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Forum der Forschung 21/2008: 111-118
BTU Cottbus, Eigenverlag, ISSN-Nr.: 0947 - 6989
Integrative Stadtentwicklungs- und Umweltplanung zur Anpassung an die Folgen des globalen Klimawandels in Ho Chi
Minh City – Anpassungsstrategien für eine klimagerechte und
energieeffiziente Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung
Volker Martin1, Ronald Eckert1, Michael Schmidt2, Harry Storch2
1 Lehrstuhl Stadtplanung und Raumgestaltung
2 Lehrstuhl Umweltplanung
Kurzfassung
levels of current urban development planning. The overall goal of the
research project „Integrative Adaptation Planning Framework for
Climate Change in the Urban Environment of Ho Chi Minh City“, funded by the Federal Ministry of Education and Research (BMBF), is to
develop strategies for adapting urban land, urban structures and
urban development concepts, to minimize or avoid impacts of climate change. The Action Field „Urban Environment“ will evaluate the local impacts of climate change as well as their spatial manifestation.
The Action Field „Urban Development“ will develop strategies for
adapting the urban built environment.
In allen globalen Ländervergleichsstudien wird Vietnam als Land aufgeführt, das aufgrund der topografischen Lage vom Klimawandel zukünftig extrem gefährdet ist. Besonders betroffen ist die Metropole
und das Wirtschaftszentrum Ho Chi Minh City (HCMC) nördlich des
Mekong-Deltas. HCMC hat heute schon mit klimabedingten Problemen
zu kämpfen, deren Wirkungen durch Fehler in der Steuerung des rasanten Stadtwachstums, in der räumlichen Stadtplanung sowie im
städtischen Infrastrukturmanagement verursacht oder verstärkt werden. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind eine fundierte Auseinandersetzung mit den Konsequenzen für die Stadtentwicklung
und ein substanzielles Gegensteuern auf allen Ebenen der heutigen
Stadtentwicklungsplanung notwendig. Das übergeordnete Ziel des
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsvorhabens „Integrative Stadtentwicklungs- und Umweltplanung zur Anpassung an die Folgen des globalen Klimawandels in
Ho Chi Minh City“ ist die Entwicklung von Strategien zur Anpassung
städtischer Flächen, Strukturen und Stadtentwicklungskonzepte an
Klimaveränderungen, um Klimafolgen zu minimieren oder zu vermeiden. Das Handlungsfeld „Urban Environment“ bewertet die lokalen Folgen des Klimawandels sowie ihre räumliche Ausprägung. Das Handlungsfeld „Urban Development“ entwickelt Strategien zur Anpassung
des gebauten städtischen Raums.
1
Forschung zum Klimawandel
zwischen Adaptation und Mitigation
Seit der Veröffentlichung des vierten Sachstandberichtes des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) 2007 sind zwei wesentliche Aussagen des Berichtes mehrfach in den Medien zitiert worden,
die damit eine kontroverse Debatte in Politik und Öffentlichkeit angestoßen haben: „Der Klimawandel findet statt“ und „der Mensch ist einer der Hauptverursacher“ (IPCC, 2007a). Verbesserte Verfahren und
umfangreiche Datenanalysen bieten heute belastbare Aussagen zu tatsächlich stattfindenden Klimaveränderungen, wie dem Anstieg der
mittleren globalen Luft- und Meerestemperaturen, dem beschleunigten Abschmelzen von Schnee und Eis, dem Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels und veränderten Niederschlagsmengen. Ein
Großteil dieser beobachteten Veränderungen ist „sehr wahrscheinlich“
durch den nachgewiesenen Anstieg der anthropogenen Treibhausgaskonzentrationen verursacht (IPCC, 2007b). Die im Bericht vorgestellten Projektionen zur zukünftigen Veränderung des Klimas gehen
selbst in den optimistischsten Szenarien von einer weiteren Erwärmung und einer weiteren Zunahme folgenschwerer Wetterextreme
aus. Die Szenarien betonen damit auch die Notwendigkeit für ein verstärktes Gegensteuern auf allen Ebenen sowie eines weiteren systematischen Forschungs- und Beobachtungsbedarfes (IPCC, 2007b).
Abstract
All global comparative country studies list Vietnam as a country
which will be extremely vulnerable to climate change in the future because of its topography. The metropolis and economic centre Ho Chi
Minh City (HCMC) north of the Mekong Delta is particularly affected.
Even today, HCMC has to struggle with climate-related problems whose impacts are brought about or intensified by flaws in managing rapid urban growth, in spatial urban planning and in urban infrastructure management. Against the background of climate change, it is necessary to carry out a well-founded examination of the consequences
for urban development as well as substantial countermeasures on all
Die Forschung zum Klimawandel beruht auf zwei Schwerpunkten:
dem Klimaschutz, der Vermeidung (Mitigation) weiterer Klimaverände-
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Integrative Stadtentwicklungs- und Umweltplanung zur Anpassung an die Folgen
des globalen Klimawandels in Ho Chi Minh City – Anpassungsstrategien für eine
klimagerechte und energieeffiziente Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung
Volker Martin1, Ronald Eckert1, Michael Schmidt2, Harry Storch2
1 Lehrstuhl Stadtplanung und Raumgestaltung
2 Lehrstuhl Umweltplanung
rungen durch den Menschen und dem Schutz vor Klimawirkungen, der
Anpassung (Adaptation) an die Folgen des Klimawandels. Unter Mitigation wird die Entwicklung neuer Technologien verstanden, die auf einen geringeren Ressourceneinsatz und geringere Emissionen abzielen,
während unter Adaptation Maßnahmen zur Verringerung der Empfindlichkeit natürlicher und menschlicher Systeme gegenüber Auswirkungen der Klimaveränderungen zusammengefasst werden (IPCC, 2007b).
