Varietätenlinguistik Spanisch/Portugiesisch - bsp
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Varietätenlinguistik Spanisch/Portugiesisch - bsp
LMU München Institut für Romanische Philologie Wintersemester 2010/2011 HS “Varietätenlinguistik Spanisch/Portugiesisch” Dozentin: Dr. phil. habil. Barbara Schäfer-Prieß Referenten: Constanza Vagnini, Stefan Aechtner 2.2. Das Andalusische (andaluz) - Varietät, die in Südspanien gesprochen wird - kein homogenes Konstrukt, da zahlreiche Dialekte und Subdialekte - Einteilung in eine westliche und östliche Dialektzone a) Ceceo - Phänomen, das nur im Andalusischen auftritt - Phon [θ] für die Graphe /s/, /z/ sowie /c/ vor vorderen Vokalen <secesión> [θeθeθʝóŋ] (vgl. kast. [seθesʝón]) b) Seseo - Zusammenfall von [θ] und [s] zu [s] <cerveza> [seɾ.βesa] (vgl. kast. [θeɾ.βeθa]) c) Prädorsale Realisierung von /s/ - /s/ wird im Andalusischen prädorsal artikuliert, d.h. mit dem Zungenrücken d) Realisierung des glottalen Frikativs [h] - /j/ und /g/ vor vorderen Vokalen werden als [h] ausgesprochen <hijo> [‘iho]; <gira> [‘hiɾa]; <gente> [‘hente] (vgl. kast. [‘iχo], [‘χiɾa], [‘χente]) e) Aspiration/Elision von /s/ - /s/ am Wort- und Silbenende wird abgeschwächt/elidiert <caspa> [káh.pa] > [káh.pa] > [ká.pa] (vgl. kast. [kás.pa]) <comes> [kó.meh] > [kó.meh] > [kó.me] (vgl. kast. [kó.mes]) f) Yeísmo - phonetischer Zusammenfall von [ʝ] und [λ] <haya> [aʝa] <halla> [aʝa] (vgl. kast. [aλa]) g) Velarisierung des Phonems /n/ am Wort- und Silbenende - am Silbenende wird [n] zu [ŋ] <pan> [paŋ] (vgl. kast. [pán)] <pan y agua> [pá.ŋʝá.ɣwa] (vgl. kast. [pá.ɲá.ɣwa)] h) Schwächung der Affrikata [t͡ʃ] - in der andalusischen Umgangssprache tritt eine allophonische Schwächung auf [t͡ʃ] > [ʃ] <mucho> [muʃo] (vgl. kast. [mut͡ʃo]) <chico> [ʃiko] (vgl. kast. [t͡ʃiko]) i) Abschwächung/Elision finaler Konsonanten <andaluz> [an.da.luθ] > [an.da.lú] (vgl. kast. [an.da.luθ]) <pared> [pa.ɾéð] > [pa.ɾé] (vgl. kast. [pa.ɾéð]) Lautliche Unterschiede zwischen europäischem und amerikanischem Spanisch 1. Einleitung - verschiedene Theorien zur Entstehung des amerikanischen Spanisch und den einzelnen Varietäten in den unterschiedlichen Ländern - phonetische Parallelen zwischen meridionalem und amerikanischem Spanisch - keine sprachliche Einheit innerhalb Spaniens sowie Spanischamerikas 2. Das Spanische auf der Iberischen Halbinsel und den Kanarischen Inseln 2.1. Das Kastilische (castellano) - mit dem Castellano wird das in Zentral- sowie Nordspanien gesprochene Spanisch bezeichnet (auch Standardsprache von Madrid) a) [s] vs. [θ] (distinción): - Unterscheidung zwischen den Phonemen [s] und [θ] im Gegensatz zum Rest der Hispania - [s] ist ein stimmloser alveolarer Frikativ; [θ] ist ein interdentaler Frikativ <casa> [‘kasa] vs. <caza> [‘kaθa] b) [χ] für <j> und <ge,i> - wird uvular artikuliert im Gegensatz zum velaren Frikativ [x] - charakteristisch für einige Dialekte Kastiliens <jefe> [χéfe]; <gente> [χente]; <gitano> [χitano] c) Apiko-alveolare Realisierung von /s/ - /s/ wird im Kastilischen Spanisch apiko-alveolar, d.h. mit der Zungespitze, artikuliert d) Lleísmo - phonemische Unterscheidung von /y/ und /λ/ - Tendenz zum phonetischen Zusammenfall zu [ʝ] (Yeísmo in Madrid) <mayo> [maʝo]; <mallo> [maλo] 1 j) Abschwächung/Elision intervokalischer stimmhafter Plosive - Elision des stimmhaften Dentals /ð/ am häufigsten <pelado> [pe.l^á.