Freitag, 11. April 2014 - Internationales Frauenfilmfestival Dortmund

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Freitag, 11. April 2014 - Internationales Frauenfilmfestival Dortmund
Freitag
IFFF Dortmund | Köln
FESTIVALNEWS
Inhalt
Nähe zur Protagonistin
Bine Jankowski gewinnt den
Preis für die beste Bildgestaltung
Seite 2
Schüler-Filmprojekt: Bosporus trifft auf Rhein
Beispiel den Hennabend vor der
Hochzeit, den es nicht nur in der
Türkei, sondern auch in Tunesien
gibt. Das war toll“, so Neshe Demir.
Burlesque - Mehr als nur
Ausziehen
Was verbirgt sich wirklich hinter
der Ausdrucksform Burlesque?
Seite 4
Die Nachwuchs-Filmemacher der Konrad-Adenauer-Realschule Köln im Odeon.
Girls‘ Focus: Workshop
Animation
Dreitägiger Film-Workshop für
Mädchen beginnt.
Seite 5
Unser Blog
http://festivalblog.onlineredakteure.com
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@frauenfilmfest
Ob türkisches Essen in der
Weidengasse, die Anprobe im
Brautmodengeschäft oder eine
orientalische Tanzeinlage auf
dem Rathenauplatz – fünf Tage
lang waren 15 Schülerinnen
und Schüler der Konrad-Adenauer-Realschule in Köln der
türkischen Kultur auf der Spur.
Sie haben versucht herauszufinden, was typisch türkisch
ist. Unterstützung bekamen sie
dabei von den Kölner Filmemacherinnen Neshe Demir und
Lenka Šikulová. Entstanden ist
ein Kurzfilm, der am Mittwoch
im Odeon Premiere feierte.
Das Brautkleid sitzt wie angegossen, der große Tag könnte eigentlich kommen. Doch das Kleid
dient Armine nur zur Recherche.
Für die 13-Jährige gehören große
Hochzeiten und noch pompösere
Brautkleider zur Türkei einfach
dazu. Was ist typisch türkisch?
Mit dieser Frage im Kopf waren
15 Siebtklässler der Konrad-Adenauer-Realschule fünf Tage lang
mit der Kamera in ganz Köln
unterwegs auf der Suche nach
der typischen Türkei. Am Mittwoch feierte der Film Premiere
im Odeon.
Unterstützung von den Profis
Unterstützt wurde das SchülerFilmteam von den Kölner Filmemacherinnen Neshe Demir
und Lenka Šikulová. Unter ihrer
Anleitung lernten die Jungs und
Mädchen die Grundlagen des
Filmemachens kennen. Für Neshe Demir war die Arbeit mit den
Jugendlichen eine tolle Abwechslung: „Kinder sind im Gegensatz
zu den Profis authentischer. Sie
sagen, was sie denken und gehen
mit einer erfrischenden Naivität
an die Sache ran.“
Überraschend für die Jungs und
Mädchen: Die Suche nach „typisch türkischen“ Dingen führte
sie nicht nur in die Türkei, sondern auch in andere Länder wie
zum Beispiel Tunesien, Albanien
oder Portugal. „Aus typisch türkisch wurde schnell multikulti,
als sie gemerkt haben, dass es
kulturelle Parallelen gibt. Zum
Gute vier Stunden Filmmaterial
haben die Siebtklässler zusammenbekommen. „Die Jungs und
Mädels haben alles selbst gemacht – ob Interviews, Kamera,
Regie oder Ton – wir haben nur
unsichtbar die Fäden gezogen“,
erzählt Lenka Šikulová. Die
36-Jährige ist überrascht, mit
welcher Lernfähigkeit und mit
welcher Ausdauer die Jungs und
Mädchen an die Sache rangegangen sind. Fünf Tage langen haben
die Schülerinnen und Schüler
von morgens bis abends am Film
gearbeitet.
Film ab!
