Mexiko - Native Trails

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Mexiko - Native Trails
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MEXIKO
Wüste, Kakteen & Wale
Mexiko: Beiderseits des Golfs von Kalifornien
Höhepunkt und Endpunkt der NiederkalifornienTouren. Baden erlaubt: „El Arco“ – das Felstor
trennt Pazifik und Golf von Kalifornien
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Genau 1.708 Kilometer misst die Straße längs durch Niederkalifornien – und alle
paar Kilometer wechselt die Landschaft. Die Nationalstraße Mexico Nr. 1 führt
streckenweise am Pazifik entlang, um dann an den Golf von Kalifornien, den die Mexikaner
lieber Sea of Cortez nennen, auf der anderen Seite von Baja California überzuwechseln.
I
Wale kommen von Mitte Januar bis Ende
März an die Küsten Niederkaliforniens
rgend etwas machen die Mexikaner Niederkaliforniens falsch. Das an einem ExtraSchalter im Amtrak-Bahnhof von San Diego Fahrscheine für den stündlich fahrenden Bus zum Flughafen der mexikanischen Grenzstadt Tijuana verkauft werden, weiß kaum jemand. Obwohl dies die
schnellste und dabei sicherste Verbindung
rund um die inzwischen als gefährlich eingestufte Stadt ist: Direkt zu innermexikanischen
Flügen und – für Niederkalifornien-Besucher
wichtiger – zu den international bekannten
Mietwagenanbietern sowie zu den Schnellbussen, die genau von hier aus bis ganz hinunter an die Spitze der Halbinsel nach Cabo San
Luca fahren. Am preiswertesten ist es mit dem
Bus, am bequemsten mit dem Mietauto.
Niederkalifornien ist weitgehend „naturbelassen“ und deshalb auch ein Paradies für Extremsportler. Etwa solche, die sich auf schmalen starken Motorrädern zwischen Riesenkakteen hindurchschlängeln wollen. Sie fahren
meist im Pulk („allein macht es keinen Spaß“)
und haben alles dabei, was ein Schrauber
braucht, um einen möglicherweise stotternden Motor wieder zum kraftvollen Summen zu
bringen.
Die Baja macht süchtig
und sorgt für Reisefieber
In „Baja California“ gibt es viel
mehr Cordon Kakteen als Menschen
„Auf Baja California solltest du besser keine
Panne haben“, meint Don Nelson aus Arizona,
eine Tankstellenbekanntschaft. Er sei „Bajasüchtig“, erklärt er den Anhänger an seinem
Kleinbus. „Der ist für Dirtbikes, Motorräder, mit
denen Du überall durchkommst“. Und für solche Über-Stock-und-Stein-Bikes gäbe es hier
die einzig wahren Pisten.
Hier in El Rosario, noch im oberen Drittel der
Halbinsel Niederkalifornien, die hier nur „Baja“
genannt wird, wartet man immer an der Tankstelle. Don rät: „Mach den Tank ganz voll. Die
nächste Tankstelle kommt erst nach 314 Kilometern, riskier´ nichts“. Alle anderen in der Warteschlange denken offensichtlich wie Don.
Ohnehin lohnt es, an jeder Zapfsäule
unterwegs zu halten.
Die Landkarte für Baja ist extra lang, und diese mexikanische Halbinsel, die Fortsetzung des
amerikanischen Kaliforniens, wirkt darauf - in
zwei Hälften geteilt auf der Vorder- und Rückseite - wie ein Schlauch. Es gibt nur eine Straße
von der Grenze zu den USA bis an die Südspitze der Halbinsel. Entlang der 1708 Kilometer
dieser „Carretiera Peninsular“ sind 20 Tankstellen markiert. Mehr nicht.
EXTRATIPP: Der Tank muss immer voll sein.Die nächste Tankstelle ist weit oder – böse Überraschung – könnte geschlossen
sein. Bis zur nächsten Zapfsäule kann es schon mal fast 400 Kilometer weit sein. Die Versorgung ist kein Problem. In jeder der 15
meist kleineren Orte entlang der Strecke gibt es einen Supermarkt. In Ensenada kann dazu der Kofferraum mit allem aufgefüllt werden, was haltbar ist und vielleicht gebraucht wird. Hier
gibt es die größten Shoppingmalls entlang der Strecke.Cabo San
Luca – an der Südspitze von Baja California – ist die Spielwiese
der Reichen und Schönen von Nordamerika und von Mexiko. Entsprechend teuer ist hier alles. In La Paz, 220 Kilometer davor, ist
alles deutlich günstiger zu haben.