ðo] > [pe.l^á.o] > [pe.l^áw] (vgl. kast. [pe.lá.ðo] <tobillo> [to.βíʝo] > [to.íʝo] (vgl. kast. [to.βí.λo] k) Vertauschung/Elision finaler Liquide - phonologischer Prozess des Rhotazismus <muerte> [mwél.te] > [mwél.te] > [mwé.te] (vgl. kast. [mwuéɾ.te]) <alma> [ár.ma] > [ár.ma] > [á.ma] (vgl. kast. [ál.ma] Bsp.: calne, hacel, goldo, durce g) Substitution von /r/ durch /l/, aber nicht umgekehrt (Dom. Rep.; umstritten) h) Realisierung von /n/ als [ŋ] am Silben- und Wortende Bsp.: comen [’komeŋ], innoble [iŋ’noble], son hijos [soŋ’ihoh] 3.2. Venezuela a) Ausfall des intervokalischen /d/ - besonders bei Partizipialendungen Bsp.: alzao, debío - bei ungepflegter Sprache auch darüber hinaus Bsp.: aónde, toos b) Realisierung von /b/ als [g] vor gerundeten Vokalen (auch Küstenzonen des gesamten Kontinents) Bsp.: abuelo> agüelo, bueno> güeno c) Aspirierung von /-s/ - Ausnahme: Anden d) Seseo - Ausnahme: Ceceo an der Ostküste e) Yeísmo f) Schwächung des auslautenden /r/ g) Substitution von /r/ durch /l/ (Küstenregionen) h) Substitution von /l/ durch /r/ (Isla Margarita) 2.3. Das Spanische der Kanarischen Inseln - Merkmale des andalusischen Spanisch außer dem ceceo sind auch dem Kanarischen Spanisch gemein, jedoch Variation in der Häufigkeit der verschiedenen Merkmale - phonlogische Abschwächung von /s, r, l/ sowie intervokalischem /ð/ sind die Norm der Kanarischen Dialekte 3. Das amerikanische Spanisch 3.1. Antillen a) Reduktion - Vor allem Ausfall des intervokalischen /d/ Bsp.: nada > na, todo> to, Europa> Uropa, todavía> toavía, en casa de> en casa ‘e, pedazo> peazo - Reduktion der Gruppe /st/ (Santo Domingo) Bsp.: comunita, hopital, maétro b) Aspirierung oder Ausfall von /-s/ Bsp.: los pies [loh’pjeh], mismo [’mi hmo] oder [’mimo], más [ma], arroz [a’ro], las costas [lah’kohtah] c) Aspirierung von /r/ (Dom. Rep.) Bsp.: carne [’ka hne] d) Assimilation - an Folgekonsonanten (Kuba, Dom. Rep.) Bsp.: cuerpo> cueppo, arma> amma, suerte> suette, olvidado> ovvidado - an [l] und [n] (Puerto Rico) Bsp.: cuando> cuanno, caldo> cal-lo e) Yeísmo - Ausnahme: Vereinzelt „Zeísmo“ im Osten Puerto Ricos f) Seseo - Ausnahme: Vereinzelt Ceceo im Süden Puerto Ricos; umstritten g) Substitution von /r/ durch /l/ und umgekehrt (Kuba, Puerto Rico) 3.3. Kolumbien a) Tendenz zur Nasalisierung der Vokale /a/ und /o/ (besonders an den Küsten) Bsp.: [es’tãn] b) Ausfall des intervokalischen /d/ Ausnahme: Südkolumbien c) /s/: Ausfall [sei’peso], Abschwächung [no’sotros], Aspiration [’buhkalo] und Nasalisierung vor /n,m/ [mĩzmo] in ungepflegter Sprache (Küstengebiete) d) Seseo - Ausnahme: Vereinzelt Ceceo in Teilen Kolumbiens und Bogotá e) Realisierung von /n/ als [ŋ] oder [m] im Wortauslaut (Ostkolumbien) Bsp: [’paŋ], [’pam]; [’ordeŋ], [’ordem] 2 f) Yeísmo - Ausnahmen: Lleísmo (fast ganzes Gebiet der Ostanden), Žeísmo (Provinz Antioquía; umstritten) g) Keine Aspirierung von /-s/ - Ausnahmen: Nordwestliches Costa Rica, Panama h) Yeísmo (überwiegend, aber auch Žeísmo) 