Enthüllungen
Transcrição
Enthüllungen
Seite 38 Christophorus 336 Christophorus 336 Das Porsche-Museum Seite 39 Das Porsche-Museum Galerie Enthüllungen Text Elmar Brümmer Fotografie Matthias Hangst, Porsche So spektakulär wie die Hülle des neuen PorscheMuseums ist auch der Inhalt der Ausstellung. Klaus Bischof, der Leiter des Rollenden Museums, stellt als Appetitanreger zwölf besondere Exponate vor. Erst hingucken, dann hinkommen. Die besten Stücke? Es gibt tatsächlich noch Fragen, mit denen man selbst einen in der Porsche-Fahrzeuggeschichte so bewanderten Menschen wie Klaus Bischof ins Grübeln bringen kann. Der Leiter des Rollenden Museums erbittet sich Bedenkzeit, bei mehr als 80 Exponaten in den neuen Räumen und etwa der vierfachen Anzahl auf Lager sei ihm diese auch zugestanden. Das Ergebnis seiner Best-of-Liste: „Besonders sind sie eigentlich alle.“ Allein schon ob der Besonderheit, dass alle ausgestellten PorscheMuseumsfahrzeuge grundsätzlich auch fahrtüchtig sind – bis auf wenige technische Ausnahmen wird die Regel eingehalten. So hat der Stuttgarter Museumsgestalter Professor Hans-Günter Merz die Fahrzeuge auch im Ausstellungsraum positioniert: ohne Podeste und Barrieren, damit sie gleich durchstarten können. Klaus Bischof lässt sich schließlich darauf ein, aus dem Museumsschatz zwölf Pretiosen vorzustellen, die eine besonders ungewöhnliche oder bisher weitgehend unbekannte Geschichte erzählen. Bitte nähertreten: Klaus Bischof stellt seine Favoriten vor – die beim Fototermin im neuen Museum noch verhüllt waren 356 „America Roadster“ 935 Coupé „Baby“ Baujahr: 1953 Motor: 4-Zylinder-Boxer Hubraum: 1488 cm3 Leistung: 70 PS (51 kW) Höchstgeschwindigkeit: 177 km ⁄ h Baujahr: 1977 Motor: 6-Zylinder-Boxer Hubraum: 1425 cm3 Leistung: 380 PS (279 kW) Höchstgeschwindigkeit: 270 km ⁄ h So entsteht die innige Beziehung zwischen Porsche und Nordamerika: Auf Wunsch des Importeurs Max Hoffman wird exklusiv für die USA ein offenes Auto gebaut,das vor allem Fahrspaß vermitteln soll. Porsche produziert einen Roadster, der wesentlich leichter ist als die zur selben Zeit hergestellten Modelle der 356-Serie. Das Idealgewicht von 605 Kilogramm wird durch eine leichte Aluminiumkarosserie mit tief ausgeschnittenen Türen erreicht. Es ist besonders beliebt bei amerikanischen Piloten, die Flugplatzrennen damit fahren. Das Davidprinzip auf der Rennstrecke: in nur dreimonatiger Entwicklungszeit „nach Feierabend“ wird aus dem erfolgreichen Porsche 935 ein Modell für den Einsatz in der Zwei-Liter-Division der Deutschen Rennsport-Meisterschaft abgeleitet – um dem Vorwurf zu begegnen, Porsche könne nur in großen Klassen große Erfolge landen. Der Spitzname leitet sich aus dem verkleinerten Hubraum ab. Durch den Sieg von Jacky Ickx mit dem Sechszylinder-Turbo auf dem Hockenheimring beweist Porsche seine Konkurrenzfähigkeit auch in kleineren Kategorien. 