Als Beispiel können der Bau und die Erhöhung von Deichen oder der
Einsatz von temperatur- und dürreresistenteren Pflanzen in der Landwirtschaft genannt werden. Die Forschung hat jedoch in der Vergangenheit Fragen zur Anpassung an Klimaveränderungen weniger berücksichtigt und sich überwiegend mit Themen zum langfristigen Schutz
des Klimas beschäftigt. Nachdem Extremwetterereignisse, wie tropische Wirbelstürme, Flutkatastrophen, Starkniederschläge oder extreme Hitze- und Dürrephasen in den letzten Jahrzehnten weltweit an Intensität und Quantität zugenommen und erhebliche Schäden für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft verursacht haben, ist dies als wesentliches Manko erkannt worden (BMBF, 2004; IPCC, 2007a).
Um die Risiken und zu erwartenden Folgen des zukünftigen Klimawandels zu minimieren oder zu vermeiden, ist es erforderlich in einem gesamthaften Ansatz sowohl die Entwicklung neuer Technologien zum
Schutz des Klimas zu forcieren, als auch diese Bemühungen durch Anpassungsstrategien auf allen Ebenen zu unterstützen (IPCC, 2007b).
Vor allem in Entwicklungsländern, deren Gesellschaften besonders auf
klimaabhängige Wirtschaftssektoren wie Land- und Forstwirtschaft
basieren und deren Leistungsfähigkeit begrenzt ist, wird eine Fokussierung auf Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel elementar wichtig sein. Die Industrieländer dagegen stehen als Hauptverursacher der anthropogen verursachten Klimaveränderungen in der
Verantwortung, ihre technischen Kompetenzen und finanziellen Möglichkeiten für die weitere Entwicklung emissionsmindernder und ressourcenschonender Technologien einzusetzen.
Das Nachhaltigkeitskonzept zum Klimaschutz der Bundesregierung verfolgt ebenfalls ein doppeltes Ziel: die Minderung von Klimaveränderungen und die Anpassung an den Klimawandel (BMBF, 2004). Aufbauend
auf dem Förderschwerpunkt „Nachhaltige Entwicklung der Megastädte
von morgen“ hat das BMBF vor diesem Hintergrund 2008 eine Fokussierung des Forschungsprogramms auf „Energie- und klimaeffiziente Strukturen in urbanen Wachstumszentren“ vorgenommen. Ziel des Förderschwerpunktes ist es, die in der ersten Phase von 2005-2008 gewonnenen Erkenntnisse der beteiligten 15 Projekte zu nutzen und darauf aufbauend strategische Ansatzpunkte für eine energieeffiziente Stadtentwicklung von Megastädten zu entwickeln (BMBF, 2007). Die BTU Cottbus
war in dieser Phase mit dem Projekt „Die Balance von Stadtwachstum
und Stadterneuerung in Ho Chi Minh City – Nachhaltige Wohnungsbaustrategien für Megastädte von morgen“ involviert. Nach erfolgreicher Evaluierung wird unter der Leitung der Lehrstühle Stadtplanung und Raumgestaltung, Prof. Volker Martin und Umweltplanung, Prof. Michael
Schmidt das Projekt „Integrative Stadtentwicklungs- und Umweltplanung zur Anpassung an die Folgen des globalen Klimawandels in Ho Chi
Minh City“ für die nächsten fünf Jahre durch das BMBF gefördert. Mit
einem transdisziplinären Konsortium aus Wissenschaftlern von deutschen und vietnamesischen Forschungs- und Verwaltungseinrichtungen sollen Anpassungsstrategien für eine klimagerechte und energieef-
fiziente Stadtentwicklung und Wohnraumversorgung entwickelt werden. Im folgenden Beitrag wird zunächst auf die aktuelle Stadtentwicklung in HCMC und auf die Anfälligkeit des Organismus Stadt gegenüber
heutigen und zukünftigen lokalen Folgen des Klimawandels eingegangen.
Anschließend werden die Ziele und die Konzeption des Forschungsprojektes erläutert. Als wesentlicher Baustein im Forschungsdesign wird abschließend ein in der ersten Phase entwickelter Anforderungskatalog an
nachhaltige Stadtquartiere in HCMC vorgestellt, den es in der anstehenden Phase zu fokussieren, weiter zu entwickeln und zu testen gilt.
2
Auswirkungen des Klimawandels
auf Vietnam und Ho Chi Minh City
Der vierte Sachstandbericht des IPCC betont die besondere Anfälligkeit
von Entwicklungsländern und Megacities weltweit für die Folgen des Klimawandels. Wie bereits erwähnt, begründet sich die Anfälligkeit der Entwicklungsländer im hohen Stellenwert der klimaabhängigen Landwirtschaft am gesamtwirtschaftlichen Ergebnis des Staates, in der direkt damit verbundenen Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung, im Mangel an finanziellen, technischen und personellen Kapazitäten und im fehlenden Know-how für eine erfolgreiche Entwicklung adäquater Vermeidungs- und Anpassungsstrategien (IPCC, 2007a; GERMANWATCH,
2008). Das größte Schadenspotenzial liegt jedoch in den Megacities und
den dicht besiedelten Küstenregionen der Entwicklungs- und Schwellenländer. Bedingt durch die topographische Lage am Meer und einem seit
Jahrzenten ungebremsten Zustrom an Migranten haben sich hier die
Wirtschaftsmetropolen und Boomtowns entwickelt. Naturkatastrophen
können durch die enorme Konzentration an Bevölkerung und Sachwerten in diesen Regionen um ein Vielfaches größere Schäden als in ländlichen Gebieten verursachen (MUNICH RE GROUP, 2005). Der prognostizierte Meeresspiegelanstieg von einem Meter innerhalb dieses Jahrhunderts wird damit zur größten Gefährdung der küstennahen Städte, Investitionen und Infrastrukturen (UNEP, 1998) und der dort lebenden Bevölkerung. Schätzungen gehen allein in den Entwicklungsländern von
über 100 Millionen betroffenen Menschen aus (DASGUPTA et al., 2007).
