Dossier für Lehrpersonen_Dzama_Rebetez_U5
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Dossier für Lehrpersonen_Dzama_Rebetez_U5
Material für Lehrkräfte zur Ausstellung Inhalt Übersicht zur Ausstellung ____________________________________________________ 3 Veranstaltungsprogramm ____________________________________________________ 4 Unser Angebot für Schulen und Gruppen ________________________________________ 5 Ausstellungsinformation _____________________________________________________ 6 Bildauswahl ______________________________________________________________ 11 Infoblatt zum Museumsbesuch _______________________________________________ 14 Anregungen für den Ausstellungsbesuch _______________________________________ 15 Anregung zur Vorbereitung _________________________________________________ 18 Seh-Kiste ________________________________________________________________ 18 Impressum Thun, Mai 2014 Texte zur Ausstellung: Barbara Berger, Helen Hirsch, Janine Perret Sgualdo Anregungen und Angebote Kunstvermittlung: Rut Reinhard Kontakt Rut Reinhard, Kunstvermittlung [email protected], Tel.: 033 225 86 10 Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 2 Übersicht zur Ausstellung Marcel Dzama – Hollow Laughter Augustin Rebetez – when our dreams trickle down your umbrella, the weather is nice U5 – Parasite Albrecht Dürer – Das Narrenschiff 17. Mai – 17. August 2014 Parallel zur ersten institutionellen Einzelausstellung Hollow Laughter des renommierten kanadischen Künstlers Marcel Dzama in der Schweiz präsentiert das Kunstmuseum Thun die jungen Schweizer Künstlerpositionen Augustin Rebetez und das Kollektiv U5 mit kleineren Werkschauen – when our dreams trickle down your umbrella, the weather is nice und Parasite. Als Scharnier zwischen den Ausstellungen dient der kunsthistorische Einschub mit Albrecht Dürers gefertigten Illustrationen des Versgedichtes Das Narrenschiff (1494) von Sebastian Brant. Die in den Ausstellungen präsentierten Künstlerinnen und Künstler setzen sich vertieft mit den heutigen Welt- und Sittenbildern auseinander und schöpfen meistens aus dem Alltäglichen und Banalen. So schärfen sie den Blick für die Auswüchse der Gesellschaft. Ihre zum Teil archaisch anmutenden Werke zeugen oft von der Verletzlichkeit und vom Unbehagen, die sich hinter den brüchigen zwischenmenschlichen Konstellationen verbergen, und übersetzen diese in eindrückliche Erfahrungswelten. Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 3 Veranstaltungsprogramm Öffentliche Führungen Mittwoch, 25. Juni, 18.15 Uhr, mit Helen Hirsch, Direktorin Mittwoch, 9. Juli, 18.15 Uhr, mit Anja Seiler, wissenschaftliche Assistentin Sonntag, 17. August, 11.15 Uhr, mit Helen Hirsch, Direktorin Internationaler Museumstag Sonntag, 18. Mai Ganzer Tag freier Eintritt ins Museum 10.30 – 12.30 Uhr: Weltuntergangswecker, unterirdische Eisenbahn und der Nabel der Welt – Forschungen im Universum der Künstlergruppe U5 Workshop für Kinder ab 5 Jahren mit Prisca Beuchat, Kunstvermittlerin 11.15 Uhr: Öffentliche Führung mit Barbara Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin (mit Gebärdendolmetscherin Janet Fiebelkorn) Kunstschmaus Sonntag, 15. Juni, 11.15 Uhr, mit Barbara Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin Mittwoch, 13. August, 12.15 Uhr, mit Barbara Berger, wissenschaftliche Mitarbeiterin Appetit auf Kunst? Für alle, die nicht nur den Hunger stillen wollen, sondern auch das Kunstinteresse, bieten wir in Kooperation mit dem Café Thunerhof zweimal eine Kurzführung durch die Ausstellung mit anschliessendem gemeinsamem Lunch an. Auf Anmeldung bis 12. Juni, resp. 11. August unter: Tel.: +41 (0)33 225 84 20 oder [email protected] Das Narrenschiff Mittwoch, 4. Juni, 18.15 Uhr Dr. Anita Haldemann ist Kuratorin am Kupferstichkabinett im Kunstmuseum Basel und wird vor den Holzschnitten von Albrecht Dürer über die Aktualität des Versgedichtes Das Narrenschiff von Sebastian Brant diskutieren. Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 4 Unser Angebot für Schulen und Gruppen Stellen Sie sich vor: Ein Schiff voller Menschen, auf der Suche nach einem Paradies für Narren... Im Versgedicht Das Narrenschiff (1494) von Sebastian Brandt mit Illustrationen von Albrecht Dürer, werden die Auswüchse der Gesellschaft – Dummheit, Bosheit und Gottlosigkeit – satirisch dargestellt. Das Werk, seinerzeit ein Bestseller, wollte die Menschen aufrütteln und an ihre Vernunft appellieren. Die Themen des Narrenschiffs sind auch heute noch aktuell. Das Werk dient auf diese Weise als Dreh- und Angelpunkt für die in der Ausstellung zu sehenden zeitgenössischen künstlerischen Positionen: Marcel