Hinweise für den Lehrer

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Hinweise für den Lehrer
Abitur 2003 Katholische Religion Gk (Lehrer)
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Hinweise für den Lehrer
Die vorgelegte Prüfungsaufgabe besteht aus zwei Prüfungsarbeiten A und B.
Der Prüfungsteilnehmer hat davon eine Prüfungsaufgabe auszuwählen und vollständig zu
bearbeiten. Alle Prüfungsunterlagen sind geschlossen nach Ablauf der schriftlichen Prüfung
einzusammeln.
Als Hilfsmittel sind nur der Duden und eine Bibel gestattet.
Die Prüfungsarbeit wird entsprechend dem nachfolgend ausgeführten Erwartungshorizont
bewertet.
Allgemeine Korrekturhinweise:
Der Grad der Erfüllung der im Erwartungshorizont aufgezeigten vielfältigen
Lösungsmöglichkeiten ergibt sich in Abgleichung mit dem Anspruch, den der Lehrer in der
Oberstufe an das Leistungsniveau seiner Lerngruppe stellte, bzw. auf Grund besonderer
Voraussetzungen der Grundkursteilnehmer stellen konnte.
Darüber hinaus ist in allen Teilbereichen auch jede abweichend akzentuierte Bearbeitung des
einzelnen Schülers zu akzeptieren, solange sie in einer logisch nachvollziehbaren Nähe zum
Thema liegt und in sich kohärent aufgebaut ist.
Die persönliche Einstellung des Schülers ist nicht Gegenstand der Zensierung.
In die Bewertung einzubeziehen sind Qualität und Quantität der dargelegten Kenntnisse, das
Differenzierungsniveau der Argumentation, die Anwendung fachspezifischer Terminologie
und Methodik sowie die Fähigkeit zum Strukturieren, Vergleichen, Schlussfolgern, Urteilen
und Werten komplexer Sachverhalte.
(Siehe Hinweise hierzu in den EPA-Ausführungen vom 1.12.1989)
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Erwartungshorizont
-A-
Aufgaben:
1. Charakterisieren Sie die zwei vorgestellten Bilder vom Paradies/Himmel und analysieren
Sie kurz die jeweiligen „Eintrittsbedingungen“ und die Beziehung des Glaubenden zu
seinem Gott.
20 %
Anforderungsbereich I
Gellert:
–
Himmel als eschatologischer Ort der positiven Begegnung mit Gott und Erfüllung
der schon bestehenden vertrauensvollen Gottesbeziehung, Sieg über den Tod auch
für den Glaubenden
–
Zusage der Auferstehungshoffnung durch Jesusnachfolge, Eintritt in den Himmel
durch tiefen, treuen Glauben (Anklänge an das reformatorische Prinzip des „sola
fide“), reines Herz, Widerstreben gegen Sünden
–
Beziehung des Glaubenden zu Gott: abhängig von, aber vertrauensvoll geborgen in
Gottes Solidarität und Stärke, Grundgefühl der aus Sicherheit erwachsenden
Zuversicht (betont durch Wiederholung im Refrain), beruhend auf Bund mit Gott
Die Toten Hosen:
–
Paradies als Zielort spießbürgerlichen Ordnungssinns und spießbürgerlicher
Anpassung; Ort der Fortsetzung unangemessener irdischer Eliteauswahl;
Paradiesbegriff für den prüfungsresistenten „dreckigen Rest“ unangenehm besetzt
–
Aufnahme ins Paradies durch Bestehen der Lebensprüfung nach bürgerlichangepassten Kriterien („Wer Messer und Gabel richtig halten kann“, „wer sich brav
in jede Reihe stellt“); Aufnahmeverweigerung bei defizitärem Lebenskonto des
Bewerbers, verdeckt anklingend Kritik an katholischer „Werkgerechtigkeit“
–
Beziehung des „Glaubenden“ zu Gott (Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer
solchen Beziehung: Gott als Verhandlungspartner für einen Freispruch anerkannt,
die Angepassten kommen ins Paradies, insofern beides konkludent existent): trotzigablehnend, stolz, selbstbewusst mit Gott sich auf eine Stufe stellend, Idee der
absoluten Wahlfreiheit: „... bleib ich meinetwegen hier“; Sänger sieht sich selbst als
Herrn über sein Leben an; Gott als parteiischer Gott der Opportunisten
2. Überprüfen Sie, welche Konsequenzen sich daraus für die persönliche diesseitige
Lebensgestaltung der Zielgruppen beider Lieder ergeben und setzen Sie sich kritisch mit
beiden Konzepten auseinander.