Am Mittwoch präsentierten die
15 Schüler und Schülerinnen ihren Film ihren Klassenkameraden
und dem Festival-Publikum. Das
Resultat: Viel Applaus und rote
Rosen für die Nachwuchs-Filmemacher. Auch Neshe Demir ist
mit dem Ergebnis mehr als zufrieden: „Es war toll zu sehen, welche
Talente da zum Vorschein kamen
und welche Stärken die Kinder
für sich entdeckt haben. Beim
Film ist Teamarbeit und Zusammenhalt wichtig. Das wollte ich
den Jungs und Mädchen vermitteln.“ Und die 35-jährige Filmemacherin wurde nicht enttäuscht:
Entstanden ist eine 25-minütige
abwechslungsreiche Reise durch
das türkische Köln.
Lien Herzog
IFFF Dortmund | Köln 2014
2
Rebellion gegen die glattpolierte IKEA-Gesellschaft
Sebastian liebt Andreas. Und
Andreas liebt Sebastian.
Doch Andreas ist hetero. Und
Sebastian wäre gerne Ellie.
Aber so einfach ist es natürlich
nicht. Das sensible Drama
„Something Must Break“ des
Schweden Ester Martin Bergsmark handelt von Selbsfindung und des gegenwärtigen
Stockholms.
Ganz zu Anfang tauchen wir ein
in die Lebenswelt des jungen
.Sebastian (Saga Becker). Der
androgyne Mittzwanziger lebt
mit seiner Mitbewohnerin Lea
(Shima Niavarani) in Stockholm. Er arbeitet in einem
Lager, sein Alltag erscheint trist
und repetitiv.
Um auszubrechen, gibt er sich
Drinks und Drogen hin, ab uoder verabredet sich zum Sex mit
anderen Männern. Und dann
gibt es da noch Ellie. Ellie ist
Sebastians Alter Ego, die Frau,
die er gerne sein möchte, als die
er sich identifiziert.
Was sofort auffällt, wenn man
„Something Must Break“
betrachtet, ist seine formale
Andersartigkeit. Das ungewöhnliche Erzähltempo – immer
wieder durchbrochen von
stilllebenartigen Landschaftsaufnahmen – stellt zuweilen die
eigenen Sehgewohnheiten auf
die Probe. Man lernt eine Seite
von Stockholm kennen, die man
so sonst nie sieht: verwaiste Industriegebiete, ungepflegte Parks
und schmuddelige Clubs.
Der großartige Soundtrack
unterstreicht die Handlung fast
immer perfekt. Seine Vielseitigkeit reicht von Peggy Lee über
leichte Elektropop-Nummern
und schwedischsprachige Songs
bis hin zu düsterem Techno,
der in den Hallen der Underground-Clubs widerhallt.
Ester Martin Bergsmark und
sein Co-Drehbuchautor Eli
Levén haben hier einen Roman
des letztgenannten adaptiert
und auch autobiographische
Ein sensibler Film in bester Coming-of-Age-Manier
Elemente der beiden verarbeitet.
Entstanden ist ein sensibler Film
der die verquere Gefühlswelt
des Protagonisten in bester
Coming-of-Age-Manier nachzeichnet: Sebastian lernt, mit
den meist negativen Reaktionen
der Anderen auf sein eigenwilliges Auftreten umzugehen.
Man begleitet ihn, wie er an
sich wächst, wieder zerbricht
und sich in bedingungsloser
Hingabe völlig selbst verliert.
Bis er schließlich den Mut
findet, Ellie, die Frau die er
eigentlich ist, frei zu lassen, sein
Glück von anderen unabhängig
zu machen und sich selbst so zu
lieben, wie er ist.
Stefan Winopal
„Something Must Break“ läuft
am Freitag, 11. April 2014, um
22:30 Uhr im Filmforum
Bestechende Nähe zur Protagonistin
Mit ihrem Abschlussfilm „Rebecca“ gewinnt Bine Jankowski
den Preis für den besten Spielfilm im Nationalen Wettbewerb
für Bildgestalterinnen. Viele
Nahaufnahmen verstärken die
Nähe zum Protagonisten.
Etwa ein Jahr lang arbeitete Bine
Jankowski mit ihrem Team am
Film „Rebecca“. Das Team bestand aus Studenten der Internationalen Filmschule in Köln und
umfasst Regie, Schnitt, Kamera
und Produktion.
