Hesiod von Askra ῾Ησιόδος Ἂσκρευς

Transcrição

Hesiod von Askra ῾Ησιόδος Ἂσκρευς
Alte Geschichte und Altertumskunde
der Universität Wien
Dr. Victor Böhm
Proseminar für Alte Geschichte
Hesiod von Askra
῾Ησιόδος Ἂσκρευς
Franz Morawetz 0106921
Plunkergasse 4-12/1/26
Tel: 0676/42 80 800
Student der Alten Geschichte & Altertumskunde
Proseminar für
Alte Geschichte
Hesiodos von Askra:
Inhaltsverzeichnis:
Abbildung I: Die Welt Hesiods, aus Nack & Wägner, Hellas S.90;
2
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
Proseminar für
Alte Geschichte
Hesiodos von Askra:
Inhaltsverzeichnis:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
Hesiodos von Askra
1
Proömion:.................................................................................................................... 4
2
Vita et Opus: .............................................................................................................. 5
2.1 Biographie: ......................................................................................................................... 5
2.2 Hesiods Zeit: ...................................................................................................................... 7
2.2.1
Hesiodeischer Sexismus im Spiegel der Geschichte: ............................................. 8
2.3 Ars Hesiodi: ....................................................................................................................... 9
2.3.1
2.3.2
Was bedeutet „Epos“? ........................................................................................................ 9
Die Rhapsoden: ................................................................................................................... 10
2.4 Werke: ................................................................................................................................ 11
2.4.1
2.4.2
Θεογονία: .............................................................................................................................. 12
Ἔργα καί ἡµέραι: ............................................................................................................... 20
2.5 Nachwirkungen:............................................................................................................. 30
3
Epilog: ......................................................................................................................... 31
3.1 Einteilung der Werke Hesiods: ............................................................................... 31
3.1.1
3.1.2
Θεογονία: .............................................................................................................................. 31
Ἔργα καί ἡµέραι: ............................................................................................................... 32
3.2 Bibliographie: ................................................................................................................. 33
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
Textausgaben: ...................................................................................................................... 33
Fachliteratur I: Monographien....................................................................................... 33
Fachliteratur II: Lexikonartikel ..................................................................................... 33
Internetseiten: ...................................................................................................................... 33
3.3 Abkürzungsverzeichnis: ............................................................................................. 34
3.4 Abbildungsverzeichnis:............................................................................................... 34
3.5 Index: ....................................................................................................................... 35
3
Proseminar für
Alte Geschichte
Proömion:
Biographie:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
1 Proömion:
Μουσάων Ἑλικωνιάδων ἀρχώµεθ᾽ ἀείδειν,
αἵ θ᾽ Ἑλικῶνος ἔχουσιν ὄρος µέγα τε ζάθεόν τε
καί τε περὶ κρήνην ἰοειδέα πόσσ᾽ ἁπαλοῖσιν
ὀρχεῦνται καὶ βωµὸν ἐρισθενέος Κρονίωνος.
„Von Helikonischen Musen will ich mein Singen beginnen,
die an dem großen, heiligen Berg, dem Helikon, wohnen,
die um die veilchenfarbene Quelle auf zierlichen Füßen
tanzen und rings um die heilige Stätte des Herrschers Kronion.“
(Hes. Theog. 1-4)
Dies ist der Anfang der Theogonie, welche die Entstehung der Götter beschreibt. Hesiod
ruft die Musen an um von ihnen Wohlwollen für sein Werk zu bekommen. Und wahrlich, er
bekam es! Schon in der Antike wurde er so berühmt, dass man ihn im selben Satz mit
Homer nannte. Nicht nur das, nein, ein unbekannter antiker Autor schrieb sogar, Hesiod sei
bei einem Dichterwettbewerb gegen Homer angetreten und hätte gegen ihn gewonnen.1
Hesiod wurde so berühmt, dass sogar sein Heimatdorf Askra – obwohl „Dorf“ wohl eine
maßlose Übertreibung ist – in Geschichts-Atlanten eingezeichnet ist, obwohl es mehr als nur
unbedeutend war.
Im folgenden Teil möchte ich nun auf sein Leben und seine Werke eingehen. Was machte
ihn berühmt? Was war seine Leistung? Wieso ist er für uns Historiker (und zukünftige
Historiker) so wichtig? Wieso wirkt er so aktuell, obwohl er vor 2700 Jahren lebte?
Mögen mir die Musen nun genauso wie Hesiod die Gunst gewähren um diesen Mann und
sein Werk korrekt darzustellen.
Eine kurze Anmerkung muss ich hier noch einbringen. Wenn ich in der folgenden Arbeit
von Homer spreche, muss man immer bedenken, dass die Autorenschaft Homers an den ihm
zugeschriebenen Werken noch nicht geklärt ist. Es ist noch nicht einmal gesichert, dass es
diesen Mann historisch überhaupt gab. Eine Behandlung dieses Themas ist nicht Aufgabe
dieser Arbeit, aber um die Neuartigkeit der hesiodeischen Dichtung zu pointieren sind
Vergleiche von Nöten.
1
Fränkel, S.115;
4
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Vita et Opus:
Biographie:
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2 Vita et Opus:
2.1 Biographie:
Es ist Hesiod selbst zu verdanken, dass wir etwas über sein Leben wissen, denn er teilt uns
höchst persönlich etwas über sein Leben mit. Das ist auch eines der Merkmale, die ihn von
Homer unterscheiden. Homer bleibt ein weißer Fleck in der Geschichte, ein dunkler nicht
greifbarer Schatten, der zwar immer wieder durch die Überlieferungen geistert, aber sich
wissenschaftlich nicht eindeutig fassen lässt. Hesiod ist anders. Er erzählt uns woher sein
Vater kam, beschreibt sein Heimatdorf, nennt den Namen seines Bruders und nimmt ein
tatsächliches Ereignis aus seinem Leben als Anlass für ein Buch. Hesiod berichtet uns von
seiner weitesten Reise und teilt uns seine persönliche Einstellung zu den behandelten
Themen mit. Somit ist er „der erste Dichter des Abendlandes, der mit eigenem Anliegen vor
uns tritt“2, und eben dieses weist ihn in eine anders geartete Welt.
Im Buch „Werke und Tage“3 erzählt er uns, dass sein Vater aus dem aiolischen Kyme in
Kleinasien nach Askra in Boiotien geflohen ist. An dieser Stelle erfahren wir nicht nur das,
sondern auch, dass er Seefahrer gewesen und, dass Hesiod gegen diese Art von Erwerb
eingestellt ist4, da sein Vater „Nicht vor Überfluss auf der Fluch, vor üppigen
Reichtum, nein, vor der bitteren Armut [...]“5. Nun ließ sich der Vater, dessen Namen
wir nicht erfahren, in Askra nieder,
das Hesiod als „hart im Winter
und drückend im Sommer und
gut
ist`s
dort
niemals“
beschreibt.6
In seiner Jugend hütete Hesiod
Schafe am nahe gelegenen Berg
Helikon. Dort ereignete sich auch
sein wichtigstes Ereignis, das er
im Proömion der Theogonie7
beschreibt, die „Dichterweihe8“.
Dieser erst in modernerer Zeit
geprägte Begriff ist wohl etwas
verwirrend und meiner Meinung
nach falsch, da es keine offizielle
Handlung war, sondern wohl eher
ein feuchter Tagtraum während
dem Schafehüten. Die Musen
kamen zu ihm, belehrten ihn
darüber, dass sie nicht nur Lügen
zu
sagen
vermochten,
der
Wahrheit ähnlich, sondern auch
die Wahrheit selbst9, gaben ihm Abbildung II: Heimat Hesiods; Tandy S.9;
2
Fränkel, S.113;
Hes. Erg. 635ff;
4
Hes. Erg. 617 u. 645f;
5
Hes. Erg. 636f;
6
Hes. Erg. 639;
7
Theogonie: von gr. Θεογονία, dt. „Götterwerdung“;
8
Hes. Theog. 26-34;
9
Hes. Theog. 26-28;
3
5
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Vita et Opus:
Biographie:
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einen Dichterstab10 und verliehen ihm somit das Geschick Worte zu Verse zu fügen. Dieses
Ereignis wird nun sicherlich nicht so stattgefunden haben, aber in dieser Berichterstattung
wird wohl so viel Wahrheit stecken, dass man sagen kann: Hesiod habe am Helikon den
Entschluss gefasst Dichter zu werden. Sein Handwerk als Dichter, das er als Nebenberuf
ausübte, lernte er vermutlich von umherziehenden Rhapsoden11, von denen er vermutlich
auch die Epen Homers hörte, die ihn wiederum zu Kritik an diesen „Wahrheitsähnlichen
Lügen“12 anregten und ihn inspirierten etwas eigenes zu erschaffen.
Aber Hesiod war nicht nur Hirte, sondern auch Bauer. Er bewirtschaftete das Grundstück
seines Vaters, das er sich mit seinem Bruder Perses teilte. Dieses Erbe war auch die Ursache
für einen Streit zwischen den beiden Brüdern, bei dem sich Perses bei den hiesigen
Adeligen einschmeichelte. Perses ging sogar so weit, dass er diese Adeligen bestach um
eine Neuverteilung des Grundstückes zu erwirken.13 Dies gelang ihm auch, worin wir die
Ursache für Hesiods zweites Werk, die „Werke und Tage“, sehen müssen. Es ist interessant,
dass diese „Adelige“ oder „Herren“ im Text als „basilees“ vorkommen, eben jenes Wort,
dass Homer als Bezeichnung für die „Kleinkönige“ benutzte, die über ein schmales
Territorium (Stadt+Umland) herrschten.14 Diese Gerichtsverhandlung wird mit größter
Wahrscheinlichkeit nicht im unbedeutenden Ort Askra stattgefunden haben, sondern
vielmehr im nahegelegenen Thespiai.
Ein weiteres Wichtiges Ereignis, das auf jeden Fall vor Vollendung der Werke und Tage
stattgefunden hat, war Hesiods Reise nach Chalkis auf Euböa. Seine Reise ging nach Aulis
und dann über den flussbreiten Eurippos, welchen er mit einem Schiff überquerte.15 Diese
Schiffsreise war die einzige in seinem Leben – wenn man von der Rückfahrt einmal absieht
– und sie scheint ihm auch nicht bekommen zu haben, da er der Seefahrt absolut misstraute.
Einmal in Chalkis angekommen nahm er an den Leichenspielen für König Amphidamas teil,
der während des lelantinischen Krieges zwischen dem besagten Chalkis und dem
Nachbarort Eretria verstarb. Bei diesen Leichenspielen gewann Hesiod einen gehänkelten
Dreifuß als er seine Dichtung vortrug.
Schon in der Antike gab es die Vermutung, Hesiod habe während Homer gelebt. Diese
Vermutung ist aber nicht haltbar. Auf einem Papyrus des IsokratesGegners Alkidamas,
wurde diese These aufgegriffen um die Bedeutung der Improvisation zu behandeln.16 Der
Inhalt ist folgender: Homer und Hesiod nehmen an den Leichenspielen für den verstorbenen
König Amphidamas teil und liefern sich einen Wettstreit in Sangeskunst. Als sich die
beiden Dichter gegen alle Kontrahenten durchsetzen konnten, kam es zum Showdown:
Homer gegen Hesiod. Nachdem Homer eine martialische, heroische Kampfszene dargestellt
hatte, wogegen Hesiod über friedliche Landwirtschaft sang, bekam Homer vom Publikum
den größeren Applaus. Vorsitzender dieser Veranstaltung, sowie Kommandant der
chalkidischen Truppen, war Panedes, der Bruder des verstorbenen Königs. Er verlieh den
Preis Hesiod, weil dieser nicht den Krieg huldigte, sondern den friedlichen Landbau.17 Dass
sich diese Szenen so sicher nicht abgespielt haben, scheint klar, dass er überhaupt an diesem
Agon teilgenommen hat, wird nicht bezweifelt, da er selbst in seinen Werken und Tagen
darüber singt.18 Es gibt noch weitere Fabeleien über den Dichter und sein Verhältnis zu
Homer, auch dass er vor Homer gelebt haben soll. Dies ist aber nicht haltbar, da er die
mythologische Welt Homers genau gekannt haben musste um seine Theogonie zu
10
Hes. Theog. 29;
Dihle, S.272;
12
Hes. Theog. 27;
13
W. Marg, S.342f; Hes. Erg. 27-41;
14
Hesiod Tusculum S.161;
15
Hes. Erg. 650;
16
RE I,1 Ἀγὼν Ὁµήρου καὶ Ἡσιόδου Sp.869;
17
Fränkel, S.115;
18
Hes. Erg. 649-658;
11
6
Proseminar für
Alte Geschichte
Vita et Opus:
Hesiods Zeit:
Franz Morawetz
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schreiben. Den Dreifuß, den er in Chalkis gewann, weihte Hesiod den Musen als Dank
dafür, dass sie ihm die Gabe der Dichtkunst gegeben haben.19
Hesiods Karriere scheint offen vor uns zu liegen. Im Proömion der Theogonie stellt er sich
als Hirte dar.20 Hier war er vermutlich noch sehr jung, vielleicht plus minus zwanzig Jahre.
In seinen Werken und Tagen erscheint er uns als Bauer. Er streitet sich zum Beispiel mit
seinem Bruder um das väterliche Erbe, das ein Bauernhof war. Wenn er über die
Anschaffung von Knechten redet, keimt in uns die Vermutung auf, dass Hesiod vielleicht
sogar ein wohlhabender Bauer war. Aus vielen solcher kleinen Indizien können wir auf
seine Karriere schließen, die relativ normal verlief. Das heißt, als Kind hütete er Schafe,
erbte nach dem Tod des Vaters den Hof gemeinsam mit seinem Bruder und konnte sein
Einkommen so weit steigern, dass er es sich leisten konnte nach Chalkis zu fahren um seine
Dichtkunst vorzutragen. Dass er dort gewinnen würde, stand ja von vornherein nicht fest, es
war ein finanzielles Risiko, welches sich ein armer Bauer nicht leisten könnte. Seine
Dichterkarriere war sicherlich zweitrangig, ein Nebenberuf, vielleicht Hobby.
Über Hesiods Tod ist fast nichts bekannt. Im „Ἀγὼν Ὁµήρου καὶ Ἡσιόδου“ steht im dritten
Teil, dass Hesiod von den Söhnen des Amphidamas ermordet worden ist, weil sie ihn
verdächtigten ihre Schwester vergewaltigt zu haben.21 Diese Erzählung ist aber falsch und
stammt von Alkidamas, Schüler des Gorgias, um an Homer die Wichtigkeit der
Improvisation in der Rede zu verdeutlichen.22 Angeblich ist er in Orchomenos begraben,
weil man dort in der Antike sein Grab Touristen gezeigt haben soll.23 Ob dieses Grab
wirklich das von Hesiod war, kann niemand sagen, aber durch seine Werke ist er unsterblich
geworden.
2.2 Hesiods Zeit:
Hesiod lebte in einer Zeit, in der sich das Leben vorwiegend am Feld abspielte. Die alten
Strukturen der mykenischen Palastkultur sind schon lange zusammengebrochen. Die
ehemaligen untergeordneten Gruppenvorsteher, die in der Palastzeit „qua-si-re-u“ genannt
wurden, sind nun Herrscher oder Adelige. Aus diesem alten Wort, das nach dem
Zusammenbruch (~1200 v.Chr.) weiterverwendet wurde leitet sich das griechische Wort
βασιλευς ab, wohingegen der vormalige Herrschertitel „Vanax“ verloren ging. Homer
benutzte in seinen Epen verschiedene Bezeichnungen für Herrscher. Da nannte er die
Basilees als Könige, aber er verwendete auch das alte Wort Vanax, obwohl er vermutlich
nicht mehr genau wusste was es eigentlich bedeutete. Homer benutzt es jedenfalls entweder
für „mächtigen König“ oder für Gott.
