Anton van Dyck.FH11

Transcrição

Anton van Dyck.FH11
Anton van Dyck.FH11 Thu Aug 28 11:12:23 2008
Seite 1
C
M
Y
CM
MY
CY CMY
K
KÜNSTLERMATERIAL
RUBENS MALT VAN DYCK -
Farbmaterial im Dialog von Material und Kopie
Abbildung: Original und Kopie in der Gemäldegalerie
DR. ANNE-MARIE NESER
In der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister
fand eine ungewöhnliche Begegnung statt.
Am 11. Juni 2008 gesellte sich dem „Bildnis
der drei ältesten Kinder Karls I. von England“
(131 x 151 cm) eine maltechnische Kopie
an die Seite. Im Erscheinungsbild noch ganz
jugendlich frisch, denn dieses Meisterwerk
Anton van Dycks war gerade erst von der
erfahrenen Dresdner Gemälderestauratorin
Dörte Busch in einem aufwändigen Projekt
kopiert worden. Zur Anwendung kam das
Farbmaterial des traditionsreichen Künstlerfarbenherstellers Nerchau Mal- und
Künstlerfarben. Gemeinsam mit dem Studi­
engang Restaurierung von Kunst- und Kul­
ART&GRAPHIC
magazine 30
Probedruck
turgut der Hochschule für Bildende Künste
Dresden hatte der Künstlerfarbenhersteller das Projekt initiiert. Von Hoch­
schulseite wird das Vorhaben von drei
Spezialisten betreut: Prof. Ivo Mohrmann
(Grundlagen der Konservierung und Re­
staurierung von Kunstwerken), Prof. Dr.
Christoph Herm (Archäometrie) und Prof.
Dr. Ursula Haller (Fachklasse für Kunst­
technologie, Konservierung und Restau­
rierung von Malerei auf mobilen
Bildträgern).
Im Feldversuch sollten die Verarbeitungsund Gebrauchseigenschaften des Malmaterials getestet werden, um dieses auf
seine Leistungsfähigkeit zu überprüfen.
Hintergrund war der Wunsch nach einer
Qualitätsüberprüfung auf höchstem Ni­
veau, aber auch die Frage der Eignung
des Nerchauer Farbmaterials und im Be­
sonderen der Rubens Feinste Künstlerölfarben für anspruchsvolle Restaurie­
rungsvorhaben. Die Wahl für die Qualitätsüberprüfung des modernen Farbmaterials
fiel auf das Kinderbildnis Anton van Dycks,
da dieses Gemälde nach Meinung der
Professoren von seiner Malweise und
Maltechnik eine enorme Herausforderung
darstellen würde. Die heute maschinell
hergestellten Farben aller Künstlerfarbenhersteller sind naturgemäß kaum
mit jenen historischen Malfarben vergleich­
bar, die noch ausschließlich von Hand
angerieben wurden. Insofern stellt sich
die Frage, inwieweit sich überhaupt eine
Anton van Dyck.FH11 Thu Aug 28 11:12:23 2008
Seite 2
C
M
Y
CM
MY
KÜNSTLERMATERIAL
maltechnische Kopie eines Altmeistergemäldes mit modernem, sehr viel
feinkörnigerem Farbmaterial anfertigen
lässt. Nur die anwendungsorientierte
Prüfung der Verarbeitungseigenschaften
kann in der Zusammenschau mit daran
anschließenden Laborprüfungen eine ve­
ritable Antwort auf solche Fragen geben.
Das um 1635 entstandene und 1744 für
die sächsische Kurfürstensammlung an­
gekaufte Original präsentiert sich trotz
seiner typischen Alterungsspuren von
großer Qualität. Das Kinderbildnis der „drei
Anzug oder auch die Partien des kostbaren
Spitzenkragens des Kronprinzen.