Der Spielfilm erzählt die Geschichte der jungen Frau Rebecca, die durch die Trennung von
ihrem Freund aus dem Leben
gerissen wird. Sie kommt in der
WG von Freunden unter und
führt von nun an ein rastloses
Leben in den Straßen von Berlin.
Einzig bei ihrem dementen Vater, den sie täglich im Pflegeheim
besucht, findet sie Rückhalt. Als
ihr Vater stirbt, beginnt Rebecca,
ihr Leben in ein neues Gleichgewicht zu bringen.
Intensive Stadterkundung
Für die Macherinnen des Films
war es besonders wichtig, den
Film in Deutschlands Hauptstadt
zu drehen. „In Berlin ist die Architektur ganz anders als in Köln,
die Straßen sind breiter und offener. Wir wollten das Gefühl
vom Sommer in Berlin erzählen“, beschreibt Bine Jankowski.
Aus diesem Grund erkundete sie
die Stadt bereits fünf Wochen vor
dem Dreh intensiv: tagsüber und
nachts, zu verschiedenen Lichtverhältnissen in verschiedenen
Blickwinkeln. Inspirationen findet die junge Kamerafrau auch in
anderen Filmen und Fotografien.
Die Produktionsphase mit vielen
Locations und wenig Zeit war
für die Kamerafrau anstrengend.
„Wir mussten schnell sein und
oft umziehen“, sagt Jankowski.
Dabei war ihr das Feedback der
Darsteller des Films sehr wichtig.
Spröde Bilder
Kennzeichnend für den Film ist
vor allem die schlichte, fast spröde Gestaltung der Bilder. „Wir
haben die Locations nicht allein
der Schönheit wegen gewählt“,
sagt Bine Jankowski. „Der Film
sollte vor allem echt wirken.“
Von der Entscheidung der Jury
des IFFF war die Bildgestalterin
überrascht. „Das bedeutet wohl,
dass wir was richtig gemacht haben“, freut sich Jankowski. Der
Jury fiel vor allem die Nähe des
Zuschauers zum Protagonisten
auf. Auf dem Festival will sie mit
Leuten über den Film sprechen,
Kontakte knüpfen und auch an
neue Projekte kommen. Jungen
Filmemacherinnen rät sie vor
allem, sich praktisch auszuprobieren und auch mal Fehler zu
machen. „Das ist nützlicher, als
konstant auf der Stelle zu treten“,
so die Gewinnerin Jankowski.
Victoria Kunzmann
IFFF Dortmund | Köln 2014
3
Was Gewalt mit einem anstellt
In ihrem Film Festung thematisiert Regisseurin Kirsi Marie Liimatainen Gewalt gegenüber Frauen.
meisten Kinder die sich damit
konfrontiert sehen, neigen dazu
später selbst gewalttätig zu werden. „Die Kinder identifizieren
sich mit dem Aggerssor, meist
dem Vater. Aber wenn gerade das
nicht vorkommt und es jemand
schafft, der als Kind Gewalt erlebt hat, später nicht gewalttätig
zu werden, das sollte untersucht
werden“, meint Reddemann.
Die despressive Erika (Ursina Lardi) muss regelmäßig Roberts (Peter Lohmeyer) Gewaltausbrüche ertragen.
Im Anschluss an den Film „Festung“, der das Thema häuslicher Gewalt behandelt, fand
die Diskussion „Sichtbar machen! Aber wie?“ statt. Moderiert durch Bettina Braun und
Anke Schäfer – beide Mitglieder von LaDOC, dem Kölner
Dokumentarfilm-Frauen-Netzwerk – stellten sich Kirsi Marie
Liimatainen – Regisseurin von
Festung – und die Psychoanalytikerin Luise Reddemann – die
mit betroffenen Frauen arbeitet
– den Fragen des Publikums.
aus dem Weg war“, erzählt Liimatainen. „Doch ich wollte wissen wie meine Großmutter und
meine Mutter sich dabei fühlten,
wie sie die Situationen wahrnahmen. Auch was es für die Zukunft meiner Mutter bedeutete,
diese Gewalt miterlebt zu haben
ohne selbst geschlagen worden zu
sein.“ Der Einfluss dieser Lebenserfahrung trug unter anderem
dazu bei, dass der Spielfilm „total authentisch und erschütternd
wirkt“, so Reddemann.