Heute datieren wir Hesiod ~ 700 v.Chr., wobei die Jahreszahl um Jahrhunderte schwanken
kann. Historisch haben wir gerade erst die so genannten „Dunklen Jahrhunderte“ verlassen,
an deren Ende sich wohl Homer in unmittelbarer Nähe zu Hesiod befindet. Die alten
Machtzentren der mykenischen Kultur bestehen zwar immer noch, von „Macht“ ist hier
aber nicht zu reden. Vielmehr entstehen nun neue Gesellschaftsformen, die in späterer Zeit
dann die „Weltpolitik“ bestimmen sollen.
Hesiod erzählt zwar, dass Adelige richterliche Funktionen inne hatten24 und dass es einen
Krieg zwischen Eretria und Chalkis gab in dem König Amphidamas starb25, nennt aber
sonst keinerlei Politische Vorgänge, ja sogar die Familien Ordnung lässt er Beiseite.
Stattdessen behandelt er die Bauernwirtschaft, nicht nur die eines einzelnen, sondern auch
die der Großgrundbesitzer. Hierbei gibt er ihnen gute Ratschläge wie viele Gehilfen sie
einstellen sollen oder wann sie heiraten sollten. Alle diese Informationen sind in den
19
Hes. Erg. 657;
Hes. Theog. 23 und 26;
21
RE I,1 Agones, Sp.869;
22
RE I,1 Agones, Sp.869;
23
Dihle, S.116;
24
Hes. Erg. 37ff;
25
Hes. Erg. 653;
20
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Proseminar für
Alte Geschichte
Vita et Opus:
Hesiods Zeit:
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„Werken und Tagen“ zu finden, da dieses Buch die reale Welt behandelt und nicht die
Götterwelt.
Über den besagten Krieg zwischen Chalkis und Eretria ist weniges zu sagen. Heute datiert
man ihn um 700 v.Chr., wobei er sich vermutlich mehrere Dekaden hinzog. Er war ein
Krieg mit stark regionalen Gepräge, auch deshalb, weil er „nur“ um die fruchtbare
lelantinische Ebene zwischen den beiden Poleis ausgefochten wurde. Zum ersten Mal ist er
bei Archilochos erwähnt, der beschreibt, dass die Soldaten mit Schwertern kämpften. Diese
Kampftaktik deutet auf „ein frühes Stadium der Entwicklung der Hoplitenphalanx“26 hin.
Vermutlich hatte dieser Krieg die Aufgabe der Stadt Lefkandi zur Folge. Trotzdem kann
man von einem größerem Ausmaß als einem lokalen Konflikt nicht sprechen, obwohl
Autoren des 5. Jh. v.Chr. so etwas behaupten. Für Thukydides war der lelantinische Krieg
sogar die einzige größere Auseinandersetzung, zwischen dem trojanischen Krieg und den
Perserkriegen, in dem ganz Hellas Partei ergriffen haben soll.27 Auch Plutarch erwähnt
ähnliches und behauptet, der Sieg Chalkis’ begründet sich in der Mitwirkung der
thessalischen Reiterei.28 Nach moderner Forschung ist diese Annahme aber eine
„anachronistische Rückprojizierung von Konstellationen des 5. Jh. v.Chr.“29.
2.2.1 Hesiodeischer Sexismus im Spiegel der Geschichte:
Hesiods Vorstellungen über die Rolle der Frau sind auf keinen Fall mit modernen
Maßstäben zu messen, aber dennoch durch die Rollen in andern Gesellschaften zu
relativieren. Hesiod gibt uns ein nicht ganz verständliches Bild der Frau zu seiner Zeit.
Einerseits erzählt er von Pandora, der Urfrau und Übel der Menschheit, andererseits
sagt er an anderer Stelle: „Nimmer kann ja der Mann etwas Besseres als eine gute
Frau sich erbeuten, doch auch nichts schlimmeres als eine böse, die aufs Essen nur
lauert.“30 War Hesiod nun schon zu seiner Zeit ein Sexist, oder transportiert er in
diesen Versen allgemein verbreitete Anschauungen?
Selbstverständlich war die Stellung der Frau in der Antike nicht so frei wie in
moderner Zeit aber noch lange nicht so eingeschränkt wie im Christentum. In der
griechischen Gesellschaft war die Frau nicht wahlberechtigt, auch brauchte sie einen
männlichen Vormund in Gerichtsverhandlungen.31 Dennoch nahm die Frau wichtige
Positionen ein, vor allem im Kult. Im Haushalt konnte sie auch eine
Autoritätsposition, wie der Patron, einnehmen.32 Dennoch scheint die römische Frau
freier gewesen zu sein als die griechische, denn sie hatte auch Vertretungsgewalten
über die Klientel des Mannes33 und nahm, im Gegensatz zur griechischen Frau, an
Festgelagen an der Seite des Mannes teil34. Interessant sind auch die medizinischen
Überlieferungen. Die Menstruation galt in der griech.-röm. Welt nicht als Unreinheit,
wie im Christentum oder im Judentum35, sondern als Ungleichgewicht, das durch Sex
und Gebären beseitigt werden kann.36 Zu den Tugenden der Frau zählten Keuschheit
und Verschwiegenheit, das in einer Antiken face-to-face society größte Wichtigkeit
hatte, aber auch rhetorische Fähigkeiten und Bildung gehörten zu den Tugenden der
Frau.37 Hingegen stellte das Christentum andere Ansprüche. Nachdem in frühen
Zeiten eine gewisse Gleichstellung bemerkbar war, wurde diese Freiheit der Frau
26
DNP 7 lelantinischer Krieg, Sp.38f;
DNP 7 lelantinischer Krieg, Sp.39;
28
DNP 7 lelantinischer Krieg, Sp.39;
29
DNP 7 lelantinischer Krieg, Sp.39;
30
Hes. Erg. 701-703;
31
DNP 4 Frau, Sp.635;
32
DNP 4 Frau, Sp.635;
33
DNP 4 Frau, Sp.636;
34
DNP 4 Frau, Sp.635f;
35
DNP 4 Frau, Sp.639f;
36
DNP 4 Frau, Sp.637f;
37
DNP 4 Frau, Sp.636;
27
8
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Alte Geschichte
Vita et Opus:
Ars Hesiodi:
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später aus den Überlieferungen verbannt.38 So wurden Apostel-Ehepaare zu Männern
indem die Frau einfach zu einem Mann gemacht wurde.39 Sukzessive wurde die Rolle
und Freiheit der Frau beschnitten.
Hesiods Anschauungen über die Frau sind keineswegs konsequent. Im einen Moment
stellt er die Frau als fleißiges Bienchen dar, welches für den reibungslosen Ablauf des
Haushaltes und des ganzen Gutshofes unerlässlich ist. Im nächsten Moment ist sie das
Hauptübel der Welt und für fast alle Leiden der Menschheit verantwortlich. Es scheint
nicht zusammen zu passen. Nun liegt die Vermutung nahe, dass der Text von anderen
Rhapsoden bearbeitet wurde. Diese These vermag ich nicht zu klären. Eine andere
Vermutung wäre, dass Hesiod eventuell schlechte Erfahrungen mit einer, oder
vielleicht mehreren, Frauen machte. So könnte eine verschmähte Liebe oder eine
strenge Mutter an dem schlechten Bild schuld sein, welches bei Hesiod immer wieder
durchscheint. Inwieweit diese Vermutungen zutreffen wird wohl ungeklärt bleiben
müssen. Dennoch kann man allgemeine Regeln extrahieren. So zum Beispiel Hesiods
Rat erst im Alter von 30 Jahren zu heiraten, und dann nur eine Jungfrau im 5. Jahr
nach dem Einsetzen ihrer Menstruation. Dieser Ratschlag ist einfach zu erklären, denn
man braucht eine gewisse Zeit sich eine Existenz zu schaffen, es wäre ja äußerst
unklug eine Familie ohne materielle Sicherheiten zu gründen. Das Heiratsalter des
Mädchens von 16-19 Jahren40 wird damals normal gewesen sein. Vermutlich war
ebenfalls häufig, dass ältere Frauen jünger Männer heirateten, davon rät Hesiod aber
ab.
2.3 Ars Hesiodi:
Es ist schwerlich möglich Hesiods Schaffen klar und verständlich darzustellen, wenn man
nicht auch kurz auf den „Beruf“ und die Kunst der Rhapsoden und Epiker eingeht. Deshalb
habe ich mich entschlossen, kurz, und ein wenig oberflächlich, darzustellen, was ein Epos
und ein Rhapsode eigentlich ist.
2.3.1 Was bedeutet „Epos“?
Eine Begriffsklärung gestaltet sich sehr schwierig, weil „die Vielfalt der im Ergebnis
mit «Epos» bezeichneten literarischen Formen macht jede praktikable Definition von
«Epos» auch nur im Hinblick auf die griech.-lat. Literatur unmöglich“41 Epos42 kann
sowohl „Wort“, als auch „Dichtung in hexametrischem Versmaß“ oder „Einzelvers im
hexametrischem Versmaß“ bedeuten. Formal ist das Epos also in Hexametern
geschrieben.
Der Inhalt eines Epos sind zumeist Götter- oder Heldensagen. Auch stellt das Epos
den Anspruch auf Bedeutsamkeit des Gegenstandes. Es sollte nicht banal sein und
genauso wenig die Situation des einfachen Menschen darstellen. Die Sprache soll
„gehoben“ sein, auf gar keinen Fall vulgär. Handlungsträger sind zumeist Götter und
oder Heroen43.
Die Grenze zwischen Epen und Mythen ist fließend. Eigentlich werden in Epen
Mythen niedergeschrieben, dennoch wird zumeist der Konvention der Orientalistik
gefolgt, die zwischen den beiden Begriffen klar unterscheidet.44
Entwickelt hat sich das Epos in Mesopotamien. Aus diesem Raum sind uns einige
Epen bekannt. Das bekannteste Epos aus diesem Raum handelt von Gilgameš, einem
38
DNP 4 Frau, Sp.640;
DNP 4 Frau, Sp.640;
40
Marg S.366f;
41
DNP 4 Epos, Sp.12;
42
ϝεπος: von ϝειπεῖν „Sage“, „sagen“, „Kunde“; DNP 4 Epos, Sp.11f;
43
d.h. „Halbgötter“;
44
DNP 4 Epos Sp.11;
39
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Alte Geschichte
Vita et Opus:
Ars Hesiodi:
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sagenhaften akkadischen Gott-König.45 Daneben stehen auch historische assyrische
Epen, welche die babylonischen Könige zum Inhalt haben. Beliebte Stilmittel sind in
solchen Epen z.B. Chiasmus, Doppeldeutigkeiten und Wortspiele, aber auch
Metaphern, Vergleiche und Wiederholungen.46
Auch aus Indien sind Epen bekannt, wie z.B. das Epos über den sagenhaften König
Rama.
Interessant finde ich, dass aus Ägypten keine Epen bekannt sind.47
2.3.2 Die Rhapsoden:
In der ersten Hälfte des 8. Jh. v.Chr. wurde die phönikische Schrift48 von den
Griechen übernommen.49 Dies war der Beginn der Schriftlichkeit, der weite Kreise
schlagen sollte und auch den Beruf der Rhapsoden verändern sollte.
Rhapsoden waren wandernde Sänger, die ihre Werke, meist durch die φόρµιγξ50
begleitet, singend rezitierten. Zeitpunkt der Vorträge war immer dann, wenn das
Publikum entspannte, also bei Festgelagen, Essen oder Agonen. Die Tradition begann
vermutlich schon vor dem Beginn der Schriftlichkeit, worauf die etymologische
Deutung des Namens hinweist.51 Vermutlich ist der Name eine Kombination von
ῥάπτειν „nähen“ und ἀοιδή „Gesang“. Somit wäre der ῥαψῳδός jemand, der „Gesänge
zusammennäht“.52 Dies ist durchaus einleuchtend, wenn man bedenkt, dass der
Rhapsode die Gesänge improvisierend zusammennähte, die er vortrug. Die Verse in
der, schon behandelten, Dichtform Epos sind frei verschiebbar, nur die Übergänge
zählen. Jeder Rhapsode hatte sein Repertoire an Dichtungen, die er nach Lust und
Laune, vor allem des Publikums, miteinander kombinierte.
Der wichtigste Vortragsort für Rhapsoden war zweifelsohne der Agon53, obwohl ein
Agon nicht auf die Dichtkunst beschränkt war. Ein Agon war ein Wettstreit, wobei es
auch Überlieferungen gibt in denen ein Agon auch als militärischer Kampf verstanden
wird. Der Sinn in einem solchen war der, sich mit einem Kollegen zu messen. Es gab
Agone für den besten Dichter, den besten Bildhauer oder für den schönsten Mann, wie
in der Argolis oder Sparta, oder die schönste Frau, wie auf Lesbos oder Tenedos.54 Es
gibt kaum eine Tätigkeit die nicht in einem Agon verglichen wurde. In Megara, zum
Beispiel, soll sogar ein Agon in der Disziplin Küssen stattgefunden haben55, somit
scheint mir, dass die Disziplinen der Wettkämpfe am ehesten mit unseren
Weltrekordversuchen, damit wir in das „Guinness’ Buch der Rekorde“ gelangen,
vergleichbar zu sein. Jeder Teilnehmer musste sich vor dem Agon bei der leitenden
Behörde eintragen, wenn er nicht oder verspätet erschien wurde er bestraft.56 Leiter
des Agons waren meist speziell gewählte Richter, die auch über den Sieg entscheiden
mussten. Am Beginn des Agons spricht ein Herold eine Formel, danach folgten noch
öffentliche Verlautbarungen, weil zu dem Zeitpunkt die meisten Leute anwesend
waren.57 Der Eintritt war für Besucher frei, zumindest in früher Zeit. Ein Agon der
Rhapsoden gestaltete sich so, dass ein Wettkämpfer beginnt Fragen zu singen, wobei
45
DNP 4 Epos Sp.11;
DNP 4 Epos Sp.11;
47
DNP 4 Epos Sp.11;
48
darauf deutet die lange in Gebrauch gewesene ionische Bezeichnung für „Schriftzeichen“;
49
DNP 11 Schriftlichkeit-Mündlichkeit Sp.242;
50
RE Ι,Α1 ῾Ραψῳδός Sp.244;
51
DNP 10 Rhapsoden Sp.947;
52
DNP 10 Rhapsoden Sp.947;
53
In der Ilias und Odyssee bezeichnete das Wort ἀγών die „Versammlung“ und den „Kampfplatz“; RE Agon, Sp.836;
54
RE I,1 Agones, Sp.837;
55
RE I,1 Agones, Sp.837;
56
RE I,1 Agon, Sp.851;
57
RE I,1 Agon, Sp.850;
46
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Vita et Opus:
Werke:
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der andere antworten muss.58 Etwas ähnliches gibt es in der amerikanischen
Rapperscene, „Battle“ genannt.
