Die StarAcademy – Theoriebildung, Peer-Learning

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Die StarAcademy – Theoriebildung, Peer-Learning
Institut für Computerspiel – Spawnpoint |Leipziger Str. 56b| 99085 Erfurt
Die StarAcademy – Theoriebildung,
Peer-Learning, Community-Building
und
kulturelle Partizipation mit StarCraft
Institut für Computerspiel – SPAWNPOINT
Plattform e.V.
Leipziger Str. 56b
99085 Erfurt
Tel.:
eMail:
03 61 – 34 189 345
[email protected]
Von Kelvin Autenrieth
Bekannt ist der Spruch „Die machen nichts, die wollen nur spielen“. Auch die StarA-
cademy könnte man für eine gewöhnliche LAN halten. Spieler treffen sich und verbrin-
gen gemeinsam ein Wochenende mit einem Ziel: besser zu werden in ihrem Lieblings-
spiel. Wenn man aber genauer hinschaut, dann ist das mehr als nur Zocken. Die Spieler
daddeln nicht nur, sondern sie entwickeln abstrakte Modelle des Spiels, lernen vonei-
nander, diskutieren Strategien und gehen gemeinsam weiteren Zielen nach. Sie sind
Rekruten der StarAcademy.
Am 28. und 29. Juli trafen sich
12 Freunde des Strategiespiels
Starcraft II. Sie hatten als Ziel,
gemeinsam voneinander zu ler-
nen und ihr Wissen zu teilen.
Von dem Noob bis zum Pro waren alle vertreten. Im Internet
sind sie durch Ligen geteilt,
durch Foren getrennt, und au-
ßerhalb der digitalen Sphäre
gibt es überhaupt keine gemein-
Angetreten zur ersten StarAcademy
same Plattform. Doch was pas-
siert, wenn sich diese Menschen mal im Real-Life treffen?
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Theorien, Modelle und Regeln
In der Schule oder an der
Uni häufig verhasst, damit
wird sich hier bereitwillig
und ausgiebig auseinander-
gesetzt. Wer besser spielen
will, der muss nicht nur mit
einer hohen Frustrationstoleranz, sondern auch viel
Lernbereitschaft,
unzähligen
Was haben all diese Statistiken wohl zu bedeuten?
um
Aspekte
Spiels zu verinnerlichen.
die
des
Dazu zählen die vielen Ei-
genschaften der unterschiedlichen Einheiten, die Vorteile, Nachteile und Möglichkeiten
auf den verschiedenen Maps, die vielschichtigen Zusammenhänge der Spielmechanik
sowie die hohe Komplexität der Spieldynamik, die Außenstehenden wohl schon durch
die
Terminologie
unbe-
greifbar sein wird, wenn
sich Eingeweihte darüber
unterhalten.
Die Hatch first bei einem 2Rax-Pressure Built ist doch
wohl zu riskant.
Ja, aber nicht auf einer 4Spieler-Map
mit
Crossspawn only. Dann bist du in
der Eco so weit vorne, dass
du eigentlich nur gegen einen Cheese verlieren kannst.
Zusammen wird das Spiel analysiert, das ist wie „Schach auf Steroiden“
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In diesen merkwürdig anmutenden Diskussionen beispielsweise
um: Effektives Ressourcenmanagement,
Problemlösestrate-
gien, Krisenmanagement, Entscheidungstheorien. Mit tristem
Zocken hat dies nicht mehr viel
zu tun, die Runde gleicht in dieRegeln, Regeln, Regeln
ser Hinsicht mehr einer Mischung aus Managerfortbildung
und Schachdebatte.
Sich beim Spiel Fehler einzugestehen und an diesen zu arbeiten ist dabei elementare
Voraussetzung. Selbst Profis gewinnen nur die gute Hälfte aller gespielten Matches. Es
ist nahezu unmöglich, sich an Erfolg zu gewöhnen. Damit man besser wird, müssen die
Replays der Spiele analysiert werden. Mit Hilfe von vielen Echtzeitstatistiken, die einen
umfassenden Überblick über den Spielverlauf geben, wird nun systematisch und chirur-
gisch untersucht, warum genau denn nun ein Spiel verloren wurde. Was alleine vor dem
heimischen Rechner normal ist, wird in der persönlichen Runde u. U. etwas merkwür-
dig: Denn plötzlich erklären zehn andere dem Spieler, wo er überall Fehler gemacht hat
und was er hätte besser machen müssen. Starcraft ist eines der wenigen Spiele, die keinerlei Zufallsmomente enthalten. Pech oder Glück in dem Sinne sind hier nicht vorhanden. Der Weg zum Erfolg ist gepflastert mit zahllosen Niederlagen.
