Rolle der Interessenverbände in Deutschland und den USA
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Rolle der Interessenverbände in Deutschland und den USA
Interessenverbände Vergleich BRD- USA Definition Interessenverbände: - auf Dauer angelegte, außenwirksame Vereinigung von Personen, Gruppen oder Institutionen mit dem Ziel, spezielle Interessen auf politischer Ebene durchzusetzen ihre Dauerhaftigkeit und gute Organisation unterscheidet sie von kurzweiligen Bürgerinitiativen 1) Bedeutung /Funktion der Verbände: Deutschland: - Verbände sind im öffentlichen Bereich und in der Politikentwicklung fest miteinbezogen - Kennzeichen: starke Verflechtung von organisierten Interessen und staatlichen Instanzen Verbände = Bindeglied zwischen Gesellschaft und Staat - arbeiten beratend bei Gesetzesentwürfen mit und begutachten diese, wirken auf Parlamentsfraktionen ein, mobilisieren die Bevölkerung zur Mitgliedschaft… je größer die öffentl. Bedeutung eines polit. Prozesses, desto mehr Einfluss haben sie darauf - indem sie wichtige Teilbereiche selbst verwalten, entlasten die Verbände den Staat - können Interessenkoalitionen eingehen, um ihrem Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen USA: - zahlreiche unterschiedliche Interessenverbände (USA= Land der Interessenverbände) Vielfalt der Interessenverbände spiegelt die amerikanische Gesellschaft wieder - im Gegensatz zu Deutschland sehr lockere und dezentral organisierte Verbände Gründe: - seit der Republikgründung Konkurrenzprinzip (Deutschland: früher feudalistische Formen von Verbänden, Zünfte und Gilden) - ( ≠ Europa) keine staatliche Bürokratie auf Bundesebene als Träger der Industrialisierung, daher Bildung starker Unternehmensverbände - können mit Hilfe vieler Lobbyisten politische Entscheidungen mitbeeinflussen 2) Verbandstypen: Deutschland: - Unterscheidung zwischen wirtschafts-, berufs-, sozial-, gemeinschafts-, wissenschafts-, forschungs-, kultur-, sport- und freizeitbezogenen Verbänden - Unterscheidung zwischen Verbänden von Einzelpersonen und Verbänden von Institutionen (in denen sich kleine Verbände zu einem Dachverband gruppieren) USA: 1. Verbände von Kapital und Arbeit: - Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, keine allumfassenden, zentralistischen Unternehmensverbände wie der BDI in Deutschland - Trade Associations (spezialisierter als dt. Industrieverbände) - größte Unternehmensorg.: US Chamber of Commerce, National Association of Manufactures - Gewerkschaften: locals= Betriebsgewerkschaftsorg.; schließen mit jeweiligem Unternehmen Tarifverträge ab Problem: Anzahl gewerkschaftlich Organisierter nimmt stark ab(1960: 31, 4%; 2002: 13, 2%) 2. Standes- und Berufsverbände: - Zusammenschlüsse einzelner Berufsgruppen; Selbstständige und mittlere Unternehmer (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte usw.) oder im öffentlichen Dienst Beschäftigte (z.B. Lehrer) - gehören zu den erfolgreichsten Interessengruppen (bundesweit und flächendeckend organisiert, haben in Kongresswahlkreisen Aktivisten zur Mobilisierung der Öffentlichkeit 3. Traditionelle Ein- Punkt- Organisationen: - vertreten ein ganz spezielles, eng gefasstes Interesse (z.B. American League to Abolish Capital Punishment - für Abschaffung der Todesstrafe) 4. Public Interest Groups: - verfolgen kein ökonomisches Eigeninteresse; vertreten im öffentl. Interesse das Gemeinwohl 5. Ideologische Gruppierungen: - sind mit polit. oder religiösen Strömungen verbunden (Friedens-, Frauen-, Ökologiebewegung) - Bsp.: American Conservative Union, People for the American Way 6. Interessenvertretungen der Gebietskörperschaften ( Intergovernmental Lobbying Organizations): - vergleichbar mit dem „Deutschen Städtetag“, Vereinigungen der US- amerikanischen Städte, der Bürgermeister, der Landgemeinden, der Kreise usw. 3) Adressaten der Verbände Deutschland: - Öffentlichkeit Artikulation der Ziele durch Medien u.ä.(Anzeigekampagnen, Demonstrationen…) - Parteien unterstützen Wahlkämpfe; Gegenleistung: Berücksichtigung ihrer Ziele im Parteiprogramm - Parlament versuchen, ihren führenden Mitgliedern und Funktionären Mandate zu verschaffen USA: - Legislative: Lobbyisten, Parlamentarier und ihre Mitarbeiter versuchen „von außen“ Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen; ihre Vertreter sitzen nicht wie in der BRD im Parlament Abgeordnete und Senatoren des Kongresses als Hauptadressaten (Legislativgewalt) Methoden: voting records (informieren Mitglieder und potentielle Wähler über das Abstimmungsverhalten ,,ihres" Abgeordneten), grassroots-lobbying (Werbefeldzüge und Briefkampagnen, um Wähler bzw. Mitglieder dazu anzuspornen, selbst einen Abgeordneten zu kontaktieren), Öffentlichkeitsarbeit und informelle Einflussnahme - Exekutive: neben Kongress wichtigstes Ziel der Einflussnahme Methoden: von Verbänden „eingeschleuste“ Beamte und Behördenleiter, Beeinflussung des Präsidenten, da keine Fraktionsdisziplin - Judikative: Gegeneinander- Ausspielen der drei Gewalten, d.h. Nutzung d. richterl. Prüfungsrechts, um bei anderen Gewalten Gehör zu finden großer Einfluss der Verbände in Staaten, wo Richter vom Volk gewählt werden Fazit: - Parteien der USA schwächer als in BRD; daher Einfluss schlagkräftiger Verbände dort größer - sowohl in Deutschland als auch in Amerika besteht das Problem, dass nicht alle Interessengruppen in der Lage sind, sich in Verbänden zu organisieren - der hohe Einfluss bestimmter Interessengruppen auf einzelne Abgeordnete in den USA ist unumstritten, man kann jedoch nicht von einer „Herrschaft der Verbände“ reden - BRD: Einfluss auf Legislative und Exekutive, USA: Einfluss auf alle drei Gewalten - Organisation der Verbände in BRD zentral, in USA fragmentiert und dezentral organisiert - in BRD sind Kompromisse zwischen Parlamentariern und Verbänden später nur schwer durch das Parlament abzuändern