Der Agon ist zwar der wichtigste Vortragsort aber der Rhapsode blieb ein fahrender
Sänger, der auf die Gunst von Gastgebern angewiesen blieb. Viele Stellen in der Illias
und Odysse zeigen uns dieses Verhältnis ganz deutlich. Allerdings singen in der Ilias
die Helden zumeist selbst, wohingegen in der Odyssee schon professionelle Sänger
vorkommen. Mehrere Stellen in diesen Epen erläutern uns die Art und Weise wie
vorgetragen wird, nämlich mit Unterbrechungen und mit Zwischenfragen, sei es
seitens des Publikums oder der Rhapsode selbst stellt die Frage. So konnte sich der
Vortrag lange hinziehen, manchmal Monate, wie uns die Odyssee in dem Abschnitt
aufklärt, wo Odysseus dem Aialos sein Leid klagt.59 Der Rhapsode beginnt seinen
Vortrag mit einem Gebet an die Götter und einem taktvollen Lob an den Gastgeber
und die gerichtete Mahlzeit. Immer wieder unterbricht er um mit dem Publikum zu
reden und Gaben zu erbetteln.
Wenn man bedenkt, dass allein die Ilias (15.000 Hexameter60) und Odyssee (12.000
Hexameter48) nur ein Teil des troischen Kyklos, der acht Epen umfasste, waren, ist es
kaum vorstellbar, dass sich ein Mensch das alles merken könnte. Hermann Fränkel
zitiert in seinem Buch über die Dichtung des frühen Griechentums einen
Forschungsbericht von Mathias Murko, der die serbisch-kroatische Epik untersucht.61
Murko ließ sich von serbisch-kroatischen Sängern ihr Epenrepertoire vorsingen und
wertete sie aus. Diese Form der Epik steht uns am nächsten, wodurch wir in gewisser
Weise auf die alte Epik schließen können. Er stellte dabei fest, dass sich die Sänger an
keinen vorgefertigten Text halten, sondern jedes Lied „neu“ erschaffen. Somit ändert
sich jede Version eines Liedes um ein paar wenige Verse, auch wenn der Sänger
angehalten ist, dasselbe nochmals zu singen. Die Fülle dieser Lieder ist enorm.
Fränkel selbst schreibt: „Man wäre versucht zu zweifeln, wenn nicht die
Zuverlässigkeit über jedes Misstrauen erhaben wäre.“62 Die interviewten bosnischmohammedanischen Sänger hatten ein Repertoire an 30-40 Lieder, einige sogar 100140.63 Die meisten dieser Lieder sind mehr als 3 Stunden lang, einige mit Pausen 8
Stunden oder mehr. Somit ergeben 40 dreistündige Lieder 120 Vortragsstunden. Salko
Voinikovič diktierte 1887 M. Murko sieben Tage lang in Agram mehr als 80.000
zehnsilbige Verse in 90 Liedern. „Dies ergab 7 Folianten Handschrift“64, das sind
„über 2.000 Druckseiten“65. 80.000 Zehnsilber sind in etwa 52.000 homerische
Hexameter, also fast 3.5 mal die Ilias oder 4.3 mal die Odyssee. Häufig wird diese
Kunst schon an achtjährige Kinder weitergegeben, wobei 10-12 wohl das Normalalter
ist.66 Somit wird das Gehirn von kleinauf darauf trainiert sich Texte zu merken,
deshalb brauchen erfahrene Sänger einen neuen Stoff auch oftmals nur ein- oder
zweimal zu hören um ihn sich zu merken.
2.4 Werke:
Hesiods Werke bewegten die Antike für lange Zeit, sogar Ovid schrieb noch von ihm ab
indem er den Weltaltermythos übernahm. Obwohl Hesiod stilistisch sehr nahe zu Homer
steht schaffte er doch etwas völlig Neues hervor zu bringen, ein episches Lehrgedicht. Er
58
RE I,1 Ἀγών Ὁµήρου καὶ Ἡσιόδου, Sp.868;
Fränkel, S.14;
60
vgl. Hes. Erg. 820 Hexameter, Hes. Theog. 1 200 Hexameter;
61
Fränkel, S.9;
62
Fränkel, S.20;
63
Fränkel, S.20f
64
Fränkel, S.21;
65
Fränkel, S.21;
66
Fränkel, S.21f;
59
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war der erste Dichter, der in seine Werke Autobiographisches einfließen ließ und mit
persönlichem Anliegen vor uns tritt.67
Seine zwei Werke, Theogonie und Erga, sind im epischen Stil geschrieben und wenn man
sie hintereinander liest, stehen sie als ein nahezu einziges Werk vor uns. Im Laufe der Zeit
wurden sie durch andere Dichter ergänzt, abgeschrieben und bearbeitet, weswegen man sich
bei vielen Versen fragen muss ob diese überhaupt von Hesiod selbst stammen. Aufgrund
der Ausrichtung des Gesamtwerkes finde ich das allerdings zulässig, da es als Handbuch
auf uns kommt und weniger als ein Werk der Unterhaltung. Vielmehr versuchten die
ergänzenden Dichter Hesiods Werk zu einer Enzyklopädie zu machen, was er vielleicht
sogar selbst anstrebte. Diese Ansicht untermauert der listenartige Stil der Ehoien genauso,
wie die Liste der Tage, die vermutlich nicht von Hesiod stammen.
2.4.1 Θεογονία:
Hesiods erstes Werk ist die Theogonie, das die Götterentstehung darstellt. Somit ist
Herodots Bemerkung, dass Homer und Hesiod den Griechen die Götter gegeben
hätten68, berechtigt, aber Hesiod war wohl kein Erfinder sondern wohl eher ein
Organisator, verschiedener Regionalkulte. In der Theogonie verarbeitet er die
verschiedensten Kulte und Vorstellungen seiner Zeit und fügt sie zu einem
einheitlichen religiösen Werk zusammen. Allerdings übernahm er auch Vorstellungen
aus dem östlichen kleinasiatischen Raum. Tontafelfunde aus der Hauptstadt des
Hethiterreiches, des heutigen Bhoghazgöi, zeigen die Verwandtschaft zu Hesiods
Form dieses Sukzessivmythos.69 Diese Keilschriftfunde haben aber ihrerseits ältere
Ursprünge. Der erste Teil eines der gefundenen Mythen behandelt die Götterabfolge
Alalu-Anu-Kumarbi-Wettergott.70 Aufmerksamkeit bedarf vor allem das Schicksal
des Gottes Anu, dessen Namen vom sumerischen „an“ für „Himmel“ kommt.71 Anu
wird von Kumarbi vertrieben. Kumarbi jagt ihn, packt ihn bei den Füssen, beißt ihm
die Geschlechtsteile ab und verschlingt diese.72 Daraufhin verflucht Anu den
Kumarbi, der mit drei schrecklichen Gottheiten geschwängert sein soll. Einer ist der
Wettergott, der starke Ähnlichkeiten mit Zeus aufweist. Ein anderer ist Ullikummi, ein
schreckliches Ungeheuer aus Diorit.73 Der Wettergott muss nun in der Folge seine
Herrschaft sichern in dem er einen gefährlichen Kampf gegen Ullikummi bestehen
muss. Die Ähnlichkeiten liegen auf der Hand, denn auch Zeus musste seine Herrschaft
durch einen harten Kampf gegen die Titanen74 und besonders Typhoeus75 sichern. Die
Griechische Religion war nie so einheitlich, als dass es in Griechenland ähnliche
Überlieferungen gegeben hätte. Vielmehr wurde in jeder Gegend eine andere Gottheit
als „oberste“ verehrt, so war es in der Argolis zum Beispiel Hera.
Außerdem muss man dazu sagen, dass die beschriebenen Götter sehr zweideutig sind.
Einerseits sind es handelnde, fühlende und denkende Personen, andererseits sind es
auch Naturerscheinungen (Wind, Blitze,...) , Weltteile (Himmel, Erde, Meere,...) und
Lebensmächte (Streit, Gerechtigkeit, Krieg, Frieden). So betrachtet ist die Theogonie
nicht ein rein religiöses Werk, sondern eher ein durch religiöse Vorstellungen
verschlüsseltes naturhistorisches Werk, das sich mit der Entstehung des
Sonnensystems und den physikalischen Naturerscheinungen beschäftigt. Wenn Hesiod
beschreibt wie sich Uranos, der Himmel, mit Gaia, der Erde, verbindet und das
Urmeer entsteht, dachte sich ein Grieche dieses Geschehen nicht nur als eine Aktion
67
Lesky, S.113;
Hdt. II,53;
69
Lesky, S.117;
70
Lesky, S.117;
71
Lesky, S.117;
72
Lesky, S.117;
73
Lesky, S.117;
74
Hes. Theog. 617-725;
75
Hes. Theog. 820-880;
68
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zweier menschenähnlicher Wesen, sondern auch als ein natürlicher Vorgang. Und
nicht nur das, er verschlüsselt in den Mythen, die er aufzählt, moralische Predigten,
wie zum Beispiel im Titanenkrieg, wenn Hesiod über die Waffen des Zeus redet. Wir
„modernen“ Leser müssen uns somit frei machen, von der christlichen Vorstellung
eines alten Mannes, der allmächtig irgendwo im Nichts sitzt und unsere Geschicke
lenkt – wie in einem Computerspiel –, um dieses Werk zu verstehen. Die Götter
Hesiods üben auf die Welt und die Menschen zwar großen Einfluss aus, aber die
Menschen entscheiden selber was sie tun. Göttinnen wie Dike, das Recht, oder Eris,
der Streit sind nicht nur als schöne Frauen zu sehen, und dann nur um sich die
Vorgänge besser vorzustellen, sonder vor allem auch als das was sie sind, Kräfte in
dieser Welt, deren tieferes Verständnis erst durch fortschreitende Wissenschaften
erschlossen werden kann. Die Theogonie als religiöses Werk zu bezeichnen ist somit
durchaus zulässig, aber eben nur die Hälfte von dem was sie ist.
Hesiod hat dieses Werk sicher als erstes geschrieben, worauf das Proömion hinweist
in dem der Dichter sich als Hirten darstellt, aber in seinen Werken und Tagen ein
Bauer ist. Einen weiteren Beweis für diese Annahme, der wohl viel beweiskräftiger
ist, finden wir in den Werken und Tagen wenn sich Hesiod betreffs der Eris korrigiert
und sich damit auf die Theogonie bezieht.
Sieht man die Theogonie im Zusammenhang mit den Werken und Tagen und Homers
Epen stellt sich heraus, dass Hesiod keine Konkurrenz zu Homer sein will. Die
Theogonie ist die Ebene der Götter, also oberhalb der Welt. Werke und Tage sind die
Ebene der Menschen, des alltäglichen Lebens. Homers Epen aber irgendwo
dazwischen auf der Ebene der Helden und Halbgötter. Die Ehoien, die ich an anderer
Stelle behandeln werde, stellen die Verbindung her, wobei man in der modernen
Forschung davon ausgeht, dass sie nicht von Hesiod stammen und erst später
hinzugefügt wurden.
Betrachtet man die Theogonie oberflächlich kann man eine Dreiteilung vornehmen.
Der erste ist das Proömion mit der Anrufung an die Götter und ein bisschen
Autobiographie des Dichters. Der zweite Teil ist der Götterstammbaum, der sich
durch eine lange Abfolge von Zeugungen und Geburten darstellt. Der dritte Teil ist
der Kampf der Götter gegen die Titanen, der sich am meisten „Homer ähnlich“
präsentiert, weil der Zweikampf hinter dem Massenkampf gestellt ist. Die Ehoien mit
der Schilddarstellung sind nicht in diese Einteilung aufgenommen, da man – wie
schon erwähnt – annimmt, dass sie nicht von Hesiod selbst sind. Bei epischen Werken
muss man, wenn man den Text exzerpiert, immer darauf achten nie den oralen Aspekt
aus den Augen zu verlieren. Weil diese Gedichte mündlich vorgetragen wurden, sind
sie durch Gedanken mit einander verbunden und die mathematischen Verszahlen sind
nicht bindend um eine Symmetrie zu ergeben. Trotz der Bedeutung, die Hesiod als
Epiker zukommt, sind seine Verse, im Vergleich mit Homer, doch eher schwerfällig
und bedächtig gesetzt.76 Die Zusammenhänge sind viel assoziativer als bei Homer, die
Erzähllinien überkreuzen sich öfter.77
Das Proömion (V.1–116) ist als ein Hymnus auf die Musen gestaltet und soll den
Leser auf das folgende wichtige Thema einstimmen. Hesiod ruft dabei die Musen an
und erzählt wie er die Dichterweihe durch diese auf dem Helikon erworben hat. Die
Musen besuchten ihn beim Schafehüten und gaben ihm das Werkzeug in die Hand mit
dem er dieses Werk vollbringen konnte, jedoch fällt diese „Weihe“ nicht gerade
freundlich aus.
„Hirten auf freiem Feld, Gesindel, gierige Bäuche,
täuschend echte Lügen wissen wir viele zu sagen,
76
77
Dihle, S.275;
Lesky, S.116;
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Wahres jedoch, wenn wir wollen, wissen wir gleichfalls zu künden.“78
Die Worte über die Wahrheit sind wohl eine Kritik an Homer der ja genau diese
Lügen behandelte und eine Absichtserklärung Hesiods, nämlich die Wahrheit zu
erzählen „[...] was ist, was war, und was sein wird“79. Weiters ist in diesem
Vorwort eine kurze Inhaltsangabe80 zu finden worüber er singen möchte. Die
Reihenfolge, der hier genannten Götter, wird aber nicht eingehalten. Das Proömion
endet mit der Aufforderung an die Musen zu singen was geschah und was vor der
jetzigen Herrschaft des Zeus war.81
Der zweite Teil der Theogonie (V.117–616) ist relativ trocken, nur durch kurze
Erzählungen aufgelockert. Es ist der Hauptteil der Theogonie, der die Weltentstehung
beschreibt, und stellt sich durch eine scheinbar endlose Auflistung von Zeugen und
Gebären dar. Allerdings ist das ja gerade die Aufgabe der Theogonie, die
Götterentstehung82 darzustellen. Nochmals muss ich darauf hinweisen, die Götter
nicht nur als Wesen zu sehen, denn nur so kann man den vollen Gehalt dieser Stelle
verstehen.
In der Tusculum Ausgabe – deren Einteilung ich übernommen habe – ist dieser Teil in
die Abschnitte A bis F und E’ unterteilt83, dadurch halten sich die Teile, aufgrund der
Verszahlen, in Balance. Natürlich kann man vielfältige Einteilungen vornehmen, je
nachdem welchen Aspekt man gerade beleuchten möchte.
Der Abschnitt A (V.116–158) beschäftigt sich mit der Entstehung der Welt und ist
eher Kosmogonie denn Theogonie. Über dieses Thema haben sich die Menschen
schon früh Gedanken gemacht und es bildeten sich zwei Linien heraus. Zum einen die
einen Schöpfergott annimmt, der in einem einzigen Akt die gesamte Welt erschafft,
und zum anderen eine Folge von Geburten oder Entstehungen. In Europa
überschnitten sich die beiden Linien durch die griechischen und durch die alten
jüdischen Vorstellungen eines Schöpfergottes.
