schweiz
hingegen gelten für die ordentliche Revision
von Abschlüssen nach dem Obligationenrecht immer noch die Schweizer Prüfungsstandards (PS), die auf den «pre-clarified
ISA» mit Stand von 2003 basieren.
Um eine international vergleichbare
Prüfungsqualität zu gewährleisten, verpflichtet sich der schweizerische Berufs-
stand, die international gültigen Prüfungsnormen zu übernehmen. Für ordentliche
Revisionen von Jahresrechnungen, die nach
dem 15. Dezember 2013 abschliessen, gelten
deshalb auch in der Schweiz die «clarified
ISA». Die Treuhand-Kammer hat die PS
entsprechend überarbeitet. Diese beinhalten
nach wie vor Ergänzungen für spezifisch
schweizerische Gegebenheiten (z.B. PS 290
«Pflichten der gesetzlichen Revisionsstelle
bei Kapitalverlust und Überschuldung»,
PS 890 «Prüfung der Existenz des internen
Kontrollsystems»). Für die eingeschränkte
Revision gilt auch in Zukunft der «Standard
zur Eingeschränkten Revision». Dieser
wurde nicht angepasst. Nachstehend sind die
wesentlichen Neuerungen der überarbeiteten PS sowie die Auswirkungen auf die
Prüfungsdurchführung und die Berichterstattung erläutert.
(Neue) Prüfungsnormen richten sich
selbstredend hauptsächlich an den Prüfer.
Nach den überarbeiteten PS soll eine
Abschlussprüfung noch bewusster mit einer
kritischen Grundhaltung durchgeführt
werden. Zudem verlangen die neuen PS
umfassendere Prüfungsdokumentationen
über die Risikobeurteilung des Abschlussprüfers bzw. generell über die Prüfnachweise. Bei der Prüfung von Konzernen steigen
die Anforderungen an den Konzernprüfer
hinsichtlich der Instruktion und der
Überwachung der Teilbereichsprüfer. Dies
wird mitunter dazu führen, dass der
Die Schweizer Prüfungsstandards 2013 im Überblick
Die überarbeiteten PS umfassen rund 900 Seiten. Wie unten stehende Übersicht zeigt,
gliedern sich die insgesamt 44 Standards thematisch in sieben Teilbereiche:
38
Disclose
Juni 2013
PS 200 bis PS 290
Allgemeine Grundsätze und Verantwortlichkeiten (9 Standards)
PS 300 bis PS 450
Risikobeurteilung und Reaktion auf beurteilte Risiken (6 Standards)
PS 500 bis PS 580
Prüfungsnachweise (11 Standards)
PS 600 bis PS 620
Verwertung der Arbeit anderer (3 Standards)
PS 700 bis PS 720
Schlussfolgerungen der Abschlussprüfung und Erteilung des
Vermerks (6 Standards)
PS 800 bis PS 890
Besondere Bereiche (5 Standards)
PS 910 bis PS 940
Weitere Dienstleistungen (4 Standards)
Nach den überarbeiteten Schweizer Prüfungsstandards
soll eine Abschlussprüfung noch bewusster mit einer
kritischen Grundhaltung durchgeführt werden.
Gruppenprüfer sich noch eingehender mit
dem Teilbereichsprüfer austauscht, was
vermehrte Besuche bei wesentlichen
Tochtergesellschaften bzw. deren Prüfern
miteinschliesst. Die neuen PS beeinflussen
folglich die Arbeitsweise des Abschlussprüfers und damit auch seine Zusammenarbeit
mit den geprüften Unternehmen. Von
Relevanz sind in diesem Zusammenhang die
Änderungen bei der Prüfung von Schätzungen und von Beziehungen mit nahestehenden Personen sowie die Berichterstattung.