Vietnam wird aufgrund seiner topographischen Lage vom Klimawandel zukünftig extrem gefährdet sein. Besonders betroffen sind die
Wirtschaftszentren und Wachstumsmotoren des Landes nahe den
Deltagebieten des Red River und des Mekong, Hanoi und HCMC. Bedingt durch die hohe Einwohnerdichte und die Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten in den Küstenregionen des Landes würde
bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter 5 Prozent der
Landesfläche und mehr als jeder zehnte Vietnamese sowie über
10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bedroht sein. Darüber hinaus
ist laut IPCC allein im Delta des Mekong mit der Überflutung von
15 000-20 000 km2, darunter über 1 000 km2 landwirtschaftlicher
Nutzfläche zu rechnen (IPCC, 2007a). Dies würde den Verlust der
Existenzgrundlage für über eine Million Menschen bedeuten und
könnte zu einer neuen Dynamik des bereits auf hohem Niveau verlaufenden Migrationsstroms in die Metropolen des Landes führen. In einem Worst-Case-Szenario mit einem Anstieg des Meeresspiegels um
5 m wären 16 Prozent der Fläche und 38 Prozent der Bevölkerung
Vietnams betroffen (DASGUPTA et al., 2007).
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Integrative Stadtentwicklungs- und Umweltplanung zur Anpassung an die Folgen
des globalen Klimawandels in Ho Chi Minh City – Anpassungsstrategien für eine
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städtischen Einwohner in einem stark wachsenden Verkehrsaufkommen
und einem überproportional steigenden Energieverbrauch. Beides
führt trotz eines unermüdlichen Ausbaus bereits heute zu Engpässen
in der Energieversorgung und in der städtischen Verkehrsinfrastruktur.
3
Abbildung 1:
Überflutungsgefährdete Regionen
bei einem Meeresspiegelanstieg von
1 m (DASGUPTA et al., 2007)
Die Region HCMC im Süden des Landes hat heute schon mit klimabedingten Problemen zu kämpfen. Wie auch in anderen städtischen Agglomerationen zu beobachten, werden die Auswirkungen des Klimawandels
durch Fehler in der Steuerung des rasanten Stadtwachstums, in der
räumlichen Stadtplanung sowie im städtischen Infrastrukturmanagement verursacht und verstärkt. Starkregenereignisse gepaart mit dem
Tidenhub des südchinesischen Meeres führen bei gleichzeitigem Fehlen ausreichender Versickerungsflächen und eines ausgebauten Kanalisationssystems zu intensiveren und immer häufiger auftretenden
Überschwemmungen weiter Stadtteile. In den extrem dicht bebauten
Innenstadtgebieten ist der sogenannte „Heat Island Effect“ mit einer bis
zu 10 Grad höheren Temperatur gegenüber dem Umland deutlich messbar. Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen werden damit im Raum
HCMC noch verstärkt und führen zu einer erhöhten Sterberate vor allem unter alten und kranken Menschen und zu einem erhöhten Energieverbrauch als Folge des zusätzlichen Kühlbedarfes. Darüber hinaus resultieren die sich verändernden Lebensstile und Mobilitätsverhalten der
Stadtentwicklung und Stadtstrukturen
in Ho Chi Minh City
Die Öffnung des Landes im Zuge der Doi Moi Politik seit Mitte der achtziger Jahre und der Übergang von einer sozialistischen Planwirtschaft
zu einer liberalen Marktwirtschaft haben einen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Transformationsprozess in Vietnam ausgelöst, von
dem die beiden Regionen Hanoi und HCMC am stärksten profitieren. Die
Metropolen sind die wichtigsten Zielgebiete ausländischer Investitionen
und weisen einen mit Abstand höheren Lebensstandard gegenüber
den anderen Regionen des Landes auf. Mit zweistelligen Wachstumsraten, die weit über dem Landesdurchschnitt liegen, werden heute in der
Stadt HCMC 20 Prozent und in der Region 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Vietnams erwirtschaftet (GSO, 2006). Damit ist HCMC
zum wichtigsten Motor des Wachstums und der Modernisierung im Land
geworden. Bessere Wohn- und Lebensverhältnisse sowie die Aussicht auf
höhere Einkommen setzten die Metropolen aber gleichzeitig einem
enormen Migrationsdruck aus dem ländlichen Raum aus. Parallel zum
wirtschaftlichen Aufschwung erlebte HCMC daher in den vergangenen
15 Jahren ein Bevölkerungswachstum von über 60 Prozent, von 3,9 Mio.
Einwohnern in 1989 (NIURP, 1994) auf über 6,2 Mio. Einwohnern in
2005 (GSO, 2006). Darüber hinaus gehen Schätzungen von zusätzlich
2,0 Mio. nicht registrierten Migranten oder temporären Arbeitern aus.