Hesiod beschreibt hier wie vier Urgottheiten die Welt erschaffen. Diese Urgottheiten
stammen von keinem anderen ab, wie sie zur Existenz gelangten wird nicht genannt,
sie sind einfach da. Diese Urgottheiten heißen Chaos (leerer Raum), Eros
(Zeugungskraft), Gaia (Erde) und Tartaros (Unterwelt). Schon zu Zeiten Ovids war
das Chaos dasselbe, was wir heute auch darunter verstehen, nämlich ein ungeordnetes
Gemengsel von Irgendwas, aber Chaos kommt vom Griechischen „χαινειν“, das
gähnen bedeutet. Also ist mit diesem Gott Chaos das Nichts gemeint, welches vorher
da war. An zweiter Stelle steht in der Theogonie Gaia, die Erde. Schon vor Hesiod
war sie die Muttergottheit schlechthin, keine Gottheit hatte so viele Nachkommen wie
sie. Eros und Tartaros sind da schon verwunderlicher. Eros, die Zeugungskraft,
ermöglicht durch seine bloße Anwesenheit die folgenden Zeugungen ohne aktiv in das
Geschehen eingreifen zu müssen. Der Tartaros, der später zum Kerker des Zeus
wurde, hatte erst sehr spät einen einzigen Nachkommen mit Gaia, Typhoeus. Er wird
später von Zeus in die Unterwelt verbannt. Auf Grund des Umstandes, dass Eros und
Tartaros im nachfolgenden Teil keine Zeugungen tätigen, gab es starke Kritik der
Philologen an der Echtheit dieser Stelle, aber Hesiod hat wohl sicherlich alte religiöse
Vorstellungen vom Tartaros gefunden und scheinbar keine Überlieferungen von
Kindern desselben. Eros dagegen hat sehrwohl eine wichtige Aufgabe, nämlich die
Zeugungskraft an sich darzustellen und somit wirkt er bei jeder Zeugung mit, auch
wenn er eben nicht in die Handlung eingebunden ist.
78
Hes. Theog. 26-28;
Hes. Theog. 38;
80
Hes. Theog. 47ff;
81
Hes. Theog. 114f;
82
d.h. Geburten;
83
siehe Kapitel „Einteilung der Werke Hesiods“;
79
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Chaos gebar die Nacht und Erebos, recht düstere Gesellen, die gemeinsam den hellen
Tag und das Himmelsblau (Äther) zeugten. Erebos scheint ein Konkurrent zu Tartaros
zu sein, weil im Altertum beide Bezeichnungen für dasselbe in Gebrauch waren.
Hesiod verwendet die Worte aber nicht synonym, denn Tartaros ist die Unterwelt
räumlich gedacht und Erebos, die Finsternis, welche die Unterwelt erfüllt und eine
Teilherrschaft auf der Erde mit der Nacht ausübt. So ist es auch durchaus logisch
wenn die Finsternis den Tag zeugt, denn nur so kann das Bild des Übergangs von Tag
zu Nacht gezeichnet werden.
Gaia gebar die Meere und Berge, als erstes aber Uranos, der Himmel, der die Titanen
zeugte. Einer von ihnen ist Okeanos, der Ringfluss um die Erde. Dieser gebar
wiederum die Flüsse auf der Erde. An dieser Stelle sieht man sehr deutlich, wie die
Vorstellungen verschmelzen. Okeanos war noch lange Zeit ein Bestandteil von
Weltkarten, aber nicht als Gottheit sondern als umliegender Ozean. Auch der
Umstand, dass aus dieser Ozean-Gottheit die Flüsse entstanden, bedarf keiner
weiteren Erklärung, damit die Versgruppe logisch erschlossen werden kann. Mitten in
den verschiedenen Geburten werden auch Kronos und Rheia geboren, die späteren
Herrschergottheiten. An dieser Stelle ahnt man schon, dass sie später eine wichtige
Rolle spielen werden.
Die Verse 159 bis 210 bilden Abschnitt B, in dem Kronos, auf Geheiß der Gaia,
seinen Vater Uranos entmannt und so den Himmel von der Erde trennt, sodass sie nun
Platz für die Erden-Bewohner bieten kann. Dies zeigt die alte Vorstellung, dass der
Himmel ursprünglich auf der Erde ruhte und erst durch die Trennung der beiden der
Raum dazwischen – also unser Lebensraum, der übrigens hier noch als Lebensraum
der Götter bezeichnet wird, was wiederum legitim ist, weil das Buch ja über die Götter
geschrieben ist und nicht über die Menschen – entstand. Bei dieser Entmannung wird
auch die Entstehung der Erinyen und der Aphrodite erzählt.
Diese sind die Blutstropfen, die aus dem abgetrennten Glied des Kronos tropften und
werden in logischer Folge Rachedämonen, die Mörder und Totschläger verfolgen.
Aphrodite, die schaumgeborene, entspringt aus dem Schaum (Sperma) des im Meer
schwimmenden Penis von Kronos und entsteigt an der Küste von Zypern dem Meer.
Den nächsten Abschnitt (C; V.211–336) kann man in zwei Teile teilen. Der erste Teil
befasst sich mit den Kindern der Nacht, die den Menschen befallen und zu
Rechtsbruch und Streit verleiten. Hier wird auch die „böse“ Eris eingeführt – die zu
merken ist, weil sich Hesiod in den Werken und Tagen korrigiert – und den Streit
darstellt, der auch als Krieg verstanden werden kann und vermutlich auch soll. Dieser
Teil ist sehr gesellschaftskritisch und soll zeigen wie die gegenwärtige Situation, in
der es den Menschen keinesfalls gut geht, entstanden ist.
Der zweite Teil hingegen füllt das unbewohnte Meer mit zahlreichen Wesenheiten, die
Eigenschaften darstellen, welche wir dem Meer heute auch zuordnen würden, aber
auch mit zahlreichen Ungeheuern, die damals für Seefahrer wohl eine reale
Bedrohung darstellten, wenn man den Aberglauben, den Seefahrer wohl heute immer
noch haben, respektiert und toleriert. Die ganze Schönheit dieser Stelle erschließt sich
aber erst denjenigen, die des Griechischen mächtig sind, denn viele von den Namen
enthalten sehr Bildhafte Silben, wie „tho-„ (schnell) oder „kym-„ (Welle). So kann
man sich das „bewegte Meer“ durch den Namen Dynamene („die Kraftvolle“)
genauso gut vorstellen, wie die Meeresstille, die Galene genannt ist. Noch viele
weitere solcher Namen sind genannt, die durch eben diese Silben einen äußerst
bildhaften Charakter haben. Ein Rhapsode, der diese sehr schwierige und schnelle
Stelle meisterte, war sich sicherlich der selben Begeisterung und des selben Applauses
sicher wie heutzutage ein Opernsänger, der die Figaroarie bewältigte.
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Der folgende Abschnitt D (V.337–410) zählt die Titanenehen – deren sind es vier –
und die resultierenden Kinder auf. Im Griechenland dieser Zeit waren
Geschwisterehen verpönt, aber Hesiod wusste, dass sie in anderen Ländern (z.B.:
Ägypten) üblich waren, woraus man einen nicht-griechischen Einfluss ableiten kann.
Diese Geschwisterehen bildeten Okeanos mit Thetis84, Hyperion mit Thea85, Koios
mit Phoibe86 und Kronos mit Rhea87. Warum Hesiod gerade diese Titanen zu Ehen
schmiedete kann man wiedereinmal durch die etymologische Deutung der Namen
erfahren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Ehe zwischen Hyperion und Thea.
„Hyperion“ bedeutet „über die Erde hinweggehen“ und Thea „Glanz“, die Kinder aus
dieser Verbindung sind Sonne, Mond und Morgenröte. Somit vermischen sich die
Anlagen der Eltern. Hier wird auch erzählt wie Okeanos, von dem ich schon weiter
oben geschrieben habe, 3000 Söhne (die Flüsse) und 3000 Töchter zeugte, die
Nereiden genannt werden.
Der Hekate-Hymnos – hier als Abschnitt E (V.411–152) eingeführt – kann auch zu
den Titanenehen hinzugerechnet werden. Der Übergang ist fließend, denn schon im
vorigen Abschnitt verteilte Zeus Ämter und Würden an die verschiedene Titanen, der
sich bei der Hekate Episode am Höhepunkt seiner Spenderlaune zeigt. Diese Episode
grenzt sich vom vorhergehenden Teil insofern ab, als das sie sich als Hymnus auf
Hekate präsentiert, die von Zeus so sehr geachtet wird, dass sie als mächtigste Göttin
dargestellt ist, natürlich nach Zeus. Aber wer ist Hekate? Bei den Griechen war sie die
allmächtige Göttin der Magie, die von nahezu jedermann angerufen wurde. Sie half in
Krieg und Frieden, den Seefahrern und Bauern.
Diese Stelle ist dermaßen abgehoben vom Rest, dass sie wieder einmal das Misstrauen
der Philologen auf sich zog. Nun gibt es drei Theorien weshalb diese Erzählung hier
erscheint. Erstens wurde sie nachträglich von einem Rhapsodenkollegen, der ein
Hekateverehrer war, hier eingefügt. Zweitens stellt sich die Frage ob Hesiod selbst
dieser Jünger war und wir einen Einblick in seine persönlichen religiösen
Vorstellungen bekommen. Drittens könnte hier ein verbreiteter boiotischer Kult
dargestellt sein? Zwischen Möglichkeit eins und zwei kann man sich schwerlich
entscheiden, aber wenn man die folgenden Abschnitte (F & E’) betrachtet stellt man
fest, dass sie den Hauptteil, die Mitte, des Werkes bilden und die Hekate-Episode im
Gegensatz zu E’ verstanden werden kann.
Der mittlere Abschnitt F (V.453–506) beendet die Vorgeschichte und leitet die
„Zeitgeschichte“ der Götter ein. Nun werden die Kinder des Kronos und der Rheia
genannt und erzählt, wie Zeus auf ähnlich brutale Weise die Herrschaft an sich reißt.
Die Kinder des Kronos sind dieselben, die zu Hesiods Zeit als Hauptgottheiten verehrt
wurden, nämlich Demeter, Hades, Poseidon („der Welterschütterer“), Zeus und
Hestia, die Göttin des Herdes und des Herdfeuers. Kronos nämlich verschlang seine
Kinder um einer neuerlichen Thronfolge vorzubeugen, aber Gaia versteckte Zeus,
damit dieser seinen Vater stürzen und dessen Kinder befreien konnte. Dies tat er auch.
Er befreite drei Kyklopen, die von Uranos gefesselt wurden. Diese Kyklopen, deren
Namen mit „Donnerer“, „Blitzender“ und „Wüterer“ übersetzt werden können gaben
Zeus die Machtmittel des Donners und der Blitze in die Hand, die er benötigte um die
Herrschaft zu erringen.
Auf die Machtergreifung Zeus’ folgt die Prometheus-Episode, die als Abschnitt E’
(V.507–616) gilt. In ihr wird erzählt wie Prometheus das Feuer stiehlt und es den
84
Hes. Theog. 307;
Hes. Theog. 371;
86
Hes. Theog. 404;
87
Hes. Theog. 453;
85
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Menschen bringt, worauf er von Zeus bestraft wird. Nun kann man erkennen, dass
sich die Abschnitte E und E’ um den Mittelteil legen und darstellen wie Zeus seine
Herrschaft gebraucht, nämlich zum Belohnen und Strafen.
Der folgende Abschnitt D’ (V.617–725) beschreibt den Titanenkampf des Zeus um
die Herrschaft den Titanen abzuringen. Als der Kampf schleppend verlief und eine Art
Pattstellung eintrat, befreite Zeus die hundertarmigen Titanen, die von Kronos im
Tartaros eingesperrt waren, genauso wie er vorher die drei Kyklopen befreite. Diese
kämpften nun auf Seiten des Zeus. So konnte Zeus siegen. Sieht man diesen Mythos
wieder zweigleisig und erinnert man sich an die Geschichte, in der die Kyklopen dem
Zeus die Blitze als Waffe gegeben hatten88, so zeigt sich, dass hier nicht nur
beschrieben ist, wie sich Zeus die Machtmittel aneignet, die er braucht, sondern auch
wie sich ein „Höchster“ roher Gewalt bedienen muss, um die Macht ausüben zu
können. Das soll aber nicht heißen, dass das Recht beim Stärkeren liegt, sondern es ist
umgekehrt. Die Macht, der Sieg und der Herrschaftswille sind Diener des Höchsten,
nämlich des Rechtes. Dies beschrieb Hesiod schon an anderer Stelle89, in der er erzählt
wie Nike (Sieg), Zelos (Eifer, „Machtwille“), Kratos (Macht) und Bia (Zwang) bei
Zeus einziehen und nur in seinem Gefolge die Wohnung verlassen und so zu den
Menschen getragen werden. Dike (das Recht) ist ebenfalls eine Dienerin des
Höchsten, welche 30.000 Wächter als Geheimagenten auf der Erde stationiert hat, um
die Menschen zu beobachten und Verfehlungen sofort zu melden.90
An diesen Stellen sieht man, dass sich die Aussage in Mythen kleidet, wie sich ein
Schauspieler verschiedener Kostüme bedient, ohne sich im Inneren zu verändern.
Der nächste Abschnitt C’ (V.726–819) erweitert die, schon vorhandene, Erläuterung
des Tartaros und seiner Kinder. Diese Erzählung scheint hier unpassend, weil sie
irgendwie nicht an diesen Ort zu gehören scheint, aber Hesiod spannt hier einen
Bogen zurück zu Abschnitt C, wo er schon über die Nacht91 (Nyx) und ihre Kinder92
berichtet hat, und verleiht seinem Werk somit mehr Symmetrie.93
In Abschnitt B’ (V.820–880) bezwingt Zeus in einem Einzelkampf den schon
erwähnten Typhoeus, Kind der Gaia, ein schreckliches Ungeheuer. Dies ist nun der
letzte Kampf um die Herrschaft. Nachdem er den vorigen Herrscher (Kronos) gestürzt,
alle Wiederstandsnester (Titanen) beseitigt hatte, wird er nun von seinen Geschwistern
zum legitimen obersten Gott gewählt. Die Abschnitte D’ und B’ sind klassisch
homerisch, denn der Einzelkampf wird nach dem Massenkampf dargestellt. Hieran
zeigt sich Hesiods Verbundenheit mit Homer.
Der letzte Abschnitt A’ (V.881–964), von dem wir uns sicher sein können, dass er von
Hesiod selbst stammt und nicht ergänzt wurde, schließt den Kreis zu Abschnitt A mit
den Ehen des Zeus und der Komplettierung der Götterwelt. Hier besteht noch kurz die
Gefahr einer erneuten Thronfolge durch ein Kind des Zeus, er aber erstickt diese
erneute Revolution im Keim, verschluckt es und nimmt seine etymologische
Eigenschaft (Klugheit) in sich auf, die er nun besitzt.
Die folgenden Verse (V. 965 – 1020) sind nicht in das Schema aufgenommen, da es so
scheint als ob hier schon die Frauenkataloge beginnen würden und somit Zweifel an
88
Hes. Theog. 141;
Hes. Theog. 383-388;
90
Hes. Erg. 248-261;
91
Hes. Theog. 211ff;
92
Moros, Ker, Thanatos (Tod), Hypnon (Schlaf), Träume, Momos, Oizys, die Hesperiden, die Moiren (Klotho,
Lachesis und Atropos), Nemesis, Betrug, Umarmung, das Alter und Eris (vgl. Hes. Erg. 11ff);
93
Hes. Tusculum S.191;
89
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der Echtheit besteht. Weiters ist es interessant, dass die Verse 965-966 und 1021-1022
identisch sind, wobei 1021/22 die Ehoien einleiten. Dieser Teil beschäftigt sich mit
der Verbindung göttlicher Frauen mit sterblichen Männern und bietet somit einen
Gegenpol zu den Ehoien.
Die Ehoien, die auch Frauenkataloge oder Γυναικῶν genannt werden, sind mit starker
Sicherheit nicht von Hesiod sondern von einer Rhapsodenschule, die sich Hesiods Stil
verschrieben hat. Schon alleine der krasse Themenwechsel, der hier eintritt, ist ein
Zeichen dafür.