Fokus auf die Familie
Neben Fragen zum vorher gezeigten Film kam auch der thematische Schwerpunkt der Gewalt
gegenüber Frauen nicht zu kurz.
Nicole Armbruster, die gemeinsam mit Liimatainen studierte,
mailte ihr eines Tages den ersten
Drehbuchentwurf einfach zu und
war somit die Ideengeberin für
den Film. Da Liimatainen in ihrer Kindheit selbst Erfahrungen
mit häuslicher Gewalt gemacht
hatte, begab sie sich zur Recherche in die eigene Familie. „Ich
weiß noch wie das früher war,
wenn mein Großvater schlecht
gelaunt auf das Haus zukam und
meine Großmutter mich schnell
in den Schrank sperrte, damit ich
Der Film stelle die Gewaltsrukturen und die Auswirkungen
der Gewalt auf Frau und Kinder auf sehr subtile Weise dar,
es sei jedoch schade, dass nicht
gezeigt werde, wie man helfen
könne, so die Psychoanalytikerin. „Vielleicht wäre das etwas
für einen zweite Film“, schlug sie
vor. „Ich wollte mich tatsächlich
drauf konzentrieren, was in der
Festung, also in der Familie passierte. Bei 90 Minuten Laufzeit
können wir nicht alles zeigen, außerdem ist die Einmischung von
außen sehr schwierig“, erwiderte
Liimatainen daraufhin. Sie verriet: „Eigentlich sollte der Film
noch düsterer werden und endete
in der ersten Drehbuchfassung
auch ohne Ausblick. Aber das
konnte ich dann doch nicht machen. Ich habe mich damit nicht
wohl gefühlt, denn es gibt viele
Johannas auf der Welt und auch
denen wollte ich eine Perspektive
bieten.“
Gewalt macht gewalttätig
Reddemann gab zu Bedenken,
dass der Film zwar für Jugendliche durchaus geeignet sei, aber
nur wenn sie danach auch die
Gelegenheit hätten über ihn zu
sprechen. Laut einer aktuellen
Studie der EU werde dort jede
dritte Frau ein Opfer von Gewalt.
Gerade dort wo die Frauen sich
eigentlich sicher fühlen sollten,
Zuhause, nimmt die Gewalt immer mehr zu. „Das es häusliche
Gewalt gibt ist bereits seit den
70er Jahren bekannt“, so Reddemann. „Aber ich halte es für grotesk dafür immer neue Studien
zu machen. Das ist rausgeschmissenes Geld, das lieber in die Prävention gesteckt werden könnte.“
Die Beobachtung von Gewalt ist
für Kinder beinahe so schlimm
wie die selbst erlebte, das ist wissenschaftlich anerkannt. Und die
Gewalt wird heutzutage oft in
Filmen thematisiert, meist jedoch
dadurch, dass sie häufig dargestellt oder bagatellisiert wird. Das
festigt das Opferbild der Frau und
beschreibt eine mögliche Entwicklung dieses Bildes hin zum
Gesellschaftsbild. „Leider heißt
sich viel mit Dingen zu beschäftigen nicht, dass man sie einfach
los wird“, sagt die Psychoanalytikerin. Sie ist auch der Meinung,
es habe sich zwar schon einiges
getan. Die Öffentlichkeit mische
sich eher ein als früher, aber nach
rund 5000 Jahren Patriarchat, in
denen Männern durchaus erlaubt
war ihre Frauen mit Schlägen zurechtzuweisen, dürfe man keine
schnelle Veränderung erwarten.
