HCJB Weenermoor: Missionsradio aus Ostfriesland

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HCJB Weenermoor: Missionsradio aus Ostfriesland
Funk
HCJB Weenermoor:
Missionsradio aus Ostfriesland
ALFRED KLÜSS – DF2BC
Radio HCJB, die Stimme der Anden, ist vielen KW-Hörern und Funkamateuren rund um die Welt bekannt. Seit dem 8. 6. 12 erfolgt die Ausstrahlung christlicher Programme auch über einen KW-Sender im 75-m-Band
vom Standort Weenermoor in Ostfriesland.
Bereits Weihnachten 1931 begann dieser
christliche Missionssender mit dem KWSendebetrieb in Quito, Ekuador. Während
das Studiogelände in Quito blieb, wurden
kam die Anmietung von KW-Sendezeit bei
technischen Dienstleistern nicht infrage.
Die Alternative war die Errichtung einer
eigenen Sendestation.
Mit einer bezahlbaren monatlichen Pacht
blieb das Projekt im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten.
Da der Hof schon seit einigen Jahren nicht
mehr bewohnt war, bot sich zunächst der
Anblick eines „Urwaldes“, der zunächst
mit viel Arbeit gerodet werden musste.
Dann hieß es, Antennenmasten zu errichten sowie Strom- und Kommunikationsanschlüsse herzustellen. Der ursprüngliche
alte Stromanschluss aus den 60er-Jahren erforderte einen komplett neuen Drehstromanschluss. Für einen unbemannten Betrieb, die Fernsteuerung der Sendeanlage
sowie die Zuführung von Programmen
wurde eine Telefon- und DSL-Leitung als
Bild 1:
Der HCJB-Senderstandort Weenermoor liegt umgeben
von Bäumen (Bildmitte, oben), irgendwo im ostfriesischen
„Outback“.
die Sendeanlagen später an einen neuen
Standort ins einige Kilometer von Quito
entfernte Pifo verlegt.
Im Herbst 2009 mussten HCJB-Techniker
allerdings sämtliche Antennen und Sender
in Pifo abbauen, da das Gelände nach dem
Bau des neuen internationalen Hauptstadtflughafens in der Einflugschneise lag. Infolgedessen wurden viele Rundfunkabteilungen von Radio HCJB aufgelöst oder in
andere Länder verlegt. Seitdem sendet
man in Ekuador nur noch auf UKW und
MW sowie auf der zur Inlandsversorgung
betriebenen KW 6050 kHz. Darüber hinaus betreibt man vier KW-Sender mit jeweils 100 kW im australischen Kununurra,
um von dort Hörer in Asien und im Pazifik
zu erreichen. Für KW-Hörer im europäischen Raum drohte dagegen Radio HCJB
aus dem Äther zu verschwinden.
■ HCJB Deutschland
Nach reiflicher Überlegung entschloss
sich die Arbeitsgemeinschaft Radio HCJB
e. V., u. a. das deutschsprachige Radioprogramm (weitere Sendungen in Plattdeutsch, Russisch und Englisch) von einem neuen Sendestandort weiterzuführen.
HCJB Deutschland arbeitet mit weniger
als 0,5 % des Gesamtbudgets des Evangeliumsrundfunks (ehemals MW 1539 kHz,
heute DAB+), das rund 15 Mio € beträgt.
Um dennoch die geplante Ausstrahlung eines Ganztagsprogramms zu ermöglichen,
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■ Neuanfang in Weenermoor
Die Standortwahl dafür fiel auf ein abgelegenes Anwesen in den Tiefen Ostfrieslands im rheiderländischen Weenermoor.
Der Anschluss an die zum Betrieb benötigte technische Infrastruktur (s. u.) war an
diesem Standort möglich und die Lage abgelegen genug, um (in Hinblick auf die
notwendige Standortbescheinigung) störende Beeinflussungen in der unmittelbaren Umgebung des Senders zu vermeiden.
Bild 3: Stephan Schaa an der aktuellen KWSendeanlage beim Exciter-Test. In mittlerer
Höhe ist der Einschub mit dem 1,5-kW-Sender zu sehen.
quasi eigene Standleitung zur Station gelegt. Die Sendeanlage ist im ehemaligen
Garagengebäude des Hofes, das im Innenraum entsprechend umgebaut wurde, untergebracht.
Maßgeblich beteiligt an Planung, Durchführung und vorläufiger Finanzierung dieses Projektes waren die Brüder Stephan
und Marco Schaa aus Oldenburg: Stephan
Schaa ist vor allem durch das sogenannte
Pappradio bekannt. Marco Schaa absolvierte das Praxissemester seines Informatikstudiums bei Radio HCJB in Quito.
Bild 2: Transportschaden am KW-Sender
Collins 208-U3
■ Technische Schwierigkeiten
Der ursprünglich vorgesehene KW-Sender,
ein Collins 208-U3 mit 3 kW Sendeleistung, hatte zuvor bei der Firma Kneisner
und Döring seinen Dienst als Testsender
versehen. Nach Auflösung der Firma stand
der Sender zum Verkauf. Doch wurde dieser beim Transport von Braunschweig nach
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© Box 73 Amateurfunkservice GmbH 2013
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Ostfriesland so schwer beschädigt, dass eine schnelle Wiederherstellung nicht möglich war. Verkäufer und Spedition schoben
sich gegenseitig die Schuld für den Schaden in die Schuhe, sodass die Arbeitsgemeinschaft HCJB e. V. schließlich auf den
Kosten sitzen blieb.
