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Züchtungskunde, 79, (3) S. 184 – 197, 2007, ISSN 0044-5401
© Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Zuchtprogrammgestaltung bei der Bunten Deutschen Edelziege
Birgit Zumbach1 und K. J. Peters2
Herrn Prof. Gerhard Seeland zum 65. Geburtstag gewidmet
1 Einleitung
In Deutschland nimmt die Nutzung von Milchziegen im Vergleich zu anderen Zweigen
der Tierhaltung zwar nur eine Randposition ein, angesichts des in den letzten 10 Jahren deutlich gewachsenen Bestands aber mit wachsender Bedeutung. Der derzeitige
Ziegenbestand in Deutschland wird auf 170.000 (FAO, 2006) beziffert, und der Milchziegenbestand umfasst ca. 150.000 Tiere. Die Bunte Deutsche Edelziege ist mit einem
Anteil von 60 –70 % am Gesamtbestand die verbreitetste Rasse.
Mit ca. 10.000 Herdbuchtieren und nur 5.000 jährlich milchleistungsgeprüften Ziegen ist aber die Zuchtpopulation klein (BDZ, 2001), zudem auf 12 Zuchtverbände verteilt, wobei jeder Zuchtverband sein eigenes Zuchtprogramm, in der Regel basierend
auf einem einfachen Herdengefährtinnenvergleich, durchführt. Die Herausforderungen
und Perspektiven einer systematischen Zuchtwertschätzung im Rahmen eines geordneten Zuchtprogramms stehen schon länger zur Diskussion (Zumbach und Peters,
2002a). In der Milchziegenzucht ist aber die Bereitschaft zur Neuorganisation bisher
nur undeutlich zu erkennen, und eine züchterische Leistungssteigerung scheint daher
eher fragwürdig (Joerß, 2000; Jaudas, 2002). Die positiven genetischen Trends z.B. in
Frankreich, den Niederlanden und den USA zeigen, dass eine Steigerung der Milchleistung durch entsprechende Zuchtprogramme möglich ist (Wiggans et al., 2000; Clement et al., 2002; van der Linde und de Jong, 2002). Ziel dieser Arbeit ist es, organisatorische Aspekte hinsichtlich einer effizienten Zuchtwertschätzung auf der Basis eines
Testtagsmodells zu erörtern sowie ein Zuchtprogramm für die Bunte Deutsche Edelziege basierend auf einem Jungbockprogramm vorzustellen.
2 Organisatorische Aspekte
2.1 Durchführung der Milchleistungsprüfung
In Deutschland wird die Milchleistungsprüfung – im Gegensatz zum Milchrind – nur von
relativ wenigen Milchschaf- und Ziegenhaltern in Anspruch genommen. Hierbei handelt
es sich ausschließlich um Herdbuchbetriebe, zumal mit sinkender Bereitschaft besonders bei größeren Betrieben. Auch lassen manche Herdbuchbetriebe ihre Milchziegen
nur während einer Laktation prüfen. Der Hauptgrund dafür sind die mit der Milchleistungsprüfung verbundenen hohen Kosten, die bei den kleinen Wiederkäuern in Relation
zum Einkommen um ein Mehrfaches höher sind als beim Milchrind. Es gilt also, die Kosten für die Milchleistungsprüfung zu senken, den Nachteil der geringen Datenmenge je
Zuchtverband auszugleichen und ein effizientes Zuchtprogramm mit verbandsübergreifender Zuchtwertschätzung zu etablieren.
In Deutschland werden die aufwändigen Standardverfahren A4 bzw B4 (monatliche
Kontrolle des Abend- und Morgengemelks) mit mindestens acht Probegemelken durch1 Birgit Zumbach, University of Georgia, Athens, Department of Animal and Dairy Science, 425
River Road, Athens, GA, 30602, USA. E-mail: [email protected]
2 Institut für Nutztierwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin, Philippstr. 13, Haus 9,
10115 Berlin. E-mail: [email protected]
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geführt. Hierbei werden neben der Milchmenge auch jeweils die Inhaltsstoffe (Fett und
Protein) und die somatische Zellzahl erfasst. Vereinfachte Verfahren wie die AC- oder
die AT-Methode könnten für kommerziell orientierte Zuchtbetriebe attraktiver sein (Tabelle 1). Auch eine Reduktion der Probegemelke, insbesondere für die Inhaltsstoffe, wäre denkbar (Kompan and Klopcic, 2006; Astruc, 2006). In Norwegen zum Besipiel
werden die Inhaltsstoffe nur bei drei von insgesamt fünf Probegemelken untersucht
(Adnoy et al., 2000), und nach Sullivan (2000) verringert sich die Genauigkeit von
Auswertungen basierend auf drei gegenüber zehn Probegemelken je Laktation nur um
5 %.