Abbildung 2:
Geplante Flächennutzung und Verkehrsinfrastruktur in HCMC (Masterplan 2025)
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klimagerechte und energieeffiziente Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung
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Die administrativen Grenzen von HCMC umfassen eine Fläche von
2 095 km2, unterteilt in 24 Bezirke. Die Flächennutzung und Einwohnerverteilung innerhalb der Stadtgrenzen gestalten sich sehr heterogen. In den 5 ländlichen Bezirken, den „huyen“ dominieren die Landwirtschaft sowie Sumpf- und Mangrovengebiete. Die Einwohnerdichte erreicht in diesen Teilen der Stadt durchschnittlich ca. 600 Einwohner (EW) pro km2. In den städtischen Bezirken, den „quan“ werden dagegen Einwohnerdichten von 10 000 EW pro km2 und in vereinzelten
Stadtteilen bis zu 50 000 EW pro km2 erreicht (GSO, 2006). Entsprechend sind die inneren Stadtteile von HCMC durch eine extrem hohe
Bebauungsdichte charakterisiert. Es ist das Ergebnis einer fortwährenden Verdichtung sowohl in der Fläche als auch in der Höhe. Das orthogonale Erschließungsraster teilt die Stadt in 30-60 m tiefe Blöcke,
die durch eine zweireihige Parzellierung eine optimale Ausnutzung erfahren. Die einzelne Parzelle und damit nicht selten der gesamte
Straßenblock sind bis zu hundert Prozent überbaut. Diese Stadtstruktur basiert auf einem Grundmodul, dem Shophouse. Ein zwei- bis
fünfgeschossiges Reihenhaus im städtischen Kontext auf einer Parzelle von ca. 3-4 m Breite und einer Tiefe von 15-25 m, das in der Regel
nur von einer Stirnseite erschlossen ist und von den verbleibenden
drei Seiten angebaut werden kann. Die damit mögliche Addition und
Aneinanderreihung dieses Typus ermöglicht die Produktion einer extrem hohen städtischen Dichte.
te „parallel city“ Saigon-South, nur 4 km südlich der existierenden
Innenstadt (GOTSCH, 2002) Platz für 500 000 Einwohner bieten. Entlang eines zentralen Highways reiht sich ein Patchwork aus verdichteten Hochhauskomplexen, Appartementhäusern nach westlichem
Vorbild, Reihenhäusern in Anlehnung an die traditionellen Shophouses und locker bebauten Villenstrukturen auf. Die Bandstadt wird
durch breite Grünkorridore gegliedert und auf städtebaulicher Ebene
suggerieren die öffentlichen Plätze und großzügigen Frei- und Grünflächen das Bild eines westlich geprägten Wohnquartiers. Die so entstehende Stadt verhält sich vollständig konträr zu traditionellen Lebensweisen und Nutzungsmustern der vietnamesischen Bevölkerung,
aber auch zu den lokalen klimatischen Verhältnissen. Mit bereits eingetretenen Setzungsproblemen der Gebäude und der Infrastruktur
wird darüber hinaus in diesen nur 1-2m über dem Meeresspiegel liegenden Gebieten die Notwendigkeit deutlich, bei der Auswahl zukünftiger Stadtentwicklungsschwerpunkte die prognostizierten Folgen
des Klimawandels mit einzukalkulieren.
Vor dem Hintergrund einer unzureichenden Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum, spielt gleichfalls der informelle Wohnungsmarkt in
HCMC eine immer entscheidendere Rolle. Vielen Bewohnern und Migranten bietet sich keine Alternative, als die Problematik selbst in die
Hand zu nehmen und auf okkupiertem Land in innerstädtischen Slumgebieten oder im Umland von HCMC eigenständig Häuser zu errichten.
Der Anteil der Wohngebäude ohne offizielle Genehmigung liegt nach
Schätzungen bei über 50 Prozent. Aus der unzureichenden bis fehlenden Versorgung mit technischer Infrastruktur in den Marginalsiedlungen resultieren unzumutbare Lebensbedingungen der Bewohner und
erhebliche Umweltprobleme der Stadt. Im Umland von HCMC werden
auf landwirtschaftlich genutzten Flächen spontan ein- bis zweigeschossige Wohngebäude errichtet. Eine adäquate Erschließung und
Versorgung mit der notwendigen Infrastruktur erfolgt erst Jahre später, wenn sich die Ansiedlungen manifestiert haben. Die Risiken dieser ungesteuerten Siedlungsentwicklung können mit einem hohen
Flächenverbrauch und gravierenden Infrastrukturdefiziten nur grob
umrissen werden. Um eine weitere ressourcenintensive und mobilitätsfördernde Expansion der Siedlungsflächen zu minimieren, müssen die
vorhandenen Flächenpotenziale in diesen Gebieten für eine Verdichtung mit zusätzlichem Wohnraum genutzt werden.
Den einzigen Freiraum in dieser Struktur bildet oft nur der öffentliche
Straßenraum, der zum Teil auf ein für die Erschließung notwendiges
Minimum reduziert ist. Die wichtigere Funktion des öffentlichen Raumes ist aber, so scheint es, die Möglichkeit zu sozialen Interaktionen.