Dzama, Augustin Rebetez und U5. Die Spannungsfelder von Tugend und Laster, Natur und Künstlichkeit, Utopie und Alltag, Banalität und Mythos stehen im Zentrum dieser künstlerischen Arbeiten. Die in der Ausstellung vertretenen Kunstschaffenden finden dafür je ihre eigene, kraftvolle, zum Teil archaische, künstlerische Sprache. Ihre Werke zeugen oft von der Verletzlichkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen sowie von den widerstreitenden Kräften in unserer Gesellschaft. Sie schaffen eindrückliche, alle Sinne ansprechende Welten, in welche wir eintauchen, uns verlieren und wieder finden können. Junge Menschen, die daran sind, ihr eigenes Weltbild und Leben zu entwerfen, die Sinn und Orientierung in einer widersprüchlichen Welt suchen, werden von dieser Ausstellung besonders angesprochen sein. Jede Person findet in dieser Ausstellung Werke, die sie persönlich berühren. Dies sind die besten Voraussetzungen für wichtige und interessante Diskussionen! Einführung für Lehrkräfte Mittwoch, 21. Mai, 17.30 bis 18.30 Uhr mit Rut Reinhard, Kunstvermittlerin Einführung in die Ausstellung und Vorstellung der Angebote für Schulklassen. Gratis, mit Anmeldung: 033 225 84 20. Im Narrenschiff auf Kurs zum Nabel der Welt Ab 7. Klasse und Berufsschulen Wenn wir in die bunten, wilden, gefährlichen, grotesken, versponnenen und fantastischen Welten der Künstler eintauchen, laufen unsere Sinne heiss, Entzücken und Abscheu wechseln sich ab, im Kopf schwirren Gedanken, Fragen und Geschichten. Angeregte Diskussionen entstehen. Alle basteln wie besessen an ihrer eigenen Welt... Aber Achtung: der Weltuntergangswecker ist stehen geblieben! Rien ne va plus. Es «tötelet». Was tun? Was wäre, wenn wir alle tugendhaft leben und keine Laster haben? Oder andersherum? Die Schüler_innen bilden ein „Künstlerkollektiv“ und retten die Welt. Anmeldung Angebote Kunstvermittlung Rut Reinhard, Kunstvermittlung Kunstmuseum Thun T +41 (0)33 225 86 10 oder [email protected] Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 5 Ausstellungsinformationen U5 – Parasite Künstlerkollektiv von vier Personen, CH / D /A, leben und arbeiten in Zürich Das in Zürich 2007 gegründete Künstlerkollektiv U5 kombiniert Fotografie, Malerei, Skulptur, Live-Performance, Video und Bildprojektionen sich ergänzend miteinander und kreiert damit in Gesamtinstallationen fantastische Universen. Alltägliche, leuchtend farbige Materialien wie Bügelperlen, Wäscheleinen, Klebebänder, Kabelbinder, Lebensmittelverpackungen, Golfbälle, Federn, Wattestäbchen, Plexiglas oder Tierknochen werden darin durch Unmengen von Heissleim zusammengehalten oder sind überzogen von etlichen Lackschichten. In unkonventioneller Nutzung und mit grossem Zeitaufwand entstehen daraus Obelisken, Pflanzenimitationen, Vasen, Masken oder Stadtmodelle – die nun in Thun auf opulent verzierten Sockeln in einer Parade versammelt den Raum vereinnahmen. U5 arbeitet immer mit dem Raum, dadurch entstehen die für das Kollektiv typischen raumgreifenden Installationen. In Thun binden die Kunstschaffenden das prachtvolle Parkettmuster und die Aussicht in die Landschaft bewusst in ihre Präsentation ein. U5‘s dichte Werke bewegen sich zwischen Natur und Künstlichkeit, Utopie und Mythos. Ästhetisch zwischen Kitsch und Fetisch pendelnd, finden sich darin Elemente aus Musikvideos der PopKultur ebenso wie Ornamente fremder Kulturen. Die abstrakten Muster und die Materialwahl wirken archaisch und erinnern nicht selten an Art Brut oder Urkunst. Auch kunsthistorische Referenzen lassen sich bei U5 finden: Ähnlich wie etliche berühmte Surrealisten, beispielweise Salvador Dalí oder Meret Oppenheim, kreiert das Kollektiv extravagante Halsketten, Broschen oder Fingerringe. Im ersten Raum der Ausstellung erlangt man als Besucherin oder Besucher die Aussensicht des Universums. Das Weltmodell (2009), bestehend aus unter anderem übergrossen Twintowern, dem Einkaufszentrum Psalm, einem geheimen Firmengebäude, dem Scientology-Hauptquartier, einer unterirdische Eisenbahn, einem Schloss, Wohnmaschinen und einem Gefängnis, zeigt den Zustand der Welt im Stillstand – der Weltuntergangswecker sei stehen geblieben, sagt U5. Im Experimentalfilm PARASITE (2009–2011) führt die immer schneller werdende Bewegung der Menschen zum Kollabieren der Zeit. Doch die Menschen passen sich den Gegebenheiten an und werden zu Parasiten. Während Kategorien wie „Nichts“ und „Etwas“ hinfällig werden, propagiert die Hauptfigur Dr. Fastalles, Doktor des Denkens und Mischwesen, ein neues Denken. Er steht über allem und nichts und geht davon aus, dass etwas nie nur etwas ist und nichts nicht nichts sein kann: „Und wenn Fastalles möglich ist, weil nichts wirklich möglich und nichts wirklich unmöglich ist, dann ist das Maximum an Komplexität erreicht.