Hörbare Gewalt
In „Festung“ hingegen ist nicht
eine Szene zu finden, in der Gewalt bildlich dargestellt wird,
man hört sie nur. „Ich habe mich
gefragt wie ich über Angst sprechen kann, ohne sie zu zeigen“,
so die Regisseurin. „Ich wollte,
dass die Zuschauer sie über eine
emotionale Ebene vermittelt bekommen. Das ist uns besonders
durch die Musik gelungen. Der
Film stellt das gängige Verständnis eines Familienbildes dar: Jede
noch so kaputte Familie ist besser, als aus ihr herausgerissen zu
werden. Das ist es, was die Kinder
denken, deshalb schweigen sie.
Corinna Faißt
IFFF Dortmund | Köln 2014
4
Burlesque – weit mehr als Striptease
Was verbirgt sich hinter der Ausdrucksform Burlesque wirklich?
den „British Blondes“, durch
ganz Amerika und ist für ihre
außergewöhnliche Sinnlichkeit
bekannt. Sie zeigte stets sexuelle
Over-The-Top-Darbietungen,
die aber niemals einen vulgären
Charakter hatten.
Wer an Burlesque denkt, assoziiert damit meist die rote
Mühle des „Moulin Rouge
Theaters“ in Paris, glitzernde
Brustwarzen-Pasties, Dita von
Teese in engen Corsagen, bunte Straußenfeder-Fächer und
übergroße Champagnergläser.
Doch was sich wirklich hinter
der freizügigen Ausdrucksform
Burlesque verbirgt, wie sie entstanden ist und welche Unterformen es eigentlich gibt, wissen die wenigsten. Wir möchten
diese Lücke füllen – oder wussten Sie was Neo-Burlesque ist?
Der Begriff Burlesque stammt
vom italienischen Wort „burla“
ab, was soviel bedeutet wie „Schabernack“. Womit wir dann auch
schon beim Thema sind: Der Begriff Burlesque stand zunächst für
eine frühe Form von Theaterkomödien. Die Theatervorlage des
bekannten Fernsehsketchs „Dinner for One“ ist beispielsweise
eine Art von Vaudeville, ein enger
Verwandter des Burlesque, dem
jedoch eine familienfreundlichere
Art angehaftet wird.
Anfang des 17. Jahrhundert
verstand man in Europa unter
Burleske ebenfalls eine derbe
Bühnenaufführung. Auch erste
amerikanische
Theater-Unterhaltungsshows, die aus einer rasanten Mischung von diversen
Zirkusnummern bestanden, wurden als Vaudeville oder auch Burlesque bezeichnet. Später wurden
in diese Ankettung von Einzeldarbietungen erotische Tänze
und Stripshows einbezogen, wodurch beide Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch einen anrüchigen Charakter bekamen.
In der historischen Popkultur
wurde Burlesque zum Symbol
des Aufstandes der Arbeiterklasse gegen den vornehmen Adel.
Noch heute taucht Marine- und
Militärsymbolik in vielen Shows
auf und wird regelrecht gefeiert.
In den USA wurden BurlesqueShows oftmals als Gastspiel in
Travestieshows benutzt. Dort
traten Frauen in Hosenanzügen
auf und rauchten ungehemmt
Zigaretten. In der damaligen Zeit
war dies undenkbar und galt als
tabu – trotzdem (oder gerade
deswegen) aber immer auch als
reizvoll.
In der (musikalischen) Revue gibt
es zwischen diesen unterschiedlichen Beiträgen selten einen
gemeinsamen Handlungsstrang,
sondern eher ein gemeinsamen
Thema, was sich im Burlesque
ebenfalls widerspiegelt. Gerade
die Mischung aus Musik-, Tanzund Wortbeiträgen macht Burlesque aus.
Mitte des 19. Jahrhunderts
wurden dann einzelne Tänzerinnen zu gefeierten Stars: Lydia
Thompson war 1868 der Star der
New Yorker Burlesque-Szene. Sie
tourte mit ihrer Schar Mädels,
Die heutigen Burlesque-Bühnenshows wurden stark durch die
berühmt-berüchtigten Varietétheater in Paris geprägt. Daher
auch die „rote Mühle“ als Sinnbild zum Burlesque. Die Performances zitierten oft das US-Vaudeville und griffen Themen aus
den Zirkus-Sideshows auf. Somit
entstand dann eine eigenständige
Gattung der Unterhaltungskunst.