Während die oberen Geschosse des Shophouses Rückzug für die Familie bieten, wird das Erdgeschoss zur Einkommensgenerierung genutzt. Ob als Verkaufsfläche für alle Waren des täglichen und nicht täglichen Bedarfs, als Ort der Heim-Produktion oder als Fläche für
Dienstleistungen, der Nutzungsvariabilität sind keine Grenzen gesetzt. Damit wird die Front des Erdgeschosses zum öffentlichen Straßenraum zu einer Zone höchster Aktivität und sozialem Austausch
(STORCH et al., 2008). Dieser Typus Stadt setzt viele klassische Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung wie Reduzierung des Flächenverbrauchs, Nutzungsmischung und „Stadt der kurzen Wege“ scheinbar perfekt um und übertrifft dabei das Idealbild der viel beschworenen europäischen Stadt. Aber gerade diese Stadtteile sind durch ihre hohe Bebauungsdichte, dem hohen Grad an Versiegelung und den
fehlenden Verdunstungsflächen besonders von extremer Hitze und
Starkregenereignissen gefährdet.
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Mit dem Beginn des Transformationsprozesses wird in HCMC eine andere Stadt produziert. Zum einen werden durch internationale Investoren neue, auf dem Reißbrett entworfene Stadtteile am Stadtrand
errichtet. Auf der anderen Seite hat das ungesteuerte Stadtwachstum
zu einer Zersiedlung der Peripherie und zu einer Zunahme der innerstädtischen Marginalsiedlungen geführt. Die Neubautätigkeit auf dem
Wohnungsmarkt konzentriert sich seit den neunziger Jahren auf großflächige Stadterweiterungsprojekte im Süden (Saigon-South) und
Osten (New City-Center Thu Thiem) der Stadt. Auf bisher unbebautem,
da überwiegend sumpfigem Bauland werden vollständig neue Stadtteile mit einer integrierten, kohärenten Funktionalität (KRAAS, 2004)
und einer Vielzahl an Wohnbautypologien errichtet. So wird die geplan-
Vor dem Hintergrund der Herausforderungen des Klimawandels sind
eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Konsequenzen für
die Stadtentwicklung und ein substanzielles Gegensteuern auf allen
Ebenen der heutigen Stadtentwicklungsplanung notwendig. Insbesondere der prognostizierte Meeresspiegelanstieg kann langfristig zu
einer neuen siedlungsstrukturellen Entwicklungsdynamik führen, auf
die das derzeitige System der Planung, Steuerung und Umsetzung von
Stadtentwicklung nicht vorbereitet ist. Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die wissenschaftlich fundierte Entwicklung von Strategien
zur Anpassung städtischer Flächen, Strukturen und Stadtentwikklungskonzepte an absehbare Klimaveränderungen sowie zunehmende Wetterextreme, um zukünftige und aktuell schon wahrnehmbare
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Ziele des Forschungsprojektes
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klimagerechte und energieeffiziente Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung
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schwere Klimafolgen zu minimieren oder zu vermeiden. Die Bandbreite möglicher Anpassungsmaßnahmen von Siedlungsstrukturen umfasst dabei laut IPCC technologische Maßnahmen, wie u. a. die Optimierung der Siedlungsformen und technischen Infrastrukturen oder
die Verlagerung der Siedlungsschwerpunkte. Weiter werden verhaltensbezogene Maßnahmen, wie die Beeinflussung der menschlichen
Lebensstile und Nutzungsmuster z. B. hinsichtlich des Mobilitätsverhaltens oder des Energieverbrauches und politische Maßnahmen,
wie veränderte gesetzliche Planungsbestimmungen und Finanzierungsmodelle zur effektiven Umsetzung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen benannt (IPCC, 2007a; IPCC, 2007b).
WP 2 – Urban Flooding
Ziel ist eine räumlich hochaufgelöste Erfassung und Bewertung von Parametern und Indikatoren zur Überflutungsgefährdung von HCMC. Neben dem prognostizierten Meeresspiegelanstieg, werden Fragen der
Stadtentwässerung, Versiegelung und schleichenden Bodenabsenkung behandelt.
WP 3 – Urban Climate
Im Arbeitsbereich Stadtklima werden Fragen der Anpassungsmöglichkeit von hochverdichteten asiatischen Siedlungsgebieten an Klima- und
Wetterextreme, wie Hitzewellen, behandelt. Ziel ist die Entwicklung von
Planungsempfehlungen für Stadterweiterung und Stadterneuerung.
Folgende Hauptziele des Forschungsprojektes können genannt werden:
●
●
●
●
●
●
●
5
Entwicklung eines tiefgreifenden Verständnisses über das Ausmaß
und die Konsequenzen des Klimawandels und ihrer räumlichen
Verortung in der Region HCMC
Entwicklung eines Indikatorsystems und eines räumlichen Informationssystems zur Abschätzung von Klimafolgen im Stadtraum
Entwicklung konkreter planerischer Empfehlungen auf allen
räumlichen Ebenen der Stadtentwicklung, von der Region bis
zum Gebäude
Implementierung von Siedlungsmodellen und Prototypen auf
Nachbarschafts- und Gebäudeebene
Sondierung und Abschätzung geeigneter Instrumente und Managementstrukturen zur Umsetzung der entwickelten Strategien
Einbindung aller relevanten Akteure von lokaler bis nationaler
Ebene
Initiierung von Capacity-building Programmen und Sensibilisierungsmaßnahmen zur Problematik des Klimawandels.
Konzeption des Forschungsprojektes
Der gewählte Forschungsansatz basiert auf zwei zentralen Handlungsfeldern (siehe Abb. 3+4 auf der nächsten Seite), unterteilt in thematische Work Packages (WP): Das Handlungsfeld 1 „Urban Environment“ bewertet die Folgen des Klimawandels sowie ihre räumliche Ausprägung für die Region HCMC. Basierend auf den sich bereits
heute abzeichnenden klimabedingten Problemen wurden die vier sektoralen Kernfelder Urban Flooding, Urban Climate, Urban Energy und
Urban Transport definiert, die räumlich und methodisch in einer Systematik für Anpassungsstrategien im urbanen Metropolenraum von
HCMC integrierend zusammengeführt werden.