Peer-Learning
In der StarAcademy ist das ein gemeinsamer Prozess. Zusammen werden die „Regeln des
guten Spielens“ erarbeitet, verinnerlicht und umgesetzt. Zu den spielimmanenten Regeln
gesellen sich äußere: Was bedeuten „Sportsgeist“ und „Fair Play“? Welche Hardware ist
wichtig? Was sind relevante ergonomische Gesichtspunkte?
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Die Spieler tragen hier ihr Wissen
zusammen, denn egal ob Einsteiger oder Profi, jeder hier ist schon
ein Experte und kann mit seinen
Erfahrungen an der Generierung
des kollektiven Wissens teilhaben.
Um das Gelernte zu verinnerlichen, bestreiten sie mit den neu
entwickelten Theorien Spielpartien. Hier haben sie zudem die
Die Regeln des guten Spielens
Möglichkeit, die Replays der aus-
getragenen Partien genauer zu untersuchen. Wer möchte, der kann sich hier von den
anderen Ratschläge geben oder sein Spiel auf Fehler untersuchen lassen
Die theoretischen Betrachtungen bauen immer aufeinander auf, angefangen mit den we-
sentlichen Aspekten des Spiels geht es später um spezielle Gesichtspunkte. Damit wird
es den Spielern möglich, nach und nach ihr Wissen zu festigen und in die Tat umzuset-
zen. Neben den acht Trainingsblöcke, bestehend aus Spiel, Theorie und Analyse, gibt es
abends ein „open play“: Hier werden eigene Trainingsziele formuliert und trainiert oder
auch verschiedene Mods zum Training ausprobiert. Die Teilnehmer spielen dabei nie nur
alleine „vor sich hin“, sondern stehen immer im Kontakt mit anderen. So kann eine
Community entstehen.
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Community Building
Zu Games entstehen permanent neue Communities. Die meisten davon sind jedoch auf
das Internet beschränkt. Die StarAcademy holt diese Community aus dem Internet heraus
Wer sich hier womöglich nur
über Profile und Stats kennt,
der lernt nun die Menschen
dahinter kennen. Man vernetzt sich hier mit Gleichge-
sinnten und bleibt mit ihnen
in Kontakt.
Auf Grund der lokalen Nähe
treffen
Die Profis stehen mit Rat und Tat zur Seite
sich
Einige
hier
mehrmals wieder. Insofern
entsteht hier auch ein Raum
für weitere soziale Kontakte.
Eine besondere Bedeutung hat das für jene (meist jungen) Spieler, die ihrem Hobby
sonst ausschließlich alleine nachgehen und sich häufig für das Spielen verteidigen müs-
sen. Durch das Treffen mit Gleichgesinnten können sie ihre Außenseiterrolle ablegen,
erfahren Akzeptanz und merken, dass sie keineswegs so seltsam sind, wie ihnen in Medien und Gesellschaft häufig nachgesagt wird. Hat sich solch eine Gemeinschaft gebildet,
so bieten sich hier Anknüpfpunkte für gemeinsame Folgeprojekte, die Teil der kulturellen Partizipation darstellen.
Kulturelle Partizipation
In der Spielkultur werden die Spieler nicht selten von reinen Konsumenten zu aktiven
Produzenten. Deren User Generated Content kann dabei viele Formen annehmen. Zumeist sind es Blogs, Foren und Streaming-Videos, die sich auf verschiedenste Weise mit
dem Spiel befassen.
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Daneben knüpfen künstlerisch-kreative Arbeiten wie Artworks in konkreter oder auch
abstrakter Weise an das Spiel an. Seien es durch Zeichnungen, musische oder filmische
Projekte. Wie ein Blick in die Starcraft-Community zeigt, gesellt sich hier auch noch der
Contestbereich
hinzu:
Von
Zeichen- und Bastelwettbewerben, merkwürdig anmutenden
Ingame-Contests
(„Gewinne ein Spiel mit einem
einzigen Einheitentyp“) bis
hin zu gewöhnlichen Turnie-
ren, die Kreativität der Fans
führt hier viel Weiteres zu
Tage.
