Ergebnisse der Nutzeranalyse (Thesen)
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Ergebnisse der Nutzeranalyse (Thesen)
Herausgeber: Gesundheitsamt Essen Redaktion: Büro Gesunde Stadt des Gesundheitsamts Essen Horst Heinemann Lisa Schwermer Varnhorststraße 17 45127 Essen Fax: 0201 – 88 53 135 E-Mail: [email protected] [email protected] Januar 2003 2 Inhalt Patientenberatung, Patientenrechte. Eine neue Kraft im Gesundheitswesen 5 Bürgerinformationssysteme (AG 1) 9 Patientenrechte (AG 2) 13 Barrierefreiheit für Behinderte (AG 3) 19 Ambulante Krebsberatung (AG 4) 21 Patientenberatung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Hilfen (AG 5) 27 Anhang 43 Patientenberatung in Essen – Übersicht zu den Handlungsempfehlungen 45 Modellprojekt „Bürgerorientierung des Gesundheitswesens“ 47 3 4 Patientenberatung, Patientenrechte Eine neue Kraft im Gesundheitswesen „Patientenrechte in Deutschland heute“ ist der Titel des Beschlusses der 72. Gesundheitsministerkonferenz vom Juni 1999. In diesem Dokument geht es um Patientenrechte auf sorgfältige Information, um Patientenrechte in der Behandlung, um das Recht auf selbstbestimmtes Sterben und um Rechte im Schadensfall. Ein sehr grundsätzliches Papier, wie die Präambel zeigt: „Niemand darf bei der medizinischen Versorgung wegen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen, politischen und sonstigen Anschauungen, seines Alters, seiner Lebensumstände oder seiner Behinderung diskriminiert werden. Behandlung und Pflege haben die Würde und Integrität des Patienten zu achten, sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf Privatheit zu respektieren und das Gebot der Humanität zu beachten. Respekt, Vertrauen und die einverständliche Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegepersonal und Patienten sind unabdingbare Voraussetzungen für den gewünschten Erfolg einer Behandlung.“ Stärker mit (kritischem) Blick auf Details des deutschen Gesundheitswesens ging der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zu Werke, als er in einem Gutachten 2000/2001 dafür eintrat, die Patientenrechte in einem eigenständigen Patientenrechte-Gesetz zusammen zu fassen: Eine eigenständige gesetzliche Regelung sei erforderlich, um die derzeit komplexe rechtliche Situation im Gesundheitswesen für die Patienten in einfacher Weise identifizierbar zu machen, heißt es in diesem Gutachten. Dabei sollte die Rechtsangleichung an europäisches Recht berücksichtigt werden. Die Sachverständigen betonen, die Rolle der Patienten sei im Wandel begriffen. In der Vergangenheit seien die Patienten vor allem in der Rolle gewesen, sich auf die Fürsorge, die Bedarfsgerechtigkeit und die Qualität der Entscheidungen anderer verlassen zu wollen oder zu müssen; zukünftig könnten sie eine Rolle als eigenständige Kraft im Gesundheitswesen übernehmen. Davon gehe ein wachsender Einfluss auf die Zielorientierung, die Prozesse und die Strukturen des Versorgungssystems aus. Für das Gesundheitswesen werde die Frage, inwieweit eine aktive mitgestaltende Rolle von Bürgern, Versicherten und Patienten verwirklicht sei, an Bedeutung gewinnen. Bislang sei die Rolle des Konsumenten kaum angemessen gestärkt worden. Der Sachverständigenrat kommt außerdem zu dem Schluss, das deutsche Gesundheitswesen leide an einer mangelnden Orientierung im Hinblick auf explizite gesundheitliche Ziele. Fast zwangsläufig werde in der Diskussion die Ausgabenebene überbetont. Die einseitige Orientierung an den Ressourcen komme auch dadurch zum Ausdruck, dass die Beitragssatzstabilität als Sollvorschrift in das Gesetzbuch aufgenommen worden sei. Auf Grund dieser Herangehensweise reduzierten sich die meisten "Gesundheitsreformen" auf reine Kostendämpfungsmaßnahmen. Diesem Umstand müsse mit einer öffentlichen Zieldiskussion begegnet werden. Noch weniger global, mithin auch für Essen gültig und auf Essen anwendbar, ist das Ergebnis des nordrhein-westfälischen Modellprojekts zur Bürgerorientierung im Gesundheitswesen und einer in diesem Zusammenhang vorgenommenen repräsentativen Umfrage. Danach wünschen sich rund 80 Prozent der Befragten eine verstärkte Zusammenarbeit der Anbieter im Gesundheitswesen und mehr Informationen über Therapie und Diagnostik. Weit über die Hälfte der Befragten vertrat die Auffassung, dass die Interessen von Patientinnen und Patienten im Gesundheitswesen nur „ausreichend“ (rund 42 Prozent) oder gar „schlecht“ (rund 16 Prozent) berücksichtigt werden. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Birgit Fischer hat dazu erklärt: “Wir wollen eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten im Gesundheitswesen ... und wir wollen die Stellung der Patientinnen und Patienten stärken“. 5 Am Modellprojekt des Landes beteiligten sich die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, die Barmer Ersatzkasse, die Verbraucherzentrale NRW, der Gesundheitsladen Bielefeld und das Gesundheitsamt des Oberbergischen Kreises. Die Ärztekammern und die am Projekt beteiligte Kasse bereiteten Daten und Informationen verständlich auf, so dass die Kammern besser über geeignete Fachärzte und Krankenhäuser informieren können. Die BEK versetzte ihre Geschäftsstellen an Modellstandorten in die Lage, Fragen der Versicherten zum Beispiel zum Leistungsrecht und zu Behandlungsmethoden direkt zu beantworten. Verbraucherzentrale und Oberbergischer Kreis erstellten Informationsmaterial unter anderem zu Krankenkassentarifen und den Kosten einer Zahnbehandlung. Der „Gesundheitsladen Bielefeld“ weitete sein Beratungsangebot auf vermutete Behandlungsfehler und rechtliche Fragen aus. Dieses Modellprojekt wurde von Professor Dr. Norbert Wohlfahrt (Bochum) wissenschaftlich begleitet. Eine Übersicht der von Wohlfahrt der Gesundheitskonferenz vorgetragenen Ergebnisse des Modellprojekts bietet der Anhang dieses Bandes. * Die Gesundheitskonferenz Essen hat mehrfach das Thema Patientenberatung diskutiert, auch die Frage, ob es zum Schwerpunktthema der Gesundheitskonferenz werden solle. Dabei wurden Unsicherheiten und Unterschiede bei Einschätzungen offenkundig. - Beispiele: Ist die Unabhängigkeit der Patientenberatung durch die bestehenden Stellen gewährleistet oder vertreten diese nicht auch Interessen Ihrer Träger? Oder: Schöpfen Krankenkassen die Möglichkeiten und gesetzlichen Verpflichtungen zur Gänze aus, wenn sie Call-Centers mit Patientenberatung beauftragen? Trotz unbeantworteter Fragen wurde vorgeschlagen, Anstöße zum Thema zu bündeln und um weitere Aspekte zu ergänzen. Das heißt: Das Thema wurde für die Essener Situation genauer bestimmt, eingegrenzt, Teilprojekte wurden festgelegt. Ziel war es, auf dieser Grundlage Arbeitsgruppen zu beauftragen, eine Bestandsaufnahme vorzulegen, fachliche Standards und geeignete Organisationsformen zu diskutieren und vor allem Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Weil das Thema der Patientenberatung und der Bürgerorientierung im Gesundheitswesen hohe Aktualität hat und durch Modellprojekte und neue Förderungsmöglichkeiten Unterstützung finden könnte, erschien es wichtig, aus verschiedenen Blickwinkeln die Schwerpunkte und Realisierungschancen auf die Essener Situation hin auszuloten. Zentrale Punkte – global und auf Essen bezogen – dieser Diskussion waren: Bürgerorientierung des Gesundheitssystems Stärkung der Position und der Informationslage der Patienten Defizite der Information und wie sie behoben werden können Umsetzungschancen der aus der Diskussion entstehenden Vorhaben Über die Aktualität des Themas „Bürger- und Patientenorientierung im Gesundheitswesen“ bestand Einigkeit: Es geht um die Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen, um die Verbesserung von Information, Transparenz, Qualität und Sicherheit. Dabei soll vor allem geprüft werden, wie Bürger, Patienten und Versicherte befähigt werden können, das bestehende Dienstleistungsangebot stärker und intelligenter zu nutzen, Einfluss nehmen zu können auf das Angebot gesundheitlicher Dienstleistungen. Die vorhandenen Angebote müssen besser bekannt, mehr vernetzt und deutlicher an Bedarfen ausgerichtet werden. 