praktikum - Daniel Renn Stiftung Deutschland

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praktikum - Daniel Renn Stiftung Deutschland
PRAKTIKUM
Maik Werner
17.Juli – 15.Oktober 2000
Traverse City, Michigan
Mein Praktikumsbetrieb Chateau Grand Traverse liegt auf der Old Mission Peninsula, etwa
acht Meilen nördlich von Traverse City, Michigan. Der Gründer der Winery,
Mr. Edward O’ Keefe war vor 25 Jahren einer der ersten, die in diesem Gebiet Reben
anbauten und gilt als der Pionier für europäische Rebsorten in Michigan.
Inzwischen sind die Old Mission Peninsula und auch die benachbarte Leelenau Peninsula eine
anerkannte Appellation und umfassen insgesamt 14 Weingüter. Chateau Grand Traverse ist
die älteste und größte kommerzielle Winery in Northern Michigan.
Die Produktion beläuft sich heute auf insgesamt 360.000 Liter pro Jahr. Davon kommen
200.000 Liter aus den Rebsorten: Johannisberg Riesling, Chardonnay, Gewürztraminer, Pinot
Gris, Pinot Noir, Gamay Noir und Merlot. Ein Teil dieser Produktion wird allerdings aus
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importierten Trauben aus Washington State gewonnen und unter einem zweiten Label
vermarktet.
Außerdem produziert der Betrieb verschiedene Arten Kirschwein, womit der Winemaker
Bernd Croissant die eigentliche Tradition der Old Mission Peninsula, die Kirschproduktion,
aufgreift. Diese Weine werden ebenfalls unter einem anderen Label verkauft.
Die Rebfläche ist 100 acres groß und es wird das deutsche Pendelbogen – Erziehungssystem
angewandt. Überhaupt gibt es viele Beziehungen zu Deutschland, da der Aufbau des
Betriebes in enger Zusammenarbeit mit der FA Geisenheim geschehen ist.
Auch wenn das Northern Michigan Klima auf den ersten Blick kein typisches Weinbauklima
darstellt, so ist es doch möglich, dass auf der Old Mission Peninsula Reben wachsen. Dort
herrscht ein bestimmtes Mikroklima, bedingt durch den Lake Michigan und den Lake
Superior, über denen sich die Winde abkühlen bzw. erwärmen. Die Temperaturen liegen dort
während des Sommers ca. 10° Fahrenheit niedriger und während des Winters ca. 10°
Fahrenheit höher als in Traverse City.
Darüber hinaus werden die Reben nur an den höchsten Erhebungen der Halbinsel und an
Südwest-Hängen angelegt. Somit werden durch bestmögliche Ausrichtung zur Sonne
gesunde reife Trauben erzielt.
Während meines Praktikums habe ich sowohl im
Tasting Room / Retail Store als auch im Wine Cellar
gearbeitet.
Gleich zu Beginn meines Aufenthaltes wurde ich
damit überrascht Kirschen zu keltern. Chateau
Grand Traverse besitzt keine eigenen Kirschbäume,
kauft sie jedoch von lokalen Produzenten auf, um
daraus Kirschwein herzustellen. Meine erste
Tätigkeit bestand also daraus, Kirschen mit einer
10 t Europresse zu keltern um sie später zu vergären.
Die Tätigkeiten, die ich sonst im Keller verrichtet
habe waren neben Reinigungsarbeiten auch der
Abstich von Chardonnay und Pinot Noir Weinen im
Barrique.
Ich habe die Weine von der Hefe abgestochen, die
Fässer gereinigt und sie mit Ozon-Wasser gefüllt.
Nach erneutem Spülen habe ich sie dann wieder
befüllt und die Barriques mit einer Schwefeldioxid –
Falle versehen.
Wenn abgefüllt wurde, habe ich mitgeholfen die Tanks, den Filter und unsere
vollautomatische Abfüllanlage vorzubreiten, damit wir dann möglichst reibungslos etwa
12.000 Flaschen am Tag abfüllen konnten. Beim Abfüllen selbst bestand meine Aufgabe
darin, die Flaschen auf das Förderband zu stellen oder die vollen Flaschen in die Kartons zu
tun. Eine leider etwas stupide Tätigkeit, aber schließlich muß der Wein ja in die Flasche.
Gelegentlich hatte ich das Glück einige Flaschen sparkling wine für den Verkauf
vorzubereiten. Ich habe den Flaschenhals also eingefroren, die Hefe degorgiert und eine
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Dosage hergestellt, um den Sekt im Restzucker einzustellen. Leider haben wir nur eine sehr
geringe Sektproduktion gehabt, diese war aber vom Allerfeinsten, ein 1993er Methode
Champenoise Rieslingsekt.
Manchmal habe ich auch im Labor
gearbeitet. Ich nahm dort Proben von den
Weinen, die zur Abfüllung anstanden und
habe ihren Gehalt des freien Schwefels, den
pH–Wert
und
den
Alkoholgehalt
untersucht. Anschließend habe ich vor der
Abfüllung den Schwefelgehalt korrigiert.