Schätzungen in der Rechnungslegung
Eine wesentliche Änderung erfuhr PS 540,
der sich mit der Prüfung von geschätzten
Werten in der Jahresrechnung befasst. Im
Rahmen seiner Risikobeurteilung muss der
Prüfer beurteilen, wie das Management zu
schätzende Werte ermittelt, und sich
insbesondere ein Bild darüber machen, wie
das Management die Auswirkungen von
Schätzungsunsicherheiten im Abschluss
einstuft. Als Mittel zur Bestimmung,
Überwachung und Dokumentation solcher
Schätzunsicherheiten kann das Management
beispielsweise Sensitivitätsanalysen oder
Szenarien einsetzen; damit lässt sich
aufzeigen, inwiefern ein geschätzter Wert
von einzelnen Faktoren bzw. von deren
Änderung abhängt. Gemäss PS 540 beurteilt
der Prüfer auch Anzeichen einer möglichen
Einseitigkeit des Managements bei Schätzungen. Es geht dabei um eine Einschätzung
des Prüfers, ob Entscheidungen des Managements einseitig geprägt sind, auch wenn
diese in einer Gesamtwürdigung noch keine
falsche Darstellung ausmachen. Dabei muss
der Prüfer abwägen, ob eine mögliche
Einseitigkeit einen Einfluss auf die Risikobeurteilung oder andere Prüfungsgebiete
haben könnte.
Der geänderte PS 540 sieht zudem vor, dass
der Prüfer Schätzwerte aus früheren
Perioden mit den effektiv eingetretenen
Werten in den Folgeperioden vergleicht. Die
daraus gewonnenen Erkenntnisse bezieht
der Prüfer in seine Beurteilung einer
möglichen falschen Darstellung von
Schätzungen in der zu prüfenden Periode
mit ein.
Dies alles dürfte dazu führen, dass weitergehende Prüfungshandlungen in Bereichen
vorgenommen werden, die wesentlich von
Schätzungen abhängen (z.B. Rückstellungen, Impairment Tests). Entsprechend
steigen auch die Anforderungen an Art und
Umfang der Nachweise, die das geprüfte
Unternehmen von solchen Positionen
erstellen muss.
Beziehungen mit nahestehenden Personen
In eine ähnliche Richtung gehen auch die
Anforderungen an die Prüfung und die
Dokumentation von Beziehungen zu
nahestehenden Personen (PS 550). Bei
Transaktionen mit nahestehenden Personen
besteht aufgrund der subjektiven Verbindung zum Unternehmen ein erhöhtes Risiko
von Falschaussagen im Abschluss. Aus
diesem Grund und weil solche Transaktionen oft unter nicht marktüblichen Konditionen abgewickelt werden, schreiben die
Standards vertiefte Prüfungshandlungen
vor. Insbesondere sind Befragungen des
Managements zu Transaktionen mit nahestehenden Personen vorgesehen, was selbstverständlich den Prüfungsaufwand erhöht.
Berichterstattung
Mit Blick auf die Berichterstattung gilt es
primär, die angepasste Struktur, aber auch
die Terminologie des zusammenfassenden
Berichts an die Generalversammlung zu
erwähnen. Nach den neuen PS sind Einschränkungen des Prüfungsurteils, Hinweise
auf Gesetzesverstösse oder Hervorhebung
von Sachverhalten in der Jahresrechnung
(z.B. zu Unsicherheiten in Bezug auf die
Unternehmensfortführung) neu in eigenen,
mit einer Überschrift gekennzeichneten
Absätzen aufzuführen. Dies erleichtert es
dem Berichtsleser, solche «Abweichungen
vom Normalwortlaut» leichter zu erkennen.
Der neue PS 265 schreibt dem Prüfer vor,
dass er Mängel, die er bei der Prüfung des
internen Kontrollsystems (IKS) feststellt,
«den für die Überwachung Verantwortlichen
und dem Management in geeigneter Weise»
mitteilt. Für die Prüfungspraxis in der
Schweiz wird PS 265 wenig Neues bringen,
da der Prüfer bei ordentlichen Revisionen
bereits jetzt gesetzlich verpflichtet ist, dem
Verwaltungsrat seine Feststellungen zum
IKS in einem umfassenden Bericht schriftlich
zu kommunizieren.
Schlussfolgerung
Mit der Übernahme der «clarified ISA» durch
den schweizerischen Berufsstand werden in
Zukunft alle ordentlichen Revisionen nach
aktuellen, international anerkannten
Standards durchgeführt. Dies garantiert
weiterhin eine hohe Qualität der Abschlussprüfung in der Schweiz. Aufgrund der
überarbeiteten Standards steigen die
Anforderungen an den Prüfer und der
Prüfungsaufwand. Ebenso erhöhen sich die
Anforderungen an die Dokumente, die das
zu prüfende Unternehmen vorbereiten muss;
dies gilt vor allem für die Schätzungen in der
Rechnungslegung und hinsichtlich der
Beziehungen zu nahestehenden Personen.
