Auf Den Spuren Von Donna Leons Romanen Krimi Schauplätze In

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Auf Den Spuren Von Donna Leons Romanen Krimi Schauplätze In
Auf Den Spuren Von Donna Leons Romanen Krimi
Schauplätze In Venedig
by Katharina Holtmann
In einigen Fragen überlegen und vor allem mit einem sehr guten Stadtplan gehen ELISABETH HOFFMANN, KARLL. HEINRICH den Spuren Brunettis nach (Brunettis Venezia. Brunettis Weg zur Arbeit. Brunettis Familie. Brunettis
Bars und Restaurants. Brunettis Leichen I/II. Vaporetto-Tour). Das Material erscheint im Selbstverlag und ist nur
über www.brunettistadtplan.de erhältlich. Auch auf der Internet-Seite http://www.groveatlantic.com/grove/le...
gibt es Hinweise zu Brunetti-Schauplät­zenin Venedig.
Von allen Brunetti-Spurensuchern würde ich mir aber auch wünschen, daß sie widersprüchlichen Angaben und
Fehlern in den Romanen und Filmen nachgehen.
Hier einige Anregungen:
Während die Roman-Questura am Canal S.Marco (solche einen Kanal gibt es in Venedig nicht- die
Wegbeschreibungen passen auf die FONDAMENTA DI S.LORENZO Nr. 5053, wo das Commissiariato di P.S.
S.Marco der Polizia di Stato ist, das in einigen Stadtplänen tatsächlich falsch als Questura=Polizeipräsidium
ausgewiesen wird - S. 135: "örtliche Polizeiwache" ist aber auch nicht ganz richtig) sei, befindet sich die TVQuestura (jedenfalls in der Außenansicht) im Palazzo Gritti o della Nunziatura. Während die Filmaufnahmen einen
durch Säulen abgetrennten Hof vor dem Polizeipräsidium suggerieren, handelt es sich dabei tatsächlich um die
durch große Säulen abgestützte Brücke (cavalcavia), die vom Palazzo Gritti o della Nunziatura zur Kirche San
Francesco della Vigna führt. Sie wurde im 19. Jahrhundert nach einem Entwurf von G.A. PIGAZZI gebaut. Der Palast
(nicht zu verwechseln mit dem Hotel Gritti Palace, San Marco 2467) war Residenz des PÄPSTLICHEN NUNTIUSaktuell ist er faktisch ein einfaches Wohngebäude in einem beklagenswerten baulichen Zustand.
Kommissar Brunettis Chef, Vice-Questore Giuseppe Patta, hält in den Romanen gern eine morgendliche
Kaffeestunde im Hotel Gritti Palace oder im Caffè Florian, was in den Filmen wohl aus Kostengründen ausfällt
Kommissar Brunettis Chef, Vice-Questore Giuseppe Patta, hält in den Romanen gern eine morgendliche
Kaffeestunde im Hotel Gritti Palace oder im Caffè Florian, was in den Filmen wohl aus Kostengründen ausfällt
(dafür glänzt Patta immer wieder mit selten dümmlichen Auftritten). Auch das bei Gelegenheit von Patta gern
genommene Bad im 600-Quadratmeter-Pool (das Meerwasser wird konstant auf 28 Grad gehalten) des Hotel
Cipriani, das man als Nicht-Hotelgast natürlich auch teuer bezahlen muß, wäre für Filmaufnahmen wohl zu
kostspielig gewesen. Wie er die nicht billigen Kaffeestunden und seine Mittagessen im exorbitant teuren
Restaurant Harry's Bar oder im ebenso teuren Hotel Cipriani auf GIUDECCA dauerhaft finanziert, bleibt ein Rätsel.
KATHARINA HOLTMANN weist wenigstens auf die Preise hin. Was die Einkommen angeht erfährt man bei DONNA
LEON lediglich, daß Brunetti "über drei Millionen Lire im Monat" verdiene (Venezianisches Finale, 1993). Das wäre
für einen Commissario ein sehr mickriges Gehalt von umgerechnet weniger als 1.500 . Ich will zumindest
annehmen, daß sein Chef ein wenig besser bezahlt wird. Wieso gibt es eigentlich keine Roman- und FilmfigurenGewerkschaft, die sich dafür einsetzt, daß Filmfiguren mit nachträglichen Gehaltserhöhungen einen angemessen
Anteil am Gewinn späterer Auflagen erhalten? Auch gegen das Mobbing durch Patta und die Bespitzelungen
durch Tenente Scarpa könnte Brunetti etwas gewerkschaftliche Hilfe gebrauchen.