6 Die Ergebnisse der auf dieser Grundlage von der Gesundheitskonferenz beauftragten fünf Arbeitsgruppen 1 Bürgerinformationsysteme 2 Patientenrechte 3 Barrierefreiheit für Behinderte 4 Ambulante Krebsberatung 5 Patientenberatung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Hilfen liegen nun vor. Die von den Arbeitsgruppen formulierten Handlungsempfehlungen werden auf dem Weg zu ihrer Realisierung weiter verfolgt, beobachtet, betreut - im Sinne einer Evaluation der Arbeitsergebnisse durch die Gesundheitskonferenz, durch die zuständigen Arbeitsgruppen und durch damit betraute Facheinrichtungen. Die Ergebnisse – Erfolge wie Misserfolge, Fortschritte wie Stagnation – sollen in einem weiteren Gesundheitsbericht dokumentiert werden. Horst Heinemann 7 8 Arbeitsgruppe 1: Bürgerinformationssysteme Bericht und Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe 1 befasste sich mit Bestand, Aufgaben, Zielen und Perspektiven, Handlungsempfehlungen Sie bestand aus: Dr. Karl Deiritz, WIESE e. V. Horst Heinemann, Gesundheitsamt Essen Dr. Mechthild Keller, Kassenärztliche Vereinigung Eleonore Schnoor, Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten Helmut Kiedrowicz, AOK Rheinland Ulrich Vogel, BKK Krupp, Thyssen und Partner (unterdessen im Ruhestand; ein Nachfolger wurde nicht benannt) Bestand Zur Zeit gibt es drei übergreifende Systeme: 1. „Gesundheitstelefon“ 2. Portal „Essen forscht und heilt.de“ 3. Portal „Gesundheit“ unter essen.de Das „Gesundheitstelefon“ entstand auf Initiative des Gesundheitsamts und (bei der Software) in Kooperation mit dem „Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst NRW“ (loegd); auf Vermittlung der Essener Wirtschaftsförderungs Gesellschaft (EMG) entstand 1999 eine vertraglich festgelegte Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsamt und dem Essener Betreiber eines Call-Centers, der Firma Connect Marketing Service (CMS), heute CMS 24. Auf Grund von Beschwerdenüber die Qualität der Auskünfte hat das Gesundheitsamt im Oktober 2002 Vereinbarungen zur Verbesserung mit CMS 24 getroffen. Das Portal „EFUH“ wurde auf Initiative des „Grevenbroicher Kreises“ eingerichtet. In der Praxis zeigten sich Mängel vor allem bei der Aktualisierung. Deshalb soll dieses Portal mit dem unter essen.de einzurichtenden Portal „Gesundheit“ (siehe unten) verbunden werden. Neben Adressen des Gesundheitswesens in Essen (zum Teil Links auf Homepages) enthält es auch überregional wichtige und interessierende Hinweise auf die ökonomische Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in Essen, außerdem aktuelle Meldungen und Termin-Ankündigungen Das Portal „Gesundheit“ entstand auf Initiative von Gesundheitsamt und WIESE e. V.; grafisch und technisch wurde es von einer Arbeitsgruppe der Universität Essen (Prof. Dr. Dorloff) entwickelt und betreut. Es soll unter essen.de aufrufbar sein und neben den auch in „EFUH“ enthaltenen Adressen und aktuellen Meldungen und Terminen Hinweise auf Kontaktmöglichkeiten von Beratungsstellen und Projekten enthalten; hinzu kommen Links zu lokalen, regionalen und überregionalen Informationsmöglichkeiten. Das Portal ist derzeit (Januar 2003) noch nicht öffentlich zugänglich, kann jedoch freigeschaltet werden, sobald die Art der Einbettung in essen.de verbindlich geklärt ist. 9 Die enge Verzahnung der beiden Portale ist gewährleistet. Die Verbindung (Austausch, Abgleich) der Datensätze aller drei Systeme (also auch des „Gesundheitstelefon“) muss schnell geschehen. Weitere Informationsquellen Darüber hinaus gibt es spezialisierte Informationspools, die von Bürgerinnen und Bürgern telefonisch oder persönlich abgerufen werden können: bei den Krankenkassen bei der Koordinationsstelle für Psychotherapie der KV bei TransVer e. V. bei der Selbsthilfeberatungsstelle WIESE Gedruckte Informationsquellen: Der Bürgerservice der Gelben Seiten Die Weißen Seiten / Das Gesundheits- und medizinische Branchenbuch der Essener Wegweiser für Behinderte Der Selbsthilfewegweiser der WIESE Das Psychosoziale Adressbuch Der Essener Krebswegweiser Die Inhalte dieser Angebote müssen über die drei übergreifenden Systeme erreichbar sein. Aufgaben, Ziele, Perspektiven Gesundheitsinformationssysteme sollen Überschaubare, leicht und schnell erreichbare Informationen zu gesundheitlichen Themen und Anbietern im Gesundheitsbereich ermöglichen Im gleichen Sinne Informationen für das professionelle System bereit stellen Dem Anspruch dieser Systeme sind allerdings Grenzen gesetzt: Betreiben, Pflege und Ausbau der Systeme ist nach Ansicht der Arbeitsgruppe ein ständiger Prozess ohne absehbares Ende, auch ohne die realistische Aussicht auf Perfektion und auf Übernahme der Eigeninitiative und -verantwortung der Informationen Suchenden durch die Betreiber und Organisatoren. Es handelt sich um Systeme, die zu einer kompetenten Beratung oder Therapie hinführen, wobei für die Qualität der Beratung, der Untersuchung, der Therapie etc. ausdrücklich keine Garantie übernehmen werden kann. Eine Einwirkung der Organisatoren und Anbieter auf die Qualität der in den Systemen aufgeführten Angebote ist realistischerweise nicht möglich. Möglich – wenngleich ohne den Anspruch umfassender Zuverlässigkeit und Objektivität – ist eine Filterung von theoretisch zur Verfügung stehenden Angeboten vor der Aufnahme von Hinweisen darauf - zum Beispiel durch Verzicht auf kommerzielle oder unseriös erscheinende Angebote (die Verwendung des unklaren Begriffes „unseriös“ verweist auf die Schwierigkeit, eindeutige Kriterien für die Auswahl festzulegen). Ein beredtes Beispiel für die Probleme (großer Aufwand, nur ausschnittsweise Beurteilung möglich) bei der Beurteilung der Qualität von Angeboten hat die Zeitschrift „TEST“ der Stiftung Warentest in ihrer Ausgabe 8/2002 geliefert (siehe Anlage1). Und zu gesundheitsbezogenen Internetseiten hat die Zeitschrift „Blickpunkt öffentliche Gesundheit“ der Akademie für öffentliches Gesundheits- 10 wesen in Düsseldorf in Ihrer Ausgabe 3/2002 unter der Überschrift „Bei Gesundheitsthemen ist Vorsicht geboten“ über die Ergebnisse deutsch-englischer Studien berichtet (siehe Anlage 2). Handlungsempfehlungen Die beiden Internet-Portale und das „Gesundheitstelefon“ müssen funktionstüchtig(er) gemacht werden (ihre Datensätze miteinander abgleichen und verknüpfen). Das muss in Zusammenarbeit von Gesundheitsamt, Online-Redaktion der Stadt Essen, EWG und dem „Gesundheitstelefon“-Betreiber geschehen Beim Ausbau der Internet-Portale und des „Gesundheitstelefons“ müssen alle informierenden und beratenden Stellen mit Hinweisen (oder, wo möglich) mit Links berücksichtigt werden. Auch die Einbindung der gedruckt vorliegenden Informationsquellen, zumindest durch Hinweise auf ihre Existenz, ihre Inhalte und die Bezugsquelle, ist wichtig Die Systeme in Essen bekannt machen (beim „Gesundheitstelefon“ sollte geprüft werden, ob eine neue einprägsame Telefonnummer zur Verfügung gestellt werden kann). Diese Aufgabe soll vom Gesundheitsamt in Zusammenarbeit mit EWG und EMG gelöst werden Die Träger des lokalen Gesundheitssystems müssen dazu bewegt werden, durch Vorschläge, Kritik und eigene Angebote den Informationsgehalt und die Aktualität der Systeme zu sichern. Diese Motivationsarbeit kann vom Gesundheitsamt geleistet, zumindest koordiniert werden So weit wie möglich (siehe oben) Qualitätskriterien für Gesundheitsinformationen erarbeiten und anzuwenden – eine Aufgabe für die Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe muss die Informationssysteme ständig kritisch und konstruktiv begleiten und beobachten, Ergänzungen und Verbesserungen empfehlen und auf deren Realisierung dringen. Damit hat die Arbeitsgruppe die Vertreter der WIESE und des Gesundheitsamts beauftragt Es muss nach Möglichkeiten gesucht werden, eine grundsätzlich wünschenswerte „Lotsenfunktion“ innerhalb der Informationssysteme organisatorisch, personell und finanziell zu ermöglichen * Anlage 1 Unter dem Titel „Wissenslücken“ wurde über einen Test von Krankenkassen-Hotlines berichtet: „Zum Thema Medizin haben Kranke, aber auch Gesunde Fragen über Fragen. Die Krankenversicherer geben Antworten am Telefon. Doch wie ist es um deren Qualität bestellt? Wir haben 16 Medizin-Hotlines getestet“. Das waren die Testfragen an die nach Aussage der Redaktion größten Anbieter: 1. Worauf müssen Angehörige von Diabetikern achten? 2. Welche Risiken birgt eine Laseroperation zur Behandlung von Kurzsichtigkeit? 3. Wer hilft bei Depressionen? 4. Welche Impfungen sind für eine Reise nach Kenia notwendig? Was kosten sie? Wer impft? 5. Was kostet ein HIV-Test? Bezahlt ihn die Krankenkasse? 6. Was kostet ein Gehwagen (Rollator)? 7. Gibt es einen Zahnarzt, der mit Laser oder Chemikalien „bohrt“? 11 Die medizinische Auskunft bekam im Test nur bei zwei Krankenkassen die Note „gut“. Nach der wohl ironisch gemeinten Zwischenüberschrift „Keine gesundheitsgefährdenden Antworten“ heißt es im Bericht: „Die medizinische Kompetenz der meisten Hotlines im Test war ´befriedigend`... Wirklich überragende Ergebnisse erzielte aber keine Hotline. Dazu schwankte die Qualität der Auskünfte zu medizinischen Fragen, Kosten und Adressen zu stark. Doch immerhin: Auch wenn die medizinischen Informationen nicht immer vollständig waren, zumindest haben wir keine falschen oder gesundheitsgefährdenden Antworten bekommen. Wie gut eine Auskunft ist, hängt auch von den jeweiligen Gesprächspartnern im Callcenter ab. In Einzelfällen informierten sie unsere Testanrufer hervor-ragend. Teilweise wurden sehr ausführliche Gespräche geführt, die eine halbe Stunde dauerten. In anderen Fällen waren die Informationen eher dürftig und die Testpersonen wurden kurz abgespeist...Am besten schnitten die Hotlines bei der Frage nach den für Kenia notwendigen Reiseimpfungen ab... Alle Kassen erklärten, dass eine Malaria-Prophylaxe notwendig ist, und immerhin 14 erläuterten die Bedeutung von Tetanus, Diphtherie, Polio, Hepatitis A und B sowie Gelbfieber, womit zumindest die wichtigsten Impfungen abgedeckt sind...Worauf die Angehörigen von Diabetikern achten müssen, konnten dagegen erstaunlich wenige Hotlines vermitteln. Nur sieben verwiesen auf die Bedeutung der Ernährung, nur fünf machten darauf aufmerksam, dass Diabetiker immer ein Stück Traubenzucker bei sich haben sollten, zwei konnten gar keine konkreten Tipps geben...“ Als „Fazit“ nennt die Zeitschrift: „Die Mitglieder der Krankenversicherungen sollten die Patienten-Hotlines nutzen, auch wenn sie dort immer mal wieder auf Wissenslücken stoßen. In den meisten Fällen bemühen sich die Mitarbeiter, die gewünschten Informationen zu beschaffen, und rufen die Versicherten auch häufig zurück. Patienten können mit einer gut erreichbaren und freundlichen Callcenter rechnen. Ärgerlich sind aber die Schwächen bei den Adress- und Kostenauskünften“. Anlage 2 „Beim Thema Gesundheit wird man/frau im Internet fündig. Tausende Internetseiten informieren. Aber - sind die angebotenen Informationen verlässlich? Werden wir gut informiert? Untersuchungen zu dieser Frage gibt es bereits viele. Ein deutsch-englisches Wissenschaftlerteam hat jetzt 79 entsprechende empirische Studien systematisch durchgesehen. 