Mitten in der „Desierto Central“, der Zentralwüste von Baja, die hinter El Rosario beginnt,
und vor dem einzigen Hotel weit und breit,
dem „Desert Inn“, entlädt Don seinen Bike-Anhänger. „Für mich ist die Carretiera nichts,
höchstens ein gut ausgebauter Zubringer“, begründet der Amerikaner, warum er sich mit seinen Bikerfreunden, mit denen er sich hier trifft,
so schnell es geht, in die Büsche schlagen will.
Die Wüste hier oben in 1.000 Metern Höhe
wirkt, als hätte es Granitblöcke geregnet. In den
Lücken dazwischen wachsen Cardón-Kakteen.
Sie wirken mit ihren nach oben gereckten Seitenarmen immer so, als hätte jemand gerade
„Hände hoch“ gerufen. Mit ihrer Größe von bis
zu 20 Metern überragen sie hier alles. Sie kämpfen um die besten Plätze mit den Cirios. Das
sind Wüstenpflanzen, schlank und hoch wie
Schiffsmasten. Ihre Blätter sehen so aus, als wären sie an den Stamm angeklebt. Elefantenbäume mit ihren dicken Stämmen stehen Don und
den anderen Bikern bei ihren Querfeldein-Touren oft im Weg. Dabei reichten ihnen für das
Vorwärtskommen Spalten zwischen den Steinen und Pflanzen, die nicht viel breiter sind als
die Bike-Reifen. „Das ist die Herausforderung“,
sie wächst, wenn es mal – selten aber immerhin
– regnet. Das kommt zwanzigmal seltener vor
als etwa in Frankfurt, reicht aber für die Pflanzen hier, sich deutlich zu vergrößern. „Kaktusrippen können sich dehnen wie eine Ziehharmonika“, erklärt Don das Prinzip.„Dann wird es
an einigen Engpässen noch enger“.
EXTRATIPP: Amerikanische Mietwagenfirmen schließen
Fahrten nach Mexiko in ihren Bedingungen meist aus. Dafür aber
haben sie mexikanische Tochterfirmen. Die Alternative zu den
Bussen sind die regelmäßigen Linienbusse. Die einfachste Art alles zu sehen bieten deutsche Spezialveranstalter an. Die kümmern sich um alles und kennen alle Attraktionen und die Hotels
dazu.Die Hauptstraßen sind gut ausgebaut und werden gepflegt,
zu abgelegenen Stränden führen dagegen oft Rumpelpisten. Auf
den ersten 112 Kilometern gibt es eine mautpflichtige Autobahn
von Tijuana nach Ensenada (wo die US-Kreuzfahrtschiffe ankern), ursprünglicher aber ist die Nationalstraße 1, für die keine
Gebühren verlangt wird.
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Zu den Grauwalen geht
es über Pisten und Feldwege - aber dann ist das
Erlebnis einmalig schön
Wo die Biker Mantas treffen
Die Biker, die im Nirgendwo der Baja-Wüsten unterwegs sind, pflegen seltsame Bräuche.
Eine beliebte Tour etwa führt über schwierige
Abhänge bis hinunter zum Golf von Kalifornien. Dort wartet Maria, die Wirtin des „Costa del
Sol“ Motels in Bahia de los Angeles direkt an
der Golfküste, mit dem Essen auf diese Gäste.
Eine Wand im Restaurant des Hotels ist schon
voll mit Biker-Kappen. Und die Biker bringen
ihr immer mehr mit.
EXTRATIPP: Wer zu den abgelegenen Stränden will, braucht
eine Landkarte mit den Schotterpisten. Die große Mexiko-Karte,
wie sie in Deutschland verkauft wird, reicht nicht aus. Autoclubmitglieder fragen speziell nach der Baja California Karte. Der
Straßenplan des amerikanischen AAA (der dortige Automobilclub) reicht völlig aus und lässt den Mietwagenfahrer nicht im
Stich.