Es wäre auch mal der enorme Zeitaufwand aufzuklären, den Patta, Brunetti und dessen Frau für ihre
Mittagspausen aufwenden. Wie kriegt das Brunettis Frau eigentlich hin, ihrem Job als Universitätsdozentin so viel
Zeit für Einkäufe auf dem Markt und mittägliches Kochen, das teilweise abends noch aufwendig vorbereitet
werden muß (Rezepte bei HOLTMANN), abzugewinnen? Brunettis Weg von der Questura zum Mittagessen nach
Hause und wieder zurück (die Beschreibungen in den verschiedenen Büchern passen nicht immer zusammen),
erfordert schon eine erheblich ausgedehnte Mittagspause, was nur noch von seinem Chef übertroffen wird: Von
der Questura nahe San Lorenzo oder - wie man will - nahe San Francesco della Vigna muß man zunächst zum
Vaporetto-Anleger S.Zaccharia laufen, um dann zum Hotel Cipriani auf GIUDECCA überzusetzen. Auch wenn Patta
vielleicht heimlich, davon ist nicht die Rede, das Privileg der Hotelgäste genießt, mit einem Motorboot vom Steg
des Hotel Cipriani nahe des Markusplatzes (dort ist wie an einer Haustür auch eine Klingel) und retour übergesetzt
zu werden, verkürzt sich die Wegezeit nur unwesentlich. Patta benutzt für seine Mittagspausen aber gelegentlich
ein Dienstboot: das ist Amtsmißbrauch! Es "müssen sich sogar Amtspersonen wie der Präfekt, der
Polizeikommandant oder der Regionalpräsident rechtfertigen, wenn sie allzu oft ihre Dienstboote benutzen, statt
zu Fuß zu gehen," schreibt Dirk Schümer (Leben in Venedig. München/Zürich 32006, S 188). Der Weg zum Hotel
Cipriani und zurück, das Mittagsmahl im vornehmen, daher zeitaufwendigeren Restaurant und ein Bad im Pool
dürften in nicht unter drei bis vier Stunden zu machen sein. Aber glücklicherweise besteht Pattas Arbeit neben
abwegigen "Hinweisen" für Brunetti ja ohnehin nur darin, etwa seinen Schreibtisch (wozu braucht er den
überhaupt?) hin- und herrücken zu lassen. Daher kann er auch gegen vier seinen verdienten Feierabend"
(Venezianisches Finale) antreten. Und: Roman-/Film-Figuren bewegen sich ja gewöhnlich, wenn auch nicht mit
Lichtgeschwindigkeit, so doch wenigstens mit nicht viel geringerer Gedankengeschwindigkeit.
Gelegentlich speisen Brunetti und sein piedipiatto Vianello in der "Bar an der Brücke": Man hat nahe der RomanQuestura einigermaßen Auswahl, welche (fünf Restaurants und drei Brücken) es hier wohl sein könnte. Da aber die
am FONDAMENTA DI S.LORENZO gelegenen Ristorante für stolze Preise ein vorzügliches Essen servieren, muß es
sich wohl tatsächlich um die Crazy Bar (FONDAMENTA DELL'OSMARIN 4977, allerdings nicht, wie es S. 135 heißt,
an der "nächsten Brücke", sondern an der dritten, der PONTE DEI OSMARIN- die POTE DEI GRECI ist von der
Questura aus die zweite Brücke. Auch S. 123 ist die Ortsangabe widersprüchlich.) handeln, denn sie nähmen da
"wirklich kein richtiges Mittagessen" (S. 123). Wenn ich Betreiber dieser Bar wäre, würde ich wahrscheinlich
KATHARINA HOLTMANN oder DONNA LEON wegen Geschäftsschädigung verklagen (die ladungsfähige Adresse
würde ich schon irgendwie in Erfahrung bringen), hätte aber wohl kaum Aussicht auf Erfolg, denn es wird ja nicht
gesagt, daß die Qualität der gebotenen Speisen hier nicht gut sei. Toni Sepeda belehrt uns, daß seit dem letzten
vermeintlichen Besuch von Brunetti "das frühere Ai Greci heute mit grünflimmernden Neonlichtern unter dem
Namen Greci Moka Efti Crazy Bar ein hippes Publikum anlockt, zwischen dem die Mitarbeiter der Questura sich
sicher gewiß nicht mehr wohl fühlen würden" (Mit Brunetti durch Venedig. Zürich 2008, S. 232). Da würde ich mich
also mit lautem Mediengetöse wohl eher schadenersatzfordernd an die ehemalige Kollegin und Freundin von
Donna Leon halten.