Sie berichten nämlich von amourösen Abenteuern der Götter mit sterblichen
Menschen, aus deren Verbindung Halbgötter (Heroen) und so die Urahnen der
damaligen Herrschaftsgeschlechter entstehen.94 Der Name Ehoien war vermutlich als
Scherz gedacht, weil er auf die Stereotypie dieser Versgruppen anspielt. Die Verse
wurden nämlich durch ein bloßes „ἤ οἵη“ (oder welche) eingeleitet. Nun stellt sich das
Gesamtwerk als eine Systematisierung der gesamten mythischen Tradition dar, da es
sich wie ein Lexikon mit verschiedenen Stichworten liest. Der geschichtliche Rahmen
spannt sich vom Ende der Theogonie bis zur Vorgeschichte des Trojanischen Krieges.
Leider sind die Ehoien, die vermutlich im ausgehenden 6. Jh. v.Chr. entstanden sind,
nicht vollständig erhalten und werden auch in die modernen Textausgaben nicht oft
aufgenommen. Wenn man bedenkt, dass die gesamte Theogonie als eine Art
„Götterhandbuch“ oder „Lexikon“ dasteht, ist es nicht verwunderlich, wenn man
nachträglich Verse hinzufügt um das Thema zu komplettieren. Man muss auch
erwähnen, dass es gewisse Stellen gibt, die an Hesiod erinnern, beziehungsweise in
seinem Interesse liegen.
Ein Teil der Frauenkataloge wird auch als „Gedicht vom Schild“, auf gr. Ἀσπίσ,
bezeichnet, denn die Erzählung vom Schild des Herakles kann, mit seinen 480 Versen,
durchaus als eigenes Buch gelten. Diese Erzählung ist insofern interessant, als hier ein
Schild beschrieben wird, der stark an den Schild des Achilles95 in der Ilias erinnert.
Dies ist vermutlich auch beabsichtigt. Ein weiteres Beispiel für solche Heroen-Waffen
findet sich in Vergils Äneis, denn auch die römische Mythen Tradition – die sich ja
immer gerne an der griechischen orientierte – braucht einen Superheldenschild. Die
Erzählung lautet nun so, dass sich Herakles mit Kyknos, Sohn des Ares, ein Duell
liefert, weil Kyknos Reisende zum delphischen Apollontempel ausraubt. Diese
Erzählung ist eingebunden in die Ehoie von Alkmene, welche sich mit Zeus und
Amphitryon verbindet. Aus dieser Verbindung entstehen Iphikles und Herakles. Die
Erzählung – vorausgesetzt man behält die Technik der Personifizierung im Kopf –
liest sich wie ein Aufruf zum „Krieg dem Kriege“96. Mit düsteren Bildern malt der
Verfasser (vermutlich nicht Hesiod) die Schrecken des Krieges anhand einer
Beschreibung der Waffen. Wie wir wissen, oder auch in den Erga erfahren werden, ist
Hesiod kein Freund des Krieges, somit liegt diese Darstellung in seinem Interesse,
allerdings gibt es zahlreiche Merkmale, an denen zu erkennen ist, dass die Erzählung
nicht von Hesiod stammt. H. Fränkel meint, dass zum Beispiel das spekulative
Element fehlt, „mit keinem Wort werden die Beziehungen angedeutet in denen Kampf
und Krieg zu anderen Dingen des Lebens stehn“97. Allerdings wird in der
Schilderzählung auch berichtet wann der Kampf stattfindet: im Sommer, „wenn um
die Hirsenähre die Hacheln wachsen, und die Trauben sich dunkel färben, die
Dionysos den Menschen geschenkt hat zur Freude und zum Leid“98 Diese
94
Zuerst ist die Rede von Verbindungen zwischen Göttinnen und sterblichen Männern, dann von Göttern mit
sterblichen Frauen.
95
Hom. Il. XVIII,468ff;
96
Fränkel S.121;
97
Fränkel S.124;
98
Schild 393-401, entnommen aus Fränkel S.124;
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Beschreibung erinnert weniger an die Theogonie, als vielmehr an die „Werke und
Tage“, die im folgenden Kapitel behandelt werden.
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2.4.2 Ἔργα καί ἡµέραι:
Die Werke und Tage sind Hesiods zweites Werk, das sich eine andere Aufgabe und
einem ganz anderen Themenbereich stellt als die Theogonie. Hier ist der Blickpunkt
nicht auf die Götter, sondern auf die Menschen gerichtet. Das Werk soll die Menschen
zu Moral und Tugend anleiten, wie es sich Hesiod vorstellt. Leider erläutert Hesiod
seine Moralvorstellungen nicht, denn er scheint auf einen Konsens mit dem Publikum
zu hoffen. Der Inhalt ist kein transzendenter Stoff, wie in den Heldenepen des Homer
oder in der Theogonie, sondern etwas, das jeden der einfachen Menschen bewegt. Es
zeigt sich eine starke Kritik an den Gesellschaftsformen zur Zeit Hesiods. Nun
schreibt er, durch einen realen Umstand, nämlich einen Erbstreit mit seinem Bruder
Perses, geleitet, was er, Hesiod, für richtig erachtet und wer denn Schuld an den Übeln
hat, welche die Menschen und die Gesellschaft allgemein befallen. Die Werke und
Tage bieten einen tiefen Einblick in die Lebensweise der einfachen Leute. Hier ist die
Rede davon, wie sich ein Bauer zu welcher Zeit wie verhalten soll, welche Geräte er
benötigt, wie er in einer dörflichen Gemeinschaft leben soll. Das Werk ist dem Perses
gewidmet, aber es soll die Hörer, die wohl vor allem Kleinbauern waren, mahnen das
Richtige zu tun.
Die Einteilung der verschiedenen Abschnitte, dieses 827 Verse umfassenden Buches,
habe ich wieder aus der Einführung der Tusculum Ausgabe übernommen, da sie mir
sinnvoll erscheint. Man kann auch hier, wie bei der Theogonie, verschiedene
Einteilungen vornehmen, zum Beispiel das Werk in einen eher Theoretischen Teil99
und in einen praktischen Teil100 gliedern.
Das Werk bekam den Namen „Werke und Tage“, weil ein Teil einen Bauernkalender
umfasst, der zeigt wann man welche Arbeit verrichten soll und einen Anhang von
guten und schlechten Tagen hat. Mir erscheint der Titel falsch gewählt, da der erste
Teil des Werkes eigentlich erörtert was Recht, das heißt Gottes Wille, ist und warum
die Menschen heutzutage so hart schuften müssen um ihren Lebensunterhalt bestreiten
zu können. Somit wäre der Titel „Recht und Arbeit“ vielleicht vorteilhafter. Das
Publikum wird im ersten Teil auf fleißige Arbeit eingeschworen und bekommt im
zweiten Teil eine Sammlung der Regeln für bäuerliche Arbeit.
Das Proömion (V.1–26) ist anders gestaltet als bei der Theogonie und verdeutlicht die
extreme Andersartigkeit des folgenden Themas. Hier erscheinen nicht die Musen und
befehlen Hesiod, ihnen ein Buch zu schreiben, nein, Hesiod selbst ruft sie an und
ernennt sich zum Künder der Wahrheit101. Bei diesem Akt unterstellt er sich Zeus102,
der, wie er in der Theogonie schon darlegte, der Gott des Rechtes ist. Er, Hesiod, will
nun vorrangig Perses lehren recht zu handeln103. Wir erfahren nun, dass er und Perses
im Streit liegen. Nun tritt etwas bemerkenswertes ein, dass uns ermöglicht eine
Reihenfolge in Hesiods Werke zu bringen, er korrigiert sich. Hesiod schreibt, es gäbe
in Wirklichkeit zwei Arten von Streit (Eris)104, und nicht nur eine Eris, wie in der
Theogonie dargelegt. Die eine Eris ist die verabscheuungswürdige, welche die
Menschen zu blutrünstigen Gemetzel antreibt, die andere Eris aber ist die Göttin des
Wettstreites, welche die Menschen positiv beflügelt um noch bessere Leistungen zu
vollbringen. Ob es jetzt ein Sportler, der einen Wettbewerb gewinnen will, oder ein
Töpfer, der um die Schönheit seiner Waren mit seinen Kollegen wetteifert, ist.
99
Hes. Erg. 1-381;
Hes. Erg. 382-827;
101
Hes. Erg. 9;
102
Hes. Erg. 7-9;
103
Hes. Erg. 9;
104
Hes. Erg. 11-12;
100
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Der erste Abschnitt (Abschnitt A; V.27–41) erläutert, dass Perses nach dem Gut
anderer strebt und Richter bestochen hat. Hierbei handelt es sich um den Erbstreit
zwischen den beiden Brüdern. Offensichtlich wollte Perses mehr von dem Erbe des
Vaters als ihm zusteht. Er bestach die adeligen Richter und erhielt so einen Teil
Hesiods Erbe. Nun widmet Hesiod dieses Werk dem Perses um ihm zu erläutern, dass
er trotz dieser falschen Freunde arbeiten muss, denn sonst wird er irgendwann in
dringender Not alleine gelassen. Diesen sozialkritischen Ton behält Hesiod bei, der
sehr erbost über diese schlechte Moral seines Bruders und der Oberschicht ist.
In Abschnitt B (V.42–200) werden nun zwei Mythen erzählt, die erklären sollen
warum die Menschen so hart arbeiten sollen. Die erste Erzählung handelt von
Prometheus. Den Namen kann man etymologisch als Personifizierung der Voraussicht
deuten. Sie wurde schon in der Theogonie behandelt105 und wird hier ausführlicher
erzählt. Die Geschichte lautet so: Prometheus betrog Zeus um sein Opfer indem er die
ungenießbaren Teile des geschlachteten Tieres (Fett, Knochen) unter das Fell auf
einen Haufen legte, damit es als der bessere Teil aussah, die genießbaren Teile aber
auf einen zweiten Haufen. Zeus nahm – natürlich in vollem Bewusstsein den
schlechteren, betrügenden Haufen zu nehmen – den Haufen, der mit dem Fell
zugedeckt ist und wurde zornig. Als Bestrafung nahm er den Menschen das Feuer
weg, das als Symbol des Fortschrittes zu deuten ist. Prometheus aber stahl das Feuer
und brachte es den Menschen zurück. Dieser Diebstahl bleibt selbstverständlich nicht
ungesühnt und Zeus bestimmte zwei Strafen. Zum einen müssen die Menschen von
nun an selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, zum anderen wird ihnen ein Geschenk
gemacht, wie es tückischer nicht sein kann: Pandora, die Urfrau, und ihre Büchse.
Diese Textstelle erläutert uns warum in der Antike den Göttern die ungenießbaren
Teile des Opferviehs gegeben werden, denn die genießbaren Teile wurden an die
Bevölkerung ausgeteilt. Auf die Erklärung, warum die Menschen arbeiten müssen,
folgt die Erzählung von Pandora, warum die Menschen von so vielen Übeln geplagt
werden. Pandora (griech. πᾶν = alles; δόρα = Gabe)106 nämlich wird von allen Göttern
mit wundervollen Gaben ausgestattet. Jeder Gott gibt ihr etwas107, damit sie so
verführerisch wie nur möglich ist. Sie wird mit einem Vorratsgefäß des Zeus – in dem
er die Übel verschlossen hält, die er, wenn er einen Menschen bestrafen will,
entnimmt und gezielt einsetzt – zu Prometheus’ Bruder Epimetheus108 gesandt.
Prometheus – wie sein Name schon sagt, lässt er Voraussicht walten – sagt seinem
Bruder er solle das Geschenk auf keinen Fall annehmen. Epimetheus hört aber nicht
auf ihn. Pandora nun, die mit Sicherheit den Hinweis mitgegeben bekam das Gefäß
keinesfalls zu öffnen, lebt nun im Hause des Epimetheus. Wie Frauen nun sind –
jedenfalls nach Meinung des Hesiod, meiner Meinung nach trifft es auf alle Menschen
in gleicher Weise zu – öffnet sie das Gefäß, trotz ausdrücklicher Warnung, aus
Neugier. Nun entfliehen alle Übel (z.B.: die Krankheiten, welche die Menschen
befallen). Ab nun streifen sie auf der Erde umher und befallen die Menschen wie es
ihnen gerade passt, also aus freien Stücken. Nur die Hoffnung bleibt in dem Fass
zurück. Diese Stelle muss man aber, wenn man sie verstehen will, auf verschiedene
Arten gleichzeitig beleuchten. Die Übel sind nun befreit. Früher bediente sich Zeus
ihrer um zu strafen, nun tun sie es aus freien Stücken. Schwieriger zu deuten ist hier
die Hoffnung, die in dem Gefäß zurückbleibt. Soll das nun heißen, dass sie nicht
verfügbar ist und die Menschen in einer hoffnungslosen Welt leben müssen? Nein, im
Gegenteil, denn es ist ein Vorratsgefäß und die Menschen können sich bedienen, wann
105
Hes. Theog. 507-616; Abschnitt E’;
Der Name gehörte vermutlich vorher schon einer alten Erdgöttin, siehe Quelle 1 S.124;
107
Hes. Erg. 82-83;
108
vgl. Prometheus als „Voraussicht“, Epimetheus als „Nachsicht“;
106
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immer sie die Hoffnung brauchen109, die Übel aber haben sie nicht unter Kontrolle.
Das die Pandora als Urfrau, wie Eva in der christlichen-jüdischen Religion, das
Verderben über die Menschen bringt, weist auf einen haarsträubenden Sexismus hin,
wie er zu dieser Zeit verbreitet war. Schon in der Theogonie zeigte sich das Bild der
Frau, als Grund aller Übel, nicht gerade positiv. Hesiod gibt in einem späteren Teil
nochmals Gelegenheit den Sexismus dieser Zeit zu fassen.110
Der zweite Mythos erzählt die Sage von den fünf Weltaltern oder
Menschengeschlechtern.111 Das erste Geschlecht der Menschen ist das goldene112, zu
Zeiten des Kronos. Hier stammen die Menschen noch von den Göttern ab. Sie kennen
kein Alter. Wenn sie sterben, schlafen sie ein, sie brauchen sich auch um keinen
Lebensunterhalt zu bemühen, denn sie bekommen ihn von den Göttern wie sie es
wollen.
Danach wird das silberne von Zeus geschaffen113, nachdem die Menschen des
goldenen Geschlechts zu Geistern wurde. Dieses Geschlecht ist weit geringer. Die
Menschen brauchen hundert Jahre bis sie erwachsen sind114 und selbst im
Erwachsenenalter waren sie noch dümmlich wie Kinder115.
Und weil sie es nicht verstanden den
Göttern zu opfern, brachte sie Zeus unter
die Erde und führte das nächste
Geschlecht ein, das erzene116. Nach der
Schilderung des Hesiod, waren es wilde,
grausige Gesellen. Sie bebauten keine
Felder, kannten kein Eisen.117 Sie führten
Kriege untereinander, weil sie nichts
anderes verstanden. Und so rotteten sie
sich aus. Hier macht sich eine Erinnerung
an eine Zeit bemerkbar die wir als
Abbildung
III:
Die
Plejaden;
Bronzezeit bezeichnen würden, wo es
www astronomie de;
noch kein Eisen gab. Das nächste
Geschlecht zollt Beachtung den Epen Homers, denn es war das Heroengeschlecht118.
Dieses Weltalter ist besser als das vorige und scheint wie eine dumpfe Erinnerung an
die Blütezeit der Mykenischen Palastkultur.119 Hier werden die Mythen genannt, die
Hesiod von Homer her kannte: der trojanische Krieg120. Aber auch der Kampf um
Theben wird erwähnt.121
Und obwohl dieses Geschlecht besser ist als das vorige muss es untergehen und einem
geringeren Platz machen, dem Eisernen122, in welchen sich Hesiod gerade befindet
und sich wünschte er wäre früher gestorben oder später geboren123. Denn dieses
Geschlecht ist das schlechteste, und wird untergehen, wenn der Bruder wider den
109
Hesiod Tusculum S.199; vgl. Fränkel S.130f., der das Gegenteil meint, dass die Hoffnung im Vorratsgefäß
eingesperrt ist. Ich stimme der Einführung der Tusculum Ausgabe zu, schon allein deswegen, weil es ein
Vorratsgefäß ist, aus dem man sich ja bedienen kann.