Burlesque, wie wir es heute kennen, war geboren. Einen Höhepunkt als alleiniges Genre erlebte
die Tanzkunst in den 30er und
40er Jahren. Nach dem Zweiten
Weltkrieg entwickelten sich dann
sogar unterschiedliche Formen
der Burlesque. In den 50er Jahren wuchs es dicht mit der PinUp-Kultur zusammen. Bekannte
Figuren sind dabei beispielsweise
Betty Page und Lili St. Cyr.
Neo-Burlesque
Einige Jahre wurde es dann etwas stiller um Burlesque, doch
ganz verschwunden ist es nie.
Zu Beginn der 90er Jahre haben
einige Theatergruppen aus New
York der freizügigen Show neues
Leben eingehaucht. Unter dem
Namen Neo- oder auch New
Burlesque werden die erotischen
Aspekte des klassischen Varietés
aufgegriffen und mit einer Prise Selbstironie, dafür nicht allzu
sexistisch verballhornt. Neo-Burlesque wird nicht mehr nur von
Männern gesehen. Immer mehr
Frauen, Paare und Menschen
anderer Geschlechter mit Orientierungen aller Art sind Fans
der „neuen“ Stilrichtung. Neben
Striptease und Gesang sind auch
Comedyeinlagen, Ausdruckstanz
und Schauspiel Teil des neuen
Burlesque geworden. Galionsfigur in der breiten Öffentlichkeit
ist hierbei natürlich Dita von
Teese. Doch es gibt darüber hinaus viele weitere bekannte und
weniger bekannte Akteure. Beth
B gab mit ihrem Film „Exposed“
genau diesen Underground-Stars
eine Stimme. Bunny Love, Dirty
Martini oder Bambi the Mermaid leben für die Performance.
Sie verbreiten ein Gefühl von Individualität in allen Farben und
Formen des Lebens. Ein Mensch
ist ein Mensch, auch wenn er
nicht der Norm entspricht.
Für die Künstler und Künstlerinnen des New Burlesque stellt
ihre Show die Wirklichkeit dar
– leicht übertrieben und oft karikaturistisch. Viele Showacts
bilden sich ihre eigenen Identitäten durch Kostüm, Name und
Performance. Alles im Einklang
können sie ihr Inneres nach Außen wenden. Das ist New Burlesque.
Jan Blatzheim
Bunny and Me
Nach der Vorstellung von Exposed und dem fulminanten Auftritt der Burlesque-Künstlerin
Bunny Love konnte sich kaum
jemand zurückhalten. Vom Festivalteam über Kinozuschauer bis
zu uns Bloggern: Alle wollten ein
Foto mit der extrovertierten und
mutigen Burlesque-Tänzerin.
Die vollständige Selfie-Galerie
gibt‘s auf unserem Festivalblog
unter:
http://festivalblog.online-redakteure.com/2014/
IFFF Dortmund | Köln 2014
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Girls‘ Focus: Workshop Animation
Im Trickfilmstudio können Mädchen drei Tage lang ihrer Kreativität freien Lauf lassen.
Bei jedem Festival hat der Girls‘ Focus einen anderen Schwerpunkt. 2013 war das Thema Tongestaltung, in diesem Jahr führt die
Filmemacherin Kerstin Unger in den Animationsfilm ein.
Fotos: Julia Reschucha
Der Girls’ Focus zählt seit 2006
zum Programm des Internationalen Frauenfilmfestivals. Der
Wochenendworkshop dient zur
Berufsorientierung in der Filmbranche und richtet sich an alle
medieninteressierten Mädchen
ab 16 Jahren. „Animate: Fremde – Heimat“ ist das Thema des
9. Workshops, der vom 11. bis
13. April 2014 in Köln stattfindet. Mädchen, die sich für das
Filmemachen mit professionellem Anspruch interessieren
und etwas Neues ausprobieren
wollen, konnten sich im Vorfeld anmelden.