Tab. 1. Methoden zur Durchführung der MLP bei Milchschafen und -ziegen nach den ICAR-Richtlinien (ICAR, 2001, 2002, 2006)
Milk recording methods for dairy sheep and dairy goats
ICAR-Prüfmethoden
Offizielle Prüfverfahren
Standardverfahren
8 Probegemelke
abends und morgens
A (verbandseigener Prüfer)
B (betrieblicher Prüfer)
C (teils verbandseigener, teils betrieblicher Prüfer)
E (für nicht [ständig] melkende Herdbuchbetriebe)
Vereinfachte Verfahren
AT (ein Gemelk, alternierend)
AC (ein Gemelk, nicht alternierend)
Nicht-offizielle Prüfverfahren
2 – 3 Testtage mit je einem Gemelk/
Tag in Laktationsmitte
D (für Nicht-Herdbuchbetriebe)
2.2 Datenauswertung
2.2.1 Zentrale Datenbank
In den letzten Jahren sind erhebliche Fortschritte bei der Schaffung einer überregionalen Datenstruktur in der Schaf- und Ziegenzucht erreicht worden. Die Schafzuchtverbände sind bereits in der Umstellung auf eine nach dem System APIIS arbeitende neu
geschaffene Zentrale Datenbank (Groeneveld, 2002) (Abbildung 1). Die Ziegenzuchtverbände warten noch auf den Anschluss. Mithilfe dieser zentralen Datenbank können
die derzeit noch vorherrschenden strukturellen Probleme behoben werden, um eine verbandsübergreifende gemeinsame Datenauswertung möglichst effizient zu gestalten.
2.2.2 Erfassung der Probegemelksergebnisse
Die einzelnen durch die zuständigen Landeskontrollverbände (LKVs) erfassten Probegemelksergebnisse stellen die Basis für ein Testtagsmodell dar. Die LKVs berechnen in der
Regel daraus die Laktationsleistung und geben diese an die jeweiligen Zuchtverbände
weiter. Nur wenige Zuchtverbände (z.B. Mecklenburg-Vorpommern) übertragen Probegemelksdaten in ihr Herdbuchprogramm, und zwar manuell. Da die Zentrale Datenbank zurzeit nur die Datenströme von Zuchtverbänden erfasst, würden die Probegemelksergebnisse zunächst entfallen. Um diese zu sichern, ist die baldmögliche Herstellung einer direkten Verbindung zwischen den LKVs und der Zentralen Datenbank unerlässlich (Abbildung 1).
186
Birgit Zumbach und K. J. Peters
Abb. 1. Konzept der Zentralen Datenbank und Datenflüsse
Concept of a central data information bank and information flows
2.2.3 Tieridentifikation
Die Problematik der bisher praktizierten Tieridentifikation ergibt sich aus der Verwendung unterschiedlicher Nummern oder Codes für Zuchttiere in den Landeszuchtverbänden, wobei es in der Regel keinen Schlüssel für eine Verknüpfung gibt. Diese Problematik erstreckt sich auf zwei Ebenen.
Die erste Ebene betrifft die beim Zuchttierhandel zwischen Zuchtverbänden oft übliche Anpassung der ursprünglichen Herdbuchnummer an das eigene Identifikationssystem. Dadurch sind genetische Verbindungen zwischen Tieren aus verschiedenen Zuchtverbänden – Voraussetzung für eine verbandsübergreifende Zuchtwertschätzung –
nicht nachweisbar. Aus diesem Grund können z. B. derzeit keinerlei genetische Verbindungen zwischen Zuchtverbänden mit der OVIS-Datenverwaltung (Sachsen, BerlinBrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) und anderen Systemen (z.B. Bayern, BadenWürttemberg) nachvollzogen werden. Eine Lösung bietet die Zentrale Datenbank für
beteiligte Zuchtverbände durch das Abkoppeln externer von internen Codes, jedoch nur
für neu einfließende Daten. Bundesweit schafft das neue EU-konforme Identifikationssystem eine langfristige Lösung.