Diese Engelsbucht zwischen Wüste und
Meeresarm ist wegen des stahlblauen Wassers
und den vielen Inselchen und Inseln mit die
schönste Bucht auf der Ostseite von Baja. Einige Bootsbesitzer laden die Besucher ein, sie zu
den Pelikankolonien, den Nistplätzen der
Heermann-Möwen, Fischadler oder Prachtfregattvögeln hinaus zu fahren, die man in diesem Naturschutzpark in unübersehbaren
Scharen beobachten kann. Mit etwas Glück
zeigen sich unterwegs dazu Mantas, Hammerund Tigerhaie oder auch mal Wale. Delphine
umschwimmen fast immer die Boote. Wer nur
wegen der Wale nach Baja California kommt,
fährt allerdings zur Pazifikküste und trifft dort
auf Esido Beneito Juarez . Immer ab Mitte Januar bis in den späten März holen er und seine
Fischer-Kollegen von Guerro Negro die Netze
aus ihren Booten, bauen Sitze ein und fahren
die Walbegeisterten hinaus auf die „Laguna
Ojo de Liebre“. Warum genau Grauwale aus
der 9700 Kilometer entfernten eisigen Beringsee hierher an die Küsten von Baja
schwimmen, weiß er auch nicht. „Wärmeres,
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salzhaltigeres Wasser, das gibt mehr Auftrieb,
die Walbabys lernen leichter schwimmen und
Luft holen“, sei ein Grund, meint er. Wenn es
aber um die Wale selbst geht, weiß Esido genau Bescheid. „16 Meter lang, 40 Tonnen, die
Walkälber wiegen eine Tonne bei der Geburt
und brauchen tagtäglich 200 Liter Muttermilch, um stark genug zu sein, mit der Mutter
zurück in die Arktis zu schwimmen“, kann er in
leidlichem Englisch erzählen. Doch wenn sich
dann - irgendwo in der riesigen Meereslagune - zunächst ein großer grauer Rücken aus
dem Wasser erhebt, gefolgt von einem kleinen,
muss er nichts mehr sagen. Alle wissen „Walmutter mit Baby“. Erstaunlich, wie Riesentiere
Menschen anrühren können.
EXTRATIPPS: Von Mitte Januar bis Mitte März bringen Wale
in seichten Buchten vor der Küste ihre Kälber zur Welt.Wer gleich
(über Pisten wie Feldwege) zu den Fischern geht, die zum„Whale-Watching“ hinausfahren, spart Geld und erspart sich den
Gruppenzwang, der entsteht, wenn Vermittler die Hotels abklappern, um Gruppen zusammen zu bekommen. Die Anfahrt ist kilometerweit, aber hinter Guerrero Negro angenehmer und - wegen der Salzlagunen in der Wüste - interessanter, als von San
Ignacio aus.
Die Küsten mit ihren einsamen Stränden sind ohne Ausnahme beiderseits der Halbinsel Niederkaliforniens schön. Aber
mindestens so interessant ist das Land dazwischen. Die Baja-California-Nationalstraße führt durch Geröllwüsten und über
hochgebirgsähnliche Pässe hinweg. Die Militärposten
unterwegs winken Europäer in Mietwagen durch. Sie stehen
etwa alle 100 Kilometer an der Straße und fahnden nach Angehörigen von Drogenkartellen.Deutsche Mietwagenfahrer gehören wohl nicht zu ihrem „Beuteschema“.
Flutwarnschilder.Wer fragt,was das soll, wird daran erinnert,
dass man in der wasserarmen Baja leicht ertrinken kann.„Auf
jedes Unwetter folgen Sturzbäche, dann solltest du besser nicht
gerade eine Straßensenke durchfahren“, sagen die Baja-Mexikaner und richten sich auch danach.
Die Wüste Baja lebt, aber nicht immer so, wie
man sich das vorstellt. In der Desierto de Viscaino geht es durch lehmbraunes, pflanzenloses Land direkt auf einen großen dunkelgrünen Palmenwald zu. „Dattelpalmen, 100 000
insgesamt“, weiß in San Ignacio jeder. „Spanische Mönche haben sie zu unserer Oase gebracht und auch die Kirche bauen lassen“. Sie
zählt zu den schönsten Missionskirchen
entlang des Pazifiks insgesamt und ist auch
wegen ihrer Bauweise eine Besonderheit:
„Wände, dick wie für Festungsmauern“. Die
Missionare auf Baja haben sich sichtbar nicht
mit Halbheiten zufrieden gegeben.