7270 Internetseiten (websites und webpages) wurden in diesen Studien evaluiert. Immerhin 55 Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Qualität der im Web angebotenen Gesundheitsinformationen einiges zu wünschen übrig lässt: ´quality is a problem on the web`. 22 Studien urteilen neutral. Lediglich 7 Studien bescheinigen den Informationen eine gute Qualität, wobei in diesen Studien deutlich weichere Kriterien verwendet wurden. Das Resümee der Wissenschaftler: die Ergebnisse der Studien lassen sich nur schwer zusammenführen, zu groß sind die methodischen Unterschiede. So machten sie allein 86 unterschiedliche Qualitätskriterien zur Bewertung der Internetseiten aus. Es bedürfe hier - so die Wissenschaftler – dringend standardisierter Kriterien. („Empirical Studies Assessing the Quality of Health Information for Consumers on the World Wide Web. A Systematic Review, in: Journal of the American Medical Association, Vol. 287, No. 20, p. 2691). Das Resümee für uns ´user`: Bei Informationen zum Thema Gesundheit ist auf jeden Fall Vorsicht geboten.“ 12 Arbeitsgruppe 2: Patientenrechte Bericht und Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe 2 beschäftigte sich mit dem Stand der Beratung zu Patientenrechten in Essen und erarbeitete Handlungsempfehlungen. Sie bestand aus • Frau Böttcher • Herr Fredrich • Frau Gitter • Frau Dr. Kloppenburg • Herr Löhr • Herr Werntges • Frau Schwermer Gesundheitsamt/Handlungsprogramm Schwule und Lesben Verband Pflegemanagement, Pflegedienstleiter des Lutherhauses Innungskrankenkasse, sozialer Dienst Kassenärztliche Vereinigung, niedergelassene Ärztin Krankenhausverband, Geschäftsführer der Kliniken Essen-Süd Notgemeinschaft der Medizingeschädigten NRW Gesundheitsamt/Geschäftsstelle Gesundheitskonferenz Ausgangssituation, Bedarf und Ziele Selbstverständnis und Rolle von Patientinnen und Patienten befinden sich in den letzten Jahren in einem deutlichen Wandel. Mehr und mehr stellt sich das Gesundheitssystem auf informierte, Entscheidungen mit tragende Nutzer und Nutzerinnen ein und erprobt sich mit zunehmendem Erfolg in „Kommunikation auf Augenhöhe“. Nicht überall fällt der Abschied von paternalistischen Strukturen in der Medizin leicht und häufig lassen sich unterschiedliche Rollenerwartungen, Verantwortlichkeiten und Ansprüche nicht ohne Konflikte lösen. Es ist für Patienten und Patientinnen und fachliche Stellen schwierig, sich einen Überblick über die rechtlichen Regelungen zu verschaffen, da diese bisher in unterschiedlichen Gesetzestexten verstreut sind und das angekündigte Patientenrechtegesetz noch nicht in Sicht ist. Der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen empfiehlt, Patientenkompetenz und -partizipation als Schlüsselqualitäten zukünftig besser zu nutzen, da sie einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Leistungen und auf die Wirtschaftlichkeit des gesamten Systems haben. Dabei sollte bei der sozialen und institutionellen Unterstützung, bei den edukativen Faktoren und den rechtlichen Rahmenbedingungen angesetzt werden ( Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Band 1, Seite 40). Aktuell lassen sich sowohl Gründungen von unabhängigen Patientenberatungsstellen als auch starke Bemühungen um eine klare Nutzerorientierung in nahezu allen Bereichen des Gesundheitssystems verzeichnen. So hielten bei einer Telefonumfrage des Landesinstituts für den öffentlichen Gesundheitsdienst 48% der Befragten unabhängige Beratungsstellen für wichtig oder sehr wichtig, 41% möchten stärker über Patientenrechte aufgeklärt werden und 20% wussten nicht, an wen sie sich bei Beschwerden wenden könnten. Auch auf der professionellen Ebene ist die Diskussion um die Balance von Unabhängigkeit und Fachlichkeit längst nicht abgeschlossen, auch wenn die Förderung von Modellen der Patientenberatung zur gesetzlichen Aufgabe der Krankenkassen geworden sind. ( siehe §65b SGB V) Vermutlich wird sich die Situation in Essen in bezug auf die Beratungsmöglichkeiten zu Patientenrechten nicht wesentlich von der in anderen Städten unterscheiden. Trotzdem können von einer genauen Bestandsaufnahme der Essener Situation in diesem Bereich wichtige Hinweise erwartet werden, in welchen Punkten und mit welchen geeigneten Maßnahmen Kompetenz und Beteiligung von Nutzern und Nutzerinnen gesundheitlicher Leistungen in Essen weiter unterstützt werden sollten. 13 Speziell zum Thema Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten war im Vorfeld der Arbeitsgruppe Klärungsbedarf benannt worden, da durch die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der im Umlauf befindlichen Formulare Verunsicherungen und auch Zweifel an deren rechtlicher Wirksamkeit und Angemessenheit für unterschiedliche Lebenssituation (z. B. gleichgeschlechtliche Paare) bestehen. Der Bestand Die Arbeitsgruppe erstellte nach gründlicher Recherche folgende Übersicht über die Stellen, an die sich Patienten und Patientinnen zur Information und Klärung ihrer Rechte wenden können. Krankenkassen • jeweils zuständige Stellen bei den einzelnen Krankenkassen • Widerspruchsausschüsse der Krankenkassen • Einige Krankenkassen: online – Informationsdienste Niedergelassene Ärzte und Ärztinnen • Kreisstelle Essen der Ärztekammer Nordrhein • Patientenberatung und Clearingstelle der Ärztekammer Nordrhein, Düsseldorf auch Vermittlung zur Gutachterkommission bei entstandenem Schaden und dringendem Verdacht auf ärztliche Behandlungsfehler • Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle Essen/Koordinierungsstelle Psychotherapie • Bezirksstelle Essen der Zahnärztekammer Nordrhein • Patientenberatung der Zahnärztekammer Nordrhein Heilpraktiker Das Gesundheitsamt ist für die Erlaubniserteilung und Aufsicht über die niedergelassenen Heilpraktiker zuständig. Gesundheitsfachberufe Das Gesundheitsamt erteilt Erlaubnisse und führt die Aufsicht über die niedergelassenen Gesundheitsfachberufe z. B. Physiotherapeuten (Krankengymnasten/Masseure) und Logopäden. Krankenhäuser • Verwaltungsleitung, ärztliche Leitung und die Pflegedienstleitung • Patientenfürsprecher in den einzelnen Krankenhäusern • Rechtsaufsicht nach Krankenhausgesetz des Landes NRW beim Gesundheitsamt Apotheken Arzneimittelüberwachung des Gesundheitsamtes 14 Ambulante Pflege • Beratungsstelle Pflege der AWO, Kreisverband Essen e. V. • Beratungsstelle Pflege des Caritasverbandes für die Stadt Essen e. V. • Beratungsstelle Pflege des Diakoniewerkes Essen e. V. • Beratungsstelle Pflege des DRK, Kreisverband Essen e. V. • Beratungsstelle Pflege des PARITÄTISCHEN und seiner Mitgliedsorganisationen • Beratungsstelle Pflege des Pflegeverbundes Essen im AfK e. V. • Beratungsstelle Pflege der Stadt Essen Stationäre Pflege Heimaufsicht des Gesundheitsamtes für Alten- und Pflegeheime sowie Heime für erwachsene Menschen mit Behinderungen. Schutz der Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner/innen. Beratung in Heimangelegenheiten, Überprüfung von Beschwerden. Hygienefragen/Fragen zum Infektionsschutzgesetz Gesundheitsamt Patientenschutz • Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle Essen, telefonische Hotline zu Rechtsfragen • Anwälte mit Erfahrung im Patientenrecht Weitere beratende Stellen, die unter anderem zu Patientenrechten informieren • Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V., Heppenheim • Notgemeinschaft der Medizingeschädigten, Dormagen • WIESE e.V. Kontaktstelle für Selbsthilfe • TransVer e.V. Information und Beratung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Angeboten • Seniorenbeirat • Zentrale Beratung behinderter Bürger der Stadt Essen • Beratungsstelle des Gesundheitsamtes für Behinderte /Sozialpädiatrisches Zentrum • Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter • Sozialpsychiatrischer Dienst des Gesundheitsamtes • Betreuungsstelle für gesetzliche Betreuungen • AIDS-Hilfe Essen • und andere Bewertung des Bestandes Beratung zu Patientenrechten findet täglich in Arztpraxen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Beratungsstellen und im öffentlichen Gesundheitsdienst statt und ist Teil der täglichen Arbeit der Professionellen. Auch im Rahmen von Leitungsfunktionen in Gesundheitseinrichtungen oder bei berufsständischen Organisationen und den Krankenkassen ist diese Aufgabe Teil des Selbst- und 15 Aufgabenverständnisses. Ein gezieltes Beschwerdemanagement ist allerdings noch selten vorhanden oder gerade erst im Aufbau. Die meisten der in Essen vorhandenen Ansprechstellen für Patienten und Patientinnen sind innerhalb der oben genannten Organisationen als mehr oder weniger spezialisierte Stellen angesiedelt. (Beispiele: Patientenfürsprecher in Krankenhäusern, Clearingstelle der Ärztekammer Nordrhein.) Damit sind sie eng an die Fachlichkeit der jeweiligen Institution angebunden, werden aber von Patienten und Patientinnen auch in deren Abhängigkeit gesehen, was in Konfliktfällen wahrscheinlich die Zugänglichkeit und unbefangene Nutzung erschwert. In Ausbildung und Fortbildung werden Sensibilität in dieser Frage, aktuelle rechtliche Informationen und ausreichende kommunikative Fähigkeiten als wesentliche Voraussetzungen nur unzureichend vermittelt. Diese Situation begünstigt in Verbindung mit Zeitknappheit und mangelnden personellen Ressourcen Verhaltensunsicherheiten und Vorbehalte. Der