Die zweite Ebene betrifft die Erfassung der Probegemelksdaten. Die von den Zuchtverbänden vergebenen Herdbuchnummern werden bei der Milchleistungsprüfung von
den Züchtern zum großen Teil modifiziert (leicht bis vollständig) an die zuständigen
LKVs weitergeleitet. Dort werden diese abgeänderten Nummern mit den entsprechenden Ergebnissen versehen. Eine Zuordnung der Testtagsdaten zu dem entsprechenden
Zuchttier ist dann nur durch arbeitsaufwändig manuelle Überprüfung oder auch gar
nicht möglich. So konnte z.B. in der Arbeit von Zumbach et al. (2004) trotz manueller
Korrekturen nur etwa die Hälfte der vorhandenen Probegemelksergebnisse für eine genetische Analyse berücksichtigt werden. Eine effiziente Lösung bietet die Einbeziehung
der Zentralen Datenbank, in welcher auch die zur Milchleistungsprüfung angemeldeten
Tiere registriert werden: Die Züchter erhalten diese Meldeliste – und somit die korrekte Nummer – von der zentralen Datenbank und geben diese unverändert an die zuständigen LKVs weiter (Abbildung 2).
2.2.4 Erfassung und Standardisierung wesentlicher Daten
Zur möglichst effektiven Gestaltung einer Zuchtwertschätzung sind die wesentlichen
Merkmalskomplexe, d.h. Milchleistung, Fruchtbarkeit, Tiergesundheit und funktionelle
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Abb. 2. Fluss der Probegemelksdaten auf der Basis der Meldeliste
Information flows of test day results based on registration lists
Merkmale, wie auch die darauf einwirkenden systematischen Effekte in die Informationsgewinnung einzubeziehen. Hauptmerkmale wie Milchleistung (Milchmenge, Inhaltsstoffe und Zellzahl) sowie Einflussfaktoren wie Betriebsnummer, Ablammdatum, Wurfgröße werden standardmäßig von den verschiedenen EDV-Programmen der Zuchtverbände berücksichtigt. Das Merkmalsspektrum sollte jedoch auch weitere wichtige funktionelle Merkmale (Fruchtbarkeit, Gesundheit, Euterbewertung) einbeziehen. An systematischen Effekten wären zusätzlich Melkfrequenz, Herdengröße, Wirtschaftsweise
und das Absetzdatum zu erfassen. Das Merkmal Fruchtbarkeit sollte nicht nur durch die
Anzahl der geborenen Lämmer, sondern auch durch die Anzahl der lebend geborenen
und abgesetzten Lämmer gekennzeichnet sein. Im Bereich Gesundheit wäre das Auftreten von Eutererkrankungen, Capriner Arthritis sowie Encephalitis (CAE) und Scrapie
mit aufzunehmen. Für die funktionellen Merkmale wie Exterieur und Euter sollte ein
bundesweit einheitliches Beurteilungssystem eingeführt werden, möglichst auf der Basis einer linearen Beschreibung, wie sie von Kretschmer und Peters (2002) am Beispiel der Milchschafe entwickelt worden ist.