110
siehe auch Kapitel 2.2.1;
111
Hes. Theog. 106-200;
112
Hes. Erg. 109-125;
113
Hes. Erg. 126-141;
114
Hes. Erg. 129;
115
Hes. Erg.130;
116
Hes. Erg. 142-146;
117
Hes. Erg. 148-149;
118
Hes. Erg. 147-174;
119
Hes. Tusculum S.200;
120
Hes. Erg. 164-165;
121
Hes. Erg. 161-164;
122
Hes. Erg. 175-200;
123
Hes. Erg. 173-174;
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Bruder handelt124 – man erinnere sich an den Streit zwischen Hesiod und Perses –, der
greise Alte nicht mehr geehrt wird und Lügen mehr als die Wahrheit gelten. Auch sind
in diesem Geschlecht nicht einmal Vater und Sohn ähnlich125, was wohl eine
Anspielung auf Untreue sein soll. Ob sich dahinter eine schlechte Erfahrung mit einer
Frau bemerkbar macht – wie sie wohl jeder im Leben einmal macht – oder Hesiods
Sexismus zu Tage tritt, wage ich nicht zu entscheiden. Diese Erzählung scheint wie
ein ewiger Abstieg, es wird alles nur viel schlimmer, aber man hört eine Mahnung
heraus: „Leute arbeitet, damit es besser wird und ertragt das Unheil!“ Sie soll nicht zu
Verzweiflung anregen, sondern zum einen mahnen, sich am Zügel zu reißen und
besser zu handeln als jetzt, denn nur so kann auch die Zeit und Lebensqualität besser
werden und zum anderen die gegenwärtige Zeit zu ertragen, so schlimm sie auch sein
mag. Eine ähnliche Darstellung bietet Ovid im ersten Buch seiner Metamorphosen, die
fast abgeschrieben scheint.126 Auch im Orient war dieses Schema verbreitet.127 Im
alttestamentarischen Buch Daniel (Kap. 2,37–45) deutet der Prophet Daniel einen
Traum des Königs Nebukadnezar und sagt diesem, dass nach seiner goldenen
Dynastie eine silberne folgt. So geht es weiter, aber nach der eisernen, Eisen wird dort
hoch geschätzt, wurde noch ein Zeitalter angefügt, das durch den weichlichen Ton
symbolisiert ist. Außerdem werden hier keine Menschengeschlechter, wie bei Hesiod,
dargestellt, sondern politischen Vorgänge und die Zeiten sind in die Zukunft projiziert.
Der folgende Abschnitt C (V.201–381) ist der Mittelteil des Werkes. Nun beginnen
Mahnungen an die Herren, die so ungerecht gehandelt haben. Sie werden eingeleitet
durch eine Fabel128, in der ein Habicht eine Nachtigal fängt und sie mahnt nicht zu
schreien, denn der Stärkere siegt sowieso über den schwächeren. Diese Fabel, die als
die älteste der europäischen Literatur (noch vor Archilochos und Äsop) anzusehen ist,
soll nicht so verstanden werden, dass das Recht beim stärkeren liegt, sondern, dass
man sich nicht mit Gewalt dagegen wehren soll.129 Hesiod warnt vor der Gewalt, er
hält sie nicht für eine Lösungsmöglichkeit. Die folgenden Verse ermahnen nämlich
die adeligen Grundherren nach dem Recht zu handeln und sich nicht auf betrügerische
Art und Weise fremdes Eigentum anzueignen.130 Falls sie es aber doch tun sollten
werden sie von Gott (Zeus131) gestraft, denn das Recht (Dike) wohnt nur bei ihm und
sie befehligt 30 000 Wächter auf Erden, die ihr alle Verstöße mitteilen132. Auch zeigt
sich hier die mystische, religiöse Denkweise der Bevölkerung dadurch, dass ein
Unrecht die gesamte Gemeinschaft befallen kann und so zum Beispiel Äcker oder
Herden unfruchtbar werden. Diese Angst, dass ein erlittenes Unrecht auf die ganze
Gemeinde fällt, war auch in alttestamentarischen Zeiten verbreitet. Eine Erzählung im
alten Testament berichtet von Isaak und seiner Frau Rebekka, die auf eine Reise
gehen.133 Isaak fürchtet um sein Leben und gibt Rebekka als seine Schwester aus.
Wenn nämlich jemand Rebekka begehren würde, müsste er vorher den legitimen
Ehemann aus dem Weg räumen, bevor er Rebekka vergewaltigen oder zur Ehe
zwingen könnte. Ist Rebekka aber nur die Schwester des Isaak, könnte derjenige
Rebekka einfach nehmen und bräuchte Isaak nicht umzubringen, weil sie ja nicht die
Ehefrau ist. Als der Schwindel aufflog, wurden Rebekka und Isaak vom Dorfrichter
bestraft, weil sie fahrlässig gehandelt haben, da es für Gott keinen Unterschied eines
124
Hes. Erg. 183;
Hes. Erg. 181;
126
Ov. Met. 89-152;
127
Hes. Tusculum S.200;
128
Hes. Erg. 201-211;
129
Hes. Tusculum S.201;
130
Hes. Erg. 212-284;
131
Hes. Erg. 244;
132
Hes. Erg. 251;
133
Das alte Israel S.26f.;
125
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Vorsätzlichen oder Unvorsätzlichen Ehebruchs macht und er die gesamte
Gemeinschaft bestrafen würde und nicht nur den Vergewaltiger und Mörder.
Außerdem war in dieser Gesellschaft sowieso Ehebruch das schlimmste Verbrechen.
Dieser kleine Ausflug ins alte Testament zeigt, dass der Glaube an eine Rache Gottes
an einer Gruppe, in deren Mitte sich der Täter befindet, weit verbreitet war und
offensichtlich auch in Boiotien selbstverständlich war. Leider wissen wir über Hesiods
Rechtsvorstellungen nichts, denn er spricht von allgemein gültigen Grundsätzen und
baut auf einen Konsens mit dem Publikum.
Am Schluss der Mahnungen über das Recht wechselt Hesiod zu
Mahnungen die Arbeit in Ehren zu halten.134 Perses scheint von
der Arbeit gar nichts zu halten. Diese Auffassung, dass Arbeit
Sache der Sklaven sei, war in der Antike weit verbreitet. Hesiod
weist aber auf zukünftige Vorgänge hin und hält nun eine Rede
für die Arbeit. Der Spruch: „vor den Erfolg haben die Götter den
Schweiß gesetzt“135 ist sprichwörtlich geworden, denn nur durch
Arbeit kann man ein redlicher Mann bleiben. Auch hier findet
sich, wie schon in den vorigen Mahnungen, eine Abkehr von der
Gewalt. Weiters gibt Hesiod gute Ratschläge für die Einteilung
der Vorratskammer, denn „Sättige dich am beginnenden Krug
und auch an der Neige, mittendrin spare; denn jämmerlich
ist es den Bodensatz zu sparen.“136 Auch ein guter Ratschlag Abbildung IV:
und
schien Hesiod zu sein, wenn man nur einen Sohn hätte, denn dann Stößel
Mörser; Tandy
bräuchte man sein Gut nicht auf mehrere Erben aufteilen und man S.99;
könnte sicherstellen, dass der Acker auch weiterhin die Besitzer
ernährt.
Abschnitt B’ (V.382–616) umfasst nun den Bauernkalender, der erläutern soll wie
man durch seine eigene Arbeit zu einem gewissen Wohlstand kommt. In diesem Teil
kann man lesen, was einem Bauern dieser Zeit Sorgen machte, womit er zu kämpfen
hatte, was seinen Berufsstand ausmachte. Das sind unschätzbare Zeitzeugnisse für alle
Althistoriker und Altertumswissenschaftler. Hesiod beschreibt das Bauernjahr anhand
der Plejaden. Damalige Bauern orientierten sich an Sternenkonstellationen, wie den
Plejaden, damit sie zur rechten Zeit die rechte Arbeit taten. Die Monatseinteilung war
sicherlich schon bekannt137, aber die Sterne blieben dennoch die Orientierung für die
Arbeit.
Bei der Einteilung des Jahres beginnt Hesiod nicht mit Jahresanfang, sondern mit der
ersten Arbeit: dem mähen und Pflügen. Wenn die Plejaden aufsteigen, soll der Bauer
mit dem Mähen beginnen, wenn sie aber wieder untergehen, soll er pflügen. 138
Danach halten sie sich vierzig Tage und Nächte im Verborgenen bevor sie wieder
aufgehen.139 Interessant ist auch das Gesetz, das er aufstellt. Hesiod gebietet den
Zuhörern, dass sie nackt mähen, pflügen und säen sollen.140 Dies ist keineswegs
bildlich zu verstehen, er meint lediglich, dass es warm genug dafür sein soll.141 Nach
einer weiteren Mahnung an Perses, gibt Hesiod Ratschläge, was ein Bauer braucht um
einen Hof zu begründen: Man braucht ein Haus, einen Ochsen, Ackergerät und eine
Frau, aber keine Ehefrau, denn die kommt erst, wenn der Hof schon den nötigen
134
Hes. Erg 285ff;
vgl. Hes. Erg. 288;
136
Hes. Erg. 367/368;
137
Hes. Tusculum S.203f;
138
Hes. Erg. 382-383;
139
Hes. Erg. 384-386;
140
Hes. Erg. 390f;
141
W. Marg S.357;
135
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Unterhalt erwirtschaftet.142 Hesiod meint eine Magd, die mit dem Ochsen umgehen
kann.143 Durch weitere Mahnungen an Perses leitet Hesiod zu den nächsten
bäuerlichen Arbeiten über. Wenn der Sirius nur kurz am Tag erscheint und viel länger
in der Nacht ist, dann soll jeder Bauer sich die richtigen Hölzer aus dem Wald holen
um sein Ackergerät zu bauen.144 In dieser Zeit ist das Holz nämlich nicht von
Würmern zerfressen. Hesiod weiß genau bescheid wie man einen Pflug und einen
Wagen baut, er gibt sogar die richtigen Maße an. Der Mörser für das Zerstoßen der
Körner soll 3 Fuß lang sein145, die Keule soll 3 Ellen lang sein146, die man braucht um
feste Erdschollen zu zerkleinern. Die Achse eines zweirädrigen Wagens soll 7 Fuß
lang sein147, für ein Rad braucht man vier Krummhölzer als Felgenteile. Hat das Rad
einen Durchmesser von 10 Händen so ist der Umfang circa das dreifache, also 30
Hände. Misst aber das Felgenstück 3 Spannen, das sind 9 Hände, so wäre der
Gesamtumfang 36 Hände.148 Mit Sicherheit wurden die Felgenstücke ineinander
gesteckt um sie zu befestigen, so erklärt sich der mathematische Fehler in der
Berechnung.149 Der Hinweis, dass man viele Krummhölzer braucht, leitet zur
Erklärung des Pfluges über. Ein Pflug
besteht aus dem Krummstock, der
zwischen Sohle und Deichsel liegt,
Handgriff, Sohle und Deichsel.150 Das
Krummholz muss besonders fest sein151,
da es den meisten Druck aushalten muss.
Hesiod rät zwei Pflüge anzuschaffen,
einen einfachen bei dem die Sohle, die
sich in die Erde gräbt, aus einem
passenden Stück Holz ist, und einen
verstärkten bei dem die Sohle aus Eisen
ist.152 Hierbei braucht der Bauer einen
Schmied. Man braucht zwei Pflüge, denn
wenn die Ochsen streiten und den Pflug
beschädigen, hat man eine Reserve und
kann zügig weiter arbeiten.153 Für den Abbildung V: Das Rad; Tandy S.101;
Pflug braucht der Bauer zwei neunjährige
Rinder, denn sie sind die besten.154 Auch braucht man einen Mann zum Aussäen, der
40 Jahre alt sein soll und nicht jünger, weil jüngere nach ihren Altersgenossen gaffen
und die Gedanken nicht bei der Arbeit haben.155
Das Säen ist nur kurz erwähnt, wenn Hesiod davor warnt die Aussaat den Vögeln
zugänglich zu hinterlassen.156 Ein Knabe soll die Samen mit Erde zudecken damit die
Vögel Mühe haben sie zu fressen. Säen und Pflügen scheinen Hand in Hand zu gehen
142
Hes. Erg. 404ff;
Hes. Erg. 405;
144
Hes. Erg. 416f;
145
Hes. Erg. 422;
146
Hes. Erg. 422;
147
Hes. Erg. 423;
148
W. Marg S.358;
149
W. Marg S.358;
150
W. Marg. S.358;
151
Hesiod rät zu Steineichenholz für das Krummholz, Hes. Erg. 428 u. 435, für die Deichsel ist Lorbeer oder Ulme
besonders gut geeignet, weil sie nicht so schnell wurmig werden, Hes. Erg. 434, der Scharrbaum soll aus Eiche
sein, Hes. Erg. 435;
152
Hes. Erg. 430ff;
153
Hes. Erg. 433;
154
Hes. Erg. 435-437;
155
Hes. Erg. 440ff;
156
Hes. Erg. 478ff;
143
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und Hesiod vertraut auf das Wissen seiner Zuhörer157, er weist nur darauf hin, dass der
Winter vor der Tür steht, wenn der Kranich zum schreien beginnt158. Nun sind wieder
Mahnungen zur fleißigen Arbeit angehängt. Auch soll man zu Demeter und Zeus
beten159, damit der Bauer Gottes Segen bekommt. Aber Hesiod weiß auch für Leute
Rat, die erst spät säen. Zur Sonnenwende regnet es häufig und durch diesen Regen
kann ein spät säender Bauer einen früh säenden einholen.160
Meiner Meinung nach eine der eindrucksvollsten Beschreibungen gilt dem Winter.161
Das „große Winterbild“ wird eingeleitet durch Mahnungen auch hier nicht müßig zu
sein und verschiedene Arbeiten zu verrichten. Im Haus kann Gerät ausgebessert
werden und die Winterkleidung muss angefertigt werden.162 Einzig die Tochter darf
sich allein ihrer Körperpflege widmen, da sie ja für eine Hochzeit hübsch sein soll.163
Wenn nun der Winter, mit seiner unerbitterlichen Kälte, hereinbricht können sich die
Männer in die Wärmstube zum Trinken und Spielen zurückziehen, aber auch beim
Schmied ist es warm. Davon rät Hesiod aber ab, da es ja genug zu tun gibt. Im Monat
Lenaion, nach der Sonnenwende, ist die Schlimmste Zeit des Winters. Der Nordwind
(Boreas) weht durch das Fell der meisten Tiere und auch die Menschen müssen unter
ihm leiden, denn sogar der „dreifüßige“164 – damit ist der Greis gemeint, der schon am
Stock geht – lernt wieder laufen, wenn er sich an der frischen Luft aufhält. Diese
Beschreibung des unbarmherzigen Winters nützt Hesiod um das Thema der
Bekleidung anzusprechen. Ein armer Bauer lässt sich selbstverständlich keinen
Schneider kommen, er muss sich seine Kleider selbst anfertigen. Zu einem passenden
Winterensemble gehören ein Leibrock, Mantel, Filzhut, und filzgefütterte Sandalen.165
Wenn der Winter besonders kalt wird, soll man sich ein Lammfell überwerfen.166 Das
Winterbild wird durch Vorschläge für Rationierungen abgeschlossen. Die Nahrung
soll rationiert werden, damit sie bis zur nächsten Ernte reicht.167 Da der Mensch und
das Tier keine Arbeiten verrichten müssen, brauchen sie auch weniger Nahrung.168
Weil der Frühling übergangen wird169, folgt nun die Beschreibung des Sommers.