30 %
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Anforderungsbereiche I und II
Gellert:
–
Einladung zum Glauben, um den „Gewinn“ - die Hoffnung und Zusage Ewigen
Lebens - zu teilen; Bekenntnisbekräftigung des christlichen lyrischen Ichs; Glaube
integriert den Glaubenden in ein Sinnganzes, gibt ethische Orientierung und nimmt
die Angst vor Tod: darin entlastet er den Christen und zugleich verpflichtet er ihn,
seine Lebensgestaltung konsequent an diesem Gottesglauben auszurichten und die
Bindung zu Gott/Jesus zu pflegen
–
denkbare Kritikansätze: solcher Glaube entverantwortlicht bzw. begrenzt darin
andererseits den Glaubenden teilweise, da viele Entscheidungen bereits „vorgelebt“
sind; er tröstet möglicherweise zu schnell über unverschuldete Leiderfahrungen
hinweg; antiquierte Sprachbilder stehen heutiger Annahme u. U. im Weg; positiv:
substantiiertes, freundliches Hoffnungsangebot und Gottesbild
Die Toten Hosen:
–
Forderung der Band Die Toten Hosen nach Verweigerung bürgerlich-angepassten
Verhaltens und Verpflichtung auf persönliche Freiheit im Sinne einer an den
Existentialismus erinnernden Selbsterfindung; Abwendung vom traditionellen
Christentum und Suche nach Alternativen; nur bedingt belegbar: Forderung nach
innerkirchlicher Reform; wenig positive Entwurfdetails, daher ist die konkrete
Sehnsucht der Autoren nur potentiell erkennbar, indem man antithetische
Gegenbilder zum Text findet, z. B. aufrechten Gang als Gegensatz zu
Opportunismus; die Zielgruppe verbindet ihre Unzufriedenheit mit Erfahrenem, doch
neue ethische und sinngebende Ziele/Normen/Ideale müssen „hier“ erst noch
entwickelt werden
–
denkbare Kritikansätze: Überforderung des Menschen durch seine Verpflichtung zur
Selbsterfindung, Aufbau einer Scheinalternative - „[...] bleib ich meinetwegen hier“ entgegen der allgemeinen Erkenntnis der Sterblichkeit des Menschen; Schuldigbleiben der Entfaltung einer positiven Lebensalternative, Bedauern der Preisgabe einer
Paradieshoffnung, positiv: Ermutigung zu Gedanken- und Handlungsfreiheit
Beide Texte:
–
Diskussion der Frage der Anstrengungsbereitschaft des Sängers wie des Hörers und
der Ziele, für die sich persönlicher Einsatz lohnt; Gottesfrage/Gottesbild-Diskussion
auf der Grundlage beider Texte möglich
3.
a. Untersuchen Sie, welche Erfahrungen mit Kirche in unserer Gesellschaft in den
Text der Band „Die Toten Hosen“ eingeflossen sein könnten und bewerten Sie den
Grad der Objektivität ihrer Sicht vom Christsein.
15 %
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Anforderungsbereich II
–
Erfahrung bürgerlich geprägter Kirche im Sinne von Tilman Mosers „Gottesvergiftung“; Christentum als Drohbotschaft; Kirchenbild investigativ (Beichtkritik), überregulativ, bevormundend, überfordernd, spiegelt Erfahrung des Glaubenden, nicht
angenommen zu sein, wie er ist; Bild des Christen passiv sich unterordnend, demütig
–
Mögliche Stellungnahmen zur Objektivität der Sicht der Toten Hosen:
-
sehr einseitige, aber mögliche Erfahrung, darin Zerrbild des gesamten christlicheschatologischen Hoffnungsangebotes - je nach Vorwissen und Akzent des
Schülers Darlegung der christlichen Himmels-Hoffnung als Gegenentwurf
-
Verwischung des angegriffenen Christentumbegriffes durch Einsprengsel der
östlichen Wiedergeburtsvorstellung auf der Erde
-
unzulässige Reduzierung des christlichen Glaubens durch Pars-pro-toto-Kritikansatz
-
Paradies - und damit zielperspektivisch auch die Gottesvorstellung – wird
simplifiziert und entmystifiziert als spießbürgerlicher Ort
-
Vermischung originärer, biblischer Ansprüche mit Elementen bürgerlicher
Inkulturation
-
Aussparen der Unterscheidung einer Religion von ihren fehlbaren Anhängern
-
der Stress, Gott zu gefallen wird getauscht gegen den Stress, Freiheit von
religiöser Bindung selbst füllen zu müssen
-
Position trägt selbst opportunistische Züge: fungiert als Platzhalter/Sammelkritik
verschiedenster Gruppen Unzufriedener
b. Diskutieren Sie, ob der Liedtext die religiösen Gefühle eines Christen verletzt.