Eva-Maria Marx, Organisatorin des Girls’ Focus, erklärt die
Bedeutung dieses besonderen
Programmpunkts: „Seit der Zusammenlegung der beiden Festivals sollte es ein filmpraktisches
Angebot speziell für Mädchen
geben, um ihnen in einem reinen
Mädchenkreis den Zugang zu
allen Filmgewerken zu ermöglichen, vor allem die hinter der Kamera und nicht nur die üblichen
schauspielerischen.“ Das Ziel sei
es, den weiblichen Nachwuchs
zu ermutigen. Von Regie über
Kamera bis hin zum Schnitt
– der Schwerpunkt ist jedes
Jahr ein anderer.
In diesem Jahr dreht sich alles
um den Animationsfilm. Unter
der Leitung von Kerstin Unger geht es ins Trickfilmstudio.
Unger ist eine junge, begabte
Künstlerin und Filmemacherin,
sie zeichnet, animiert und entwickelt Workshops für Kinder
und Jugendliche. Ihre Haltung
zum Trickfilm beschreibt sie folgendermaßen: „Ein Standbild ist
für die Ewigkeit, die Bewegung
für den Moment. Die Methode des Animationsfilms gibt der
Filmemacherin die Möglichkeit,
ganz neue Welten zu erschaffen,
Schöpferin zu sein – um dann
festzustellen, dass man den agierenden Objekten, Figuren und
ihrer Umgebung nur dienen
kann. Ihren Charakter besitzen
die Akteure bereits, sobald sie
ausgewählt werden. Ich habe festgestellt, dass ich als Animatorin
zum Werkzeug werde, das dazu
da ist, das Wesen der Bewegung
in die Welt zu heben. Die Geschichte und die Wahl der Animationstechnik ist unser schöpferischer Akt.“
15 Mädchen können während
des Workshops ein eigenes Projekt entwickeln. Die Teilnehmerinnen bringen dafür ein
Objekt ihrer Wahl mit und untersuchen, in welcher Beziehung
es zu seiner Umwelt steht. Die
Objekte werden ins Leben gerufen, verwandeln sich oder wandern durch neue Welten.
Beim Trickfilmemachen arbeiten
die Mädchen mit iPads, iStopmotion und iMovie. Die Geräte
setzen geringe Einarbeitungszeit
voraus und ermöglichen flexibles
Arbeiten, auch im Freien.
Bei der Ideenentwicklung steht
das Thema „Fremde – Heimat“
im Vordergrund, das passend
zum diesjährigen Länderschwerpunkt Türkei gewählt wurde.
„Für viele Menschen in Deutschland ist Heimat etwas Fremdes
geworden, sich zu verorten fällt
ihnen schwer. Vielleicht hat jeder Mensch Zeiten, in denen die
Heimat gefühlt zur Fremde wird
oder man sich in der Fremde erst
richtig zu Hause fühlt? Das wollen wir mit den Teilnehmerinnen
animierend erforschen.“, begründet Organisatorin Eva-Maria
Marx die Wahl des Themas.
Der Girls’ Focus macht es den
Mädchen möglich, praktische
Erfahrungen zu sammeln und
sich mit anderen kreativen Mädchen und professionellen Filmemacherinnen auszutauschen. Die
Teilnehmerinnen dürfen auch an
anderen Programmpunkten des
Festivals teilnehmen, so können
sie unter anderem Filmvorstellungen und Werkstattgespräche
besuchen und die Festivalatmosphäre in Köln hautnah erleben.
Der Workshop findet in Kooperation mit der Kunsthochschule
für Medien, dem LVR-Zentrum
für Medien und Bildung und
dem jfc Medienzentrum e.V. statt.
Alina Drechsler
Gucken mit
Gästen
Anhand verschiedener Charaktere thematisiert Pelin Esmer in 10
to 11 den Übergang von Tradition zu Moderne in Istanbul.
10 to 11
17.30 Uhr, Filmforum
Matei Child Miner von Alexandra Gulea läuft im DebütSpielfilmwettbewerb. Durch die
Augen des elfjährigen Matei zeigt
die Regisseurin die Welt eines
einsamen Jungen in Rumänien.