WP 1 – Adaptation Planning Framework
Das WP 1 entwickelt eine Planungssystematik zur Bewertung von
Klimafolgen im Raum HCMC und integriert damit gleichzeitig die
Ergebnisse der mehr sektoral orientierten WPs 2-5. Die zentralen
methodischen Elemente sind ein Indikatorsystem und ein räumliches
Informationssystem, das eine Anpassung von Methoden der Strategischen Umweltprüfung (SUP) für die Bewertung von Klimawirkungen
im Stadtraum ermöglichen soll. Die Weiterentwicklung dieser Methodenbausteine orientiert sich an der Integrationsfähigkeit in das administrative Planungssystem von HCMC.
WP 4 – Urban Energy
Die Erfassung des Energiebedarfs des Gebäudebestandes anhand
von stadt- und gebäudetypologischen Parametern, erlaubt eine gesamtstädtische Definition und Lokalisation von Sanierungs- und Modernisierungsstrategien zur Verbesserung der Energieeffizienz im städtischen Siedlungsraum.
WP 5 – Urban Transport
Das städtische Verkehrssystem wird ausgehend vom Status Quo anhand unterschiedlicher Entwicklungspfade auf seine Klimarelevanz
und Energieeffizienz untersucht. Die Modellierung wird auf die speziellen Bedingungen des Individual- und öffentlichen Verkehrs in Südostasien angepasst.
Das Handlungsfeld 2 „Urban Development“ entwickelt Strategien zur
Anpassung des städtischen Raums auf allen Ebenen der Stadtentwicklung.
Das Handlungsfeld ist in WPs gegliedert, die jeweils den Macro-Level (Region/Stadt), den Meso-Level (Quartier/Nachbarschaft für Stadterweiterung und -erneuerung) und den Micro-Level (Gebäude/Nutzer) abdecken.
WP 6 – Precaution and adaptation strategies
to climate change impacts on the regional-/city-level
Ziel ist die Erarbeitung von Anpassungsstrategien innerhalb regionaler
und gesamtstädtischer Stadtentwicklungsprozesse und von Planungsempfehlungen zur Optimierung der Verkehrs- und Infrastrukturnetze.
WP 7 – Integrative planning approach
for new energy- and climate efficient neighbourhoods
Im Kern des WPs stehen die Auseinandersetzung und Bewertung der
Siedlungsstrukturen in HCMC. Es werden Handlungsempfehlungen für
neue energie- und klimaeffiziente Wohnquartiere entwickelt.
WP 8 – Liveable city, urban regeneration
and community-based adaptation
Fokussiert auf bestehende Wohnquartiere und innerstädtische Marginalsiedlungen werden Handlungsempfehlungen zum Umbau und zur
energetischen Optimierung des Bestandes entwickelt.
WP 9 – Energy- and climate efficient housing typologies
Ziel ist die Spezifikation von Anforderungen an energie- und klimaeffiziente Wohngebäude und die Entwicklung von Richtlinien für adäquate Gebäudetypologien, Konstruktionsprinzipien, Baumaterialien sowie
aktive und passive Gebäudetechnik.
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Abbildung 3:
Forschungskonzeption des zentralen
Handlungsfeldes AF 1
Abbildung 4:
Forschungskonzeption des zentralen
Handlungsfeldes AF 2
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Ansätze für nachhaltige Gebäudetypologien
und Wohnquartiere
Ein wesentlicher Baustein der vorgestellten Konzeption wird unter anderem die Entwicklung neuer Ansätze für nachhaltige Gebäudetypologien und Nachbarschaftsmodelle sein. Eingebunden in einen integrativen Planungsansatz für eine tragfähige politische, wirtschaftliche und
soziale Implementierung, muss ein spezifisches Anforderungsprofil an
die Architektur und an den Städtebau formuliert werden.
Anpassung der Gebäudetypologie an klimatische Bedingungen
Hohe Energiekosten, die für eine Kühlung der Wohnräume notwendig
werden, haben ihren Ursprung in einer den klimatischen Bedingungen
in Vietnam nicht angepassten Gebäudetypologie. Eine Minimierung
des spezifischen Kühlbedarfes und der damit verbundenen Energiekosten wird durch traditionelle konstruktive Details, geeignete Baumaterialien und eine Optimierung des Verhältnisses zwischen Gebäudeoberfläche und -volumen, wie es z. B. horizontal verdichtete Gebäudestrukturen aufweisen erreicht.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits in der ersten Forschungsphase ein entsprechender Anforderungskatalog entwickelt, der sich an
drei fundamentalen Zielen orientiert: minimierter finanzieller Aufwand, ökologische Tragfähigkeit und Beachtung der sozialen Bedürfnisse, bei gleichzeitiger Sicherung minimaler Lebensstandards
(WAIBEL et al., 2007).
Minimierung der Bau-, Betriebs- und Instandhaltungskosten
Der finanzielle Mehraufwand bei der Konstruktion und Instandhaltung
eines „high-rise buildings“ liegt bis zu 50 Prozent über den vergleichbaren Kosten eines „low-rise buildings“. Mit der Nutzung von Fertigteilelementen, standardisierten Bauelementen und recycelten Baumaterialien
kann eine zusätzliche Einsparung von 20 Prozent erreicht werden.