15 %
Anforderungsbereiche II und III
Stichpunkte:
–
Grenze subjektiv
–
Sprachduktus gerade noch vertretbar
–
im Sinne einer Meinungsfreiheit akzeptabel
–
kein Aufruf zur Gewalt enthalten
–
Entwurf nicht für alle verpflichtend gedacht (Ich-Form im Refrain)
–
für manche vielleicht trotzdem schon zuviel Kritik, um nicht verletzt zu sein
–
positiver Ansatz: Kritik bietet die Möglichkeit zur Verbesserung
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4. Skizzieren Sie Ihre persönliche Auffassung vom Leben nach dem Tode.
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20 %
Anforderungsbereich III
Hierzu können keine inhaltlichen Festlegungen getroffen werden.
Bewertet wird in dieser offenen Aufgabenstellung nicht die persönliche Sichtweise des
Schülers hinsichtlich einer Kongruenz zur christlichen Auferstehungshoffnung, sondern seine
Fähigkeit, seine persönliche Auffassung vom Leben nach dem Tode – unter Umständen auch
eine negierende - zu artikulieren.
Erwartet wird, dass er einen klar erkennbaren oder angemessen abwägenden Standpunkt
einnimmt, mehr argumentativ als emotional reflektiert, sich sprachlich differenziert äußert,
und dass er nicht andere Auffassungen als die seine auf unangemessene Art abwertet.
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Erwartungshorizont
-B-
Aufgaben:
1. Geben Sie wieder, was laut Aussage der Verfasser das Prinzip der Nachhaltigkeit bedeutet.
10 %
Anforderungsbereich I
Auch zukünftige Generationen haben einen Anspruch auf ein Leben in einer intakten Umwelt
(Z. 5). Aus dieser Grundannahme leiten der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands und
die Deutsche Bischofskonferenz die Forderung an die gegenwärtige Generation ab, ein Leben
in Verantwortung zu führen. Die Zukunftsfähigkeit der menschlichen Gesellschaft müsse in
einen ökologischen Gesamtzusammenhang gestellt werden (Z. 6 - 8).
Die Aufgabe der christlichen Soziallehre wird darin bestehen, das Bewusstsein für die
Vernetzung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Lebensbereiche zu wecken (Z. 9).
Ziel sei die Verbindung des Grundgedankens der Bewahrung der Schöpfung mit dem der
Weltgestaltung. (Z. 10 - 13).
2. Zeigen Sie an Beispielen, wie die Dimension der Verantwortung für die Schöpfung biblisch
begründet werden kann.
20 %
Anforderungsbereich I und II
Im biblischen Denken ist die Dimension der Verantwortung für die Schöpfung darin
begründet, dass der Mensch Geschöpf unter Mitgeschöpfen ist (vgl. Gen 1, 1 - 2; Ps. 8; Ps.
104). Er ist in eine Schicksalsgemeinschaft mit allen Geschöpfen eingebunden. Es kommt ihm
eine besondere Verantwortung für die übrige Schöpfung zu. Er soll die Erde bebauen und
bewahren (vgl. Gen 1; 2, 15), d. h. sie kultivieren und als bewohnbaren Lebensraum gestalten
und sie als solchen bewahren. Die besondere Stellung des Menschen begründet kein Recht zu
einem willkürlichen und ausbeuterischen Umgang mit der nicht menschlichen Schöpfung.