Juni 2013
Disclose
39
Das Rahmenwerk
zum Integrated Reporting
erlaubt Flexibilität
Mitte April 2013 hat das «International Integrated
Reporting Council» (IIRC) den Entwurf zu einem
Rahmenwerk für die integrierte Berichterstattung
veröffentlicht. Interessierte Kreise können bis zum
15. Juli 2013 Stellung dazu beziehen. Die definitive
Version des Rahmenwerks soll im Dezember 2013
publiziert und regelmässig aktualisiert werden.
«Integrated Reporting» ist eine
vernetzte Form der Unternehmensberichterstattung, die den
Fokus darauf richtet, wie ein
Unternehmen kurz-, mittel- und
langfristig Wert schafft. Dazu
stellt sie Verbindungen zwischen
der Unternehmensstrategie, der
Corporate Governance, den
Werttreibern, der finanziellen
Performance und den externen
Rahmenbedingungen her. Die
Informationen eines integrierten
Berichts müssen wesentlich sein
und Aufschluss über die Zukunft
des Unternehmens geben (vgl.
hierzu die Disclose-Ausgabe vom
Juni 2012).
Der «Consultation Draft of the
international <IR> Framework»
ist mit Spannung erwartet
worden. Er basiert auf dem
Diskussionspapier «Towards
Integrated Reporting – Communication Value in the 21st
Century» vom Herbst 2011.
Eingeflossen sind unter anderem
die Reaktionen auf dieses
Diskussionspapier, die Vorschläge von Arbeitsgruppen und vor
allem ein Pilotprojekt, an dem
40
Disclose
Juni 2013
mehr als 85 Unternehmen rund
um den Globus und über 30 institutionelle Investoren teilgenommen haben.
Konzept, Leitlinien und
Inhaltselemente
Ziel des Rahmenwerks ist es, den
Unternehmen eine Hilfestellung
für den Aufbauprozess einer
integrierten Berichterstattung zu
bieten. Das Rahmenwerk ist
klarer und detaillierter formuliert als das Diskussionspapier.
Das grundlegende Konzept
konzentriert sich auf
• die Ressourcen, die ein
Unternehmen nutzt oder
beeinflusst; dabei handelt es
sich um finanzielle Mittel,
Produktionsmittel, intellektuelles Kapital, Mitarbeiter,
Gesellschaft und Beziehungen sowie natürliche
Ressourcen;
• das Geschäftsmodell und
• die Wertschöpfung im
Zeitverlauf.
Rolf Johner
Partner, Wirtschaftsprüfung
[email protected]
Wie schon in dem zitierten
Diskussionspapier aus dem Jahr
2011 konkretisiert das IIRC die
integrierte Berichterstattung mit
Leitlinien (Guiding Principles)
und Inhaltselementen (Content
Elements), wenngleich diese nun
etwas anders gewichtet und
geordnet sind. Mit den «Guiding
Principles» setzt das IIRC
sozusagen die Leitplanken für
den Inhalt und die Struktur
eines Integrated Reporting. Den
sechs Prinzipien folgend, muss
eine integrierte Berichterstattung
• den Fokus auf die Strategie
und die Zukunft des Unternehmens richten;
• die einzelnen Informationen
in einen Zusammenhang
stellen;
• auf die Informationsbedürfnisse der Stakeholder
eingehen;
• an den Prinzipien der Wesentlichkeit und Prägnanz
ausgerichtet sein;
• verlässlich und vollständig
sein;
• Konsistenz und Vergleichbarkeit gewährleisten.
Entscheidend ist die integrierte Denkweise, die stets
die Querverbindungen zwischen den verschiedenen
Unternehmensfunktionen, den unterschiedlichen
Ressourcen und der Wertschöpfung berücksichtigt.