Der Künstler, 1599 in Antwerpen geboren
und schon früh als Wunderkind gehandelt,
trat 17jährig in die Werkstatt von Peter
Paul Rubens ein, der sein Freund und
Mentor werden sollte. 1632 folgte er einer
Einladung des englischen Königs Karl I.,
als dessen Hofmaler er im selben Jahr in
den Ritterstand erhoben wurde. Sir Antho­
nis van Dyck besaß ein unnachahmliches
Talent, die Nobilität des Geburtsadels und
die aristokratische Haltung der gesell­
Abbildung: Gruppenfoto Friedhelm Röber, Annika Murjahn, Dr. Klaus Murjahn, Dörte Busch, Prof. Ivo Mohrmann
Prof. Dr. Christoph Herm, Prof. Dr. Ursula Haller, Dr. AnneMarie Neser (von Links nach rechts)
ältesten Kinder König Karl I. von England“
ist eine Werkstattkopie nach dem Original
in Windsor Castle, das sich im Besitz von
Queen Elisabeth II. befindet. Van Dyck
malte im Auftrag der englischen Königin
Henrietta Maria mehrere Bildnisse der
Kinder, die, ähnlich heutigen Fotografien,
an die Verwandtschaft verschenkt wurden.
Bei den dargestellten Kindern handelt es
sich um den 1630 geborenen Kronprinzen
Karl (später König Karl II.), seinen neben
ihm stehenden jüngeren Bruder Jakob
und die dem Betrachter nachdenklich ent­
gegenblickende Prinzessin Maria. Van
Dycks Augenmerk liegt ganz besonders
auf den Strukturen und Texturen der
Oberflächen. Wirkungsvoll inszeniert van
Dyck die Bekleidung der Kinder, etwa den
Probedruck
schaftlichen Elite darzustellen und erhielt
im Gegenzug auch große Anerkennung
von der „Highsociety“ seiner Zeit.
Die Veranstaltung in der Dresdner
Gemäldegalerie Alte Meister zeigte, dass
ein intensiver Dialog über Farbmaterial
mit Restauratoren, Kunstschaffenden, Leh­
renden und Forschenden zu äußerst dif­
ferenzierten und wichtigen Resultaten
führt. Ein regelmäßiger Austausch mit
professionellen Verwendern ist für einen
Künstlerfarbenhersteller essentiell, um die
Anforderungen der jeweiligen Arbeitsbe­
reiche zu kennen und unterstützend bei
Problemlösungen mitzuarbeiten.
In Vorbereitung der Gemäldekopie wurden
CY CMY
K
Anton van Dyck.FH11 Thu Aug 28 11:12:23 2008
Seite 3
C
M
Y
CM
MY
CY CMY
K
KÜNSTLERMATERIAL
Abbildung: Feinste Ölfarben von Nerchau
zunächst von sämtlichen Farbtönen des
Sortiments der Rubens Feinste Künstlerölfarben Probeaufstriche angefertigt. Dieses
Vorgehen hatte zum Ziel, die Angebotspa­
lette Nerchaus hinsichtlich der für die Kopie
benötigten Farbtöne auszuloten und Fragen
der Deckfähigkeit, der Konsistenz und der
Trockenzeiten zu klären. Mit ausgewählten
Farbtönen aus dem 60 Farbtöne umfassen­
den Sortiment der Rubens Feinste Künstlerölfarben wurde die Kopie ausgeführt, ergänzt
durch Kremserweiß. Parallel erfolgte eine
eingehende Analyse des Original-Gemäldes.
Nach der Auswahl des Bildträgers in Anleh­
nung an das Original (feine Leinwand, 24:19
2
Fäden pro cm ), wurde mit der Vorleimung
und der anschließenden Grundierung der
Leinwand begonnen. Der Farbton der Grun­
dierung orientierte sich am Original-Gemälde
und ist einschichtig in rotem Ton gehalten.
Der Halbölgrund wurde aus Kölner Leim mit
Rügener Kreide und Pigmenten hergestellt.
Von der Beschaffenheit der Grundierung
sind auch die Bildwirkung sowie die Haltbar­
keit des Bildes abhängig, weshalb sie
sorgfältig ausgewählt und ausgeführt werden
sollte. Nachdem die Grundierung aufgetra­
gen und getrocknet war, begann die Restau­
ratorin mit der Unterzeichnung, obwohl am
Original-Gemälde keine Unterzeichnung
nachzuweisen war. Dörte Busch entschied
sich dennoch für eine Unterzeichnung mit
schwarzer wasserunlöslicher Tusche und
Stahlfeder, um so die wesentlichen Punkte
der später mit Farbe auszuführenden Kom­
position zu fixieren.