“ Im zweiten Raum betritt man das Innere des Universums. Darin enthalten sind die Bilder und Skulpturen dieser Welt. Dieselben Materialien sind in unterschiedlichsten Variationen kombiniert und erzeugen dabei unterschiedliche Massstabsverhältnisse zwischen Mikro- und Makrokosmos. So kann man stundenlang die einzelnen Bauteile einer Arbeit entdecken und sich über die Verspieltheit der Kombinationen freuen. Gleichzeitig wirft der U5-Kosmos als Ganzes Fragen zu künstlerischer Kreativität, zu individuellen und gemeinschaftlichen Schaffensprozessen und damit auch zu künstlerischer Autorschaft auf. U5 sind nicht die einzelnen Personen, sondern ihr halböffentliches Atelier XOX, die Arbeiten und die gemeinsame Geschichte. Zentral am Kollektiven ist für die vier Kunstschaffenden die Lust am Zusammenarbeiten und die Möglichkeit, sich auf die Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 6 Kunst anstatt auf die Personen dahinter konzentrieren zu können. Die vielen, auf den ersten Blick willkürlich wirkenden Details der Werke sind eine Explosion von Sinneseindrücken. Schnell merkt man als Betrachterin oder Betrachter jedoch, dass nichts zufällig platziert ist, sondern präzise an der Gesamterscheinung mitwirkt und dadurch jedes noch so kleine Teilchen seine Relevanz am Ganzen hat. Trotzdem hat das Kollektiv eine spontane, schnelle und teilweise improvisierte Arbeitsweise. Die benötigte Technik oder korrekte Anwendung sind Nebensache bei den Materialbearbeitungen von U5. Das Kollektiv hat an seine verwendeten Materialien den Anspruch, verfügbar, günstig und zügig bearbeitbar zu sein. U5 will sich nicht auf eine bestimmte Form festlegen, die Veränderung ist wesentlicher Bestandteil. Es ist der „Maximalismus“ im Sinne einer maximalen Komplexität, dem das Kollektiv seine künstlerische Arbeit zuschreibt. Ganz im Sinne eines eigenen Organismus greifen die verschiedenen Schichten von U5 und dessen Werken ineinander. Augustin Rebetez – if our dreams trickle down your umbrella, the weather is nice *1986 in Delémont, lebt und arbeitet in Mervelier Der Jurassier Augustin Rebetez schafft ein fantastisches Universum aus Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien, Videos, Installationen und Texten. Sein Werk überwindet die Grenzen der herkömmlichen Kunstsparten und erschafft somit eine einzigartige Sprache. Ursprünglich ein ausgebildeter Fotograf, sind in Thun die aktuellsten Zeichnungsserien sowie in letzter Zeit entstandene bewegliche Skulpturen zu sehen. Zudem ist Rebetez‘s Malerei in den Fokus gerückt, der er sich zur Zeit bevorzugt widmet. Wandfüllend kombiniert er in beabsichtigtem Perspektivenwechsel unterschiedliche Formate und Medien und dehnt die Installation mit Objekten in den Raum aus: Zusammen mit dem befreundeten Architekten Giona Bierens de Haan baute er vor Ort eine raumbezogene Installation, in die er bestehende Arbeiten integriert. Das Publikum ist eingeladen, in den Telefonhörer zu lauschen, den Plattenspieler in Betrieb zu nehmen oder an der Kurbel zu drehen. Mit seinen anarchischen Installationen aus Bildern und Wörtern und mit bisweilen schrägem Humor hält Rebetez der heutigen Gesellschaft, die sich zwischen Macht und Geld verzettelt, einen kritischen Spiegel vor Augen. Das Mysteriöse der Nacht, Träume und die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind häufige Themen bei Rebetez. Sein Vokabular besteht unter anderem aus dem Gehirn als Metapher für die Irrgärten des Denkens, dem Himmel und dem geheimnisvollen Universum, dem Zuhause und dem Herz als Sitz der Gefühle. Daraus entsteht eine fragile und gleichzeitig kraftvolle, oft auch erschütternde Magie, in der Tragik und Poesie fliessend ineinander übergehen. In seinen neueren Werken widmet sich Rebetez oft dem Motiv des Hauses. Er stellt Häuser dar, die dicht gedrängt nebeneinander stehen, sich aneinander anlehnen, oder schwarze Tränen vergiessen, die von den Fenstersimsen herabtropfen. Diese Häuser bilden für Rebetez die Bühne für die geheimnisvolle Existenz der Menschen. Mit ausgebreiteten Flügeln fliegen im Gemälde mit den weissen Vögeln drei der sechs Tiere in die eine Richtung, drei andere steuern die Gegenrichtung an. Auf den ersten Blick meint man, es seien Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 7 Friedenstauben. Erst bei näherem Betrachten fällt einem auf, dass die Vögel auf Pfählen festgemacht und wie im Flug erstarrt sind. Diese Vögel symbolisieren eine gehemmte Freiheit und einen unerreichbaren Frieden. Oft arbeitet Rebetez mit Pappmaché und gestaltet