Daß Brunetti und sein Plattfuß in der "Bar am Ponte dei Greci" (Donna Leon: Endstation Venedig, 1994) - aber da
ist sie eben genau nicht - frustriert jede Menge Panini und Tramezzini" essen und "dazu einen Liter Wein, ... Caffè
und gelegentlich noch ein(en) Grappa" in sich hineinschütten (tracannare), liegt ja nun offensichtlich nicht an der
Lokalität. Und daß dies "wirklich kein richtiges Mittagessen" (pranzo) ist, läßt sich auch nicht - oder vielleicht doch?
- bestreiten, denn zu Mittag beläßt man es in Italien meist bei panini oder tramezzini, während ein ordentliches
italienisches Essen ein Abendessen (cena) mit antipasti, primo, secondo, vino/aqua, dolce, caffè (bitte niemals mit
cappucino abschließen!) ist (aber das zu wissen, kann man von einer Amerikanerin ja nicht verlangen). Bei diesem
- bestreiten, denn zu Mittag beläßt man es in Italien meist bei panini oder tramezzini, während ein ordentliches
italienisches Essen ein Abendessen (cena) mit antipasti, primo, secondo, vino/aqua, dolce, caffè (bitte niemals mit
cappucino abschließen!) ist (aber das zu wissen, kann man von einer Amerikanerin ja nicht verlangen). Bei diesem
Usus, ausgiebig zu Abend zu essen, ist wohl das umfangreichre Essen der Arbeiter nach Arbeitschluß und die
demonstrative Übung der Wohlhabenden, ausgiebig Nachtmahl zu halten, zusammengeflossen.
Noch ein paar Korrekturhinweise: Die Bemerkung "Casanova hat schließlich auch nicht gelesen" (S. 16) ist ebenso
unverständlich wie falsch. Die Grabmähler in Zanipolo sind keine "Nekropolen" (S. 44), die FONDAMENTA NUOVA
liegt nicht "am Meer" (S. 46), der S. 68 gemeinte Kanal heißt RIO DELLA TETTA. S. 86 wird suggeriert, NAPOLÈON
hätte in dem nach ihm benannten Gebäudeteil am MARCUSPLATZ gewohnt (dafür war er niemals vorgesehen,
sondern der ließ hier einen Ballsaal bauen): er hat ihn fertig niemals gesehen. Auch daß die Giardinetti Reali "nach
Napoleon niemand mehr besonders beachtete" (S. 99), ist so nicht richtig. Allerdings wäre es wünschenswert, daß
sie bald gründlich restauriert werden. S. 101 heißt es ohne Quellenangabe, daß die Insassen des Klosters Le Zitelle
auf GIUDECCA "als erste die berühmten Spitzen Punto-in-aria hergestellt" hätten: Das wäre historisch sehr
interessant, wenn es stimmt, denn die genähten Spitzen Punto-in-aria wurden typischerweise von den
Fischersfrauen auf BURANO hergestellt, während auf GIUDECCA und PELLESTRINA traditionell Spitzen geklöppelt
wurden (ich vermute hier eine dritte Entstehungslegende zu den zweien, die es bereits für die Burano-Spitzen
gibt). Der doppelte Espresso heißt caffè doppio (S. 170), nicht doppio caffè - letzteres könnte man als etwas
unbeholfenen Ausdruck für zwei Espressi (due caffè normale) mißverstehen, der Kaffee-Inhalt ist freilich in beiden
Fällen gleich - nur eben in einer oder in zwei Tassen. Und man sollte auch raten, bei jeder Bestellung
höflicherweise ein per favore hinzuzufügen.

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