Vielmehr nimmt sie den Menschen in die Pflicht, als Sachwalter Gottes für die geschöpfliche
Welt einzustehen, ihr mit Ehrfurcht zu begegnen und schonend, haushälterisch und
bewahrend mit ihr umzugehen.
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3. Stellen Sie das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Kontext der anderen Sozialprinzipien der
christlichen Soziallehre.
30 %
Anforderungsbereich I und II
Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist eng mit den anderen Sozialprinzipien verknüpft.
Das Prinzip der Personalität sieht den Menschen als Wesen mit Vernunft, freiem Willen
und Gewissen. Er ist als Individuum einzigartig. Seine Persönlichkeit kann er jedoch nur in
Begegnung mit anderen Menschen entfalten; er ist Individuum und Sozialwesen zugleich.
Theologische Begründung: Gott lebt in 3 Personen und will den Menschen als sein Ebenbild
in Freiheit, Selbstverantwortung und unverletzlicher Würde.
Diese Würde wird u.a. dann verletzt, wenn die Freiheit zukünftiger Generationen durch die
Handlungsweise der heutigen Generation (z.B. durch Raubbau an den vorhandenen
Ressourcen) eingeschränkt wird.
Das Prinzip der Solidarität beruht auf der These, dass sich Humanität im Miteinander
entwickelt. Der Einzelne ist auf die Dienste der Gemeinschaft angewiesen, andererseits aber
ist auch die Gemeinschaft von der Leistung ihrer Glieder abhängig, aus denen sie sich
zusammensetzt. Es gilt der Grundsatz: Einer für alle, alle für einen.
Theologische Begründung: In Jesus Christus zeigt sich Gott mit dem ganzen Menschen in
Leid und Tod solidarisch. Diese Solidarität bezieht sich sowohl auf die gegenwärtige als auch
auf die zukünftigen Generationen.
Das Prinzip der Subsidiarität beschreibt das Verhältnis des Einzelnen oder kleinerer
Gemeinschaften zu übergeordneten Gesellschaftsformen. Was auf niedriger Ebene geleistet
werden kann, dürfen übergeordnete Instanzen nicht an sich reißen. Die Gemeinschaft soll z.B.
mit Hilfe von staatlichen Leistungen oder durch das Engagement von Hilfsorganisationen dort
helfend eingreifen, wo Einzelne, Familien, Gemeinden oder Völker die notwendigen
Leistungen nicht erbringen können. Es gilt der Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe. Das
Prinzip schließt die Pflicht zur Selbsthilfe ein.
Theologische Begründung: Gal 6,2: Einer trage des anderen Last. Auch in diesem Fall kommt
dem Ansatz der Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle zu. Die Entwicklung des Einzelnen
wie auch die der Völker muss auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein, da sie ansonsten zu
Dauerhilfsfällen werden.
Das Prinzip des Gemeinwohls misst dem Staat die Verantwortung für die wirksame
Entfaltung des Zusammenwirkens der Einzelnen, Gruppen und Verbände zu. Hauptziele sind
die Erhaltung, Entfaltung und Vollendung der menschlichen Persönlichkeit. Der Begriff ist
nicht national, sondern global zu interpretieren.
Theologische Begründung: Gott will das Heil für alle Menschen, keinen Klassen-, Rassenoder Gruppenegoismus. Bei der Entfaltung des Zusammenwirkens unterschiedlicher
Gruppierungen kommt dem Prinzip der Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung zu. Eine
friedliche Koexistenz weltweit oder innerstaatlich ist ohne eine auf Nachhaltigkeit
ausgerichtete Politik nicht realisierbar.
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4. Diskutieren Sie Ihre Möglichkeiten, das Prinzip der Nachhaltigkeit umzusetzen.
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40 %
Anforderungsbereich III
Die Diskussion wird Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen. Genannt werden könnten z. B.
–
Veränderung des eigenen Lebensstils
–
Gruppenbildungen
–
Strukturveränderungen
Die eigenen Einflussmöglichkeiten könnten aber auch als begrenzt empfunden, ein Gefühl
von Hilflosigkeit angesichts der Größe der zu bewältigenden Aufgaben beschrieben werden.
Kein Vorgriff auf das persönliche Urteil des Schülers.

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