Die einzelnen Inhaltselemente
dürfen nicht isoliert gesehen
werden, sondern müssen in das
grundlegende Konzept eingebettet und an den Leitlinien
ausgerichtet sein. Dadurch wird
die Bandbreite der Berichterstattung grösser, als die sieben
Inhaltselemente zunächst
vermuten lassen; sie erstreckt
sich über die finanziellen und
nichtfinanziellen Werttreiber,
die Abhängigkeit des Unternehmens von Ressourcen und
Beziehungen, eine langfristige
Perspektive und die Angleichung
von interner und externer
Berichterstattung. Das Rahmenwerk verlangt die folgenden,
miteinander zu vernetzenden
Inhaltselemente:
• organisatorischer Überblick
und äusseres Umfeld
• Governance
• Chancen und Risiken
• Strategie und Ressourcenallokation
• Geschäftsmodell
• Performance
• Ausblick
Ein eigenes Kapitel widmet das
IIRC der Vorbereitung und der
Präsentation eines integrierten
Berichts. Thematisiert werden
darin unter anderem die
Häufigkeit der Berichterstattung,
die Vorgehensweise zur
Bestimmung der Wesentlichkeit
von Informationen und die
Abgrenzung des Kreises der in
die Berichterstattung einbezogenen Einheiten.
Flexibilität in der Anwendung
Anders als in einigen Stellungnahmen befürchtet, hat das IIRC
kein starres Rahmenwerk
vorgelegt, da dies zum jetzigen
Zeitpunkt für die meisten
Unternehmen verfrüht wäre,
sondern ein Konzept, das
Flexibilität in der Anwendung
erlaubt. Aus der Sicht von PwC
sind drei Punkte positiv hervorzuheben:
• Das Rahmenwerk folgt einem
prinzipienbasierten Ansatz
und macht keine Vorgaben
zur Messung oder Offenlegung einzelner Sachverhalte
oder zur Identifikation von
Schlüsselindikatoren.
Entscheidend ist die integrierte Denkweise, die stets die
Querverbindungen zwischen
den verschiedenen Unternehmensfunktionen, den
unterschiedlichen Ressourcen und der Wertschöpfung
berücksichtigt.
• Das Rahmenwerk geht davon
aus, dass jene, die dem
Unternehmen Finanzkapital
zur Verfügung stellen, die
Hauptadressaten eines
integrierten Berichts sind,
unterstreicht indes zugleich,
dass eine integrierte Berichterstattung zum Vorteil aller
Stakeholder sein müsse. Dies
ermöglicht ein praktikables
und schrittweises Vorgehen,
das sich zunächst auf die
Investoren und deren
Informationsbedürfnisse
konzentriert. Zu einem
späteren Zeitpunkt kann die
integrierte Berichterstattung
um Informationen erweitert
werden, die von besonderer
Relevanz für andere Anspruchsgruppen sind.
• Die Offenlegung erfolgt nach
dem Prinzip «indicate or
explain». Das heisst, die
Anwender sollten alle wesentlichen Anforderungen des
Rahmenwerks erfüllen.
Sprechen wichtige Gründe
gegen die Publizität gewisser
Informationen – etwa
mangelnde Verlässlichkeit der
Daten oder gesetzliche
Restriktionen – so sollte das
Unternehmen die Adressaten
darauf aufmerksam machen
und erklären, weshalb diese
Informationen fehlen. Damit
folgt das IIRC einem ähnlichen Grundsatz («comply or
explain»), wie er heute in der
Berichterstattung zur
Corporate Governance üblich
ist.
Das Rahmenwerk des IIRC
könnte die «Berichterstattung
der Zukunft», wie das Integrated
Reporting auch bisweilen
genannt wird, einen guten
Schritt voranbringen. Das IIRC
(http://www.theiirc.org) ist ein
hochkarätiges Gremium, in dem
auch standardsetzende Institutionen wie das International
Accounting Standards Board
(IASB) oder das Financial
Accounting Standards Board
(FASB) mitwirken, also jene
Institutionen, welche die IFRS
beziehungsweise die US GAAP
herausgeben. Deren Arbeit bleibt
von einem Rahmenwerk zum
Integrated Reporting nicht
unberührt. Schliesslich soll die
integrierte Berichterstattung
nicht neben, sondern an die
Stelle der heute üblichen Form
der Unternehmensberichterstattung – einschliesslich der
Finanzberichterstattung – treten.
Juni 2013
Disclose
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