Bis ins 19. Jahrhundert besteht die Mal­
schicht der Gemälde zumeist aus einer oder
mehreren übereinanderliegenden Farblagen.
Die Künstler erzielten die Farbwirkungen
ART&GRAPHIC
magazine 32
Probedruck
mit wenigen reinen Farben. Die Pigmente
wurden meist in reiner Form, manchmal
mit Bleiweiß aufgehellt, aufgetragen. Die
Farbwirkung entstand durch optisch sub­
straktive Mischung der übereinanderliegenden dünnen Farbschichten. Model­
lierung und Schatten erzeugte man durch
Untermalung mit einer dunkleren Farb­
schicht. Bei dem Kinderbildnis van Dycks
erfolgte die Untermalung mit Temperafar­
ben. Maßgeblich für diese Entscheidung
war die Maltechnik des Originals, die stark
von den Venezianern beeinflusst ist. Sie
beruht auf einer intensiven Auseinander­
setzung van Dycks mit der italienischen
Malerei, besonders Tizians. Der Vorteil
der Untermalungen mit Temperafarben ist
zum einen die schnelle wisch- und was­
serfeste Trocknung, zum anderen die
Möglichkeit, zwischen halbtransparentem
Farbauftrag oder deckender Malweise zu
variieren. Die Tempera erfüllte nicht in
allen Punkten die an sie gestellten Anfor­
derungen. Auf der rötlichen Grundierung
konnte keine ausreichende Deckkraft er­
reicht werden und getrocknete Malschich­
ten wurden bei der Übermalung allzu
schnell wieder angelöst. Dörte Busch
behalf sich mit einer selbst hergestellten
Tempera-Emulsion (Vollei, Leinöl, Dam­
marharz, Terpentin gemischt mit Nerchau
Tempera und etwas Rubens Feinste
Künstlerölfarbe).
Anhand der Untermalung zeigte sich
außerdem ein anderer interessanter As­
pekt, dass nämlich innerhalb eines
Gemäldes der Anspruch an das verwen­
dete Malmaterial stark variieren kann. Die
Ansprüche der einzelnen Partien des
Gemäldes können sehr unterschiedlich
hinsichtlich Feinheit oder Vermalbarkeit
sein. So gab es keine Schwierigkeiten bei
der Gestaltung der Gewänder oder des
Teppichs, während beim Modellieren der
Gesichter Komplikationen auftraten.
Hierbei erwies sich einmal mehr, wie wich­
tig eine feine Abstimmung von Grundierung
und Malfarben ist. Eine noch gleichmäßiger
aufgetragene Grundierung hätte die Arbeit
an den Gesichtern erleichtern können.
Trotzdem war es möglich, glatte InkarnatFlächen als Grundlage für den weiteren
Farbauftrag anzulegen.