Das tut auch die Tekate-Brauerei nicht. Wo
es in den Trockenzonen entlang der Hauptstraße passte, ließ sie 2-Meter-Dosen auf hohe
Masten setzen. Die Werbung hat Erfolg, dieses
Bier gibt es überall dort, wo mehr als drei Hütten nebeneinander stehen.
Das beste Brot der Welt
Hinter den„Los Tres Virgines“ (drei Jungfrauen), vor 250 Jahren erloschene Vulkane, die mit
ihren bis zu 1920 Meter hohen Bergkegeln
den Weg nach Süden durch viele Serpentinen
verlängern, gibt es „das beste Brot der Welt“.
Das wenigstens behauptet der 72 Jahre alte
Arturo Castélun Arce, der mit einigen Kollegen
die 1901 gegründete Bäckerei der französischen Minengesellschaft El Boleo in Gang hält.
Hier in Santa Rosalía haben die Franzosen reiche Kupfervorkommen ausgebeutet und Arturo und Freunden das Brotbacken beigebracht. Noch etwas erinnert an Frankreich. Alexandre Gustave Eiffel hat nicht nur den nach
ihm benannten Pariser Eiffelturm gebaut, er
entwarf auch einen Stahlbaukasten für leicht
zusammen zu schraubende Kirchen für Übersee. Dies ist der ideale Ort für solch ein „Fertigbaugotteshaus“. In der trockenen Luft von Baja
rostet Stahl kaum.
Vorbei an Mulegé, wo ein unterirdischer
Fluss zu Tage tritt, geht es nach Loreto, ein historisch bedeutsamer Ort. Hier setzte 1607 ein
Schiff den Pater Juan Maria Salvatierra an
Land. Er gründete in Loreto die erste aller Missionen Kaliforniens. Loreto wurde danach für
lange Zeit zum weltlichen und geistlichen
Zentrum von Nieder- und Hoch-Kalifornien,
dem heutigen US-Staat California, in dem Arnold Schwarzenegger gegenwärtig als Gouverneur regiert. Spätestens hier packt das KapFieber die Touristen. Ihr Sehnsuchtsziel ist
Cabo San Lucas, das Kap des heiligen Lucas,
und der dortige Felsbogen „Los Arcos“. Hier
treffen der Golf von Kalifornien und der Pazifik
aufeinander, und er ist das Ziel der vielen Glasbodenboote, die von der Stadt am Kap ständig zum Arcos und zurück fahren. Unter dem
Boot schwimmen riesige Fischschwärme hindurch und auf den Felsen darüber warten die
Seelöwen, Möwen und Pelikane, um Beute
machen zu können. Los Arcos ist der sehenswerte Endpunkt von Baja, ein Granitfelsen, der
aussieht wie ein Drachen, der im Meer trinkt.
Hinter Los Arcos beginnt das weite Meer.
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Zwischenstopp mit Verkauf am höchsten Punkt der ChepeEisenbahnlinie durch das Gebirge. Von der Bahn ist es nicht
weit zu den spektakulärsten Schluchten Mexikos
Tief
st
leisanschluss und AAusblick
usblick
iefst
stee Schluch
Schluchtten - mit GGleisanschluss
Fünfzehn Stunden per Bahn zwischen 3.000 Meter hohen Gipfeln und kilometertiefen Canyons hindurch Oben Eis und Schnee, unten Südfrüchte – Größer als der Grand Canyon!
Z
u einer senkrecht abfallenden Felswand, fünfmal so hoch wie der Berliner
Fernsehturm, hält man besser etwas
Abstand. Nicht so die junge Schweizerin Danielle, die gerade auf einen Felsbrocken direkt am Abgrund klettert. Oben angekommen, springt sie in die Luft. Einmal und
immer wieder. „Eine Alpinistin“, beruhigt ihr
Freund zufällige Zuschauer. „Sie kann Risiken
einschätzen!“ Und überhaupt, das seien Freudensprünge. Für das Paar erfülle sich hier und
jetzt ein lang gehegter Traum.
