Mein Erfahrungsbericht zum Umgang mit der SAA

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Mein Erfahrungsbericht zum Umgang mit der SAA
Mein Erfahrungsbericht zum Umgang mit der SAA
Im November 2006 hatte ich das erste das erste Mal Kontakt mit Frau Treutner. Das Gespräch
mit ihr überzeugte mich, meinen Erfahrungsbericht doch so zu schreiben, wie ich es eigentlich
auch wollte. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es zwar interessant ist, über
Therapie und medizinische Abhandlungen Bescheid zu wissen, doch haben wir das alles
ähnlich erlebt. Meiner Meinung nach ist es für uns wichtig, uns auch über die Erfahrungen im
Umgang mit der Krankheit auszutauschen. Unsere Seele hat doch sehr gelitten und die
versucht jeder für sich selbst zu heilen. Wir können zwar professionelle Hilfe in Anspruch
nehmen, doch machen das die Wenigsten. Vielleicht sind meine Zeilen auch ein Anlass für
andere, darüber zu berichten, wie sie seelisch mit der Krankheit umgehen.
Im Juni 2002 hatte ich die üblichen Anzeichen und war bei meiner Hausärztin. Am nächsten
Morgen wurde ein Blutbild gemacht. Als ich am Abend zu Hause war, kam kurz danach der
Krankenwagen und brachte mich mit Blaulicht in unser Krankenhaus. Ich saß im Wagen und
keiner sagte etwas. Auf der Rettungsstelle wurde mir gesagt, dass mein Blut nicht in Ordnung
ist. Eine gründliche Untersuchung stand an und ich machte mir noch keine ernsten Gedanken.
Später kam ich in ein Zimmer, das ich nicht verlassen durfte. Um mich herum geschäftliches
Treiben und keiner sagte was. In der Nacht bekam ich meine ersten Thrombozyten. Da wurde
mir das erste mal bewusst, dass ich etwas Ernstes habe. Gegen morgen wurde ich informiert,
dass ich nach Potsdam gebracht werde. Das war der erste kleine Schock, da ich immer noch
nichts wusste, einen Mundschutz bekam und im Rollstuhl saß. In Potsdam angekommen,
wurde ich zur Onkologie gebracht, was mir gar nicht bewusst war. Die Stationstür ging auf
und ich sah Glatzköpfe --- „Hier bist du falsch – das ist nur für eine Nacht – woanders ist kein
Bett für mich frei“ --- das waren meine ersten Gedanken. Wieder gab es umfangreiche
Untersuchungen – und immer noch keine Antworten. Ich lies alles über mich ergehen, hatte
keine Fragen und wartete auf die Dinge, die kommen sollten. Die Frau im Nachbarbett fragte
mich nach allem möglichen und sagte mir, das dann, dass ich nur ein bis zwei Wochen
bleiben muss. Ich dachte mir, das könnte vielleicht sein, denn schließlich hatte sie Krebs und
kannte sich aus. Nach einer Woche durfte ich für ein Wochenende nach Hause. Man hatte mir
erklärt, dass ich keinen Krebs habe. Sicher hat man mir auch erklärt was ich habe. Aber das
weiß ich heute nicht mehr, da bestimmt die Freude überwog – „ich habe keinen Krebs“!
Ich war dann drei Monate im Krankenhaus. Meine Kinder hatten sich im Internet sachkundig
gemacht und mir die zusätzlichen Informationen gegeben. Vorsichtig fragte sich bei den
Ärzten und Pflegepersonal nach, ob das wirklich zutrifft. Ich wollte das alles nicht wahr
haben und erkannte die wahre Bedeutung und Schwere der Erkrankung im vollem Ausmaß
nach meinem Rückfall 2004. Während der Ersterkrankung nahm ich vieles hin, so manchen
Krebspatienten ging es schlechter wie mir. Ich war inzwischen in einem Dreibettzimmer die
Jüngste. Wir waren füreinander da, einer half dem anderen (leider haben sie den Kampf
verloren, wie auch andere, die ich sehr mochte). Gut kann ich mich an ein Gespräch mit dem
Arzt erinnern, in dem er mir die Therapie mit Pferdeserum erklärte. Wir scherzten im
Anschluss und ich bestellte mir Serum von einem jungen feurigen Hengst, damit es mir bald
wider gut geht. Dieser „Wunsch“ hat mich eine ganze Weile begleitet, z. B. „solche Wünsche
gehen bestimmt in Erfüllung“ oder „der Hengst hat mir geholfen, es geht mir besser“ usw..
Eines Tages erzählte mir die Stationsschwester, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass
man Thrombozyten geben kann. Ich bekam diesen „geben Lebenssaft“ häufig und reagierte so
manches mal mit starkem Schüttelfrost und Fieber. Einmal besuchte mich gerade mein Sohn.