Abbildung oben: Dörte Busch bei ihrer Arbeit in der Dresdner Gemäldeg
Kleine Abbildungen: Vier Schritte im
Malprozess von Dörte Busch
Anton van Dyck.FH11 Thu Aug 28 11:12:23 2008
Seite 4
C
M
Y
CM
MY
CY CMY
K
KÜNSTLERMATERIAL
mäldegalerie
Bei dem mehrschichtig aufgebauten
Gemälde folgte nun der Auftrag der
Öllasuren. Eine Öllasur sollte pigmentreich
sein und zugleich dünn aufgetragen wer­
den können. Die Rubens Feinste Ölfarben
sind sehr körperhaft und besitzen einen
betont pastosen Charakter. Die buttrige
Konsistenz war zum Vermalen bestens
geeignet. Sowohl die Verdünnbarkeit als
auch die Mischbarkeit untereinander war
ohne Einschränkungen möglich. Die Farbe
soll matt auftrocknen, nicht fett. Dies gelingt
mit der Rubens Feinsten Künstlerölfarbe
ausgezeichnet. Bei ersten Lasurversuchen
zeigte sich, dass die Untermalung an ge­
wissen Stellen nicht dicht genug angelegt
worden war. Dies war vor allem bei
Gemäldepartien mit noch sichtbarer Grun­
dierung der Fall: Diese Bereiche mussten
zusätzlich mit Untermalungsfarbe
überarbeitet werden. Versiert wechselte
die Gemälderestauratorin je nach Bedarf
zwischen der selbst hergestellten Unter­
malungsfarbe und der lasierend aufzutra­
genden Ölfarbe. Die abwechselnde Ver­
wendung von Untermalungsfarbe und
Öllasur war unproblematisch. Die Abfolge
der unterschiedlichen Malschichten ent­
sprach insgesamt der tradierten Malerregel
„fett auf mager“, was bedeutet, dass die
Untermalungsfarbe immer magerer, also
ölärmer sein sollte. Auf einen Zwischenfir­
nis, der zwischen den Malschichten ange­
legt wird, wurde verzichtet. Der Auftrag
eines Abschlussfirnisses wird erst nach
völliger Durchtrocknung des Gemäldes in
einigen Monaten erfolgen.
Die sehr diffizilen Wechselbeziehungen
der einzelnen Gemäldeschichten, also
beispielsweise der Saugfähigkeit des Mal­
grundes und des verwendeten Farbmate­
rials sind Prozesse, die im Labor nicht
nachgestellt werden können. Gerade aus
diesem Grunde sind die Ergebnisse des
ungewöhnlichen Testlaufes äußerst rele­
vant.
Das gemeinsame Projekt mit der Kunst­
hochschule Dresden ist mit der Fertigstel­
lung der Kopie noch lange nicht beendet.
Die Gemäldekopie steht einerseits für
Langzeitbeobachtungen zur Verfügung
und andererseits werden die detailgenauen
Beobachtungen der Farbeigenschaften
Probedruck
beim Malprozess einer umfassenden Aus­
wertung im Labor unterzogen. Die maltech­
nischen Eigenschaften der Rubens Feinsten
Künstlerölfarben sind schriftlich und fotogra­
fisch dokumentiert und können in vielfältiger
Weise technologisch geprüft werden. Dies
erfolgt im Rahmen von Seminararbeiten an
der Hochschule für Bildende Künste. Die
Erkenntnisse und Erfahrungen der Restau­
ratorin im Einsatz der modernen Nerchauer
Künstlerfarben bilden die Basis für systema­
tische und naturwissenschaftliche Auswer­
tungen an der Dresdner Kunsthochschule.
Mit diesem Projektansatz besinnt sich der
Künstlerfarbenhersteller Nerchau denn auch
einer alten Tradition. Spätestens seit dem
ausgehenden 19. Jahrhundert gibt es einen
regelmäßigen Austausch zwischen den Ko­
pisten und der industriellen Künstlerfarbenherstellung. Gerade die Kopisten
konnten anhand der eigenen Beobachtun­
gen bei der Erstellung einer Kopie wichtige
Hinweise für die naturwissenschaftliche
Erforschung der Maltechnik geben. Die Teil­
habe an den besonderen Kompetenzen der
Restauratoren, ihren Erfahrungen im Um­
gang mit dem Farbmaterial, der genauen
Beobachtungsgabe und ihrem maltechni­
schen Können ist eine inspirierende Quelle
für einen modernen Künstlerfarbenhersteller.
Umgekehrt ist es vor allem die Berufsgruppe
der Restauratoren, die sehr hohe und
teilweise äußerst spezielle Ansprüche an
das Farbmaterial und dessen Zusammen­
setzung richtet. Auch hier wünscht man sich
einen kompetenten Industriepartner, der die
vielfältigen Ansprüche, beispielsweise nach
Reversibilität oder einer ausführlichen Kenn­
zeichnung der Inhaltsstoffe, erfüllt. Nerchau
Mal- und Künstlerfarben plant daher, den
Gedankenaustausch weiter auszubauen
und unterstützend allen professionellen Farb­
anwendern zur Seite zu stehen.

Documentos relacionados