Dieser Traum hat gleich mehrere Namen. In
der Sierra Madre Occidental, dem Mexikanischen Küstengebirge, gibt es zwischen den
Dreitausendern tiefere Schluchten und schroffere Felsen als überall sonst in Nordamerika.
Die Barranca de Urique ist 1870 Meter tief und
bildet mit den Barrancas de Sinforosa und de
Batopilas (beide 1799 Meter), der Barranca de
Tararecua (1425 Meter), der Barranca del Cobre (1759 Meter) und kleineren Nachbar-Barrancas ein Canyon System, vier mal so groß wie
der US-amerikanische Grand Canyon zwei
Flugstunden weiter nördlich. Sie heißen „Kupferschluchten“, und das, so die Mexikaner, die
hier leben, aus gutem Grund. „Ihr könnt es sehen, die Felsen leuchten in allen Farben des
Kupfers auf. Morgens sind sie rot-gold, mittags
dann strahlend gelb-braun und abends wird
aus einem Rot ein bräunliches Violett, wie bei
Kupfer, das anläuft“. Kupfer wurde hier
übrigens nie gefunden.
EXTRATIPP: Dies ist ein Spätherbst-,Winter- und Frühlingsziel. Im Sommer kann es entlang der Küste glühend heiß werden. Die Fahrt mit der Kupferbahn lässt sich bestens mit einem
Badeurlaub verbinden. Die Busverbindungen zu den Stränden
von Matzatlàn sind gut und der Bus fährt regelmäßig. Per Fähre
sind die Strände der Südspitze von Baja California, auf der anderen Seite des Golfs von Kalifornien, erreichbar. Hier wie dort ist es
immer warm genug für Badeferien – es muss ja nicht Acapulco
sein.
Das Tiefgrün unten auf der Sohle der in der
Höhe bis zu 10 Kilometer breiten Schluchten,
habe jedoch mit den Kupferfarben nichts zu
tun: „Da wachsen Zitronen und Orangen mit
ihren dunkelgrünen Blättern und etliche tropische Pflanzen“. Gibt es an den Canyon Rändern schon mal Eis und Schnee, in der Tiefe
bleibt es immer warm.
In den USA ist der Grand Canyon eines der
beliebtesten Ziele für Touristen. Verglichen damit ist es hier sehr ruhig. Von der Küste her
schaffen es nur schwere Allradfahrzeuge zu
den Canyons hier hinauf und natürlich „unsere
Maultiere“. Deshalb müssen alle, die aus Richtung Los Mochis kommen, dem Westen also,
den Zug nehmen.
Die Geschichte dieser KupferschluchtenBahn liest sich wie ein Fortsetzungsroman. Die
Gründer – allesamt Amerikaner – wollten für
ihre Güterzüge eine kürzere Verbindung von
der See nach Kansas, dem Staat genau in der
Mitte der USA schaffen. Ihre Pazifik-Kansas-Linie sollte gegenüber der bestehenden Linie
Kalifornien-Kansas 600 Kilometer einsparen.
Das hätte sich gelohnt!
Das Vorhaben aber stand unter keinem guten Stern. Die mexikanische Revolution, Finanzkrisen und politische Querelen verzögerten den Bau immer wieder. Es dauerte letztlich
80 Jahre, bis alle Schienen verlegt waren. 1961
konnte die „Ferrocarril Chihuahua Al Pacifico“,
abgekürzt „Chepe“, endlich über die Sierra
Madre fahren.
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finden. Danielle erklärt, das sei nicht nur billig,
sondern auch praktisch – man könne
jederzeit aussteigen und bleiben, wo es einem
gerade gefällt. Für Menschen mit BergsteigerErfahrung ist es hier überall schön.
EXTRATIPP: Eine Fahrt mit dem Chepe sollte in El Fuerte beginnen, auch wenn der Zug in Los Mochis eingesetzt wird. Das
erste Teilstück der Strecke führt durch flaches Ackerland und es
ist dazu angenehmer gegen neun Uhr in den Zug zu steigen und
nicht schon um sechs!