Er stand am Fußende und ich bekam Schüttelfrost. In dieser Situation entwickelte ich einen
Galgenhumor und musste nur lachen, was mein Sohn gar nicht verstand und ich später auch
nicht. Aus dieser Situation entwickelte sich etwas, was uns heute noch fester verbindet. Ich
erklärte ihm, dass er sich keine Gedanken machen muss, schließlich bin ich ja schon groß. Die
Feststellung, dass ich nicht 1,60 m, sondern 2 m groß bin „tut mir auch heute noch gut. – Gibt
es ein Problem – Du schaffst es – Du bist 2 m groß“.
Eine Situation, die mich auch heute tief bewegt, ist folgende:
Mein Enkel (damals 8 Jahre) frage mich, ob ich sterben muss …
Was muss er sich für Gedanken gemacht haben.
Ich sagte ihm, dass jeder mal sterben muss, bis dahin aber noch viel Zeit ist, dass ich erleben
möchte, wie er groß wird und auch einmal ein Kind hat, dass ich nicht nur Oma sondern auch
Uroma sein möchte. Als er mich einige Tage später wider besuchte, brachte er mir eine
Zeichnung mit. In der Mitte ein großes Herz.. Links ein kleiner Alexkopf und rechts ein
Omakopf. Von links nach rechts war ein Pfeil mit Bluttropfen gezeichnet. Das Bild gab mir
wahnsinnig viel Kraft – „du musst gesund werden und dein Versprechen einhalten“. Das Bild
durfte ich im Zimmer an der Wand anbringen und hat heute noch seinen Platz. Später wurde
ich mit übergroßen Papierblumen überrascht. Auch diese schmückten unser Zimmer.
Während der langen Zeit im Krankenhaus fühlte ich mich in der Gegenwart einiger
Mitpatienten nicht unbedingt wohl. Sie hatten Krebs. Darunter konnte man sich was
vorstellen. Ich suchte in dieser Situation das Gespräch mit dem Arzt. Das tat mir gut. Je länger
ich im Krankenhaus war, um so mehr wurde ich als gleichwertig akzeptiert. Ich musste
lernen, als Mensch mit einer seltenen Krankheit zu leben, die man nicht sehen kann und die
nicht weh tut. Alles was mich belastet hat, habe ich symbolisch in vielen kleinen Schachteln
in meinem Hinterkopf verstaut. Die Griffe sind so klein, dass man sie nicht so ohne weiteres
öffnen kann. Ich habe mir positive Strategien überlegt, mit denen ich versuche mein Leben zu
meistern. Dazu gehört:
Ich werde alt, denn meine Oma und Uroma sind trotz Krankheit auch alt geworden.
Meine Lebenshymne ist das Lied von den Purdies „Alt wie ein Baum“.
Ich lebe nicht von heut auf morgen, sondern plane von Jahr zu Jahr.
Ich habe Kontakt zu anderen Erkrankten aufgenommen und wir sprechen nicht nur über
unsere Krankheit.
Ich versuche mein Leben so zu leben, als ob ich gesünder wäre (viele Menschen haben ihr
Wehwehchen und müssen damit leben)
Angst --- Angst hatte ich das erste mal 2004, als ich den Rückfall hatte. Die Werte wollten
nicht so, wie wir es gerne wollten. Mein Sohn wollte schon seine Hochzeit verschieben, aber
wir haben es geschafft. Am Freitag nach Hause, am Sonnabend zur Hochzeit. Ich war leider
nur anwesend, aber ich war dabei.
Mein jetziges Medikament werde ich noch 2 bis 3 Jahre nehmen. Was wird dann? Auc h hier
habe ich Mut gefasst, nachdem ich mit einem Mann telefoniert habe, der die Krankheit seit
seiner Kindheit hat.
Ich hatte vor etwas 9 Jahren eine depressive Phase und möchte so etwas nicht noch einmal
erleben. Auch das ist ein Grund, mich der Situation zu stellen. Es gibt auch für uns viel
schönes zu erleben, wir müssen den Kopf oben haben, mit einer positiven Lebenseinstellung
das Leben meistern. Es gibt auch auf medizinischem Gebiet immer wieder neue Erkenntnisse.
Vielleicht kann ich mit meiner Art mit der Krankheit umzugehen anderen Wege zeigen, wie
man die Krankheit auch vom Kopf her bewältigen kann. Denn der Kopf ist oben und wir sind
ganz groß, auch wenn man es nicht immer gleich sieht.
In diesem Sinne alles Gute
Brandenburg/Havel, Januar 2007
Hannelore aus Brandenburg