Ein „auf die Schnelle“ gekauftes Senderensemble von RFT mit 1 kW Sendeleistung stellte sich zwar als lohnendes Restaurationsobjekt heraus, war aber nicht
kurzfristig in Betrieb zu nehmen. Dadurch
verzögerte sich der Aufbau und die Aufnahme des Sendebetriebs in Ostfriesland
weiter. Nach Absprache zwischen Burkhard Baumgartner, DF5XV, von Classic
Bild 4: HCJB Weenermoor auf Sendung …
Bild 5: … auf 3995 kHz im 75-m-BC-Band.
Broadcast, Radio 700 sowie der Bundesnetzagentur, konnte die zugewiesene Frequenz 3995 kHz dennoch im Herbst 2011
über einen KW-Sender im südwestlich von
Bonn gelegenen Kall in den Testbetrieb
gehen.
Der Betrieb der Sendestation läuft weitgehend automatisiert. Einige Programme
kommen als Livestream zum Sender, weitere liegen im Archiv. Die für die Ausstrahlung vorgesehenen Sendebeiträge werden automatisch nachts in den Stationscomputer geladen und in den Sendeablauf
eingebaut. Da es heute nicht mehr üblich
ist, dass ein Radiosender nur wenige Stunden am Tag aktiv ist, hat man auf einen
ganztägigen Sendebetrieb umgestellt – mit
vielen Wiederholungen.
■ Ausbreitungsbedingungen
Besonders interessant für Funkamateure
und Kurzwellenhörer ist die Ausbreitung
auf der Frequenz 3995 kHz, die früher von
der Deutschen Welle genutzt wurde: Die
niedrig aufgebaute Dipolantenne erzeugt
eine fast ausschließliche Steilstrahlung
senkrecht nach oben. Die Bodenwelle ist
nur schwach bis gar nicht ausgeprägt.
Schon nach wenigen Kilometern Abstand
vom Senderstandort treten deutliche
Schwundeffekte (Fading) auf. Tagsüber
liegt die Reichweite über die an der DSchicht reflektierten Raumwelle je nach
Empfangsanlage bei lediglich 100 km bis
300 km im Nahbereich. Abends und
nachts ist HCJB Weenermoor jedoch in
ganz Europa zu hören. Die weitesten Empfangsberichte kamen bislang aus den
USA, Russland, Japan, China und Indonesien.
Jetzt im Winter kann man am späteren
Abend oder nachts regelmäßig beobachten, dass die Skip-Zone immer größer
wird. Dann muss man schon mehrere hundert Kilometer von der Station entfernt
sein, um sie zu hören. So ist etwa im rund
70 km Luftlinie entfernten Oldenburg
dann kaum noch ein Empfang möglich.
■ Aktueller KW-Sender
Um nicht immer weiter in zeitlichen Rückstand zu geraten, wurde schließlich ein
Halbleitersender aus den USA beschafft,
der im Klasse-D-Betrieb seit dem 8. 6. 12
seinen Dienst sehr stabil und effektiv verrichtet. Der Sender leistet maximal 1500
W PEP und arbeitet mit einer Hüllkurvenmodulation. Durch den D-Betrieb mit einem Wirkungsgrad von über 90 % gibt es
im Dauerbetrieb keine thermischen Probleme in der Senderendstufe. Der gesamte Sender mit Exciter und Leistungsendstufe besteht lediglich aus zwei 19-ZollEinschüben mit zwei bzw. drei Höheneinheiten. Ganz unten im Sender-Rack ist die
Versorgungseinheit mit einem 230/110-VSpannungswandler untergebracht. Als
Sendeantenne dient ein leicht abgewinkelter Halbwellendipol, der in nur 10 m Höhe zwischen abgespannten einfachen
Stahlrohrmasten aufgehängt ist.
Bild 6: Als Sendeantenne dient HCJB Weenermoor ein leicht abgewinkelter Halbwellendipol.
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Wenn die Ausbreitungsbedingungen in
diesem Winter ähnlich denen aus der Zeit
des Testbetriebs vom Sender Kall ausfallen, dürfte im Dezember und Januar am
Abend die Skip-Zone schon ab zirka 2100
bis 2200 UTC bei 500 km bis 1000 km
liegen.
So kann man sehr schön die Relationen
von Bodenwelle und Raumwelle bei dieser Entfernung erkennen. Die Bodenwelle
scheint in Oldenburg schon zirka 30 dB
bis 40 dB schwächer anzukommen als die
Raumwelle. Interessant wäre es in diesem
Zusammenhang, die Unterschiede bei einer vertikalen Polarisation der Sendeantenne zu untersuchen.
Bild 7: Historisches Mikrofon von Radio HCJB
Fotos: Arbeitsgemeinschaft HCJB
Für 2013 ist in Planung, den Betrieb auf
einer weiteren Tagesfrequenz im 41- oder
49-m-Band aufzunehmen. Des Weiteren
will man die derzeitigen Antennenträger
aus Stahlrohr durch Gittermasten ersetzen.
■ Aufruf in eigener Sache
Der Arbeitskreis HCJB möchte eine regelmäßige Sendung über Amateurfunkthemen
in das Programm aufnehmen und sucht dafür Funkamateure, die ehrenamtlich Beiträge gestalten. Diese Programmbeiträge
würden, wie bereits jetzt die BC-DX-Sendungen am Samstag (UTC: 0530, 0730,
1600, 1930, 2200), eine eigene Programmzeit als „Ham Radio“-Sendung erhalten.
Interessenten wenden sich bitte an folgende Kontaktadresse: Arbeitsgemeinschaft
Radio HCJB e. V., Postfach 80 25, 32736
Detmold, Telefon 0 5232-80 30 09, Fax:
030-6109 0010-376, www.hcjb.de. Empfangsberichte werden nach wie vor über
die Kontaktanschrift in Ekuador bestätigt:
Radio HCJB, Casilla 17-17-691, Quito,
Ekuador (E-Mail: deutsch@andenstimme.
org).
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