öffentliche Gesundheitsdienst nimmt in vielen Bereichen Aufsichtsfunktionen wahr. In einem neuen Verständnis seiner Aufgaben trägt er damit zur Qualitätssicherung im Gesundheitsbereich bei. Seine gleichzeitige Dienstleisterfunktion für ratsuchende Bürger und Bürgerinnen ist noch zu wenig nach innen und außen profiliert. Für Ratsuchende bestehen zu wenig Übersicht und teilweise zu hochschwellige Zugangswege zu den vorhandenen Ansprechstellen. Nach Einschätzung der Mitglieder der Arbeitsgruppe „verirren“ sich die Patienten und Patientinnen zu häufig in diesem System oder werden auf der Suche nach der richtigen Stelle mutlos. Daher hält die Arbeitsgruppe eine „Portalstelle mit Lotsenfunktion“ in Essen für erforderlich. Das Gesundheitstelefon, das diese Funktion grundsätzlich wahrnehmen könnte, ist in seiner bestehenden Form dazu nicht in der Lage. Im ambulanten Pflegebereich gibt es eine deutlich verbesserte Situation durch den Aufbau von sieben Pflegeberatungsstellen in verschiedener Trägerschaft. Auch die Verbraucherberatung hat in den letzten Jahren ihre Angebote im Bereich der gesundheitsbezogenen Beratung verstärkt. Informationen zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten werden zu sehr auf die Ebene der Formulare reduziert und zu spät, d.h. erst bei Eintreten schwerer Erkrankungen oder im Alter zum Thema gemacht. Zudem bestehen weiterhin auf Seiten der Ärzte und Ärztinnen Zweifel am Nutzen und der Rechtsverbindlichkeit solcher Regelungen und auf Seiten der Patienten an deren Wirksamkeit. Handlungsempfehlungen Herausgabe eines Essener Patientenratgebers Der in der Arbeitsgruppe bearbeitete Text der NRW-Broschüre „Patientenrechte in Deutschland“ soll als Essener Patientenratgeber mit einem auf Essen bezogenen Adressteil veröffentlicht und in Essen weit verbreitet werden. Stärkere Berücksichtigung des Themas „Umgang mit Patientenrechten“ in Aus- und Fortbildung Das Thema „Umgang mit Patientenrechten“ soll stärker in die Aus- und Fortbildung von Fachkräften im Gesundheitswesen einbezogen werden, damit eine bessere Umsetzung in den verschiedenen Arbeitsgebieten gelingt (Selbstverpflichtung der Schulen und Fortbildungsträger). Dabei soll berücksichtigt werden, dass der Umgang mit dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten und Patientinnen auch mit inneren und äußeren Konflikten einhergehen kann. Lotsenqualität in den Essener Gesundheitsinformationssystemen installieren Über die im Essener Patientenratgeber enthaltene Auflistung von Adressen hinaus soll Rat suchenden Patienten und Patientinnen eine Stelle mit Lotsenfunktion zur Verfügung stehen. Die Arbeitsgruppe „Patienteninformationssysteme“ sollte die vorhandenen Informationsmedien auf ihre 16 Lotsenqualität hin überprüfen und Ressourcen von Scout 24 (Informationsdienst von Krankenkassen) und der Verbraucherberatung in die Bewertung einbeziehen. Informationen über Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten verbessern Die von der Arbeitsgruppe empfohlenen Informationen und Formulare zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sollten in Essen für Interessierte frühzeitig und auf einfachem Weg zur Verfügung stehen. Günstig erscheint die Einigung auf ein Formular, das allen behandelnden Stellen bekannt ist und im Essener Gesundheitswesen eine ausreichende Akzeptanz hat. 17 18 Arbeitsgruppe 3: Barrierefreiheit für Behinderte Bericht und Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe 3 konzentrierte sich auf eine Erhebung zur Situation von Rollstuhlfahrern und Hörgeschädigten in Krankenhäusern. In einem aufwändigen Verfahren wurden die Häuser befragt und die ausgefüllten Fragebögen ausgewertet. Bei der Auswertung zeigte sich, dass es im Falle des Universitäts-Klinikums angesichts der Vielzahl und des unterschiedlichen Alters der Gebäude nicht möglich ist, eine Auswertung vorzunehmen. Die Arbeitsgruppe bestand aus: • Horst Heinemann, Büro Gesunde Stadt des Gesundheitsamts Essen • Prof. Dr. Nikolaus Konietzko, Ruhrlandklinik • Reinhard Osterfeld, AG Selbsthilfe Behinderter e. V. • Ingelore Stephan, Paargruppe Essen (Gesprächskreis für Hörgeschädigte mit guthörenden Partnern) • Jürgen Winter, Lutherhaus Bewertung des Bestands Kliniken und Krankenhäuser sind in der Regel barrierefrei. Bestehende Gebäudesubstanz (Altbauten) können nur mit erheblichem Aufwand umgebaut werden. Kleinere Hilfsmassnahmen schaffen bereits Erleichterung. Erfahrungen mit Hilfestellungen durch das Personal der Krankenhäuser und Kliniken in Essen sind positiv. Handlungsempfehlungen • Bei Umbau- und Neubaumassnahmen sollten die Barrierefreiheit berücksichtigt und die betroffenen Personenkreise rechtzeitig mit einbezogen werden • An Hand des Fragebogens der Arbeitsgruppe sollte die Sensibilität der technischen Dienste für die Barrierefreiheit geschärft werden werden • Handlungsbedarf besteht für die Hörbehinderten in Essen. Empfohlene Maßnahmen: o Anschaffung von mobilen Verstärker- und Übertragungsanlagen (Kosten ca. 400 €) o Schulungen während der Ausbildung von Ärzten, Krankenpflegern und Schwestern ( 3 4 Stunden) o Inanspruchnahme von Gebärdendolmetschern (LBG und DGS) o Einen Raum mit Induktionsschleifen ausstatten Die Vertreter der AG Selbsthilfe Behinderter e. V. und des Gesundheitsamts in der Arbeitsgruppe werden die Realisierung der Empfehlungen beobachten. 19 20 Arbeitsgruppe 4: Ambulante Krebsberatung Bericht und Empfehlungen der Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe 4 beschäftigte sich mit dem Stand der ambulanten Beratung bei Krebs in Essen und erarbeitete eine Handlungsempfehlung. Die Gruppe bestand aus: Mitglieder der Gesundheitskonferenz: • Frau Becker Wiese e.V., Onkologisches Netzwerk, • Herr Prof. Dr. Betzler Alfried-Krupp-Krankenhaus, Onkologischer Klinikverbund • Frau Kilz Paritätischer Wohlfahrtverband, Onkologisches. Netzwerk • Frau Neumann Bündnis 90/Die Grünen • Herr Vogel AG der BKK, BKK Krupp, Thyssen+Partner • Frau Schwermer Geschäftsstelle der Gesundheitskonferenz Die Arbeitsgruppe wurde um folgende Experten zum Thema Krebs erweitert: • Herr Fischer Selbsthilfegruppe Kehlkopflose • Frau Friedrich Pflegebüro des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, Onkologisches Netzwerk • Herr Korb Onkologisches Netzwerk, Klinikum Essen, Krebsberatung • Herr Löhr Krankenhausverband/Kliniken Essen-Süd • Herr Dr. Rudolph Onkologisches Netzwerk, niedergelassener Onkologe • Herr Prof. Dr. Seegenschmiedt • Herr Prof. Dr. Strasser Alfried-Krupp-Krankenhaus Alfried-Krupp-Krankenhaus, Netzwerk Palliativmedizin, AG Hospizgruppen Essen Die Ausgangssituation In Deutschland werden jährlich mehr als 330.000 Krebserkrankungen (164.900 Männer, 173.400 Frauen) neu diagnostiziert. 1740 der Neuerkrankungen entfallen auf Kinder unter 15 Jahren, mehr als die Hälfte auf Frauen und Männer nach dem 75. Lebensjahr. Die Zahl der in Essen mit seinem zentralen Einzugsbereich behandelten Neuerkrankungen wird auf 3000 - 5000 geschätzt, davon sind etwa 2000 Essener/innen. Als lebensbedrohliche Krankheit und zweithäufigste Todesursache löst Krebs bei den Betroffenen ein hohes Angstpotential aus. Psychosoziale Beratung ist eine zentrale Notwendigkeit, um Krankheitsbewältigung und Heilung bei Krebs zu ermöglichen und zu unterstützen. Zahlreiche Studien belegen die psychische Belastung einer Krebserkrankung. So zeigte eine Studie der Universität Köln, dass mehr als 50% der Krebspatienten und -patientinnen dauerhaft unter psychischen Belastungen leiden. Es wird geschätzt, dass bis zu 25% der an Krebs erkrankten Menschen und zum Teil deren Angehörige psycho-soziale und psycho-onkologische Beratung benötigen. Auch der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat 21 nach einer umfangreichen Befragung eine erhebliche Unterversorgung in diesem Bereich festgestellt. In den letzten Jahren sind in der Diagnose und Behandlung vieler Krebsarten erhebliche Erfolge erzielt worden und die medizinische Versorgung krebskranker Menschen hat in Essen ein hohes Niveau erreicht. Das Fehlen ausreichender Angebote im psychosozialen und psychoonkologischen Bereich begrenzt die Möglichkeiten eines umfassenden Versorgungskonzepts in Essen. Nach einer Analyse des Onkologischen Netzwerks (Herausgeber des Essener Wegweisers bei Krebs) fehlt eine unabhängige Beratungsstelle, die zu psychosozialen und medizinischen Fragestellungen berät und die für Betroffene eine Wegweiserfunktion im Hinblick auf die vorhandenen Versorgungsstrukturen übernimmt. Eine solche Stelle sollte sowohl mit den medizinischen Behandlungsstrukturen wie auch mit den Angeboten der Selbsthilfe beständig verknüpft sein. Ihr Aufgabenfeld sollte sich auf die Primärprävention, die Begleitung während der Diagnose- und Therapiephase und auf die Nachsorge und Integration von Betroffenen beziehen, um im Sinne einer umfassenden Lebensberatung bei Krebs für Betroffene, Angehörige und die Öffentlichkeit Hilfen anzubieten oder auf vorhandene Hilfen zu verweisen. In Essen sind in den letzten Jahren verschiedene Initiativen unternommen worden, um die Situation in der psychosozialen Beratung bei Krebs zu verbessern. Hier ist vor allem das umfangreiche Projekt des Onkologischen Schwerpunktes Ruhr Mitte der 90erJahre zu nennen. Diese Initiativen haben bisher trotz zunehmend besserer Vernetzungsstrukturen in der Krebsbehandlung und -beratung nicht zur Einrichtung einer Krebsberatungsstelle in Essen geführt. Der Bestand: Psychosoziale Hilfen bei Krebs in Essen Die folgende Bestandsübersicht fußt auf dem vom