3.4. Mexiko a) Ausfall oder Schwächung unbetonter Vokale zwischen /s/ und /p/, /t/, /k/ bzw. vor /-s/ (Hochland Mexikos) Bsp.: choques, espirto, demstrar, tods, cómo stá sté, croksí, lo supims b) Ausfall von Diphthongen bei häufig gebrauchten Wörtern Bsp: pues [ps] c) Erhaltung von /-s/ - Ausnahmen: Küste des Golfs von Mexiko, südliche Staaten außer Yucatán Bsp: las veces [las‘ßeses] d) Gelegentliche Reduktion von Diphthongen Bsp.: precación, umentar (= precaución, aumentar) e) Erhalt der Konsonanten Bsp: septiembre [sept’jembre] - Erhalt und sogar Verstärkung des intervokalischen /d/ (Hauptstadt) Bsp.: parado [pa‘raddo] f) Seseo g) Yeísmo - Ausnahmen: Erhaltung der Opposition als /j/ und /ʒ/ (Stadt Orizaba) i) Zeísmo (Süden Mexikos; umstritten) 3.6. Ecuador a) Vokalausfall vor /s/ am Wortende (Andengebiete) Bsp.: Merceds, tiends, plums (= Mercedes, tiendas, plumas) b) Umwandlung von Hiaten in Diphtonge (Andengebiete) Bsp.: trae> trai, toalla> tualla c) Schließung von ai> ei; Öffnung von ei> ai (Andengebiete; vulgär) Bsp.: baile> beile; aceite> azaite [a’saite] d) Auflösung der Hiaten –ía, -íe, -ío durch Einfügung von [j] Bsp.: miyo, riye, tiya (Andengebiete) e) Schwächung oder Ausfall des intervokalischen /d/ (Küstengebiete) f) Überdeutliche Realisierung des intervokalischen /d/ (Andengebiete) g) Sonorisierung von /s/ (zentrale Sierra) h) Ausfall oder Aspirierung von /-s/ (Pazifikküste) i) Seseo - Ausnahme: Vereinzelt Ceceo an der Küste j) Lleísmo - Ausnahmen: Yeísmo/ Žeísmo (Küstengebiete), Lleísmo/ Opposition [j] und [ʒ] (Hochland) 3.7. Peru a) Schwächung oder Ausfall von /-s/ am Wortende und vor Konsonant (Küstengebiete) b) Seseo c) Velarisierung von /n/ am Wortende (Nord- und Zentralküste) Bsp.: canción [kans’joŋ] d) Yeísmo - Ausnahme: Lleísmo (Andengebiete) e) Varianten des Yeísmo: [ʒ], [dj], [∅] Bsp.: silla [’sidja]/ [’siʒa]/ [’sia] (Städte häufiger [ʒ]; Amazonas häufiger [dj]) 3.5. Zentralamerika a) Auslautendes /e/ und /o/ wird häufig geschlossen Bsp.: anochi, ríu b) Statt /i/ häufig /e/ Bsp.: melitar, enteligente c) Bei Diphtongen Reduktion des unbetonten Teils oder Vokalneubildung Bsp.: prueba> preba, pues> pos, autoridad> otoridad d) Bei Doppelvokalen und anderen Hiaten Reduktion des unbetonten Vokals Bsp.: leer> ler, alcohol> alcol, maestro> mestro, reir> rir e) Häufiger Ausfall von /j/ Bsp.: gaína, sía, cabao, ceboa (=gallina, silla, caballo, cebolla) f) Seseo - Ausnahme: Kleines Gebiet in Panama 3.8. Bolivien a) Ausfall unbetonter Vokale Bsp.: Potosí> Potsí, oficina> ofsina, coches> cochs b) Aspiration oder Ausfall von /-s/ (Tieflandzone) - Ausnahme: Erhalt von /-s/ (Hochlandzone) 3 c) Lleísmo - Ausnahme: Yeísmo in der kleinen Provinz Tarija 3.10. Argentinien - Vielzahl von regionalen und sozialen Dialekten innerhalb Argentiniens, doch Vorrangstellung des Porteño, des Spanischen von Buenos Aires - Einfluss von Indianersprachen im äußersten Nordosten sowie Nordwesten Argentiniens 3.9. Chile - indianischer Lauteinfluss auf das chilenischen Spanisch wird ausgeschlossen; möglicherweise Einfluss auf die Intonation 3.10.1. Merkmale, die in ganz Argentinien zu finden sind: a) /n/ am Wortenende wird alveolar artikuliert b) Liquide am Wortende werden äußerst selten neutralisiert c) keine Elision von intervokalischem /d/ d) keine Elision des plosiven Bestandteils der Affrikata [t͡ʃ] e) Aspiration/Elision von /s/ am Wortende 3.9.1. Besonderheiten des chilenischen Vokalismus: a) typisch chilenisch ist die geschlossene Aussprache von /e/ und /i/ nach Palatalen: <mujer> [mu.