Blick hinunter in 1870 Meter Tiefe – die Kupferschlucht
bei Posada Barrancas. In Creel kaufen die Rarámuri-Indianer alles, was sie nicht selbst herstellen
Eisenbahntechnisch zählt der Chepe zu den
kühnsten Bergbahnen mit Normalspur
überhaupt – ein Meisterstück der Eisenbahnbauer! Obwohl El Fuerte auf der einen Seite
der Berge vom auf der anderen Seite gelegenen Creel nur 70 Kilometer – Luftlinie – entfernt ist, mussten in der Sierra Madre 400 Kilometer Gleise verlegt werden. 36 Brücken und
87 Tunnel waren nötig, damit größere Steigungen vermieden werden konnten, die die Lokomotiven überfordert hätten. Dazu musste die
Bahn um die Barrancas herum und entlang der
Schluchten gebaut werden. Brücken über breiteste und dabei kilometertiefe Schluchten zu
schlagen, war unmöglich.
EXTRATIPP: Mietwagen taugen für die Tour durch die Kupferschluchten nicht.Passierbare Straßen gibt es nur auf der zweiten Hälfte der Strecke durch die Sierra Mardre Occidental von
Chihuahua aus bis etwa hinter Divisadero. Vom Meer her gibt es
nur den Schienenweg und einige Pisten, die zeitraubend nur mit
besonders schweren und geländegängigen Wagen befahren
werden können. Das ist nichts für Menschen, die nicht an steile
Hänge mit Schotterwegen gewohnt sind.
Chepe lässt Herzen höher schlagen
Bahnenthusiasten reisen aus aller Welt an,
um diese einzigartige Strecke zu erleben. Für
sie gilt: „Der Weg ist das Ziel“, und entsprechend genießen sie es, wenn der Chepe, um
Höhe zu gewinnen, auf der einen Seite eines
Tales bis zur Hälfte hinauf fährt, das Tal mit einem Viadukt überquert, um sich dann auf der
anderen Seite weiter bergan zu kämpfen.
Mehrfach geht es über enge Schleifen hinweg,
von denen aus man den letzten und den
nächsten Streckenabschnitt sehen kann. Die
Schaffner machen auf besonders hohe Brücken, spektakuläre Tunnel und spiralig angelegte Bergstrecken rechtzeitig aufmerksam,
wenn man sie darum bittet.
Zwei mal pro Tag fährt der Chepe vom Meer
über die Berge und entsprechend oft zurück
in die Gegenrichtung. Danielle und ihr Freund
bevorzugen den Bummelzug, der an jedem
Kaktus hält und in dem erstaunlich viele Mexikaner mit unglaublich vielen Traglasten Platz
In den schnelleren Erste-Klasse-Chepes,
dem„Primera Express“, sitzt auf weichen, wenn
auch mitunter schon sehr abgenutzten Polstern, wer die Hotels entlang der Strecke vorgebucht hat. Das sei die bequemste Methode, die
Barrancas/Canyons/Schluchten zu erleben, empfehlen die Reiseveranstalter – zu recht übrigens! Von El Fuerte
aus braucht der Zug etwa vier Stunden für den ersten Teil der Bergstrecke, hinauf bis Bahuichivo. An der winzigen Station, direkt an einem Bahnübergang, über den, nachdem der Zug
gehalten hat, ein Hausierer sein Muli
treibt, erwartet ein Hotelbus Gäste.
Sein Ziel ist der 11 Kilometer entfernte Missionsort Cerocahui mit seinem
alten Hotel. Unterwegs macht der
Fahrer auf das höchst gelegene Rebland Mexikos aufmerksam - „das stammt noch
von den Missionaren“. Kaum sind die Koffer
ausgeladen, wartet er am Hoteleingang, um
die Besucher noch weiter hinauf in den Hochwald zu bringen. „Nirgendwo gibt es einen
schöneren Blick auf die Stadt Urique tief unter
uns in der Barranca als von den Lichtungen
hier“, sagt er, während er den Kleinbus so nahe
an einer Felswand parkt, dass kaum noch eine
Hand zwischen Fels und Bus passt. „Achtung,
der Wahnsinnige kommt!“ Ein gelber Linienbus – der Typ, mit dem in Amerika Schulkinder
transportiert werden – braust vorbei und wirbelt eine gewaltige Staubwolke auf. „Das ist
der Linienbus hinunter nach Urique-Stadt. Der
junge Mann am Steuer glaubt immer, er müsse Rennen fahren“. Vier Stunden braucht der
Bus, der Weg führt steil hinunter und ist
streckenweise schlecht ausgebaut. Dem
„Wahnsinnigen“ überlässt hier jeder liebend
gern die Vorfahrt. Immerhin: „Bisher ist noch
nie etwas passiert!“
EXTRATIPP: Auf den Erste-Klasse-Zug folgt mit größer werdendem zeitlichen Abstand der deutlich preiswertere Personenzug. Obwohl auch der Erste-Klassezug gemessen an europäischen Maßstäben nicht teuer ist, der Zweite-Klasse-Personenzug ist noch einmal preiswerter. Egal womit gereist wird: Hier
gilt „der Weg ist das Ziel“. Man sollte mehrfach die Fahrt unterbrechen und entlang der Schluchten übernachten, sonst verpasst man den besten Teil der Reise.