damit Wesen, die er, ähnlich eines Mobiles, teils mit Fäden, teils mit Ketten zu einem chaotischen und doch erstaunlich ausgeglichenen Ganzen zusammenfügt. Die Werke aus diesem zerbrechlichen Material erschafft er jeweils vor Ort, da diese durch den Transport oder die Lagerung beschädigt werden könnten. Sein fotografisches Bildrepertoire beinhaltet Anlehnungen an altertümliche Brauchtümer ebenso wie Wesen, die aus dem Nebel oder der Dämmerung aufzutauchen scheinen. Zu sehen sind maskenhafte Fratzen, Geisterhäuser oder schmelzende Schneemänner. Gewisse Motive scheinen aus vergangenen Zeiten übriggeblieben oder einer Fantasiewelt entsprungen zu sein. Seine Figuren deuten eine Zwischenwelt an und sind eine Vorstellung anderer Mächte. Es sind Kreaturen mit menschlichen Zügen, die jedoch nie identifizierbar sind. Der Fantasie von Rebetez sind keine Grenzen gesetzt: Sie nährt sich von seiner unbeschwerten Kindheit, in der seine Träumereien von seiner Mutter, einer Bühnenbildnerin, und ihren DekoSchätzen auf dem Estrich gefüttert wurden. Es ist ein vielgestaltiges Werk, in dem eine erfundene Welt entsteht, die doch sehr real wirkt und in der wir alle entweder miteinander verbunden oder verloren sind. Marcel Dzama – Hollow Laughter *1974 in Winnipeg, Kanada; lebt und arbeitet in Brooklyn, NYC Marcel Dzamas multimediales Werk umfasst Zeichnungen, Collagen, Dioramen, Malerei, Skulpturen und Videos. Es konfrontiert den Betrachter mit verschiedenen Zeit- und Bildachsen. Auf den ersten Blick erscheinen seine Bildwelten harmlos, fast unschuldig. Die schwarz umrandeten, meist ockerrot, grau oder blau gekleideten Figuren scheinen auf der Bildfläche nebeneinander ihren Tätigkeiten nachzugehen. Doch hinter dieser Fassade tut sich ein groteskes und bisweilen auch grausames Universum auf: Maskierte, uniformierte und bewaffnete, tanzende, liebende oder sich quälende Figuren sind die Protagonisten seiner Bilderwelt. Etliche Charaktere sind Teil seines wiederkehrenden Ensembles, etwa Ballerinen, verkleidete Figuren in schwarzweiss gepunkteten Catsuits, Clowns, Folterknechte, Soldaten und Mischwesen mit Pferde- und Stierköpfen. Die menschlichen Abgründe ziehen sich wie ein roter Faden durch Dzamas Werk. In der Rolle des zeitgenössischen Chronisten erforscht er die Welt und ihre Darsteller und seziert sie erbarmungslos. In einzelnen Papierarbeiten vergegenwärtigt Dzama Gewaltszenen, Sexorgien, Krieg und Terror, indem er reale Fragmente aus dem Weltgeschehen aufgreift. Die Auswahl der in Thun gezeigten Werke ist ein Parcours durch Dzamas Welten und beinhaltet Arbeiten, die noch kaum gezeigt wurden. Die Gruppenszene Grand Presentiments of What Must Come (2012) besteht aus sieben zusammengeklebten alten Klaviernotenblättern und versinnbildlichen die Mächte des Guten und des Bösen: Figuren aus einem höfischen Milieu nehmen an einem pompös-feierlichen Akt teil. Sie stehen entsprechend ihrer hierarchischen Bedeutung auf Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 8 verschieden hohen Treppenstufen, umrahmt von Renaissance-inspirierten Bogenöffnungen. Auf der obersten Stufe thront die Herrscherin, umringt von ihrer Gefolgschaft und ihren treuen Dienern. Diese strecken ihr Schwert zum Himmel, von wo ein götterähnlicher Dämon mit seinen Waffen zurückschlägt. Bei einem Aufenthalt in Mexiko begeisterten Dzama Dioramen, die anlässlich des Tages der Toten zu sehen waren. Der Künstler eignete sich diese traditionelle handwerkliche Darstellungsweise an und integriert diese Bildillusion in sein künstlerisches Repertoire: Er schafft sowohl monu- mentale und skulpturale Schaukästen wie The Underground (2008) oder Welcome to the Land of the Bat (2008), aber auch kleinformatige Wanddioramen wie Montrous Births (2011) oder The End of the Line (2010), deren spektakuläre Konstruktionen die erzählten Geschichten regelrecht einfrieren. Der von Louis Daguerre im 19. Jahrhundert erfundene Bilderschaukasten passt treffend zu Dzamas Bilderwelt und seinen theatralischen Inszenierungen. Die isolierten Mischwesen aus Gips und Holz in The Great Enemy of Mankind Can Play Guitar (2009) und The Alligator Has His Mind Set on Becoming a Famous Soldier (2009) sind roh belassen und sitzen auf Sesseln. Eine Tunika bedeckt die Körper mit Tierköpfen, lediglich ein menschlicher Fuss schaut unter ihrer Bekleidung hervor. Diese Fabelwesen ergänzen Dzamas künstlerisches Schaffen und stehen in Kontrast zu den dichten Figurengruppen der Zeichnungen und Dioramen, bei denen der Einzelne in der Masse verschwindet und das Kollektive dominiert. In seinem filmischen Œuvre schafft Dzama mit seinem bewährten Figurenensemble surreale