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des globalen Klimawandels in Ho Chi Minh City – Anpassungsstrategien für eine
klimagerechte und energieeffiziente Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung
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1 Lehrstuhl Stadtplanung und Raumgestaltung
2 Lehrstuhl Umweltplanung
Maximale Flexibilität für veränderte Nutzungsansprüche
„Nachhaltig“ nutzbare Wohnungen müssen so variabel sein, dass die
Grundstruktur eine große Bandbreite unterschiedlicher Nutzungen ermöglicht, viel Raum für individuelle Aneignung lässt und im Idealfall
den unterschiedlichen Lebensphasen der Bewohner Rechnung trägt.
he Flexibilität sind als signifikante Vorteile zu nennen. Vor dem Hintergrund der klimabedingten Probleme im Raum HCMC soll dieses Konzept weiter entwickelt und in Pilotprojekten vor Ort überprüft werden.
Anlehnung an traditionelle Wohn- und Arbeitsformen
Ein Großteil der vietnamesischen Haushalte generiert ihr Einkommen
vollständig oder teilweise aus informeller Arbeit. Geeignete Räumlichkeiten für Heimarbeit oder der direkte Kontakt zum öffentlichen
Raum spielen dabei eine entscheidende Rolle und sind ein elementarer Bestandteil vietnamesischer Lebensform. Das traditionelle
vietnamesische Shophouse kombiniert Wohnen und Arbeiten in einem
flexibel nutzbaren Raum, der sich in der Regel über das gesamte
Erdgeschoss erstreckt.
Verträgliche Mobilität
Neue und bestehende Stadtquartiere sind unter der Prämisse einer
„Stadt der kurzen Wege“ zu entwickeln, um das Verkehrsaufkommen
und damit die Investitions- und Instandhaltungskosten der Infrastruktur zu reduzieren. Die Lage eines nachhaltigen Stadtquartiers muss
sich deshalb an der Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen, sozialen und kulturellen Einrichtungen und der Versorgungsinfrastruktur orientieren
bzw. müssen diese Funktionen im Sinne einer ausgewogenen Nutzungsmischung integriert werden.
Optimierung der technischen Infrastruktur
Eine ausreichende Versorgung mit technischer Infrastruktur ist ausschlaggebend für ein tragfähiges nachhaltiges Stadtquartier, aber
auch mit hohen finanziellen Belastungen für das öffentliche Budget
verbunden. Eine hohe Siedlungsdichte reduziert den Erschließungsaufwand und damit die Investitionskosten pro Wohneinheit. Verdichtete Reihenhausstrukturen reduzieren z. B. den finanziellen Aufwand
für den Bau und Erhalt der Infrastruktur um 50 Prozent bis 75 Prozent gegenüber frei stehenden Einfamilienhäusern.
Sozial gemischte Nachbarschaften
Mit einer ausgewogenen sozialen Mischung innerhalb einer Nachbarschaft kann eine Win-Win-Situation für alle Bewohner entstehen. Einkommensstärkere Haushalte profitieren von angebotenen Dienstleistungen
der unteren Einkommensschichten. Die wiederum können durch die
räumliche Nähe zu potenzieller Kaufkraft überhaupt ein Einkommen aus
informeller Arbeit generieren. Diese Zielsetzung kann mit einer Kombination verschiedener Wohntypologien, entsprechend den Bedarfen unterschiedlicher sozialer und demographischer Zielgruppen, verfolgt werden.
Das hier kompakt vorgestellte Konzept „Low Rise – High Density“ favorisiert eine hohe Siedlungsdichte. Dies kann nicht nur mit Hochhäusern, sondern kann und sollte mit horizontalen Verdichtungsformen erreicht werden. Eine typologische Antwort muss dabei nicht völlig neu
erfunden werden. Das traditionelle vietnamesische Shophouse erfüllt
einen Großteil der Forderungen. Mit leichten konstruktiven Variationen
dieser Typologie können entscheidende, für die finanziellen und sozialen Bedürfnisse der Bewohner zugeschnittene, individuelle Lösungen
erreicht werden. Eine hohe, teilweise hundertprozentige Grundstücksausnutzung, reduzierte Bau- und Instandhaltungskosten sowie eine ho-
Abbildung 5:
Gebäudetypologien und die damit zu erreichende Bebauungsdichte auf einer
Fläche mit 8 000 qm
Literatur
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BMBF, BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG
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Integrative Stadtentwicklungs- und Umweltplanung zur Anpassung an die Folgen
des globalen Klimawandels in Ho Chi Minh City – Anpassungsstrategien für eine
klimagerechte und energieeffiziente Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung
Volker Martin1, Ronald Eckert1, Michael Schmidt2, Harry Storch2
1 Lehrstuhl Stadtplanung und Raumgestaltung
2 Lehrstuhl Umweltplanung
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Michael Schmidt wurde
1957 in Kassel geboren. 1983 schloss er sein Studium der Landschaftsplanung an der Universität
Hannover ab, und 1987 seine Promotion an der
Universität Göttingen. Er wechselte zum Umweltbundesamt und wurde 1991 als Leiter der Abteilung
Bodenschutz am Landesumweltamt Brandenburg
tätig. Dort wurde er 1992 zum Regierungsdirektor
ernannt, und erhielt 1994 einen Ruf an den neu eingerichteten Lehrstuhl Umweltplanung an der BTU
Cottbus. Von 1997 bis 2000 war er Dekan der Fakultät für Umweltwissenschaften und Verfahrenstechnik, und von 2000 bis 2006 Vizepräsident für internationale Angelegenheiten. Seit 1997 ist er als Berater der GTZ in Jordanien, Libanon, Syrien und Jemen tätig. An der BTU Cottbus initiierte er die internationalen Studienprogramme „Environmental and
Resource Management“ und „World Heritage Studies“. 2002 wurde ihm der „Award for Excellence in
International University Cooperation“ des Bundesministerium für Bildung und Forschung überreicht,
und 2005 erhielt er die Ehrendoktorwürde der National Mining University, Dnietropetrovsk, Ukraine.