Im Abenteuerland der Indianer
Salzfelder an der Laguna Ojo de Liebre
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Ein ganzes Netz fußbreiter Wege durchzieht
die Schluchten, sie schlängeln sich zu den Höhen hinauf und an den Rückseiten wieder hinunter. Diese Native Trails verbinden kleine, aus
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aufgeschüttetem Land gebildete Terrassen
mit Bäumen und wohnzimmergroßen Äckerchen rund herum. Hier leben die Rarámuri,
mexikanische Indianer. Ihre Hütten sind
schwer zu erreichen - sie haben sich immer
weiter in die Wildnis zurückgezogen, nachdem
zuerst die spanischen Eroberer und danach
Siedler kamen und das Land, auf dem sie lebten, in Besitz nahmen. Die Ráramuri sind als
schnelle und ausdauernde Läufer bekannt,
deshalb wählte die Chepe-Gesellschaft auch
die traditionelle Rarámuri-Sandale als Vorlage
für ihr Firmenzeichen aus.
Überall dort in den Bergen, wo der Chepe
hält, trifft man auf einige dieser farbenfroh gekleideten Indianer. In Divisadero hat der Zug
den mit 2420 Metern höchsten Punkt der Strecke erreicht, und der 20minütige Stopp dient
auch dazu, Gegenzüge passieren zu lassen. Bei
den Touristen ist er beliebt, weil dies ein grandioser Aussichtspunkt ist, von dem aus zu sehen ist, wo die beiden Canyons Urique und del
Cobre ineinander übergehen. Die Rarámuri
bieten hier selbst geflochtene Körbchen, Masken, Flöten und Souvenirs jeder Art an.
Mexiko in Deutschland:
Mexikanisches Fremdenverkehrsbüro, Taunusanlage 21, 60325
Frankfurt a.M., Telefon 069 253 509, www.visitmexico.com
BAJA CALIFORNIA
USA
Mexicali
Ensenada
Tucson
San Felipe
San Quintin
Nogales
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El Rosario
© Kartographiebüro
Jochen Fischer, FFB
Phoenix
San Diego
Tijuana
Bahia de
Los Angeles
Rosarito
Guerrero Negro
Hermosillo
Santa
Rosalia
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Mietwagen:
Wenn ein Mietwagen nur für eine Strecke gemietet werden
soll, etwa weil es mit der Fähre (die keine Mietwagen mitnimmt!) weiter gehen soll oder zurück geflogen wird, muss
geklärt werden, was die Rückführung des Wagens kostet. Wer
sich die Sehenswürdigkeiten auf Hin- und Rückfahrt aufteilt,
hat dieses Problem nicht. Die Rückführungskosten sprechen
für Bus- oder Pauschalreisen auf dieser Halbinsel.
Gesundheit:
Weder die Berge der Sierra Madre, noch Niederkalifornien gehörten zu den Zentren der Schweinegrippe. Menschenansammlungen, in denen man sich anstecken kann, gibt es hier
nicht – diese Regionen sind sehr dünn bevölkert. Deshalb hält
das Centrum für Reisemedizin ( www.crm.de ) in Düsseldorf
Reisen hierher für unbedenklich, wenn die allgemeinen
Regeln für Hygiene eingehalten werden. Dazu gehört a) regelmäßiges Händewaschen mit Seife, b) Menschenansammlungen zu meiden und c) sich von Kranken fernzuhalten.