908 ⁄ 03 Spyder 928 GTS Baujahr: 1970 Motor: 8-Zylinder-Boxer Hubraum: 2997 cm3 Leistung: 350 PS (257 kW) Höchstgeschwindigkeit: 275 km ⁄ h Baujahr: 1995 Motor: 8-Zylinder-V Hubraum: 5397 cm3 Leistung: 350 PS (257 kW) Höchstgeschwindigkeit: 275 km ⁄ h Frag einen Rennfahrer nach seinem liebsten Spielzeug und er wird den Porsche 908 ⁄ 03 auf den Wunschzettel schreiben. Mit einem Gewicht von 545 Kilogramm demonstriert der Spyder die extreme Form des Leichtbaus, die Karosserie aus schaumverstärktem Kunststoff macht daran nur ganze zwölf Kilogramm aus.Wegen der besseren Gewichtsverteilung rücken Fahrer und Motor nach vorn.Vom Werksteam wird der 908 ⁄ 03 Spyder nur vier Mal eingesetzt und ist dabei drei Mal siegreich, wie auf der Premierenfahrt mit Jo Siffert und Brian Redman 1970 bei der Targa Florio. Es ist ein Gran-Turismo-Konzept par excellence, das den 928 zum perfekten Reisesportwagen macht. Die letzte Evolutionsstufe der Baureihe vereint breite Kotflügel, Spoiler und ein Leuchtenband am Heck in der unverwechselbaren Silhouette. Die sportliche Optik entspricht der Hubraumvergrößerung und unterstreicht die Gene aus dem Motorsport. Die Idee zum 928 entstammt einer Drohung der US-Behörden, keine Heckmotoren mehr zulassen zu wollen. Daraufhin gibt der damalige Vorstand Ernst Fuhrmann den Anstoß zur Entwicklung eines komfortablen Sportwagens mit Frontmotor. A Seite 40 Christophorus 336 Christophorus 336 Das Porsche-Museum Seite 41 Das Porsche-Museum 961 Coupé 911 Carrera Coupé „Polizei“ 924 GTP Le Mans 909 Bergspyder Baujahr: 1986 Motor: 6-Zylinder-Turbo Hubraum: 2847 cm3 Leistung: 680 PS (500 kW) Höchstgeschwindigkeit: 340 km ⁄ h Baujahr: 1996 Motor: 6-Zylinder-Boxer Hubraum: 3600 cm3 Leistung: 285 PS (210 kW) Höchstgeschwindigkeit: 275 km ⁄ h Baujahr: 1981 Motor: 4-Zylinder-Turbo Hubraum: 2479 cm3 Leistung: 410 PS (301 kW) Höchstgeschwindigkeit: 300 km ⁄ h Baujahr: 1968 Motor: 8-Zylinder-Boxer Hubraum: 1981 cm3 Leistung: 275 PS (202 kW) Höchstgeschwindigkeit: 250 km ⁄ h Es ist in den frühen Jahren von Porsche ein ungeschriebenes Gesetz: Alles was in Serie geht, muss vorher den Härtetest im Motorsport bestehen. Der einzige Allrad-Porsche, der jemals in Le Mans an den Start geht, ist eine Rundstreckenversion des Porsche 959. Der Einsatz des Bi-Turbo-Rennwagens mit wassergekühlten 4-Ventil-Zylinderköpfen dient ausschließlich der Erprobung. René Metge und Claude BallotLéna schaffen in der IMSA-GTX-Klasse dennoch einen Sieg und belegen vom 26.Startplatz aus am Ende den respektablen siebten Gesamtrang. Porsche und die Polizei – eine besondere Verbindung. Schon der 356 beschleunigte die Amtsgeschäfte. Am 15.Juli 1996 läuft in Zuffenhausen ein ganz spezieller 911 vom Band, der einmillionste Sportwagen, den Porsche seit 1948 produziert hat. Dieses besondere Fahrzeug wird von Professor Ferry Porsche und Dr. Wendelin Wiedeking dem Land Baden-Württemberg übergeben. Das Revier des Elfers der Baureihe 993 wird die Überholspur, wo er bis zu seiner Ausmusterung bei der Autobahnpolizei zuverlässig Dienst tut. Er ist von Hand in Weissach gemacht und er soll das weiterentwickelte Vierzylinder-Konzept im Motorsport erproben. Unter der Tarnbezeichnung 924 GTP verbirgt sich der Prototyp des künftigen Porsche 944. Die Ingenieure schicken den mit einemTurbomotor ausgerüsteten Rennwagen 1981 ohne Gewinnabsichten nach Le Mans.Trotzdem schaffen die Tester Walter Röhrl und Jürgen Barth nach 4401 Kilometern (Schnitt 184 km ⁄ h) mit den kürzesten Boxenstoppzeiten einen Klassensieg und den siebten Rang im Gesamtklassement. Der Auftrag war kurz und knapp formuliert: alles so leicht wie möglich! Der 909 mit dünner Kunststoffhaut, seinem Aluminiumrahmen, den Beryllium-Bremsscheiben und einem Druck-Kugeltank kommt als Versuchsträger zu Hoch-Zeiten der Berg-Europameisterschaft zum Einsatz. Für diese populäre Art Rennsport wird das Fahrzeuggewicht, das lediglich 384 Kilogramm beträgt, optimal verteilt. Der Mittelmotor rückt dabei ebenso weiter nach vorn wie der Fahrer. Aus dem eleganten Versuchsträger entsteht der 908 ⁄ 03. 