Außerdem haben wir, zwei weitere
Praktikanten und ich, vor der Weinlese
Traubenproben aus verschiedenen Punkten
der Rebflächen gepflückt und im Labor ihre
Brixs bestimmt, um den Reifegrad zu
beurteilen.
Im Tasting Room haben wir pro Tag etwa 400 Besucher empfangen, wobei ich den
verschiedensten Menschen begegnet bin : vom eigentlichen Biertrinker über den
Weinliebhaber bis zum australischen Winemaker. Nach einem kurzen how are you today
war es also meine Aufgabe während der Verkostung unsere Weine zu erklären und den
Kunden zu beraten oder Fragen zur Herstellung zu beantworten. Unsere Weinliste beinhaltet
25 Weine, angefangen beim trockenen german-style Riesling über einen oaky Chardonnay bis
zur Late Harvest und dem Cherry Wine. Es ist mir oft gelungen die Besucher von der Frische
und Qualität eines trocken ausgebauten Rieslings zu überzeugen, doch letztendlich blieb die
Riesling Spätlese doch die Nr.1 , was mir typisch für den amerikanischen Weintrinker schien.
Mit unserer best-selling Spätlese war es also auch kein Problem unser Marketingziel zu
erreichen, dass jeder Kunde mit mindestens einer Flasche Wein nach Hause fährt. Nachdem
sich die Besucher verschiedene Weine ausgesucht haben, habe ich sie natürlich auch an der
Kasse bedient und mit einem have a good day verabschiedet, eben typisch amerikanisch.
Der ständige Kontakt zu den Kunden und den etwa 10 Kollegen, die mit mir gearbeitet haben,
hat mir geholfen, mich sehr schnell sowohl in das umgangssprachliche Englisch als auch in
das Fachvokabular einzufinden, so daß ich schon nach kurzer Zeit keinerlei Probleme mehr
hatte.
Neben der Arbeit im Tasting Room habe ich auch 1 bis 2 Winery Tours pro Tag gegeben. Ich
habe dabei eine Gruppe von 20 Personen durch Chateau Grand Traverse geführt und ihnen
den Weg des Weines, angefangen bei der Traube bis hin zur Flaschenabfüllung vor Ort
erklärt.
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Während meines gesamten Aufenthaltes hatte ich das Glück mit der Gleason Family zu
wohnen. Ich wurde sehr nett empfangen und völlig in ihre Familie einbezogen. Ich denke,
authentischer hätte ich das Leben in einer amerikanischen Familie nicht erleben können.
Außerdem haben wir auf der wirklich einmaligen Old Mission Peninsula gewohnt, wo ich
sogar das Traverse City Sprichwort < A view of the bay for half of the pay > verstehen
konnte. In meiner Freizeit habe ich mich natürlich auch mit dort gewonnenen Freunden
getroffen, um Strandfeuer zu machen oder Bands in Traverse City zu sehen. Und da wir nun
nicht sehr weit von Chicago entfernt waren, haben Inga und ich die Chance genutzt und haben
auch dort 3 Tage verbracht.
Ich habe auch einmal an einem Winemaker Meeting teilgenommen, von denen es mehrere
gab. Leider musste ich sonst jedoch immer arbeiten bzw. wurde ich von Seiten des Weingutes
nicht darauf hingewiesen. Das war ein wenig schade. Bei einem Meeting im Viticultural
Research Center hätte es bestimmt noch interessante Sachen zu sehen gegeben.
Insgesamt kann ich sagen, dass mein Praktikum eine tolle Erfahrung war, und ich viel Neues
gesehen habe. Im Tasting Room habe ich nicht nur meine sprachlichen Fähigkeiten erweitern
können, sondern auch die sehr lockere und doch persönliche Umgangsform der Amerikaner
kennengelernt. Auch die Vermarktungsstrukturen in einem Weingut habe ich in dem Maße
noch nie mitverfolgen können, wie es dieses Mal der Fall war. So haben wir auch viele lokale
Produkte mitvermarktet.
Die Erfahrungen, die ich im Keller sammeln konnte, bestanden eher aus Tätigkeiten, die ich
schon kannte, jedoch dieses Mal in einer anderen Dimension. Meine bisherigen Praktika habe
ich in einem anders strukturierten Betrieb durchgeführt, wo ich z.B. nicht mit 25.000 Liter
Tanks gearbeitet habe und auch keine Analysen durchgeführt habe. Diese sogar
internationalen Einblicke auf Chateau Grand Traverse haben meine Erfahrungen also
wesentlich bereichert.
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Abschließend danke ich Herrn Professor Bayer, der Carl Duisberg Gesellschaft, der Ohio
State University und Familie Renn für die gute Betreuung vor und während des Praktikums.
Außerdem gilt mein besonderer Dank dem Daniel Renn Scholarship Fund für das Stipendium,
das es mir ermöglicht hat dieses Auslandspraktikum durchzuführen.
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