Choreografien. So auch in den beiden Filmen Une danse des bouffons (2013) und Death Disco Dance (2011). Une danse des bouffons ist ein filmisches und szenografisches Meisterwerk, angereichert mit dadaistischen Formen und einer Fülle an kunsthistorischen und künstlerischen Zitaten. Dzamas wiederkehrende Themenstränge wie Macht, Korruption oder Gewalt und sein Interesse an Urgewalten und Unterbewusstem spielen auch da eine zentrale Rolle. Nebst einem Gastauftritt der früheren Sonic Youth Frontfrau Kim Gordon und zur Musik von Arcade Fire treten bekannte Darsteller und Schauspieler auf. Der Einfluss von Marcel Duchamp, Pablo Picasso oder Joseph Beuys wird öfters bei Besprechungen von Dzamas Œuvre erwähnt. Hin- gegen wurde bis heute der Einfluss des französischen Künstlers Francis Picabia (1879–1953) weniger berücksichtigt, obwohl Dzama seine Nähe zu ihm auch in Une danse des bouffons mit der Stierkopfmaske thematisiert. Im Gegensatz zum inszenierten Une danse des bouffons ist Death Disco Dance improvisierter und mit weniger Aufwand und Vorlaufzeit produziert. Der Film wurde am Set einer anderen Verfilmung realisiert. Nach Abschluss der Dreharbeiten bat Dzama die Tänzerinnen, zum begleitenden rhythmischen Soundtrack, generiert von einer Drum-Machine, instinktiv eine Choreografie im Aussenraum zu entwickeln. Die Tänzerinnen improvisieren in ihren unverkennbaren, schwarzweiss gepunkteten Catsuits ein Tanzstück auf einer Baustelle. Sie scheinen sich im Rhythmus zu entspannen und setzen sich von der dahinterstehenden Statistengruppe ab. Eine Tänzerin fällt in diesem homogen geformten Ensemble durch ihr blutverschmiertes Kostüm auf. Im Hintergrund stehen die mit Tierköpfen maskierten und als verschiedene Mischwesen verkleideten Statisten, einige schwingen im Rhythmus mit, andere erscheinen teilnahmslos. Die Situation kippt ins Absurde, als die verwundete Tänzerin immer weiter mit der Gruppe tanzt und Dzama zudem die kurze Tanzszene vorwärts und rückwärts abspielt. Nur das Wissen um die Tatsache, dass sie im unmittelbar zuvor gedrehten Film A Game of Chess (2012) durch einen Gewehrschuss starb und ihr Kostüm für diese improvisierte Videoarbeit weiter trägt, löst das Rätsel. Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 9 Albrecht Dürer der Jüngere *1471 in Nürnberg, † 1528 in Nürnberg Sebastian Brant ca. *1457 in Strassburg, † 1521 in Strassburg Als Scharnier zwischen den verschiedenen Positionen dient der kunsthistorische Einschub mit Albrecht Dürers 101 gefertigten Illustrationen des Versgedichtes Das Narrenschiff (1494) von Sebastian Brant. Es soll die verschiedenen Positionen und Weltbilder in einen Dialog treten lassen. Es handelt sich dabei um ein satirisch-typologisches Versgedicht und erzählt von einem Schiff voller Menschen, die auf der Suche nach einem Para- dies für Narren sind und wegen ihres falschen Verhaltens sterben müssen. Jede Figur verkörpert ein Laster wie Zorn, Neid und Faulheit. Das Narrenschiff klagt vor allem die Dummheit, Bosheit und Gottlosigkeit der Vertreter mittelalterlicher Stände und Berufe an. Der Autor appelliert an den Geist und an die Vernunft, nicht an die Frömmigkeit seiner Zeitgenossen. Ebenso wie beispielweise bei Dante Alighieris Göttliche Komödie (ca. 1307–1321) spiegeln sich in Brants Geschichten die Wende einer neuen Zeit wider. Der Kirche wird nicht mehr brav und ohne Widerworte gefolgt. Auf Fragen werden nach Antworten gesucht, die nicht in der Bibel zu finden sind. Somit sorgte dieses Buch, das zum Bestseller des 16. Jahrhunderts wurde, für Aufklärung und Aufrüttlung in der Bevölkerung. Die Themen des Narrenschiffs wirken bis heute nach und schaffen eine Verbindung zu den in den drei Ausstellungen gezeigten zeitgenössischen Kunstschaffenden. Brant war Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Basel (1489–1500) und von 1502 bis zu seinem Tod 1521 Stadtschreiber und Kanzler der Freien Reichsstadt Strassburg. Brants literarische Basler Jahre waren geprägt von einer regen Publikationstätigkeit, bei der er sowohl als Autor aber auch als Förderer und Herausgeber aktiv war. Er war einer der produktivsten Autoren lateinischer Andachtslyrik und Herausgeber von antiken Klassikern und Schriften italienischer Humanisten. In Strassburg bestand seine literarische Tätigkeit praktisch nur noch aus der Förderung und nicht mehr aus dem Schreiben. Seine 1494 veröffentlichte spätmittelalterliche Moralsatire Das Narrenschiff begründete seinen Ruhm als Autor des deutschen Humanismus. Gedruckt wurde das Buch in Basel von Johan Bergmann von Olpe und gilt als das erfolgreichste deutsche Buch vor der Reformation. Zum Erfolg von Das Narrenschiff trugen massgeblich auch die lebendigen Illustrationen bei. Albrecht Dürer kam während seiner Wanderjahre zwischen 1490 und 1494 als junger Künstler nach Basel. Ihm werden als Hauptmeister 73 der 101 Holzschnitte der Erstausgabe zugeschrieben. Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 10 Bildauswahl Marcel Dzama – Hollow Laughter Kunstmuseum Thun, 17. Mai – 17. August 2014 Marcel Dzama Silence More Musical Than Any Song, 2012 Tusche, Gouache, Bleistift auf Papier 35.6 x 27.9. cm Courtesy David Zwirner, New York / London; Sies + Höke, Düsseldorf Foto: Achim Kukulies Marcel Dzama Welcome to the Land of the Bat, 2008 Holz, lasierte Keramikfiguren, Metall, Stoff Edition 1/5 + 2 AP Courtesy David Zwirner, New York / London; Sies + Höke, Düsseldorf Marcel Dzama Une danse des bouffons (or A Jester’s Dance), 2013 Videoprojektion (schwarzweiss), Ton Filmstill 35:22 min Edition von 4 Courtesy David Zwirner, New York / London Marcel Dzama Ausstellungsansicht Hollow Laughter, Kunstmuseum Thun, 2014 Foto: Ian G.C. White Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 11 Augustin Rebetez – when our dreams trickle down your umbrella, the weather is nice Kunstmuseum Thun, 17. Mai – 17. August 2014 Augustin Rebetez ohne Titel, 2013 Öl auf Holz Courtesy der Künstler Foto: Augustin Rebetez Augustin Rebetez ohne Titel, 2013 Öl auf Holz Courtesy der Künstler Foto: Augustin Rebetez Augustin Rebetez Ohne Titel, 2013 Serigraphie Aus: Serie von 70 Zeichnungen Courtesy der Künstler Foto: Augustin Rebetez Augustin Rebetez Ausstellungsansicht when our dreams trickle down your umbrella, the weather is nice, Kunstmuseum Thun, 2014 Foto: Ian G.C. White Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 12 U5 – Parasite Kunstmuseum Thun, 17. Mai – 17. August 2014 U5 Weltmodell, 2009 verschiedene Materialien 200 x 180 x 30 cm Courtesy die Künstler Foto: U5 U5 Kaktus, 2010 verschiedene Materialien 200 x 47 x 25 cm Courtesy die Künstler Foto: Alessandro Frigerio U5 Treasures for Sale, 2013 In situ Installation, verschiedene Materialien Ausstellungsansicht Swiss Art Awards / Kiefer Hablitzel Preis, Basel, 2013 Courtesy die Künstler Foto: U5 U5 Ausstellungsansicht Parasite, Kunstmuseum Thun, 2014 Foto: Ian G.C. White Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 13 Infoblatt zum Museumsbesuch Liebe Lehrkräfte Herzlich willkommen im Kunstmuseum Thun! Vor Ihrem Besuch möchten wir Sie mit den üblichen Verhaltensregeln vertraut machen. Die Bildende Kunst hat im letzten Jahrzehnt einen Wandel durchgemacht. Die Techniken der Künstler_innen haben sich geändert, beziehungsweise sie wurden ergänzt: Künstler_innen bedienen sich heutzutage vermehrt neuer Medien wie beispielsweise Videotechnik oder Rauminstallationen. So hat sich auch der Betrieb eines Museums den neuen Arbeitsweisen angepasst. Der Zugang zu den Werken ist zum Teil viel direkter geworden. Wo man früher vor einem an der Wand hängenden Bild stand, ist man heute oft Teil eines Werkes. Auch die Unterrichtsmethoden haben sich verändert. Die Schüler_innen nehmen heutzutage aktiv und sogar interaktiv teil, sie bewegen sich, sie experimentieren, sie sollen die Inhalte „begreifen“ und umfassend erfahren. Wir legen Wert darauf, dass die Schüler_innen das ganze Museum erfahren und erkunden dürfen. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Kinder frei bewegen können. Dabei gilt es, den nötigen Respekt gegenüber dem Museum, den ausgestellten Werken und den Besuchern zu wahren. Bitte beachten Sie, dass ab einer Gruppengrösse von 20 Personen eine zusätzliche Begleitperson erforderlich ist. Wir bitten Sie also, Ihre Klassen auf folgende Grundregeln aufmerksam zu machen und während Ihrem Museumsbesuch auf Ihre Einhaltung zu achten: Objekte nur mit den Augen abtasten (die ausgestellten Werke sind nicht immer geschützt / Ausnahmen werden vermerkt). Sich in den Museumsräumen bedächtig bewegen statt rennen (die alten Böden schwingen) Merci für die Rücksicht auf andere Museumsbesucher Die Wände, Türen, Fussböden und Sitzgelegenheiten nicht mit Kaugummi, Fussspuren oder anderem „verzieren“. Essen und Trinken nur auf der Terrasse oder im Park. Herzlichen Dank, dass Sie Ihren Beitrag leisten, dass die Kunst im Kunstmuseum Thun möglichst direkt erfahrbar bleibt. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis und wünschen einen erlebnisreichen und interessanten Museumsbesuch. Das Team Kunstvermittlung Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 14 Anregungen für den Ausstellungsbesuch Die vier Ausstellungen bieten eine Vielzahl von Themen an, die junge Menschen beschäftigen. Die Bildwelten der verschiedenen Künstler sind kraftvoll und sprechen alle Sinne an. Entsprechend zahlreich sind die Möglichkeiten, mit einer Klasse die Ausstellungen zu erkunden. Die angegebenen Materialien für den usstellungsbesuch finden Sie in der Seh-Kiste am Ende der Ausstellung. Mit Ihrer Spende schaffen wir neues Material an. Merci! Albrecht Dürer, Illustrationen des Versgedichtes Das Narrenschiff (1494) Material: Papier, Bleisifte Als Narr wurde im 15.Jh ein Mensch bezeichnet, der Gott verleugnet und sich unvernünftig, dumm und ignorant verhält. Er zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass er sich als Gelehrter aufspielt ohne seine eigene Unwissenheit zu erkennen. Auch Menschen, die sich an keinerlei Normen und Regeln der Gesellschaft hielten, galten als Narren. Der Hofnarr war eine Sonderfall ihm wurde diese Rolle vom König aufgetragen und er genoss die sogenannte Narrenfreiheit. In dieser Funktion durfte er in einem gewissen Rahmen Kritik an den herrschenden Verhältnissen üben. Im Gegensatz zu heute, wo man unter einem Narren einfach einen Spassmacher versteht, war der Narr im späten Mittelalter keine ausschliesslich lustige Figur. Wer ist heute, nach mittelalterlichem Verständnis, ein Narr? Die Schüler_innen beschreiben den heutigen Narren als Typus. Was macht er? Wie kleidet er sich? Welche Hobbys hat er? Ist er ein Hipster, ein Politiker, ein C-Promi? Dazu werden konkrete Beispiele gesucht und die Karikatur eines Narren gezeichnet. Sebastian Brant hält den Menschen seiner Zeit den Spiegel vor und kritisiert mit bissigem Humor die menschlichen Schwächen und den Zeitgeist. Unter welchen Missständen und Entwicklungen in der Gesellschaft leiden die Jugendlichen heute? Woran reiben sie sich, regen sie sich auf? In kleineren Gruppen wird eine Diskussion über dieses Thema geführt. In Form einer Satire, einem Schnitzelbank oder einem Spottvers finden sie eine Sprache – die Übertreibung ist ein wichtiges Stilmittel in diesem Genre – für das, was sie besonders stört. Die Texte können als Rap vorgetragen oder Song vertont werden. Marcel Dzama, Grand Presentiments of What Must Come, 2012 Material: Zeitungsbilder, Leim, Kreiden, Farbstifte, Papier Bilder von Krieg und Gewalt begegnen uns täglich in der Zeitung, am Fernsehen, im Internet, in Filmen. Bilder apokalyptischer Katastrophen sind für uns moderne Menschen beinahe alltäglich geworden. Welchen Umgang haben wir mit diesen Bildern? Was bewirken sie in uns? Mit welchen Strategien filtern wir die Bilderflut? Wie schützen wir uns davor? Wie verarbeiten wir die Bilder, die haften bleiben? Eine Diskussion zu diesen Fragen kann im Plenum oder in kleineren Gruppen geführt werden. Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 15 In einer weiterführenden Arbeit wird versucht, Bilder aus der Zeitung, die Krieg, Gewalt oder (Umwelt)-Katastrophen zeigen, mit gestalterischen Mitteln (Collage, Zeichnung, Malerei) zu bearbeiten. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen: Indem man sie abzeichnet, übermalt, verfremdet, mit anderen Bildern kontrastiert, in ihrer Grösse verändert, etc. Der Gestaltungsprozess und was er bewirkt, wird in Gruppengesprächen reflektiert. Marcel Dzama, verschiedene Dioramen Material: Papier, Bleistifte Das Diorama (Bilderschaukasten), im 19. Jahrhundert von Louis Daguerre erfunden, passt zu Dzamas theatralisch inszenierten Bildwelten. Er kann darin seine Geschichten regelrecht einfrieren. In kleinen Gruppen nehmen sich die Schüler_innen je ein Diorama von Dzama vor und erfinden eine Geschichte dazu. Die Geschichten werden aufgeschrieben und ausgetauscht. Die Gruppen versuchen nun, die Geschichte dem entsprechenden Diorama zuzuordnen. Weiterführende gestalterische Arbeit: Die Schüler_innen gestalten ein Diorama (beispielsweise in einem Schukarton), das eine Geschichte aus ihrem Leben erzählt. U5, Weltmodell, 2009 Material: Papier, A4/A3, Farbstifte, Leim, Klebstreifen U5 ist ein Künstlerkollektiv. Die Arbeiten entstehen in ihrem gemeinsamen Atelier XOX in Zürich. Für die Autorenschaft der Werke steht immer das Kollektiv U5. Zentral am Kollektiven ist für die vier Kunstschaffenden die Lust am Zusammenarbeiten und die Möglichkeit, sich auf die Kunst, anstatt auf die Personen dahinter konzentrieren zu können. Die Schüler_innen bekommen den Auftrag, ihre eigene Welt (Interessen und Vorlieben, pers. Eigenschaften, Beziehungen, etc.) als Landkarte zu zeichnen. In einem zweiten Teil bilden die Schüler_innen ein aus der ganzen Klasse bestehendes Kollektiv. Dieses Kollektiv hat die Aufgabe, die eigenen Welten zu einer gemeinsamen Welt zusammen zu fügen. Die einzelnen Blätter werden zusammengeklebt, -geheftet oder -genäht und es werden Verbindungen