Go
Anreise:
Los Mochis, der Ausgangspunkt der Bahn, ist per Flugzeug
über Mexico-City oder diverse US-Flughäfen zu erreichen. Die
Zahl der Flüge nach Chihuahua ist deutlich größer, die Stadt
wird auch über Tucson, Phoenix, Houston oder El Paso angeflogen. Wer einen Badeurlaub mit der Bahnfahrt verbinden will,
reist über Mazatlàn (per Bus weiter nach Los Mochis fahren)
oder La Paz in Baja California (und weiter per Fähre) an. Die
Reiseveranstalter fliegen Tjuiana , Ausgangspunkt für Niederkalifornienreisen, meist über Mexico-City an. Die Alternative
ist eine Anreise über die USA und von San Diego aus, wo von
der Amtrak-Eisenbahnstation aus regelmäßig Linienbusse
zum Flughafen Tijuana fahren und dorthin wieder zurück
kommen. Die Busfahrt zum Flughafen dauert nur ein Drittel so
lange, wie die Rückfahrt. Während Mexikaner den Bus durchwinken, bestehen auf der Rückfahrt die US-Kontrolleure darauf, dass alle Busreisenden samt Gepäck den Bus verlassen
und die Personen- und Gepäckkontrollen passieren. Zum
Bahnhof San Diego fahren nahezu stündlich Amtrak-Züge ab
Los Angeles, einige kommen sogar von Nordkalifornien. Die
Bahnfahrt ist preiswert – Studenten und Senioren fahren gegen Ausweis günstiger. Von den Fensterplätzen auf der rechten Seite des Zuges (Hinfahrt) aus hat man beste Aussichten
auf den Pazifik. Der Zug wurde über lange Strecken hinweg
oberhalb der Strände entlang gebaut. Die Kombination des
Besuchs von US-Kalifornien und Niederkalifornien ist kein Problem.
Wann?
In der Wüste Niederkaliforniens und in Los Mochis – und selbst
in den Bergen – kann es im Sommer glühend heiß (mit dann
wieder kalten Nächten) werden. Entsprechend gelten die
Sommermonate nicht als die angenehmste Reisezeit. Niederkalifornien und die Sierra Mardre Occidental sind ein gutes
Winterreiseziel. Das Klima ist hier dann warm, aber nicht heiß.
e
Text: Armin E. Möller & Ursula Meister
Wie und wer?
Das größte Angebot für organisierte Reisen, sowohl mit dem
Chepe-Zug als auch durch Baja California, bietet der Spezialist
Olaf Bock von Gersum an, dessen Native Trails Agentur (Telefon 06035 920054 / www.NativeTrails.de ) sich auf diese Regionen Mexikos spezialisiert hat. Er ist in der Lage den Reiseplan
sehr individuell zu gestalten. Einige wenige Pauschalreiseunternehmen haben ebenfalls den Chepe im Programm. Für die
Tour mit dem Chepe sollte man drei bis sieben Tage einplanen.
Solch eine Fahrt kostet bei NativeTrails (1. Klasse-Zug) inklusive Ausflugspaket und Übernachtungen 280 Euro (3 Tage) oder
680 Euro (7 Tage) mit einem größeren Ausflugspaket pro Person im Doppelzimmer.
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P a z i
Was sie mit dem Geld anfangen, zeigt sich
zwei Stunden später am Gebirgsausgang in
Creel. Hier kaufen die Rarámuri all das ein, was
sie nicht selbst erzeugen können. Wer gerne
und ausdauernd wandert, wie zum Beispiel
Danielle und ihr Freund, kann von Creel aus auf
Native Trails Indianersiedlungen, alte Silberminen und eine so genannte „vergessene Kathedrale“ – eigentlich ein Missionskirchlein – für
sich entdecken. Die siebenstündige Nachtfahrt über die Hochebene nach Chihuahua
kann schließlich warten. Draußen wird es dunkel und nur hin und wieder fährt der Zug an
Dörfern vorbei, die von altersschwachen elektrischen Straßenlaternen beleuchtet werden.
Die hell erleuchtete Großstadt Chihuahua wird
erst gegen halb elf in der Nacht erreicht. Der
Chepe hat für die 673 Kilometer von Los
Mochis auf der Westseite des Gebirges bis hier
hin ziemlich genau 15 Stunden gebraucht.
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os: Mexiko-Tour
Infos:
San José
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Cabo San Lucas
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San Lucas
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