Noch bevor die Schwalbe erscheint, sollen aber die Weinreben beschnitten werden.170
Dass ein Bauer neben Getreide auch Wein anbaut, erfahren wir hier zum erstenmal.
Nach der Beschneidung folgt auch schon die Ernte. Dass nun schon wärmere Zeiten
angebrochen sind erfahren wir durch den Verweis, dass man sich nicht in schattigen
Plätzen ausruhen, statt dessen die Früchte heimbringen soll.171 Damit ist wohl die
Ernte beim Aufgang der Plejaden im Frühsommer gemeint, die schon am Anfang
angedeutet war. Nach dem Schnitt des Getreides, „wenn die Distel erblüht und die
stimmhelle Zikade“172 zirpt, darf man sich ein bisschen ausruhen, denn die Ziegen
sind endlich so richtig fett und der Wein so gut wie niemals sonst.173 Für einen kleinen
Schmaus, als Unterbrechung der harten Arbeit, darf man auch das Fleisch von Kühen
verwenden, die noch nicht trächtig waren.174 Auch ein deftiges erotisches Kommentar
157
W. Marg S.359;
Hes. Erg. 447f;
159
Hes. Erg. 464f;
160
Hes. Erg. 485-489;
161
Hes. Erg. 493-563;
162
Hes. Erg. 536-546;
163
Hes. Erg. 518ff;
164
Hes. Erg. 531f u. 516f;
165
Hes. Erg. 536-546;
166
Hes. Erg. 541f;
167
Hes. Erg. 556-562;
168
Hes. Erg. 558f;
169
Frühling: Hes. Erg. 567-568;
170
Hes. Erg. 559-572;
171
Hes. Erg. 573-576;
172
Hes. Erg. 581;
173
Hes. Erg. 584;
174
Hes. Erg. 590;
158
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darf nicht fehlen, dem er den Grund für diese Pause gegenüberstellt, nämlich die
Müdigkeit des hart arbeitenden Mannes.175 In dieser Zeit, wenn der Sirius in der Früh
aufgeht, ist die Zeit der größten Hitze.176 Wenn der Orion177 aber am Himmel steht ist
die Zeit des Drusches gekommen. Nun soll der Bauer die Knechte antreiben, damit die
Vorratsgefäße schnell voll werden. Am Schluss dieses Abschnittes B’, wird geraten
sich auch einen Wachhund anzuschaffen, der das Haus vor Dieben beschützen soll.178
An seinem Futter soll aber nicht gespart werden, vermutlich damit ihn kein Dieb mit
ein bisschen Fleisch bestechen kann. Da jetzt die Ernte vorbei ist, gibt es jetzt auch
günstigere Arbeitskräfte.179 Wenn man bis jetzt Mägde und Knechte mit Familie hatte,
so soll man sie jetzt durch billigere, das heißt welche ohne Familie, austauschen.180
Die letzte Erntearbeit ist die Weinlese.181 Der Brauch, die Trauben fünf Tage in der
Sonne liegen zu lassen, um sie dann weitere fünf Tage in den Schatten zu legen und
dann erst in Fässer abzugießen, war vermutlich nicht üblich182. Die letzte Versgruppe
dieses Abschnitts183 erinnert an das Pflügen und die Aussaat184, wenn die Plejaden in
der Früh aufgehen. Hesiod fügt aber Hyaden und Orion hinzu, da sie etwa zur
gleichen Zeit aufgehen, und schließt so
den Kreis des Jahres.
Der letzte Teil, Abschnitt A’ (V. 617 –
693), bezieht sich vor allem auf die
Seefahrt185. Hesiod macht deutlich, dass er
kein Freund dieses Berufs ist, aber er ist es
seinem Publikum (d.h. Perses) schuldig
darüber zu berichten, schon deshalb, weil
der Seehandel damals weit verbreitet war.
Zerknirscht stellt er die harte aber sichere
Arbeit des Bauern, der risikoreichen
Erwerbstätigkeit Handel gegenüber. Er
weist verstärkt auf die Gefahren der Abbildung VI: Die zwei Arten des Pfluges;
Schiffsfahrt hin und mahnt den richtigen Tandy S.103;
Zeitpunkt abzuwarten.186 Dieser Zeitpunkt
ist aber nicht dann, wenn man Erfolgsaussichten hat, sondern wenn die Gefahr am
geringsten ist. Das ist auch der Grund warum Hesiod, bei der Beschreibung der
Seefahrt, mit dem Ende beginnt, dem Untergang der Plejaden187. Nach diesem Termin
ist das Meer zu gefährlich. Auch nennt er nur das Abtakeln des Schiffes, nicht das
Aufrüsten.188 Als mahnendes Beispiel nennt er den Vater189, dessen Namen er nicht
erwähnt. Er floh vor der Armut aus dem äolischen Kyme ins karge Askra, wo er sich
offensichtlich eine durchaus plausible Existenz aufbauen konnte. Wieder sei Perses,
175
Hes. Erg. 585-587;
Hes. Erg. 586, Der Sirius hat Ende Juli seinen Frühaufgang, W. Marg 362;
177
Hes. Erg. 598, Der Frühaufgang des Orion, Anfang Juli (W. Marg 362), ist vor dem Frühaufgang des Sirius.
Trotzdem wird er später erwähnt.
178
Hes. Erg. 603f;
179
Hes. Erg. 602, W. Marg S. 363
180
Hes. Erg. 601f;
181
Hes. Erg. 608ff, Hesiod gibt genau an wann es geschehen soll: Sirius und Orion stehen in der Mitte des Himmels
steht und der Arkturos seinen Frühaufgang hat, welcher sich Mitte September befindet, W. Marg S.363;
182
W. Marg. S.363;
183
Hes. Erg. 614-617;
184
vgl. Hes. Erg. 383ff;
185
Hes. Erg. 618-694;
186
Hes. Erg. 629;
187
Hes. Erg. 628f;
188
Hes. Erg. 623ff;
189
Hes. Erg. 632ff;
176
27
Proseminar für
Alte Geschichte
Vita et Opus:
Werke:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
oder jeder zuhörende Bauer, der das Gedicht hört, ermahnt vorsichtig zu sein, denn
sein Vater selbst hat kein Glück mit der Seefahrt gehabt. Hesiod gibt zu sich mit der
Seefahrt nicht auszukennen190 – vermutlich stammte sein Wissen vom Vater oder er
fragte seine Bauernkollegen –, denn er habe nur eine Fahrt zu Schiff gemacht, als er
zur Feier des Königs Amphidamas191 fuhr. Dort hat er, wie schon erwähnt, auch einen
Dreifuß gewonnen, den er den Musen am Helikon geweiht hat.192 Diese Überfahrt
über den Eurippos ist allerdings lächerlich, da der Eurippos193 nur Flussbreite hat.
Entweder ist Hesiod seekrank geworden und empfand sie als ausgesprochen lang, oder
er will damit sein Misstrauen pointieren. Bei den Versen über das Bauernleben mahnte
Hesiod nicht träge zu sein und nicht zu lange zu warten194, hier gelten seine
Mahnungen aber dem unüberlegtem Mute195, der die Menschen ins Verderben führt.
So soll der angehende Seefahrer den neuen Wein nicht abwarten196 und schon gar
nicht den Winter, aber der Frühling bietet eine kurze Zeit verminderter Gefahr197.
Über den rechten Abfahrtstermin im Sommer sagt Hesiod auch nichts, mahnt nur zu
rechten Rückkehr.198 Abgeschlossen wird dieser
Abschnitt mit einem erschreckenden Bild in
dem drastisch der Tod in den Wellen vor Augen
geführt wird.199
Die Folgenden Verse, als Anhang I (V. 694 –
763) betitelt, geben Ratschläge zum sozialen
Verkehr. Die
Listenartige
Folge
und
schmuckloser Aneinanderreihung haben das
Misstrauen der Philologen auf sich gezogen. Sie
beginnen mit der Wahl der passenden Frau.200 Abbildung VII: Sternbild des
Der Mann soll dreißig Jahre alt sein und die Orion; www.astronomie.de;
Frau fünf Jahre nach Eintritt der Menstruation.201 Außerdem ist es wichtig, dass sie
eine Jungfrau ist – hier wird offensichtlich von Witwen und Geschiedenen Frauen
abgeraten –, damit man ihr rechte Sitten Lehren kann. Und man(n) muss auch immer
auf der Hut sein, denn es gibt nichts schlimmeres als eine untreue Frau.202 Von der
Treue des Mannes redet Hesiod nichts, er scheint darauf zu hoffen, dass sein Publikum
von alleine treu ist. Aber die Nachbarn sind erwähnt, denn eine untreue Frau ist die
Freude der Nachbarn203. Was die Verse 704f zu bedeuten haben ist unklar, aber W.
Marg meint, dass zuviel Sex gemeint ist, der den Mann altern lässt.204
Wahrscheinlicher ist, dass hier ein damals verbreiteter Volksglauben durchscheint.
Nach diesen Versen über den Umgang mit der Frau folgen Ratschläge über den
Umgang mit den Freunden.205 Der Bruder soll mehr geachtet werden als der Freund.
190
Hes. Erg. 658;
Hes. Erg. 653;
192
Hes. Erg. 657f, dass er ein besonderes Verhältnis zu den Musen am Helikon hat, wissen wir schon seit der
Einleitung zur Theogonie.
193
Hes. Erg. 650ff, Hesiod erwähnt hier auch, dass sich hier die griechischen Schiffe für die Überfahrt nach Troja
gesammelt hatten. Vermutlich ist das ein Hinweis darauf, dass er die Ilias gelesen oder gehört hat, vgl. Hes.
Theog. 26ff;
194
vgl. Hes. Erg. 393ff;
195
Hes. Erg. 629 u. 641;
196
Hes. Erg. 673ff;
197
Hes. Erg. 677f;
198
W. Marg. 366;
199
Hes. Erg. 683ff;
200
Hes. Erg. 694ff;
201
Hes. Erg. 695ff;
202
Hes. Erg. 701ff;
203
Hes. Erg. 700;
204
W. Marg 366f;
205
Hes. Erg. 707-714;
191
28
Proseminar für
Alte Geschichte
Vita et Opus:
Werke:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
Man soll auch nicht lügen oder sich über die Armut anderer lustig machen206, weil sie
eine Gabe der Götter ist. Interessant ist die Mahnung, dass man böse Taten doppelt
zurückbekommt207, was eine Grundregel vieler Religionen ist (neben der christlichen
Religion auch im Hexentum, in der man jede Tat dreifach zurückbekommt). In diesen
Zusammenhang gehören auch die nächsten Verse, die das Gastmahl208 behandeln.
Weder soll man die Nachbarn zu oft, noch zu selten zum Mahl einladen. Bei einem
Gastmahl der Gemeinde soll man sich besonders anständig verhalten, denn andernfalls
hat man eine üble Nachrede, die man nicht mehr los wird. Genauso wenig soll man
schlecht hinter dem Rücken anderer reden.
Der folgende Absatz an Versen gibt Rätsel auf. Ab Erga 723 redet Hesiod über die
Sauberkeit. Man soll nicht mit ungewaschenen Händen den Göttern opfern oder einen
Fluss durchqueren, ohne vorher zu beten209. Auch soll man nicht im Stehen gegen die
Sonne pinkeln oder am Wegrand.210 Eigenartig ist auch, dass Hesiod meint, die rechte
Art zu pissen sei gegen die Wand des eigenen Hofes.211 Eine mit Samen befleckte
Scham darf man auch nicht zu Hause zeigen oder gar mit einer solchen den Göttern
opfern.212 Für uns wirken diese Gebote selbstverständlich und auch zu dieser Zeit
müsste es klar gewesen sein, dass man nicht überallhin urinieren oder völlig verdreckt
zum Herd gehen darf. Warum rät Hesiod gegen die Außenwand des Hofes zu pinkeln,
aber nicht am Rand eines Weges, bei dem jedenfalls keine Straße einer Stadt gemeint
ist? Des weiteren ist es ein wenig unverständlich, warum Hesiod auch anführt, dass
man sich nicht mit einer „samenbefleckten“ Scham dem heimischen Herd nähern soll,
wo doch Erde vom Feld nach dem Pflügen viel wahrscheinlicher ist? Sind die Samen
gemeint, die aus dem männlichen Genitalbereich stammen? Könnte es sein, dass hier
nicht die männliche Scham, sondern die weibliche gemeint ist? All diese Fragen
müssen hier wohl unbeantwortet bleiben und jeder sei selbst aufgerufen sich sein
eigenes Bild zu machen. Inwieweit diese Verse auf einen gesellschaftlichen Verfall
und einen Verfall der Sitten hindeuten ist unklar, zumal sich die Hesiod-Philologie
nicht einmal sicher ist ob diese Verse überhaupt von Hesiod stammen oder ob hier ein
späterer Autor am Werk ist.213
Der letzte Teil, Anhang II (V. 764 – 824), betrifft die günstigen und ungünstigen
Tage. Wo, bei Anhang I, die Echtheit bezweifelt wurde, wird die Kritik hier stärker.
Wieder sind die Verse listenartig aneinandergehängt. Starker Aberglaube und
Warnungen vor der Strafe Gottes dominieren die Verse. Manche stehen sogar nicht in
Einklang mit dem restlichen Werk. Auch wird hier ohne ein Wimpernzucken
eingeführt, dass die Frau weben soll und wann sie es tun soll. Auch die Vogelschau
wird erwähnt, aber nicht erklärt auf welche Zeichen man achten soll. Der letzte Vers
bezieht sich noch einmal darauf, vielleicht wird dadurch ein Kapitel über die
Vogelschau eingeführt welches uns leider verloren ist214.
206
Perses erscheint ja das ganze Gedicht über als Snob, der sich zu gut für niedere Arbeiten ist, aber selbst immer am
Hungertuch nagt;
207
Hes. Erg. 710;
208
Hes. Erg. 715-725;
209
Hes. Erg. 736ff, mir scheint es als wäre hier ein Aberglaube angesprochen, der einem Hexenschuss oder Schnupfen
bringt, vgl. unter einer Leiter durchgehen, Spiegel zerbrechen oder schwarze Katze kreuzt von links.
210
Hes. Erg. 726ff;
211
Hes. Erg. 731;
212
Hes. Erg. 732ff, unklar bleibt auch welche Samen gemeint sind, menschliche oder pflanzliche?
213
W. Marg. 367f meint die Verse seien nicht von Hesiod und lässt sie in seiner Ausgabe weg, weist aber darauf hin,
dass sie nicht von Hesiod stammen. Fränkel verliert darüber kein Wort. In der Tusculum Einführung wird auf
das Pissen hingewiesen, aber kein Wort über die Echtheit verloren. Im DNP 5 Sp. 509 steht, dass die Verse sehr
wohl von Hesiod stammen, obwohl sie „kleinliche Tabus“ enthalten.
214
„Glücklich ist und gesegnet der Mann, der all diese Lehren
weiß und in Werken verwirklicht, und ganz ohne Schuld vor den Göttern
wenn er die Vögel erforscht und Übertretungen meidet.“ Hes. Erg. 825-828;
29
Proseminar für
Alte Geschichte
Vita et Opus:
Nachwirkungen:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
2.5 Nachwirkungen:
Die Wirkungen Hesiods Dichtung auf die Nachwelt ist wohl am deutlichsten anhand
Herodots Überlieferung215 zu ersehen, indem er Hesiod und Homer in einem Satz nennt.