Onkologischen Netzwerk (als Zusammenschluss beratender Stellen zu Krebs) herausgegebenen „Essener Wegweiser bei Krebs“. Stationärer Bereich In sechs Essener Krankenhäusern wird eine spezielle Krebsberatung als Einzel- und/oder Gruppenberatung angeboten. Universitätsklinikum Essen Abteilung für Hämatologie Abteilung für Allgemein- und Transplantationschirurgie Zentrum für Tumorforschung und Tumortherapie Abteilung Strahlenklinik Zentrum für Kinderheilkunde Kliniken Essen Süd, Evangelisches Krankenhaus Essen-Werden Kliniken Essen-Mitte, Hyssensstift Alfried Krupp Krankenhaus, Klinik für Radioonkologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin angeleitete Gruppen und Gesprächskreise für Krebskranke und Angehörige Klinikum: Gesprächskreis für Patienten und Angehörige Klinikum: Gesprächskreis für Knochenmarktransplantierte Patienten und Angehörige Lutherhaus: Bochumer Gesundheitstraining Bethesda-Krankenhaus: Bochumer Gesundheitstraining Alfried Krupp Krankenhaus: Kunsttherapie/Gestaltungstherapie für Patienten und Angehörige 22 Ambulanter Bereich Außerhalb des stationären Bereichs bietet die Kontakt- und Beratungsstelle nach Krebs des DPWV in eingeschränktem Umfang Sozialberatung an und unterstützt und vermittelt in drei Selbsthilfegruppen. Die Stelle wird von der Pflegeberatung des Trägers unterstützt und erhält eine begrenzte kommunale Förderung. Selbsthilfe Die Selbsthilfekontaktstelle Wiese e.V. berät und unterstützt Selbsthilfegruppen und Interessierte. Zur Zeit bestehen in Essen neun Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige zu verschiedenen Krebserkrankungen. Bundesverband der Kehlkopflosen Ortsverein Essen e.V. Deutsche ILCO e.V. Gruppe Essen Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder Junge Leute mit Krebs Selbsthilfegruppe: Prostata Frauenselbsthilfe nach Krebs, Gruppe Essen Initiative Diagnose Brustkrebs Patientenliga Atemwegserkrankungen e.V., Ortsverband Essen Krebsselbsthilfe Werden (Leukämie, Plasmozytom, Lymphome und andere Bluterkrankungen) Psychoonkologie/Psychotherapie Psychoonkologische und psychotherapeutische Behandlung werden im ambulanten Bereich überwiegend durch psychologische und ärztliche Psychotherapeuten angeboten. In diesem Bereich muss mit Wartezeiten gerechnet werden. Informations- und Vermittlungsmöglichkeiten über: Koordinationsstelle für Psychotherapie der Kassenärztlichen Vereinigung in Essen TransVer Essen e.V. (Verein zur Vernetzung psychosozialer/psychotherapeutischer Angebote in Essen) Trauer und Sterben Sechs ambulante und stationäre Hospizdienste, zwei stationäre Hospize und vier Gesprächsgruppen/Beratungsstellen sind im Bereich Sterbe- und Trauerbegleitung tätig. Hospizdienste Hospiz Steele e.V. Hospizdienst am Alfried Krupp Krankenhaus Förderverein Cosmas und Damian Hospiz e.V. (Träger der ambulanten Sterbebegleitung, Förderer des stationären Hospizes) Ökumenischer Arbeitskreis „Sitzwachen“ Kettwig Ambulante ökumenische Hospizgruppe Werden 23 Stationäre Hospize Hospiz Essen-Steele e.V. Hospiz Cosmas und Damian Gesprächsgruppen/Beratungsstellen Trauergruppe Hospiz Essen-Steele Hospizverein „Sterben ist Leben“ e.V. Essen Cafe Trauerweide TABU Gesprächskreis: „Begleitung in der letzten Lebensphase – Trauerbewältigung“, Alfried Krupp Krankenhaus Essen, Prof. Strasser Sozialrechtliche Beratung und finanzielle Unterstützung Sozialrechtliche Beratung und finanzielle Unterstützung leisten in Essen: Sozialdienste in Krankenhäusern, Krankenkassen/Pflegekassen, Rentenversicherungsträger, Versorgungsamt, Hauptfürsorgestelle, Arbeitsamt, Gesundheitsamt, Sozialamt, Bürgerberatung/Behindertenberatung der Stadt Essen, Schwerbehindertenbeauftragte in Betrieben. Sport Fünf Vereine und Organisationen haben spezielle Sportangebote für Krebserkrankte entwickelt. Verein für Gesundheitssport und Sporttherapie an der Universität Essen ESPO DJK Heisingen DJK VFB Frohnhausen Behindertensportgemeinschaft Bewertung des Bestandes an psychosozialen Hilfen in Essen In Essen bestehen verschiedene psychosoziale Hilfen für Krebserkrankte und ihre Angehörigen. Sie sind erstmals im Essener Wegweiser bei Krebs als Übersicht veröffentlicht worden und umfassen eine Bandbreite von sportlichen Angeboten über Selbsthilfegruppen bis zu Angeboten psychosozialer Beratung und Therapie. Schwergewichte liegen auf der Beratung im stationären Bereich und in der Förderung von Selbsthilfegruppen. Aber auch im stationären Bereich bieten nicht alle Krankenhäuser eine spezielle psychosoziale Krebsberatung an und im Selbsthilfebereich gibt es einen Mangel an Selbsthilfegruppen bei Krebserkrankungen von Männern. Deutliche Defizite bestehen in vier Bereichen: in der ambulanten Krebsberatung, in der Versorgung mit psychotherapeutischen/psychoonkologischen Angeboten, in der Primärprävention und in einer tragfähigen und zielgerichteten Vernetzung der Bereiche medizinische Behandlung, Selbsthilfe und psychosoziale Beratung. Im Rahmen der stationären Krebsberatung, der Pflegeberatung und der Kontaktstelle für Selbsthilfe werden Beratungsbedarfe deutlich, die aber in diesen Bereichen schnell an Grenzen stoßen. Diese Bereiche können den Mangel an ambulanter psychosozialer Beratung durch ihre Angebote 24 nicht ausgleichen. Häufig muss daher auf Krebsberatungsstellen der Nachbarstädte (Bochum, Münster, Aachen) verwiesen werden. Der Paritätische Wohlfahrtsverband unterhält eine Kontaktstelle- und Beratungsstelle zu Krebs mit begrenzten Beratungskapazitäten. Der Träger ist grundsätzlich bereit, das Beratungsangebot in Richtung einer umfassenden Krebsberatungsstelle zu erweitern und hat Anfang des Jahres mit Hilfe von Mitteln des Arbeitsamtes eine ABM-Stelle einrichten können. Die Weiterentwicklung ist von den Finanzierungsmöglichkeiten einer solchen Stelle abhängig. Fazit: Die vorhandenen Strukturen in Essen sollten durch eine ausreichend ausgestattete und mit allen krebsbezogenen Angeboten und Stellen in Essen vernetzte ambulante Krebsberatungsstelle unterstützt und besser vernetzt und die defizitären Bereiche aufgegriffen werden. Eine solche Stelle hätte nicht die Funktion eines zusätzlichen Serviceangebots, sondern ist als zwingend notwendiger Bestandteil eines umfassenden Versorgungskonzepts zu Krebs in Essen zu entwickeln. Durch die vorhandenen Vernetzungsbereiche wie den Onkologischen Klinikverbund, das Netzwerk Palliativmedizin, das Onkologische Netzwerk und die Arbeitsgemeinschaft Essener Hospizgruppen sind hierzu bereits eine gute Ausgangsbasis für die notwendige Unterstützungsstruktur gegeben. Handlungsempfehlung: Schaffung einer ambulanten Krebsberatungsstelle Ziele/Aufgaben 1. Information, Beratung und Begleitung erkrankter Menschen und ihrer Angehörigen 2. Hilfen zur psychischen und sozialen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz 3. Aktivierung von Selbsthilfepotentialen, Förderung von Selbsthilfe 4. Kooperation und Vernetzung der eigenen Angebote mit bestehenden medizinischen und psychosozialen Versorgungsstrukturen, den Hospizdiensten und den Selbsthilfeeinrichtungen und -strukturen Bausteine/Arbeitsfelder 1. Klärung der persönlichen Situation der Ratsuchenden (psycho-soziale Diagnostik) 2. Lotsenfunktion zu allen Angeboten zu Krebs in Essen Orientierungs- und Klärungshilfe und Vermittlung 3. Zugang zu medizinischen Informationen/Vermittlung zu medizinischen Zweitmeinungen 4. Förderung der Selbsthilfe und Vermittlung in Selbsthilfegruppen in Verbindung mit der Kontaktstelle für Selbsthilfe „Wiese e.V.“ 5. Angebote praktischer Lebenshilfe und Gesundheitsförderung Prävention und Rehabilitation 6. Sozialrechtliche Beratung, Pflegeberatung und Beratung zu Patientenrechten, Beratung und Vermittlung zu Sterbebegleitung 7. Psychotherapeutische Angebote mit Schwerpunkten Krisenintervention und Krankheitsbewältigung, auch kunsttherapeutisch/gestaltungstherapeutische Angebote 8. Vernetzungs-, Koordinations- und Fortbildungsstelle für die beteiligten Dienste und Berufsgruppen 9. Öffentlichkeitsarbeit und Angebote der Primärprävention 25 Kosten, Finanzierung Die bestehenden 20 ambulanten Krebsberatungsstellen in NRW (siehe NRW-Broschüre: Krebs bekämpfen) haben sehr unterschiedliche Leistungs- und Qualitätsstandards. Auch die Höhe der personellen und sachlichen Ausstattung variiert stark. In den meisten Fällen handelt es sich um eine nicht langfristig abgesicherte Mischfinanzierung aus mehreren Quellen: kommunale Mittel, Spenden/Sponsoren, Stiftungsmittel, Mittel von Krankenhäusern, Landesmittel u.a.. Die Bemühungen unterschiedlicher Stellen auf Landesebene, ein Regelfinanzierungsmodell für Krebsberatungsstellen abzustimmen, waren bisher noch nicht erfolgreich. Beratungsstellen, die die neun für Essen für notwendig gehaltenen Bausteine vorhalten (z. B. Bochum, Münster, Aachen), verfügen über 2,5 – 3 Stellen. Die Krebsgesellschaft NRW hat eine Konzeption für ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen in NRW entwickelt, in der sie für eine Großstadt mit 1 Million Einwohnern eine Beratungsstelle mit 3,75 Mitarbeiter/innen (3 Berater/innen, 0,75 Verwaltungskraft) empfiehlt. Für Essen bedeutet das etwa 2,5 Stellen. Dies würde einen Kostenrahmen von etwa 150.000 € jährlich für Personal- und Sachkosten erfordern. Die Sicherung eines Modellzeitraums von mindestens drei Jahren wird als Voraussetzung für einen sinnvollen Arbeitsansatz gesehen. Trägerschaft Die Akzeptanz einer ambulanten Krebsberatungsstelle hängt wesentlich davon ab, dass sie eine fachlich fundierte Beratung anbietet oder vermittelt, sich ausreichend vernetzt und gleichzeitig unabhängig ist von den Interessen einzelner Anbieter gesundheitlicher Leistungen. Die Trägerschaft sollte diesem Anliegen Rechnung tragen und die Verknüpfung zwischen den drei Feldern, medizinische Behandlung, psychosoziale Beratung und Selbsthilfe in Essen gewährleisten können. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat sich bereit erklärt, die Trägerschaft einer Krebsberatungsstelle zu übernehmen, wenn eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden wird. Der Bericht und die Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe wurden von der Gesundheitskonferenz in ihrer Sitzung am 6.3.2002 beschlossen. Eine Arbeitsgruppe wurde beauftragt, ein Realisierungskonzept für eine dreijährige Modellphase der Krebsberatungsstelle zu erarbeiten. 26 Arbeitsgruppe 5: Patientenberatung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Hilfen Bericht und Handlungsempfehlung der Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe Die Arbeitsgruppe 5 beschäftigte sich mit dem Stand der Information, Beratung und Vermittlung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Hilfen in Essen und erarbeitete eine Handlungsempfehlung. Sie bestand aus: • Frau Albrecht Kliniken Essen-Süd, Pflegedienstleitung • Frau Becker Wiese e.V. • Herr Bendisch Lutherhaus, psychosozialer Dienst • Frau Emmrich Kassenärztliche Vereinigung, Koordinationsstelle Psychotherapie • Frau Florkewicz TransVer e.V. • Frau Herrmann TransVer e.V. • Herr Korsten Telefonseelsorge • Herr Müller Kassenärztliche Vereinigung • Frau Freitag-Rütten Kassenärztliche Vereinigung • Herr Ziemons VdAK • Frau Schwermer Geschäftsstelle der Gesundheitskonferenz Ausgangssituation, Bedarf und Ziele bei Information, Beratung und Vermittlung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Angeboten Das in Essen vorhandene Hilfsangebot zu psychischen und sozialen Problemen ist sehr vielfältig und ausdifferenziert, ist dadurch aber für Nutzer/innen häufig sehr unübersichtlich. Für Ratsuchende ist es in vielen Fällen schwierig, die für sie geeignete Hilfe zu finden. Dies hat unterschiedliche Gründe: 1. Psychosoziale Probleme wie Armut, Sucht, Schulden und psychische Erkrankungen unterliegen nach wie vor einer starken Tabuisierung. Daher lassen sich Informationen über Hilfen nur schwer im direkten Alltagsumfeld (Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen) erschließen. 2. Ratsuchende befinden sich meistens in einer aktuell belastenden Situation und erleben die mangelnde Durchsichtigkeit der möglichen Angebote und die Schwierigkeiten in der Zugänglichkeit als unüberwindliche Hürde. 3. Ratsuchende können ihr "Problem“ benennen, haben aber kein genaues Bild von den im professionellen Bereich üblichen Unterscheidungen und Aufteilungen in verschiedene Hilfearten und –sys-teme. Ohne die Kenntnis solcher Kategorien ist es schwierig, geeignete Hilfen und Stellen heraus zu finden. 4. Psychosoziale und psychotherapeutische Hilfen sind häufig unzulänglich mit medizinischen, sozialen und pädagogischen Arbeitsbereichen verknüpft, so dass auch Mittler in diesen 27 Bereichen wie Hausärzte/innen, Berater/innen, Mitarbeiter/innen in Kindertagesstätten und Heimen nur mit teils hohem Aufwand die geeigneten Hilfen herausfinden können. Beratungsbedarfe und –angebote im Hilfeprozess Durch diese Situation kommt es bei den Ratsuchenden nicht nur hohen psychischen Belastungen und dauern Problemlagen mit ihren sozialen Folgen länger als notwendig an, sondern es entstehen auch vermeidbare Kosten für medizinische Behandlungen. Verschiedene Studien und Sachverständigengutachten weisen darauf hin, dass der Zugang zu adäquaten Hilfen bei psychischen Problemen häufig mehrere Jahre dauert, so dass „die vorhandenen Möglichkeiten einer frühzeitigen und sachgerechten Behandlung nicht ausreichend wahrgenommen“ werden. (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2001) Dies hat mehrere Gründe: Es besteht bei Betroffenen eine hohe zum Teil schützende Abwehr. Mit dieser wird oft lange vermieden – z.B. unter Annahme einer körperlichen Störung – schließlich zu akzeptieren, eine psychische Störung zu haben. Die Schwelle Rat zu suchen oder Hilfe zu erbitten, liegt für psychische Probleme wesentlich höher als für körperliche Krankheiten. Der statistisch beobachtete lange Zeitraum von mehreren Jahren schließt daher diesen individuellen Entscheidungsprozess mit ein, bis Betroffene überhaupt erst einmal zu Ratsuchenden werden und Kontakt mit entsprechenden Institutionen aufnehmen. Das heißt: Die beschriebene Zeitverzögerung geht zum Teil auf Schwierigkeiten des Zugangs zu Hilfen, zum Teil auf individuelles Zögern und Nicht-Wahrhaben-Wollen zurück. In Essen nehmen die Telefonseelsorge, Wiese e.V (Kontaktstelle für Selbsthilfe), TransVer e.V. (Verein zur Förderung der Transparenz und Vernetzung psychosozialer und psychotherapeutischer Angebote in Essen) und die Koordinationsstelle Psychotherapie der Kassenärztlichen Vereinigung als spezialisierte Stellen mit unterschiedlichen Schwerpunkten wichtige informierende, beratende und/oder vermittelnde Funktionen in diesem Bereich wahr. Daneben informieren, beraten und vermitteln weitere Berater/innen wie soziale Dienste, Ärzt/innen, Psychotherapeut/innen und 28 Rechtsanwält/innen, Seelsorger/innen und ehrenamtliche Helfer/innen im Rahmen ihres jeweiligen Arbeitsfeldes auch zu psychosozialen und psychotherapeutischen Angeboten. Information, Beratung und Vermittlung zu psychosozialen/ psychotherapeutischen Angeboten in Essen Die Arbeitsgruppe formulierte folgende Ziele für die Information, Beratung und Vermittlung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Angeboten in Essen: Oberziel Ratsuchende bekommen möglichst früh und möglichst ohne Umwege die passende psychosoziale und/oder psychotherapeutische Hilfe vermittelt. Teil-Ziele 1. Alle in der psychosozialen, psychotherapeutischen und medizinischen Versorgung Tätigen und relevante Multiplikator/innen ( u.a. soziale Dienste, Seelsorger/innen, Erzieher/innen, Lehrerinnen) kennen die vier Informations-, Beratungs- und Vermittlungsinstitutionen und ihr jeweiliges Leistungsspektrum. 2. Alle Ratsuchenden erhalten die für sie sinnvolle Klärungs- und Vermittlungshilfe, sobald sie selbst direkt oder über Multiplikator/innen eine der vier Institutionen kontaktieren. Für die Qualität der Vermittlung sind erforderlich: optimale abgestimmte Vernetzung der informierenden und orientierenden Stellen • gute Verknüpfung mit Berater/innen in sozialen, pädagogischen und medizinischen Bereichen • interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Berufsgruppen 29 • effektiver Zugang zu vorhandenen Hilfen durch Bündelung von Kompetenzen und Kapazitäten bei den vermittelnden Stellen • hoher Bekanntheitsgrad der vermittelnden Stellen Der Bestand Telefonseelsorge Die beiden Telefonseelsorgestellen in Essen bestehen seit ca. 40 Jahren (Kath. TS 1961; Ev. TS 1966). Ausgebildete ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen den Ratsuchenden rund um die Uhr und an allen Tagen des Jahres zur Verfügung. Das Angebot richtet sich an alle Bürgerinnen und Bürger des Einzugsbereiches und schränkt weder nach Herkunft, Konfession oder Anrufanlass ein. Das bedeutet, Anrufende müssen nicht vorher geklärt haben, was der Grund ihres Anrufes ist. Es reicht, wenn sie fühlen, dass sie einen Gesprächspartner oder eine Gesprächspartnerin brauchen. In vielen Fällen kann in den Gesprächen geklärt werden, woher das diffuse Gefühl des Unwohlseins oder der Verstimmung kommt. Häufig sind diese Klärungen dann Ausgangspunkt, um mit den Anrufenden zu besprechen, ob eine weiterführende Hilfe sinnvoll oder notwendig ist. Wichtig ist, dass Bereitschaft und Widerstand gegen eine weiterführende Hilfe zur Sprache kommen können und in ihrem Gewicht gewürdigt werden. Eine umfangreiche Hilfeleistungskartei ermöglicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Anrufende auf vertiefende Hilfe (Selbsthilfegruppen, psychotherapeutische Hilfen, psychosoziale Hilfen wie Schuldnerberatung, Unterstützung durch Sozialstationen usw.) aufmerksam zu machen. Die beiden Telefonseelsorgestellen in Essen werden jährlich ca. 45.000 Mal angerufen, woraus sich ca. 36.000 Gespräche, d.h. 3000 monatlich ergeben. Es wird statistisch nicht erhoben, in wie vielen Fällen über weiterführende Hilfe gesprochen bzw. eine weiterführende Hilfe empfohlen wurde. (siehe Anlage Statistik der Telefonseelsorge) WIESE e.V. - Beratungsstelle für Essener Selbsthilfegruppen und Interessierte Die Kontaktstelle berät Selbsthilfegruppen und Interessierte in allen Fragen der Selbsthilfe. Sie erhält etwa 2500 Nachfragen jährlich, d.h. etwa 200 monatlich. Mehr als die Hälfte der Anfragen betreffen psychosoziale Themen (vor allem Angst, Ess-Störungen, Mobbing, Alzheimer, Krebs, Alkohol, Depressionen). Die Anzahl der Anfragen zu psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, bei Suchterkrankungen und bei psychosozialen Themen wie sexueller Missbrauch und Mobbing steigt. Dem gegenüber ist nur ein Viertel aller Selbsthilfegruppen in diesem Bereich angesiedelt. Zudem hat sich gezeigt, dass Gruppengründungen und die Begleitung neuer Gruppen erheblich mehr Zeit als bei anderen Gruppen erfordern. Dabei müssen Gruppen häufig vor überfordernden Erwartungen Einzelner geschützt werden. Möglicherweise sind die zunehmenden Selbsthilfeanfragen auch eine Reaktion auf die begrenzten Kapazitäten in der psychotherapeutischen Versorgung (Wartezeiten). Bei einem Fünftel der Anfragen werden auch Informationen zum Profisystem nachgefragt. WIESE und auch die Selbsthilfegruppen werden damit zunehmend als Patientenberatung bei psychischen und sozialen Problemen in Anspruch genommen. (siehe Anlage) 30 Koordinationsstelle Psychotherapie der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle Ruhr Seit Bestehen der Stelle (September 1997) bis Juli 2001 wurden 10.000 Anfragen an die Stelle gerichtet, das sind mehr als 200 Anfragen monatlich. Die Anfragen beziehen sich auf die RichtlinienPsychotherapie, das heißt, auf die von Krankenkassen bezahlten drei Therapieverfahren, die von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeut/innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/innen angeboten werden. Überwiegend fragen die Betroffenen selbst bei der Stelle nach. Den Hinweis auf die Koordinationsstelle erhalten sie allerdings häufig durch ihre Krankenkasse, aber auch durch Hausärzte, Neurologen u.a.. 92% der 145 niedergelassenen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit Kassenzulassung in Essen befinden sich im Datenpool. Die Daten werden vierteljährlich aktualisiert. Knapp 20% der Anfragen beziehen sich auf diagnostische Erstgespräche, die nach Möglichkeit innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen stattfinden sollen. In 95% der Anfragen konnten Adressen von Psychotherapeuten vermittelt werden. Dabei sind allerdings zunehmend Wartezeiten eingeschlossen, die die Vermittlungsmöglichkeiten belasten. In 5% der Anfragen konnte kein Angebot gemacht werden. (siehe Anlage) TransVer – Verein zur Förderung der Transparenz und Vernetzung psychosozialer und psychotherapeutischer Angebote Essen e.V Seit Eröffnung der Stelle im August 2000 bis Ende März 2002 haben 1056 Ratsuchende Informationen und Hilfen nachgefragt, d.h. etwa 50 im Monat. In zwei Drittel aller Anfragen wenden sich Ratsuchende selbst an die Stelle. Das weitere Drittel umfasst Anfragen von nahen Angehörigen und betreuenden Profis aus unterschiedlichen Institutionen. Die Anfragenden suchen Beratung zu Zugangswegen zum Hilfeangebot ( wie suche ich mir eine/n Therapeuten/-in?, wie wende ich mich an eine Beratungsstelle?) zu ihrem speziellen Problem (gibt es unterschiedliche Angebote? Psychotherapie/ Beratung in spezialisierten Beratungsstellen wie Essstörungen, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, sexueller Missbrauch, sexuelle Störungen), holen Informationen zu Verfahren und Methoden, Zulassungen und Kosten ein und suchen Rat bei Irritationen während eines Hilfeprozesses. Im Datenpool befinden sich Behandler/innen mit Kassenzulassung (33,7%), Behandler/innen ohne Kassenzulassung (24,5%), Beratungsstellen (22,1%) und Andere (19,7%). Im Vordergrund steht bei TransVer die Unterstützung der Selbstklärung der Ratsuchenden. Die Stelle spricht keine Empfehlungen aus, sondern macht die in ihrem Datenpool vorhandenen Angaben der Anbieter/innen im Bereich Psychotherapie, Beratung und soziale Hilfen anhand von Kriterien, die im Beratungsgespräch mit den Ratsuchenden erarbeitet wurden, verfügbar. Die personelle Kapazität ist auf eine halbe Stelle begrenzt und z. Z. nur bis Juli 2002 abgesichert. Auch hier belasten die Wartezeiten bei Therapie- und Beratungsangeboten die Vermittlungsmöglichkeiten erheblich. (siehe Anlage) Bewertung des Bestandes In Essen wenden sich monatlich etwa 3500 Ratsuchende (möglicherweise Mehrfachnennung bzw. parallele Anfragen), an die vier auf Information, Beratung und Vermittlung ausgerichteten Institutionen. Diese Stellen decken zusammen die Bandbreite des Bereichs psychosozialer und psychotherapeutischer Hilfen mit je spezifischen Ausschnitten und Arbeitsformen (siehe Grafik: Information, Beratung und Vermittlung zu psychosozialen und psychotherapeutischen Angeboten in Essen) ab. Die Kooperation zwischen den Stellen ist gut und hat sich durch die Arbeit in der 31 Arbeitsgruppe weiter verbessert. Bei Fragen, die nicht in das eigene Kompetenzfeld fallen, wird an die anderen Stellen entsprechend deren Spezialisierung weiter verwiesen. Die Schwerpunkte und Arbeitsformen der Stellen unterscheiden sich je nach Selbstverständnis und Aufgabenstellung: Die Telefonseelsorge weckt Motivation, gibt grundlegende Informationen und fördert die Bereitschaft, weiterführende Hilfen in Anspruch zu nehmen. Bei Wiese, TransVer und zum Teil auch bei der Telefonseelsorge werden Klärungshilfe und Vermittlung zusammengefasst. Die Koordinationsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung vermittelt Therapieplätze im Rahmen der Richtlinien-Psychotherapie und diagnostische Erstgespräche. Die Stelle selbst - zur Neutralität verpflichtet - führt keine Beratung oder Klärungshilfe durch. In den vorausgegangenen oder folgenden Erstgesprächen und ggf. in weiterführenden probatorischen psychotherapeutischen Sitzungen bei einem Psychotherapeuten erfolgt eine Klärungshilfe für die Betroffenen. Zusätzlich wird hier eine weitergehende Diagnostik erbracht und die Indikation, Eignung und Motivation zu einer unter Umständen auch länger andauernden Psychotherapie geprüft. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen haben Konsequenzen: Liegen Klärungshilfe und Vermittlung auf einer Ebene bzw. bei der gleichen Stelle, erscheint dies auf den ersten Blick weniger aufwändig und schneller zum Ziel führend. Da psychische Störungen allerdings doch in vielen Fällen sehr komplex sind und die Betroffenen sich erst nach einer intensiveren , vertrauensvollen Begegnung öffnen, sind letztlich doch ausführliche Erstgespräche oder probatorische Sitzungen für eine erfolgversprechende Weichenstellung notwendig. Diese binden dann allerdings auch wieder therapeutische Kapazität. Findet Klärungshilfe bzw. Beratung bereits auf der ersten Vermittlungsebene statt, setzt dies ausgesprochen hohe Beratungskompetenz voraus. Die Mitarbeiter/innen von Wiese und TransVer verfügen über entsprechende Weiterbildungen, die ehrenamtlichen Helfer/innen der Telefonseelsorge werden ebenfalls intensiv in der Beratung geschult. Die Existenz der vier Stellen hat in Essen in den letzten Jahren zu einer deutlich besseren Zugänglichkeit und gezielteren Vermittlung geführt. Allerdings sind die Profile der einzelnen Stellen für Nutzer/innen und Berater/innen in sozialen und medizinischen Feldern bisher nicht deutlich genug geworden (vor allem KV-Stelle - TransVer). Dies führt wahrscheinlich zu vermeidbaren Doppelanfragen. Die Außendarstellung dieser vier Stellen als Hilfeverbund für Ratsuchende und eine verbesserte Kooperation zwischen den spezialisierten Vermittlern und Multiplikatoren/ Mittlern könnte die Effizienz der Vermittlung erhöhen. Der spürbare Engpass (Wartezeiten) bei psychosozialen und psychotherapeutischen Angeboten führt teilweise zur Nutzung nicht ausreichend geeigneter Angebote und erschwert die Vermittlungsbemühungen der Stellen. Handlungsempfehlungen Zugänglichkeit für die Nutzer/innen erleichtern Information über die vier informierenden und vermittelnden Stellen im Gesamtspektrum SelbsthilfeBeratung-Psychotherapie in Essen sollte durch ein geeignetes und bekanntes Portal gewährleistet werden. Dafür sollte im Zusammenhang mit der AG 1: „Essener Gesundheitsinformationssysteme“ durch ein verbessertes Gesundheitstelefon und ein Internetportal „Gesundheit in Essen“ eine Lösung gefunden werden. Konkretes Vorgehen und Ressourcen: wird in der AG 1 geklärt. Kooperation mit weiteren beratenden und vermittelnden Stellen entwickeln Das Wissen über die Bandbreite der Hilfen im Bereich Selbsthilfe-Beratung-Psychotherapie und die Information über Leistungen und Arbeitsweisen der Vermittlungsstellen sollte bei den allgemeinen 32 Beratern (Ärztinnen, Psychotherapeut/innen, Seelsorger/innen, Mitarbeiter/innen in Kitas, Schulen und Sozialen Diensten und ehrenamtliche Helfer/innen) durch gezielte Kooperation verbessert werden. Konkretes Vorgehen: systematische Kontakte mit Multiplikatoren Existenz und Qualität der Kooperation der vermittelnden Stellen sichern Ziel der Qualitätssicherung ist die gezielte Vermittlung ohne Umwege innerhalb des Gesamtspektrums von Selbsthilfe, Beratung und Psychotherapie in Essen. Konkretes Vorgehen und notwendige Ressourcen: Bestandssicherung der Beratungsstelle von TransVer e.V. über den derzeitigen Förderzeitraum bis Juli 2002 hinaus. (Ressourcen für die jetzt vorhandene halbe Stelle sind ab August 2002 nicht gesichert, Förderanträge sind gestellt.) Für regelmäßige Arbeitsgespräche der vermittelnden Stellen sind die Ressourcen vorhanden. Schlussbemerkung Auch eine gezielte und effektive Vermittlung kann die Versorgungssituation nicht entscheidend verändern. Versorgungsengpässe (Wartezeiten bei ambulanter Psychotherapie und zunehmend auch bei den Beratungsstellen, Zunahme von Überbrückungsangeboten bis zu einer Therapie oder Beratung) belasten die Vermittlung und schränken deren Möglichkeiten ein. In der Arbeitsgruppe bestand Übereinstimmung darin, dass die Wartezeiten einen deutlichen Mangel an Versorgungsangeboten aufzeigen. Demgegenüber geht die offizielle Bedarfsplanung für Essen von einer Überversorgung in diesem Gebiet aus. Die Versorgungsengpässe lassen sich scheinbar unter den gegebenen Umständen nicht ausreichend mit harten Daten dokumentieren. Außerdem würde ein festgestellter Mangel keine kurzfristigen Handlungsmöglichkeiten auf der kommunalen Ebene eröffnen. Ansätze wie der der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Aachen, die regelmäßig dem - vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Vereinigung errechneten – Minimalbedarf von psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Kindern und Erwachsenen in Höhe von 0,6% der Bevölkerung die Anzahl der versorgten Patienten und Patientinnen gegenüberstellt, sind in der Arbeitsgruppe noch nicht ausreichend diskutiert worden. Zunächst müsste geklärt werden, ob auf diesem Weg valide Daten gewonnen und aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden können. Ein solcher Ansatz könnte als Grundlage für eine gesundheitspolitische Diskussion dienen, deren Notwendigkeit in der Arbeitsgruppe unterschiedlich bewertet wurde. Fazit: Die vorhandenen beratenden und vermittelnden Stellen in Essen müssen in dieser Situation (leider) den dargestellten Mangel möglichst gut verwalten. 