917⁄ 30 Spyder 917 KH Coupé Studie „Panamericana“ 924 Baustufe 1 Baujahr: 1973 Motor: 12-Zylinder Hubraum: 5374 cm3 Leistung: 1200 PS (882 kW) Höchstgeschwindigkeit: 385 km ⁄ h Baujahr: 1971 Motor: 12-Zylinder Hubraum: 4907 cm3 Leistung: 600 PS (441 kW) Höchstgeschwindigkeit: 360 km ⁄ h Baujahr: 1989 Motor: 6-Zylinder-Boxer Hubraum: 3557 cm3 Leistung: 250 PS (184 kW) Höchstgeschwindigkeit: 210 km ⁄ h Baujahr: 1974 Motor: 4-Zylinder-Reihe Hubraum: 1984 cm3 Leistung: 125 PS (92 kW) Höchstgeschwindigkeit: 200 km ⁄ h Ein Rennwagen wie ein Donnerhall, und nicht allein die PS-Zahl macht Eindruck: 400 Liter fasst der Tank des Spyders, der gern als stärkster Rennwagen aller Zeiten bezeichnet wird. Der weiterentwickelte Zwölfzylinder beherrscht mit seiner Turboaufladung die Rennstrecken und schafft mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 355,85 km ⁄ h einen inoffiziellen Weltrekord. Mit Mark Donohue am Steuer gewinnt Porsche zwei Mal überlegen die CanAm-Serie. Diese Dominanz ist den Amerikanern aber zu viel: Sie ändern das Reglement, was zum Ausschluss des 917 führt. Mit der Kurzheckversion des 917 mit den „Haifischflossen“ stellen Gijs van Lennep und Helmut Marko 1971 einen Streckenrekord für die Geschichtsbücher auf: Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 222,30 km ⁄ h legen sie beim 24-Stunden-Rennen von LeMans 5335,16 Kilometer zurück. Unter den sechs Porsche, die am Start sind, ist das Siegerauto eigentlich nur Außenseiter. Es handelt sich um ein Experimentalfahrzeug in extremer Leichtbauweise – wovon Magnesium-Gitterrohrrahmen und gelochte Bremsscheiben zeugen. Am Ende haben van Lennep ⁄ Marko zwei Runden Vorsprung! Ein Geburtstagsgeschenk mit Folgen: zu seinem 80. Geburtstag bekommt Ferry Porsche eine fahrbereite Studie auf Basis des 911Carrera4 geschenkt. Unter dem wohlklingenden Namen „Panamericana“ wird das in nur wenigen Monaten entstandene Modell auch auf der Internationalen Automobil-Ausstellung 1989 in Frankfurt präsentiert. Das Konzept mit der horizontalen Dachstruktur und dem Festdach unter dem Stoffverdeck beeinflusst stark die weitere Entwicklung des 911 Targa. Und gibt den Anstoß zum Bau eines Roadsters, dem späteren Porsche Boxster. Ursprünglich wird der 924 für Volkswagen als Nachfolger des 914 entwickelt. Wegen der Energiekrise Mitte der siebziger Jahre stoppt VW jedoch das Projekt. Porsche baut den Sportwagen als Einsteigermodell in Eigenregie und beschreitet dafür ganz neue Wege: Der 924 bekommt einen wassergekühlten Frontmotor mit vier Zylindern, Getriebe und Tank befinden sich bei der Transaxle-Bauweise hinten. Schon die erste Baustufe weist die große gläserne Heckklappe als markantes DesignMerkmal aus. Mehr als 150 000 der von 1976 an im Audi-Werk in Neckarsulm gefertigten Fahrzeuge werden verkauft. B