Hesiod brachte vor allem zwei Neuerungen in die Dichtkunst ein.216 Zum einen legitimierte
er seine Stellung als Dichter durch die Berufung auf die Musen217, zum anderen haben seine
Werke starken Einfluss auf die Ausbildung des Lehrgedichts in der griechischen Welt,
wobei die Erga „als das Lehrgedicht schlechthin“218 gelten. Außerdem bahnten sie der
religös-philosophischen Dichtung den Weg219 und einzelnen Motive wurden von Tragikern
benützt220. Die Sehnsucht nach dem goldenen Zeitalter und das Verhältnis zwischen Göttern
und Menschen, fanden immer wieder ein offenes Ohr bei Dichtern,221 so zum Beispiel bei
Ovid, dessen Weltaltermythos in dieser Arbeit schon einmal im Fadenkreuz war. Sicher
scheint zu sein, dass er Hesiod gelesen hat. So spielt er in den Fasti ausdrücklich auf Hesiod
an: „Siehe die Göttin sah ich – nicht die, die der Lehrer des Landbaus sah, als den
Schafen er folgte bei Askra im Tal [...]“ Ov. Fast. VI,13f. Vielleicht hat ihn sogar
Hesiods Tage-Teil zu den Metamorphosen und den Fasten inspiriert.
Die Erga machten sowohl auf die hellenistische Lehrdichtung (Kallimachos, Aratos v.
Soloi, Nikandros v. Kolophon) als auch auf die römische Lehrdichtung (Lucretius, Vergil)
erheblichen Eindruck.222 Man beschäftigte sich nicht nur durch Nachahmungen mit Hesiod,
sondern auch durch das Mittel der Interpretation und durch Kommentare. Interpretationen
verfassten u.a. Aristoteles (Aporemata Hesiodu), Hekataios v. Abdera, Zenon v. Kition
(allegorische Interpretation), Krates v. Mallos.223 Auch die Liste der Kommentare weist
berühmte Schriftsteller auf. So verfasste Plutarch ein Kommentar zu den Erga, Zenodotos v.
Alexandria und Dionysios v. Korinth kommentierten die Theogonie und der Schild wurde
von Epaphroditos v. Chaironeia und von Proklos behandelt.224 Noch in byzantinischer Zeit
wurden Kommentare geschrieben (Ioannes Tzetzes, Manuel Moschopulos und Maximos
Planudes)225 obwohl die mittelalterliche Überlieferung hesiodeiischer Werke im
allgemeinen schlecht ist226.
Wenn man Hesiods Einfluss und Ruhm erspüren möchte, braucht man sich nur die obige
Liste
an
berühmten
Schriftstellern
ansehen
und
vergegenwärtigen.
215
Hdt. II,53;
DNP 5 Sp.509;
217
Hes. Theog. 1ff;
218
DNP 5 Sp.509, vgl. Verg. Georg.;
219
Dihle S.274 Sp.2;
220
z.B.: Prometheus, Dihle S.274
221
DNP 5 Sp.509f;
222
Dihle S.275 Sp.2;
223
Dihle S.275 Sp.2;
224
Dihle S.275 Sp.2;
225
Dihle S.275 Sp.2;
226
DNP 5 Sp.510;
216
30
Proseminar für
Alte Geschichte
Epilog:
Einteilung der Werke Hesiods:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
3 Epilog:
3.1 Einteilung der Werke Hesiods:
3.1.1 Θεογονία:
Abschnitt
Proömion
Verse
1-115
A
116-158
B
159-210
C
211-336
D
E
F
E’
D’
C’
337-410
411-452
453-506
507-616
617-725
726-819
B’
820-880
A’
881-964
Anhang
965-1020
Überschrift
Hesiods Legitimation
als Dichter
Ältere Götter (Uranos,
Gaia u. a.)
Kronos, Kind der
Gaia, bezwingt
Uranos
Nacht, Meer und
Nachkommenschaft
Titanenehen
Hekate-Episode
Zeus bezwingt Kronos
Prometheus-Episode
Titanenkampf
Unterwelt, Kinder der
Nacht
Zeus bezwingt
Typhoeus, Kind der
Gaia
Jüngste Götter
(Kinder des Zeus)
Ehoien & Der Schild
Versanzahl
115 Verse
43 Verse
52 Verse
126 Verse
74 Verse
42 Verse
54 Verse
110 Verse
119 Verse
84 Verse
61 Verse
84 Verse
55 Verse
31
Proseminar für
Alte Geschichte
Epilog:
Einteilung der Werke Hesiods:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
3.1.2 Ἔργα καί ἡµέραι:
32
Abschnitt
Proömion
Verse
1-26
A
B
27-41
42-200
C
201-381
B’
382-616
A’
617-693
Anhang I
694-763
Anhang II
764-827
Inhalt
Zwei Arten von
Streit
Erbstreit mit Perses Eigene Erfahrungen
Mythen, welche die
a) Prometheus und Pandora
Notwendigkeit der
b) Die fünf
Arbeit begründen
Menschengeschlechter
Mahnungen
a) Zur Gerechtigkeit mit
Einleitung: Fabel von
Habicht und Nachtigal
b) Zur Arbeit
Kalender der
a) Pflügen, Aussaat und
bäuerlichen Arbeiten
Ernte
b) Herbst-, Winter- und
Erntezeit
Seefahrt
einschließlich
eigener Erfahrungen
Regeln für andere
Lebensbereiche
Tage, d. h. Regeln
für das Tagewählen
Proseminar für
Alte Geschichte
Epilog:
Bibliographie:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
3.2 Bibliographie:
3.2.1 Textausgaben:
HERODOT, HISTORIEN; Hrsg. u. Übers. v. J. Feix, Artemis und Winkler 62000
Düsseldorf & Zürich Tusculum;
HESIOD, SÄMTLICHE WERKE; Übersetzt und Erläutert v. Walter Marg; Artemis Verlag
Zürich & Stuttgart 1970;
HESIOD, THEOGONIE, WERKE UND TAGE; Hrsg. u. Übers. v. Albert von Schirnding;
Artemis und Winkler 21997 Düsseldorf & Zürich Tusculum;
3.2.2 Fachliteratur I: Monographien
A. DIHLE, GRIECHISCHE LITERATURGESCHICHTE; C.H. Beck München 1991;
A. LESKY, GESCHICHTE DER GRIECHISCHEN LITERATUR; Francke Verlag Bern und
München 31971;
D. W. TANDY AND W. C. NEALE, HESIOD’S WORK AND DAYS; University of California
Press, Berkeley and Los Angeles 1996;
H. FRÄNKEL, DICHTUNG UND PHILOSOPHIE DES FRÜHEN GRIECHENTUMS; C. H. Beck
München 21962 (Ndr. 1993);
M. CLAUSS, DAS ALTE ISRAEL; C. H. Beck München 1999;
E. NACK U. W. WÄGNER, HELLAS; Carl Ueberreuter Wien-Heidelberg 1958;
3.2.3 Fachliteratur II: Lexikonartikel
E. BETHE, Ἀγὼν Ὁµήρου καὶ Ἡσιόδου; RE I,1 (1914) Sp. 867-869;
P. J. MEIER, AGONES; RE I,1 (1914) Sp. 836-867;
W. ALY, ῥαψῳδός; RE I A 1 (1914) Sp. 244-249.
E. STEIN-HÖLKESKAMP U.A., AMPHIDAMAS; DNP 1 (1995) Sp. 610;
E. STEIN-HÖLKESKAMP U.A., LELANTINISCHER KRIEG; DNP 7 (1996ff) Sp. 38-39;
H. KING U.A., GESCHLECHTERROLLEN; DNP 4 (1996) Sp. 1008-1014;
ED. COURTNEY, ÜBERS. M. MOHR U.A., EPOS; DNP 4 (1996) Sp. 10-29;
J. LACTACZ U.A., RHAPSODEN; DNP 10 (1996ff) Sp. 947-948;
M. BEARD U.A., SCHRIFT; DNP 11 (2001) Sp. 232-241;
R. ALBRECHT U.A., FRAU; DNP 4 (1996) Sp. 630-641;
W. RÖSLER U.A., SCHRIFTLICHKEIT-MÜNDLICHKEIT; DNP 11 (2001) Sp. 241-246;
GR. ARRIGHETTI, ÜBERS. M. A. SÖLLNER, HESIODOS; DNP 5 (1998) Sp. 506-510;
3.2.4 Internetseiten:
www.astronomie.de/galerie
33
Proseminar für
Alte Geschichte
Epilog:
Abkürzungsverzeichnis:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
3.3 Abkürzungsverzeichnis:
DNP = DER NEUE PAULY, ENZYKLOPÄDIE DER ANTIKE; Hrsg. Hubert Sancik u.a.; J.B.
Metzler; Stuttgart/Weimar 1996ff;
RE = PAULY’S REALENCYCLOPÄDIE DER CLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT. Neue
Bearbeitung; Hrsg. v. Georg Wissowa u.a.; J.B. Metzler; Stuttgart/Weimar 18931980;
3.4 Abbildungsverzeichnis:
Abbildung I.................................................................................................................................1
Abbildung II................................................................................................................................5
Abbildung III............................................................................................................................22
Abbildung IV............................................................................................................................24
Abbildung V.............................................................................................................................25
Abbildung VI............................................................................................................................27
Abbildung VII...........................................................................................................................28
34
Proseminar für
Alte Geschichte
Epilog:
Index:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
3.5 Index:
A
B
Achse .......................................................25
Ackergerät ................................................25
basilees ...................................................... 6
Bia ........................................................... 17
Boreas ...................................................... 26
Ä
Ägypten ..............................................10, 16
A
Alalu ........................................................12
Alkidamas ..................................................6
Alkmene ...................................................19
Amphidamas ....................................6, 8, 28
Amphitryon ..............................................19
Ä
Äneis .........................................Siehe Vergil
A
Anu ..........................................................12
Aphrodite .................................................15
Aporemata Hesiodu ............ Siehe Aristoteles
Aratos v. Soloi ..........................................30
Archilochos ..........................................8, 23
Ares ..........................................................19
Argolis ...............................................10, 13
Aristoteles ................................................30
Arkturos ......................................................27
Askra .......................................3, 4, 5, 6, 28
Ä
Äsop .........................................................23
Äther ........................................................15
A
Atropos .......................................................18
Aulis...........................................................6
C
Chalkis................................................... 6, 8
Chaos ................................................. 14, 15
Christentum ............................................... 8
D
Daniel, Prophet ........................................ 23
Demeter ............................................. 17, 26
Dichterweihe ........................................ 5, 14
Dike ................................................... 13, 23
Dionysios v. Korinth ................................ 31
Dunkle Jahrhunderte .................................. 7
Dynamene ................................................ 16
E
Ehoien ......................................... 12, 13, 18
Epaphroditos v. Chaironeia ...................... 31
Epimetheus .............................................. 21
episches Lehrgedicht ................................ 12
Erebos ...................................................... 15
Eretria .................................................... 6, 8
Erinyen .................................................... 15
Eris ........................................ 13, 15, 18, 20
Eros ......................................................... 14
Euböa ........................................................ 6
Eurippos .............................................. 6, 28
F
face-to-face society .................................... 9
Frauenkataloge ......................... Siehe Ehoien
G
Gaia ........................... 13, 14, 15, 17, 18, 32
Galene ..................................................... 16
35
Proseminar für
Alte Geschichte
Epilog:
Index:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
Gilgameš ..................................................10
Kyme ................................................... 5, 28
H
L
Hades .......................................................17
Heiratsalter .................................................9
Hekataios v. Abdera .................................30
Hekate
Hekate-Hymnos ........................16, 17, 32
Heldensagen ...............................................9
hellenistische Lehrdichtung ......................30
Hera .........................................................13
Herakles ...................................................19
Herodot ....................................................34
Heroen..........................................10, 18, 19
Heroengeschlecht ................. Siehe Weltalter
Hesperiden ..................................................18
Hestia .......................................................17
hexametrische Versmaß ..............................9
Homer ........4, 5, 6, 7, 12, 13, 14, 18, 20, 22
Hyaden .....................................................27
Hyperion ..................................................16
Hypnon .......................................................18
Lachesis ..................................................... 18
Lefkandi .................................................... 8
Leichenspiele ............................................. 6
lelantinische Krieg ..................................... 6
Lenaion .................................................... 26
M
Manuel Moschopulos ............................... 31
Maximos Planudes ................................... 31
Menschengeschlechter .......... Siehe Weltalter
Menstruation ........................................ 9, 29
Mesopotamien.......................................... 10
Moiren ....................................................... 18
Momos ....................................................... 18
Moros ........................................................ 18
Mörser ..................................................... 25
Musen .............................. 4, 5, 7, 14, 20, 28
mykenische Palastkultur ............................. 7
Mythen ................ 10, 13, 17, 19, 21, 22, 33
I
Indien .......................................................10
Ioannes Tzetzes ........................................31
Iphikles.....................................................19
Isokrates .....................................................6
N
Judentum ....................................................9
Nebukadnezar .......................................... 23
Nemesis ..................................................... 18
Nereiden .................................................. 16
Nikandros v. Kolophon ............................ 30
Nike ......................................................... 17
Nordwind ................................. Siehe Boreas
Nyx .......................................................... 18
K
O
Kallimachos..............................................30
Kampf um Theben ....................................22
Ker ............................................................18
Kinder der Nacht ......................................15
Klotho ........................................................18
Koios ........................................................16
Kosmogonie .............................................14
Krates v. Mallos .......................................30
Kratos .......................................................17
Kronos........................15, 16, 17, 18, 22, 32
Kumarbi ...................................................12
Kyklopen ..................................................17
Kyknos .....................................................19
Oizys ......................................................... 18
J
36
Okeanos ............................................. 15, 16
Orchomenos ............................................... 7
Orion ....................................................... 27
Ovid............................................. 12, 14, 23
P
Pandora .......................................... 8, 21, 33
Panedes ...................................................... 6
Perses ........ 6, 20, 21, 23, 24, 25, 27, 29, 33
Pflug ........................................................ 25
Phoibe...................................................... 16
Proseminar für
Alte Geschichte
Plejaden ........................................24, 27, 28
Plutarch ................................................8, 30
Poseidon ...................................................17
Proklos .....................................................31
Prometheus .............................17, 21, 32, 33
Proömion...................4, 5, 13, 14, 20, 33
Q
Epilog:
Index:
Franz Morawetz
Matr.Nr.: 0106921
Titanenkrieg ............................................. 13
trojanische Krieg ...................................... 22
Typhoeus ............................... 12, 15, 18, 32
U
Ullikummi ............................................... 12
Uranos ................................... 13, 15, 17, 32
qua-si-re-u ..................................................7
V
R
Vanax ........................................................ 7
Vergil ...................................................... 19
Rad ...........................................................25
Rhapsode
Rhapsoden ..............................................6
Rhea .........................................................16
Rheia ..................................................15, 17
römische Lehrdichtung .............................30
W
Weltalter .................................................. 22
Wettergott ................................................ 12
Z
S
Schild .......................................................19
Seefahrt ..........................................6, 27, 33
Sexismus .............................................8, 22
Sirius ..................................................25, 27
Sukzessivmythos ......................................12
Zelos ........................................................ 17
Zenodotos v. Alexandria .......................... 30
Zenon v. Kition ........................................ 30
Zeus .. 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21,
22, 23, 26, 32
Γ
T
Tartaros ..................................14, 15, 17, 18
Thanatos .....................................................18
Thea .........................................................16
Thespiai ......................................................6
Thetis .......................................................16
Thukydides .................................................8
Titanenehen ........................................16, 32
Γυναικῶν .................................. Siehe Ehoien
A
Ἀσπίσ ....................................... Siehe Schild
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