zwischen den einzelnen Landkarten gezeichnet, so dass eine gemeinsame Welt entsteht. U5, Raum 2 Material: Notizpapier, Bleistifte Das Weltmodell zeigt uns die Aussensicht des U5-Universums. Im zweiten, von U5 gestalteten Raum, treten wir in das Universum ein. Wie ist dieses Universum entstanden? Aus welchen Materialien besteht es? Nach welchen Gesetzmässigkeiten ist es gestaltet? Ist es von Wesen bewohnt? Wenn ja, wie sehen sie aus? Die Schüler_innen betätigen sich als Forscher_innen, die eine neue Welt entdecken. Sie sammeln möglichst viele Informationen über sie, indem sie beobachten, analysieren und die gesammelten Daten auswerten. In einem Forschungskolloquium werden die erhobenen Daten ausgetauscht und über unterschiedliche Theorien debattiert. Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 16 Weiterführende gestalterische Arbeit: Mit Materialien, wie sie im U5-Universum vorkommen, gestalten die Schüler_innen gemeinsam Werke (Bilder, Skulpturen, Klänge, etc) die wiederum in Form einer Installation zu einer Welt zusammengefügt werden können. Augustin Rebetez Material: Papier, Bleistift, Scheren, Holzstäbchen Mitten im Raum steht eine fragile, grobe aus Holzlatten zusammengefügte Skulptur, die an ein Schiff erinnert. Rebetez hat sie vor Ort gebaut und bestehende Werke darin integriert. Mehrere Figuren aus Pappmaché sind wie bei einem Mobile in einem labilen Gleichgewicht miteinander verbunden. Eine andere Figur dreht sich beständig um sich selber und eine weitere sitzt zwar am Steuer, kann aber mithilfe einer Kurbel auf den Kopf gedreht werden. In welchem Beziehungssystem und in welchen Abhängigkeiten lebe ich? Wo ist mein Platz in der Klasse, in der Familie, in der Gesellschaft? Mit diesen Fragen im Hinterkopf betrachten die Schüler_innen das Werk und machen sich ihre persönlichen Gedanken dazu. Mit einfachen Figuren aus Papier, mit Fäden und Holzstäbchen kann versucht werden, ein Klassen-Mobile zu gestalten, das die momentanen Kräfteverhältnisse spiegelt. Das Klassen-Mobile kann wiederum in ein grösseres Ganzes, das beispielsweise die gesamte Schule symbolisiert, integriert werden. PS: Ist die Lehrperson auch Teil des Klassensystems oder steht sie ausserhalb? Augustin Rebetez, Videoarbeit (im Cheminée) Material: Papier, Filzstifte, Kamera (selber mitbringen) Knetmasse, Holzstäbe und -klötze Rebetez zeigt in seiner Videoarbeit den Aufbau und Zerfall, die endlose Wiederholung von Werden und Vergehen. Die Schüler_innen setzen dieses Thema zeichnerisch als Daumenkino oder als Stop-Motion Film um. Für den Film können Materialien wie Knetmasse, Legos, Steine, Holz, etc. verwendet werden. Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 17 Verknüpfungsmöglichkeiten mit anderen Fächern und Anregungen zur Vorbereitung NMM Normen und ihre Konsequenzen: Konflikte und Konfliktlösungen, Gewalt und Aggression Beziehungen: Freiheit und Abhängigkeit, Anpassung und Widerstand Weltbilder: Kunst und Religion Deutsch Thema Kommunikation: Gespräche führen (Partner-, Gruppen-, Podiumsgespräche) Sprache gestalten: Textgattungen Satire, Kurzgeschichte, Theaterszene, Songtext, Rap Medienerziehung Umgang mit Bildern von Gewalt, Strategien zur Verarbeitung von schockierenden Bildern Bildnerisches Gestalten Kunstgeschichte: Renaissance, Dadaismus, Surrealismus, Installation Performance Film, Trickfilm Holzschnitt Die Seh-Kiste im Kunstmuseum Die Seh-Kiste macht das Kunstmuseum zum Lieblingsort für grosse und kleine Kinder. Sie kann von Schulen, Kindergärten, Eltern, Götti, Grosi oder Hans und Käthi benutzt werden. Gruppen ab 5 Personen sind gebeten sich anzumelden. Wir reservieren die Seh-Kiste gerne. Die Seh-Kiste lässt sich spontan benutzen. Einfach Kreiden, Farbquadrate, Formen oder andere Überraschungen herausnehmen und los geht’s! Sie finden darin alle Materialien, die für die Aufgaben in den Entdeckungen im Quadrat oder für das Schulangebot (wenn nichts anderes vermerkt) gebraucht werden. Die Sehkiste wird für jede Ausstellung mit passenden Materialien ausgestattet. Neugierige und Forscher können sich aber auch von Vorschlägen zur Entdeckung der Ausstellung inspirieren lassen, die im Karteikasten der Seh-Kiste zu finden sind. Gruppenleiter_innen können sich auf www.kunstmuseumthun.ch über die Aufgaben in der Dokumentation für Lehrkräfte informieren und ihren Besuch vorbereiten. Vorschläge zur Verwendung gibt es bei der Einführung für Lehrkräfte am ersten Mittwoch nach der Eröffnung einer neuen Ausstellung. Reservation: +41 (0)33 225 84 20 / [email protected] Öffnungszeiten: Di – So 10 – 17 Uhr Dokumentation für Lehrkräfte: Marcel Dzama, Augustin Rebetez, U5, Albrecht Dürer 18