33 Grafiken zur Telefonseelsorge 34 35 Wiese e.V. Statistische Daten zur Entwicklung der Selbsthilfe in Essen 2001 Entwicklung des Interesses an der Selbsthilfe 2618 Personen haben im vergangenen Jahr Selbsthilfe-Anliegen bei der WIESE e.V. geäußert. Das sind 104 Anfragen mehr als im vergangenen Jahr. Im Einzelnen lassen sich diese folgendermaßen differenzieren: Selbsthilfe zu Krankheitsbildern: Akute und chronische Erkrankungen psychische und psychosomatische Erkrankungen Suchterkrankungen Behinderungen Insgesamt 947 562 459 79 (78%) 2047 Selbsthilfe zu sozialen Themen: psychosoziale Probleme soziale Probleme soziokulturelle Probleme Insgesamt 436 123 12 (22%) 571 Nachfragen insgesamt: (100%) 2618 Der • • • • • • Vergleich zum Jahr 2000 ergibt in absoluten Zahlen für die einzelnen Sparten bei akuten und chronischen Erkrankungen einen Rückgang von 69 Anfragen bei Behinderungen einen Zuwachs von 6 Anfragen, bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen einen Zuwachs von 52 bei Suchterkrankungen einen Zuwachs von 20 bei psychosozialen Problemen einen Zuwachs von 60 bei sozialen Problemen einen Zuwachs von 45 Anfragen. Die häufigsten Nachfragen in der Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 2001 189 177 127 117 111 102 82 68 56 53 51 50 Eßstörung Angst Mobbing Alzheimer und Demenz Depression Krebs Alkohol Trennung Trauer Prostata Beziehungssucht Borderline 2000 170 206 118 106 91 97 91 45 37 7 57 31 Vermittlung ins Selbsthilfesystem / Profisystem Vermittlung in Informationen von Fragen zur Gründung SHG SHG Alter Ausländer Behinderung 36 12 10 58 0 1 13 0 0 2 Infos über Profis 5 6 17 folgendes Bild: Familie Frauen Gesundheitsförderung Kinder Krankheit Kultur/Freizeit Männer Psychisches Psychosoziales Sexualität Soziales Sucht, stoffgebunden Sucht, stoffungebunden Trauer/Trennung Insgesamt 3080 100% 21 44 28 15 551 6 14 420 137 53 26 234 128 91 4 6 7 10 307 0 0 36 36 6 10 30 14 20 0 4 0 0 34 0 0 23 2 1 1 11 4 3 10 27 19 7 126 2 5 98 102 27 25 93 34 44 1848 500 85 647 60% 16% 3% 21% Bezogen auf einzelne Krankheitsbilder ergibt sich folgenden Bild: • • • Von allen Nennungen beim Krankheitsbild Sucht (548) wollen 31,2 % Informationen über professionelle Beratung bzw. Informationen von den Selbsthilfegruppen. Von allen Nennungen bei akuten und chronischen Erkrankungen (1018) wollen 42,5% von allen Informationen über Profis bzw. Informationen von den Selbsthilfegruppen. Von allen Nennungen bei psychischen Erkrankungen (854) und psychosozialen Problemen sind es immerhin noch 31,8%. Verhältnis der Nachfragen von Frauen und Männern im Vergleich der Jahre 2001 zu 2000 : Das Interesse an Selbsthilfegruppen bei Männern ist um 24,8 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen, bei Frauen in etwa gleich geblieben (minus 1,7 %). Das Verhältnis Frauen / Männer ist im Vergleich zu 2000 in etwa gleich geblieben: 2001: 73% Frauen / 27% Männer 2000: 76% Frauen / 24% Männer. 37 Koordinationsstelle Psychotherapie der Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle Ruhr Anfrage- und Anbieterstatistik September 1997 – Juli 2001 Anfragestatistik 10.000 Anfragen gesamt davon 3.505 Anfragen durch Patienten 5.255 Anfragen durch Krankenkassen, bzw. Patienten vermittelt durch Krankenkassen 1.240 Anfragen durch Angehörige, Ärzte, Psychologen... Kontaktanlass/Suche nach 6.425 Psychotherapien für Erwachsene davon 3.020 3.110 295 480 1.920 1.175 Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien Verhaltenstherapien Analytische Psychotherapien Kinder- und Jugendlichenpsychotherapien Diagnostiktermine Sonstiges (spezielle Therapieverfahren, Kostenerklärung, Listen) In 485 konnte kein zumutbarer Therapieplatz angeboten werden, wegen: – zu lange Wartezeiten – kein regionales Angebot – kein geeigneter Therapieplatz 38 Anfragestatistik der Koordinationsstelle Psychotherapie der Kassenärztlichen Vereinigung, Bezirksstelle Ruhr Anfragen 12% 35% 53% Patienten 35 % Krankenkassen 53 %(auch Pat. vermittelt durch KK) Sonstige 12 % Kontaktanlass 12% 30% 19% TPT Erw.30 % VT Erw.31 % AT Erw.3 % KJPT 5 % 5% 3% 31% Diagnostik 19 % Sonstiges 12 % 39 Anbieterstatistik: Niedergelassene ärztliche- und psychologische Psychotherapeuten der Kassenärztlichen Vereinigung, Bezirksstelle Ruhr Fachgruppe Essen Mülheim Oberhausen Gesamt Ärzte/Ärztinnen Gynäkologen 3 3 Internisten 4 2 Kinderärzte 3 1 7 6 3 Neurologen, Psychiater 29 5 6 40 Psychotherapeutische Medizin 25 5 4 34 2 11 Allgemeinärzte 9 Psycholog/en/innen Verhaltenstherapie 43 12 17 72 Tiefenpsychologische Therapie 27 10 4 41 3 5 37 219 Kinder/Jugendpsychotherapie Gesamt 2 145 37 An der Koordinationsstelle Psychotherapie der Bezirksstelle Ruhr nehmen ca. 92 % der niedergelassenen ärztlichen- und psychologischen Psychotherapeuten teil. Die Koordinationsstelle der Bezirksstelle Ruhr aktualisiert die Daten vierteljährlich, jedoch wird dies nicht von allen teilnehmenden Psychotherapeuten genutzt. 40 TransVer e.V. Anfragen im Zeitraum 10.08.00 – 31.03.02 Zeitraum insgesamt TherapieAnfragen finanzierten August 00 September Oktober November Dezember Januar 01 Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Januar 02 Februar März 02 Gesamt 42 00 00 00 00 38 01 01 01 01 01 01 01 01 01 01 01 70 02 71 36 52 37 33 33 31 50 64 39 78 65 26 89 54 55 54 37 56 67 55 30 49 32 19 27 30 44 53 30 63 54 21 75 38 44 45 32 47 50 48 Anfragen nach krankenkassen- Therapien 38 26 18 26 36 47 26 56 47 21 67 37 40 39 30 43 1056 854 752 80,9% aller Anfragen sind Therapieanfragen, davon fragen 71,2% nach kassenfinanzierte Plätze, 11,9% nach privat zu bezahlenden Plätzen. 41 TransVer e.V AnbieterInnenpool Stand: 29.04.02 163 55 Prozent 100 33,7 BehandlerInnen ohne Kassenzulassung 40 24,5 Beratungsstellen 36 22,1 KrankengymnastInnen, LogopädInnen, ErgotherapeutInnen, Atemtherapeutinnen u.a. Kindereinrichtungen Kliniken 11 6,8 7 6 4,3 3,7 SupervisorInnen 3 1,8 MediatorInnen 2 1,2 HeilpädagogInnen 1 0,6 Sozialer Dienst 1 0,6 Internetchat für Borderline 1 0,6 Insgesamt: BehandlerInnen mit Kassenzulassung 73 Zulassungen von Ärzt/innen für psychotherapeutische Behandlungen 72 Zulassungen von psychologischen Psychotherapeuten/innen und Kinder- und Jugendlichen – Psychotherapeuten/innen Von den BehandlerInnen mit Kassenzulassung sind insgesamt 37,9% im TransVer-Pool vertreten. 42 Anhang 43 Patientenberatung in Essen Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Patientenberatung in Essen Arbeitsgruppe 1: Bürgerinformationssysteme 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Die beiden bestehenden Internetportale und das Gesundheitstelefon funktionstüchtg(er) machen Einbindung aller informierenden und beratenden Stellen und Infomaterialien in Essen Die Systeme in Essen bekannt machen Aktualität der Systeme sichern Qualitätskriterien für Gesundheitsinformationen erarbeiten und anwenden Informationssysteme ständig kritisch und konstruktiv begleiten Lotsenfunktion personell und finanziell ermöglichen Arbeitsgruppe 2: Patientenrechte 1. 2. 3. 4. Herausgabe eines Essener Patientenratgebers Stärkere Berücksichtigung des Themas: "Umgang mit Patientenrechten" in der Aus- und Fortbildung von Ärzten und Pflegepersonal Lotsenqualität in den Essener Gesundheitsinformationssystemen installieren Informationen über Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten verbessern Arbeitsgruppe 3: Barrierefreiheit für Behinderte 1. 2. 3. 4. Betroffene bei der Planung von Umbau- und Neubaumaßnahmen rechtzeitig einbeziehen Berücksichtigung des Themas in der Ausbildung von Ärzten und Krankenpflegepersonal Inanspruchnahme von Gebärdendolmetschern Ausstattung eines Raums im Krankenhaus mit Induktionsschleifen oder Anschaffung eines mobilen Verstärkers Arbeitsgruppe 4: Ambulante Krebsberatung 1. Schaffung einer ambulanten Krebsberatungsstelle Arbeitsgruppe 5: Patientenberatung zu psychosozialen Hilfen und Psychotherapie 1. 2. 3. 44 Zugänglichkeit für die Nutzer/innen über verbesserte Informationssysteme erleichtern Kooperation mit weiteren beratenden und vermittelnden Stellen entwickeln Qualität der vermittelnden Stellen sichern Modellprojekt „Bürgerorientierung des Gesundheitswesens“ Ergebnisse der Nutzeranalyse (Thesen) Im Zentrum der Informationsbedarfe stehen aus Sicht der Befragten ärztliche Leistungen Der Arztwechsel ist ein Indiz mangelnder Patientenzufriedenheit Finanzierung ärztlicher Leistungen führt aus Sicht der Befragten zu Qualitätsverlusten Die Bewertung der Berücksichtigung von Patienteninteressen im Gesundheitswesen fällt in der Tendenz negativ aus Die verbesserte Zusammenarbeit im Gesundheitswesen hat für die Befragten oberste Priorität bei der Bürgerorientierung 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55