2.2.5 Genetische Verbindungen zwischen Herden
Die derzeitige Ziegenzuchtstruktur ist gekennzeichnet durch Bockeinsätze innerhalb
von Herden. Eine optimale genetische Verbindung zwischen Herden und zur Vermeidung des Bock-Herden-confounding kann über die künstliche Besamung (KB)oder auch
durch Referenzböcke im Natursprung (NS) realisiert werden. Der Einsatz von Referenzböcken über mehrere Herden wie z.B. üblich in Norwegen (Adnoy et al., 2000) ist in
Deutschland aufgrund der Furcht vor Hygienerisiken und wegen des höheren Organisationsaufwandes mit engen Grenzen besetzt. Leider wird auch die künstliche Besamung
mit Tiefgefriersperma trotz potentiell hoher Besamungseffizienz kaum eingesetzt. Der
Bedarf von Seiten der Züchter ist sowohl aus züchterischen (Joerß, 2000) als auch aus
hygienischen Gründen (Wolff, 2000) zwar vorhanden, die Anwendung scheitert aber
wegen der bisher nur unzureichenden Verfügbarkeit von Böcken mit Zuchtwertschätzergebnissen.
Unter den gegebenen Bedingungen ist die Zuchtwertschätzung auf die Nutzung entfernterer Verwandtschaftsbeziehungen angewiesen, die durch den regelmäßigen Han-
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Birgit Zumbach und K. J. Peters
del mit männlichen Zuchttieren existieren. Die günstige Reproduktionsleistung verstärkt zwar diese Verbindungen, ein effizientes Zuchtprogramm und eine gesicherte
Zuchtwertschätzung können in Deutschland jedoch nur mit einer systematischen Nutzung der KB erfolgen. Als Übergang sollte der Zuchttieraustausch zwischen Herden und
Verbänden systematisch und aktiv gefördert werden.
2.3 Zuchtprogrammschema
Die Nachkommenprüfung hat sich vor allem beim Milchrind in den Industrieländern als
effizientes Zuchtschema etabliert. Auch bei den Milchziegen basieren die Zuchtprogramme in der Regel auf der Nachkommenprüfung, die unter guten strukturellen Bedingungen -wie z.B. in Frankreich- effiziente Ergebnisse liefern. Bei nicht-optimalen
Strukturen – wie in der deutschen Ziegenzucht – müssen aber Alternativen wie z.B. das
Jungbockprogramm in Erwägung gezogen werden. Vom genetischen Standpunkt her,
d.h. ohne Berücksichtigung der damit verbunden Kosten, sind Nachkommenprüfungen
dann gerechtfertigt, wenn der erwartete genetische Fortschritt pro Jahr höher ist als bei
alternativen Programmen (JAITNER und DEMPFLE, 1998; ZUMBACH und PETERS,
2002b). Da sowohl der Organisations- als auch der Kostenaufwand bei einem Jungbockprogramm deutlich günstiger als bei einer Nachkommenprüfung ist, bietet sich für die
deutsche Ziegenzucht das Jungbockprogramm als Zuchtschema der Wahl. Erst bei aktiver Entwicklung der Zuchtorganisation könnte ein Nachkommenprüfprogramm Vorteile bieten, besonders durch Einbeziehung von Merkmalen mit geringer Erblichkeit (Gesundheit, funktionale Merkmale).
3 Berechnung eines Zuchtprogramms für die Bunte Deutsche Edelziege
Im Folgenden wird ein Beispiel für ein mögliches Zuchtprogramm für die Bunte Deutsche
Edelziege dargestellt. Es lehnt sich an ein Beispiel für die Zuchtplanung beim Milchrind
von Fewson (1994) an. Die Berechnungen basieren auf geschätzten Bestandesgrößen
der Bunten Deutschen Edelziege in der Herdbuch- und Gebrauchszucht sowie aus der
Ziegenzucht bekannten biologischen Parametern (z.B. Wurfgröße, Erfolg der KB).
3.1 Annahmen
Faktoren
Bei der Population der Bunten Deutschen Edelziege wird nach Angaben des BDZ (2001)
von einem Bestand von ca. 60.000 Ziegen, von ca. 10.000 Herdbuchtieren und ca. 5.000
milchleistungsgeprüften Zuchttieren ausgegangen. Die künstliche Besamung wird als
ein wesentliches Element des Zuchtprogramms betrachtet, aber auch der Natursprung
ist vorgesehen.