Er ist stellvertretender Projektleiter der 2008 begonnenen Hauptphase des BMBF-Forschungsprojektes „Integrative Adaptation Planning Framework
for Climate Change in the Urban Environment of Ho
Chi Minh City“.
NIURP, NATIONAL INSTITUTE FOR URBAN AND RURAL PLANNING
(HRSG.); 1994: Data Book Ho Chi Minh City. Hanoi.
STORCH, H.; ECKERT, R. UND PFAFFENBICHLER, P.; 2008: The
compactness of urban areas in Vietnam. Sustainable urban development and local mobility nodes. In: SCHRENK, M.; POPOVICH, V.; ENGELKE, D. und ELISEI, P. (Hrsg.): Proceedings of REAL CORP 2008. Wien.
UNEP, UNITED NATIONS ENVIRONMENT PROGRAMME (HRSG.);
1998: Handbook on Methods for Climate Change Impact Assessment and Adaptation Strategies. Nairobi.
WAIBEL, M.; ECKERT, R.; BOSE, M. UND MARTIN, V.; 2007: Housing for Low-income Groups in Ho Chi Minh City between Re-Integration and Fragmentation – Approaches to Adequate Urban
Typologies and Spatial Strategies. In: ASIEN 103, 4/2007, 59-78.
Prof. Dipl.-Ing. Volker Martin, geb. 1944 in Detmold/Lippe; studierte von 1965 bis 1971 Architektur
an der Technischen Universität Berlin, 1974 gründete er in Berlin ein eigenes Architekturbüro. Seit
1995 ist er Leiter des Lehrstuhls Stadtplanung und
Raumgestaltung an der BTU Cottbus. Zudem ist er
Gastprofessor an der University of Architecture in
Ho Chi Minh City und der Tongji University in Shanghai. Für das Department of Urban Planning and Architecture in Ho Chi Minh City ist er als Berater im
Bereich Stadtentwicklung tätig. Von 2005 bis 2008
leitete er das BMBF-finanzierte Forschungsprojekt
„The Balance of Urban Growth and Redevelopment
– Sustainable Housing Policies for Megacities of
Tomorrow“. Er ist Projektleiter der im Juli 2008 begonnenen 5-jährigen Hauptphase des Projektes „Integrative Adaptation Planning Framework for Climate Change in the Urban Environment of Ho Chi
Minh City“ und koordiniert das Handlungsfeld „Urban Development“. Seine Forschungsschwerpunkte
sind Metropolenentwicklung in Asien, Siedlungsund Infrastrukturentwicklung in Megacities, Stadterneuerung in schrumpfenden Städten sowie die
Raumentwicklung in Berlin/Brandenburg.
Dr.-Ing. Harry Storch, studierte an der Technischen Universität Berlin Landschaftsplanung. Im
Anschluss war er sechs Jahre im Fachgebiet „Umweltinformationssystem“ der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz
tätig. Seit 1995 arbeitet er als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Lehrstuhl Umweltplanung der BTU
Cottbus und promovierte im Jahr 2000 über „Öffentliche Umweltberichterstattung auf der Grundlage von offenen und internetbasierten Geografischen
Umweltinformationssystemen“. Von 2005 bis 2008
hat er im Forschungsprojekt „The Balance of Urban
Growth and Redevelopment – Sustainable Housing
Policies for Megacities of Tomorrow“ im Rahmen
des BMBF-Förderschwerpunktes „Forschung für
die nachhaltige Entwicklung der Megastädte von
morgen“ das Handlungsfeld „Raumbezogenes Nachhaltigkeitsindikatorensystem“ bearbeitet. In der im
Juli 2008 begonnenen 5-jährigen Hauptphase des
BMBF-Projektes mit dem Fokus „Energie- und klimaeffiziente Strukturen in urbanen Wachstumszentren“ ist er im Handlungsfeld „Urban Environment“ für den Aufbau eines Planungsinformationssystems zur Entwicklung und Bewertung von raumbezogenen Anpassungsstrategien an den Klimawandel zuständig.
Dipl.-Ing. Ronald Eckert, geb. 1978 in Berlin; studierte von 1998 bis 2005 Stadt- und Regionalplanung an der BTU Cottbus und an der Università G.
D’Annunzio Pescara/Italien. Im Anschluss an freie
Tätigkeiten in Architektur- und Planungsbüros, arbeitet er seit 2006 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Stadtplanung und Raumgestaltung. Neben Lehraufgaben, ist er in die Bearbeitung des Drittmittelprojektes „Piano Particolareggiato – Ricerca sul territorio del Centro Urbano di
Pantelleria“ sowie des von 2005 bis 2008 laufenden
BMBF-Forschungsprojektes „The Balance of Urban
Growth and Redevelopment – Sustainable Housing
Policies for Megacities of Tomorrow“ eingebunden.
In der 2008 begonnenen 5-jährigen Hauptphase
des Projektes „Integrative Adaptation Planning Framework for Climate Change in the Urban Environment of Ho Chi Minh City“ ist er für das Work Package „Integrative Planning Approach for New Energyand Climate-Efficient Neighbourhoods“ zuständig.
Seine Forschungsschwerpunkte sind nachhaltige
Stadtentwicklung, Metropolenentwicklung in Asien
und die Untersuchung verdichteter Stadtstrukturen.
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