Matei Child Miner
18.00 Uhr, Odeon
Für ihren Dokumentarfilm The
Forest Is Like The Mountains
begleitete Regisseurin Christiane
Schmidt ein Jahr lang die Roma
Familie Lingurar. Der Film zeigt
den täglichen Kampf ums Überleben in der rumänischen Dorfgemeinschaft.
The Forest Is Like The
Mountains
16.00 Uhr, Odeon
IFFF Dortmund | Köln 2014
6
Switch of Generations
Deniz Akçay Katıksız was born
1981 in Izmir. In 2006, she
went on to attend film-making
and editing courses at New
York Film Academy. In 2012,
she wrote and directed her first
feature film: Köksüz (Nobodys
Home).
While we‘re talking your movie is shown at the IFFF. How
many times did you watch it?
During the production I saw the
movie for 2 months frame by
.frame. Then I went to festivals
and watched it several times. I
think I‘ve seen it thousands of
time. So it‘s enough. (laughs)
You‘re a director, writer, producer...
I‘m not a producer, but I had to
produce the film. That‘s because
the film was funded by the ministry of cultural affairs.
But you liked to be the producer?
No, I hated it. I just wanted to
be in the artistic part of the film.
Do you think it‘s good to have
a system like that for aspiring
filmmakers?
No, it‘s completely demotivating. Basically you have to
start and run a company to
produce your first film. It‘s tons
and tons of paperwork. But I‘m
an artist, I don‘t like paperwork
besides writing.
What did you love the most
workin on your movie, maybe
you have a specific scene in
mind?
There is a scene where the
mother and daugther talk about
an adress over the phone. Both
almost have a nervous breakdown. Here I wanted to show
that it‘s a very simple situation
that normally isn‘t deep at all,
but with all the things that
happen between the characters I
tried to point to a whole nother
level and still create a depth.
Let‘s jump into your movie.
It seems that details are very
important to you. For example
the „Scarface“-poster in the
son‘s room or how you placed
the mp3-player in his room.
Did you just take something or did you put a lot of
thoughts in this?
We chose the details in the son‘s
room very carefully, so it fits
exactly to the character.
First while watching your movie I thought there would be
no music at all. Finally there is
a soundtrack that consists of
six songs by the band „123“.
Deniz Akçay Katıksız hates it to be a producer. She prefers
spending her time in working on every detail of her films.
How did you get to know that
band?
I knew before that I didn‘t want
a lot of music, but I wanted it fo
fit. „123“ I really liked a lot and
as it turned out my director of
photography was a close friend
of the lead-singer. In the end the
band really liked the idea and
wanted to put music everywhere, it was hard to stop them.
(laughs)
In the movie it seems that
there is a switch of generation. The mother is a typical
housewife and the daughter
is working while the husband
stays at home. Is this a change
you also see in Turkey?
Generally in Turkey there are
more women that work and
more women that graduates
from college, too. There is been
a big change. The family in my
movie has its own dynamic, it‘s
like every generation switches
a role: The grandmother is an
extroverted, open and very
activ character. This is a reason
why she kept the mother little
and she became almost the
opposite: very passive and introverted. Her daughter is again
active and extroverted like the
grandmother.
Interview: Tobias Wilinski
Noch mehr Antworten von Deniz
Akçay Katıksız lesen Sie im
Festival-Blog.
Raten Sie doch mal!
Wir haben heute wieder ein äußerst spannendes Bild-Rätsel auf
für euch. Auch heute gilt wieder:
Wer erkennt, welcher Filmtitel
auf diesem Bild dargestellt ist,
kann zwei Freikarten für einen
Festival-Film nach Wahl gewinnen. Bitte Lösung an presse@
frauenfilmfestival.eu
schicken
oder an der Infotheke im Al-
ten Pfandhaus abgeben. Des
Rätsels Lösung findet ihr in der
morgigen Ausgabe der FestivalNews. Viel Erfolg beim Rätseln
wünschen euch Sandra Lutz,
Tobias Wilinski, Jan Philip Linkersdörfer und Lena Plönnes. In
unserer letzten Ausgabe suchten
wir übrigens den Filmtitel: “The
Magnetic Tree”.
Um welchen Film könntes es sich handeln?

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