Das am Beispiel berechnete Jungbockprogramm basiert auf 40 KB-Jungböcken, von
denen die zehn besten für Elitepaarungen eingesetzt werden. Unter Berücksichtigung
der angenommenen Faktoren wie Fruchtbarkeit, Geschlechterverhältnis, Paarungserfolg und Vorselektion bedarf es 250 Bockmütter, um jährlich 40 Jungböcke bereitzustellen (Tabelle 2). Die 5.000 Herdbuchziegen erzeugen (unter Natursprung) ca. 1.200 Vatertiere, wobei Wurfgröße, Geschlechterverhältnis und Vorselektionsfaktor entsprechend
der KB berücksichtigt sind und eine Trächtigkeitsrate von 90 % zugrunde gelegt wird.
Zuchtschema
Das Zuchtprogramm besteht aus einer Elitestufe, in welcher die 250 besten Ziegen mit
den 10 besten Jungböcken verpaart werden, und einer Produktionsstufe, welche die übrige Herdbuch- wie auch die Nichtherdbuchpopulation einschließt. Unter der Annahme
einer Gewinnung von 1000 Spermaportionen pro Jungbock können mit den 40.000 Sa-
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Tab. 2. Faktoren zur Bestimmung von Elite-Ziegen zur Erzeugung von 40 Jungböcken
Factors determinating elite-does for the production of 40 young bucks
Faktor
Anzahl Jungböcke/Jahr
1,6 Nachkommen/Jahr
Geschlechterverhältnis (50%)
Trächtigkeitsrate (0,6)
Vorselektionsfaktor
Koeffizient
40
0,625
2
1,667
3
menportionen bei einer Trächtigkeitsrate von 60 % ca. 24.000 Trächtigkeiten erzielt
werden (Tabelle 2). Während in der Elitestufe ausschließlich KB angewandt wird (250
Trächtigkeiten pro Jahr), kommen in der Produktionsstufe sowohl KB als auch NS zum
Einsatz. Die Samenportionen reichen somit für 23.750 Ziegen (39,6 %) in der Produktionsstufe. Für die verbleibenden 36.250 Ziegen (60,4 %) werden insgesamt 906 NS-Böcke benötigt (Tabelle 3).
Tab. 3. Faktoren der Anpaarungsverfahren
Mating factors
Künstliche Besamung (KB)
Natursprung (NS)
40 Böcke
1000 Spermaportionen pro Elite-Jungbock
60% Trächtigkeitsrate nach erster KB
24.000 Trächtigkeiten
© 250 Elite-Ziegen
© 23.750 Herdbuch- und Gebrauchsziegen
906 Herdbuchböcke
Paarungsverhältnis 1 : 40
© 36.250 Gebrauchsziegen
Selektionsintensität und Genauigkeit der Zuchtwertschätzung
Die Selektionsintensitäten entsprechen dem Anteil selektierter Tiere für große Stichproben (Falconer und Mackay, 1996). Bei der Berechnung der Genauigkeiten der Zuchtwertschätzung wurde eine Heritabilität von 0,25 angenommen (Zumbach et al., 2006).
Als Informationsquellen in der Elitestufe wird die Vorfahrenleistung von jeweils 100 väterlichen Halbgeschwistern des Vaters und der Mutter, in der Produktionsstufe werden
jeweils nur zehn Vorfahrenleistungen zugrunde gelegt. Bei den weiblichen Tieren steht
in beiden Zuchtstufen noch die Information der Eigenleistung bereit. Die Genauigkeiten
wurden mit dem Programm ZPLAN (Karras et al., 1997) ermittelt.
Generationsintervall und Inzucht
Das Generationsintervall ist abhängig vom Erstlamm- bzw. Ersteinsatzalter und der Nutzungsdauer der einzelnen Pfade. Bei den Böcken und den Ziegen der Produktionsstufe
wird ein Erstlammalter von 1,5 Jahren angenommen, während es sich bei Eliteziegen
nach gezielter Paarung auf drei Jahre erhöht. Die Nutzungsdauer wird für Elite- und
Produktionsböcke auf ein bzw. zwei Jahre festgelegt, die für Ziegen der Elite- bzw. der
Produktionsstufe auf zwei bzw. vier Jahre.
Für die Schätzung der Inzuchtrate wurde nach Falconer und Mackay (1996) die
nicht-zufällige Verteilung der Familiengröße (Anzahl von Nachkommen eines Individuums, die in der nächsten Generation zur Zucht kommen) mitberücksichtigt. Bei der Berechung der Varianz der Familiengröße wird eine Poisson-Verteilung angenommen, so
dass die Varianz gleich dem Mittelwert ist.
