German Poetry Reading – Level II
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German Poetry Reading – Level II
German Poetry Reading – Level I Ans Ziel Der Abend Gestern ein Rieseln Schweigt der Menschen laute Lust: Im weichen Eise. Rauscht die Erde wie in Träumen Heute ein Bach Wunderbar mit allen Bäumen, Auf der Frühlingsreise. Gestern ein Kind Was dem Herzen kaum bewußt, Mit Schleif und Band, Alte Zeiten, linde Trauer, Heute Jungfrau im Festgewand. Und es schweifen leise Schauer Wohin? Wer weiß? Wetterleuchtend durch die Brust. Und wem der Preis? Frage die Biene, Wohin sie fliegt. Frage die Hoffnung, Wo Eden liegt. - Johann Georg Fischer - Joseph von Eichendorff German Poetry Reading – Level II O wüßt ich doch den Weg zurück, Den lieben Weg zum Kinderland! O warum sucht' ich nach dem Glück Und ließ der Mutter Hand? O wie mich sehnet auszuruhn, Von keinem Streben aufgeweckt, Die müden Augen zuzutun, Von Liebe sanft bedeckt! Und nichts zu forschen, nichts zu spähn Und nur noch träumen leicht und lind; Der Zeiten Wandel nicht zu sehn, Zum zweitenmal ein Kind! O zeigt mir doch den Weg zurück, Den lieben Weg zum Kinderland! Vergebens such' ich nach dem Glück, Ringsum ist öder Strand. - Klaus Groth Das Büblein auf dem Eise Gefroren hat es heuer Noch gar kein festes Eis. Das Büblein steht am Weiher Und spricht zu sich ganz leis: "Ich will es einmal wagen, Das Eis muß doch nun tragen. Wer weiß!" Das Büblein stampft und hacket Mit seinem Stiefelein. Das Eis auf einmal knacket, Und krach! Schon bricht's hinein. Das Büblein platscht und krabbelt, Als wie ein Krebs und zappelt Mit Arm und Bein. "O helft, ich muß versinken In lauter Eis und Schnee! O helft, ich muß ertrinken Im Tiefen, tiefen See!" Wär' nicht ein Mann gekommen, Der sich ein Herz genommen O weh! Der packt es bei dem Schopfe Und zieht es so heraus, Vom Fuße bis zum Kopfe Wie eine Wassermaus. Das Büblein hat getropfet, der Vater hat's geklopfet Zu Haus. - Friedrich Güll German Poetry Reading – Level III Das Karussell Jardin du Luxembourg Mit einem Dach und seinem Schatten dreht Sich eine kleine Weile der bestand Von bunten Pferden, alle aus dem Land, Das lange zögert, eh es untergeht. Zwar manche sind an Wagen angespannt, doch alle haben Mut in ihren Mienen; ein böser roter Löwe geht mit ihnen und dann und wan nein weißer Elefant. Soga rein Hirsch ist da ganz wie im Wald, Nur daß er einen Sattel trägt und drüber Ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt. Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge Und halt sich mit der kleinen heißen Hand, Dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge. Und dann und wann ein weißer Elefant. Und auf den Pferden kommen sie vorüber, Auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge Fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge Schauen sie auf, irgendwohin, herüber Und dann und wann ein weißer Elefant. Und das geht hin und eilt sich, daß es endet, Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel. Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet, Ein kleines, kaum begonnenes Profil. Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet, Ein seliges, das blendet und verschwendet An dieses atemlose, blinde Spiel. - Rainer Maria Rilke Lügenlied Ich will euch erzählen und will auch nicht lügen: Ich sah zwei gebratene Ochsen fliegen, Sie flogen gar ferne; Sie hatten den Rücken gen Himmel gekehrt, Die Füße wohl gegen die Sterne. Ein Amboß und ein Mühlenstein, Die schwammen bei Köln wohl über den Rhein; Sie schwammen gar leise; Ein Frosch verschlang sie alle beid' Zu Pfingsten wohl auf dem Eise. Es fuhr ein Schiff auf trocknem Land; Es hatte die Segel gen Wind gespannt Und segelt' im vollen Laufen. Da stieß es an einen hohen Berg; Da tat das Schiff ersaufen. In Straßburg stand ein hoher Turm, Der trotzte Regen, Wind und Sturm Und stand fest über die Maßen; Den hat der Kuhhirt mit seinem Horn Eines Morgens umgeblasen. So will ich hiermit mein Liedlein beschließen, Und sollt's auch die werte Gesellschaft verdrießen, Will trinken und nicht mehr lügen; Bei mir zuland sind die Mücken so groß Als hier die größesten Ziegen. - Dichter unbekannt