çʝeɾ] b) im äußersten Norden wird /e/ allgemein geschlossen: <qué> [qui] c) distributionelle Funktion von Vokalen: - /ó/ wird oft als [ɔ] realisiert, am Wortenende [ɔ] oder [o], da unterschiedlicher Phonemwert: <dió> [dʝo]; <Diós> [dʝɔ] - Kennzeichnung des Plurals <caballo> [ka.βaʝo], <caballos> [ka.βaʝɔ] d) unbetonte Vokale: Schwankungen zwischen /e/ und /i/ sowie /o/ und /u/: <militar> [melitaɾ]; <confesión> [konfisʝón]; <lejos> [lexus] 3.10.2. Charakteristika des Porteño (español rioplatense) a) Žeísmo: [ʝ] wird als [ʒ] realisiert, <calle> [caʒe] (vgl. kast. [kaʝe] o. [kaλe]) - unter den jüngeren Einwohnern Tendenz zur Desonorisierung von [ʒ] > [ʃ] d) Verwechslung der Diphthonge /ai/ und /ei/: el ray, los neipes 3.11. Uruguay - kein homogenes Sprachgebiet 3.9.2. Besonderheiten des chilenischen Konsonantismus a) Yeísmo b) Behauchte Aspirierung von /s/ im Auslaut ist weit verbreitet (Norm) c) Palatalisierungstendenz vor palatalen Vokalen [g] > [ç] <género> [çeneɾo]; <mujer> [mu’çeɾ] d) In Nordchile Verschlusslösung und Palatalisierung von [g] > [j] bzw. [∅] vor [wa]: <guerra> [jera]; <higuera> [ijeɾa], <agua> [‘awa] e) [t͡ʃ]: wird in Nordchile als [ʃ] ausgesprochen: <muchacho> [muʃáʃo] f) e) Phoem /f/ wird im Süden und Zentrum als bilabialer Frikativ [ɸ] realisiert: <fácil> [‘ɸasil]; <frío> [‘ɸɾio] <labio> [labʝo] (vgl. Rest der Hispania [laβʝo] a) die Hauptzone - starke Affinität zu Buenos Aires (siehe 3.10.2.) - Seseo; /s/ wird dental artikuliert - Yeísmo: in den Städten [ʒ]; auf dem Land [ʝ] b) der Norden (Grenze zu Brasilien) - Entstehung einer Mischform des Spanischen und Portugiesischen aufgrund der Zweisprachigkeit: dialectos fronterizos - spanisches Vokalsystem wird an das portugiesische angepasst (pg. 7 Vokale: sp. 5) - Sonoritätsverlust spanischer Mediae: tonde, dominko 4 3.12. Paraguay - Besonderheit: Bilinguismus; Spanisch und Guaraní als gleichwertig anerkannt - Beeinflussung des Spanischen durch das Guaraní a) alpiko-alveolare Artikulation von /t/ im Spanischen der ländlichen Gebiete und im Guaraní b) /g/: wird in allen Positionen als [ɣ] realisiert (Abweichung von der übrigen Hispania) c) /b/: Realisierung als [v]: <vengo> [‘veŋgo] d) Oppositionserhalt von [λ] und [ʝ], doch kastilisches Allophon [dʝ] hat sich zugunsten von [ʝ] durchgesetzt: <paraguayo> [paɾa’ ɣwadʝo] e) /s/: Aspirierung deutlich seltener als im benachbarten Argentinien Bibliographie: Barrutia, Richard/Schwegler, Armin (1982): Fonética y Fonología Españolas, New York. Hammond, Robert M. (2001): The Sounds of Spanish: Analysis and Application, Somerville. Hualde, José Ignacio (2005): The Sounds of Spanish, Cambridge. Kubarth, Hugo (1987): Das lateinamerikanische Spanisch, München. Kubarth, Hugo (2009): Spanische Phonetik und Phonologie, Frankfurt am Main. Lipski, John M. (1994): Latin American Spanish, London. 5