Zudem recht weit verbreitet
Einblicke in die Möglichkeiten eigener Content-Entwicklungen
ist das Schaffen von ingame-
content: Mit Hilfe des offiziellen, sehr mächtigen Editors lassen sich nicht nur gewöhnli-
che Karten erstellen, sondern auch storybasierte Rollenspiele oder gar neue strategische
Genres.
Die StarAcademy schafft für ihre Teilnehmer dafür Anreize und bietet ihnen eine Plattform hierfür. Neben dem kollaborativen Erarbeiten einer Zielstellung und den damit
einhergehenden planerischen Fähigkeiten werden hier technische, gestalterische und
insbesondere analytische Skills gefördert.
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Auswertung und Ausblick
Die erste Durchführung zeigte deut-
lich, dass die Spieler eine sehr hohe
allgemeine Lernbereitschaft mitbrachten. Durch den Willen, im
Spiel besser werden zu wollen, setz-
ten sie sich bereitwillig mit komplexen Themen auseinander.
Was mir gut gefallen hat, dass wir
zusammen “gearbeitet„ haben. Wir
haben die Spiele beobachtet und haben
zusammen die Fehler gesucht. Der
theoretische Teil hat mir auch sehr gut
gefallen und war auch gut bearbeitet.
Durch die eingangs erwähnte Blockstruktur von
Spiel-Theorie-Analyse konnten sie das Gelernte anwenden und prüfen, so dass sich die Experten in
einigen Situationen sogar ganz heraushalten konnten.
Ebenso positiv wurde die stete Ge-
meinsamkeit aufgenommen. Durch
den Gedanken des Peer-Learnings
hatten die Spieler häufig die Wahl,
ob sie sich von den anderen helfen
lassen wollen oder in die Rolle des
Helfers schlüpfen
Das Wochenende war gut & sinnvoll strukturiert, die Experten waren immer sehr sachlich & hilfreich & die Gruppendynamik hat mir auch sehr gut gefallen. Spannend war für
mich auch zu sehen, wie die Leute nach den Spielen untereinander auf Fehler und gute Sachen eingegangen sind & somit eigentlich jeder von jedem gelernt hat. Keiner wurde
ausgeschlossen.
Alle Teilnehmer fühlten sich sehr wohl und waren motiviert.
Mit tollen Experten konnten wir StarCraft aus einer neuen
und
viele
Dinge
lernen.
Sicht
entdecken
Wir erhielten professionelles Coaching von "Master"Spielern und erkannten neue Aspekte des Spiels.
Besonders beeindruckend für mich war die seriöse Atmosphäre, in der sich jeder einzeln auf seinen Spielstil anpassen konnte. So schaffte man es in einer netten Gemeinschaft zwar Lerninhalte mitzukriegen, aber nicht den Eindruck zu bekommen, dass man gezwungen sei sich irgendeiner konkreten Spielweise anpassen zu müssen. Rundum
ein gelungenes Erst-Projekt und sehr weiter zu empfehlen!
Ich werde auf jeden Fall beim nächsten Mal dabei sein! :-)
Die StarAcademy wird in zweierlei Weise weiterentwickelt: Durch eine lerntheoretische
Betrachtung soll untersucht werden, inwiefern sie das Potential besitzt, bei ihren Rekru-
ten lebensweltlich relevante Fähigkeiten zu fördern respektive sie sie dafür motiviert.
Zielführend ist dafür der Bezug auf verschiedene Diskussionen rund um den LiteracyBegriff, wie er von Henry Jenkins (2005) als Media Literacy expliziert wird.
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James Paul Gee(2003) und Kurt Squire(2012) führen das Konzept als Game Literacy und
Eric Zimmerman(2011) als Gaming Literacy weiter. Gemeinsam ist diesen Ausführun-
gen, dass sie nach den „wichtigen Skills im 21. Jahrhundert“ fragen und inwiefern Medien im Allgemeinen und Games im Besonderen dazu beitragen können. Ein erster Blick in
die Literatur zeigt recht deutlich, dass die StarAcademy einen wichtigen Beitrag dazu
leisten kann.
Auf Basis dieser Ergebnisse lässt sich die StarAcademy auch praktisch weiter ausbauen.
Durch eine weitere Ausgestaltung ihrer Inhalte und Methoden und eine Anpassung an
das theoretische Fundament wird sichergestellt, dass sie gleichermaßen die Anforde-
rungen und Bedürfnisse der Gamer erfüllt und gleichzeitig als innovative Lernumgebung
gelten kann.
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