190
Birgit Zumbach und K. J. Peters
Aus
ΔF =
1
2Ne
und
Ne =
8N
(approximativ)
Vkm + Vkf + 4
ergibt sich
ΔF =
Vkm + Vkf + 4
16N
ΔF:
Ne:
N:
Vkm:
Vkf:
Inzuchtrate
effektive Populationsgröße
Populationsgröße
Varianz der Familiengröße bei männlichen Zuchttieren
Varianz der Familiengröße bei weiblichen Zuchttieren
Additiv-genetische Standardabweichung
Die additiv-genetischen Standardabweichungen für die Milchmenge in der ersten und
zweiten Laktation, geschätzt auf der Basis eines Random-Regression-Testtagsmodells
(DIM5-270), liegen bei 0,11 bzw. 0,15 kg2 pro Testtag (Zumbach et al., 2006). Daraus
ergeben sich die additiv-genetischen Standardabweichungen von 0,33 bzw. 0,39 kg je
Tag in Milch in der ersten bzw. zweiten Laktation. Für die 240-Tage-Leistung (Standardlaktation) bzw. 300-Tage-Leistung bedeutet dies eine additiv-genetische Standardabweichung von ca. 80 – 90 kg bzw. 99 – 117 kg. Bei der Zuchtprogrammkalkulation
wird eine additiv-genetische Standardabweichung von 85 kg bzw. 105 kg für die 240bzw. 300-Tage-Laktation zugrunde gelegt.
3.2 Ergebnisse
Selektionsintensitäten und Genauigkeiten
Die höchste Selektionsintensität (1,76) wird im Pfad der Bockmütter (ZB) erreicht (Tabelle 4). Hierbei sind ein Viertel der Herdbuchziegen (jährliche Remonte) Selektionskandidaten. Danach folgen die Bockväter (BB) mit einer Selektionsintensität von 1,27.
Auch im Pfad der Ziegenmütter (ZZ) ist die Selektionsintensität mit 1,13 relativ hoch,
was durch die Mehrlingsgeburten dieser Spezies bedingt ist – sie ist sogar höher als die
des Pfades der Ziegenväter (BZ).
Bedingt durch die Einbeziehung der Eigenleistung ist auch die Genauigkeit bei ZB mit
0,62 am höchsten, gefolgt von ZZ mit 0,56. Obwohl bei BB die 10-fache Zahl an väterlichen Halbgeschwistern als Informationsquelle zur Verfügung steht gegenüber BZ, liegt
der Genauigkeitszuwachs nur bei 20 %.
Zuchtfortschritt
Betrachtet man die additiv-genetische Standardabweichung als eine Konstante der Population, so wird der Zuchtfortschritt je Generation durch die Selektionsintensität und
die Genauigkeit bestimmt. Der höchste Erfolg ist über den Pfad ZB zu realisieren. Auf
dem Pfad BB wird nur etwas weniger als die Hälfte davon erreicht und somit auch weniger als auf dem Pfad ZZ (Tabelle 4). Da der Zuchtfortschritt der KB-Böcke im Pfad BZ
bereits bei den Eliteböcken berücksichtigt ist, werden bei BZ nur ca. 60 % des Zuchtfortschritts der NS-Böcke erreicht (16,5 – 20,4 kg). Der mittlere Zuchtfortschritt über alle
vier Pfade liegt bei 51 bzw. 63 kg für eine Laktationslänge von 240 bzw. 300 Tagen (Tabelle 5). Dies entspricht etwa 8 – 9 % der Milchmenge einer 240-Tage- (590 kg) bzw.
300-Tage-Laktation (740 kg) (Zumbach et al., 2006).
Zuchtprogrammgestaltung bei der Bunten Deutschen Edelziege
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Tab. 4. Jungbock-Zuchtprogramm für die Bunte Deutsche Edelziege
Young buck breeding program for German Fawn Goats
Zuchtnukleus
(KB)
Gebrauchszucht
(NS)
BB
ZB
selektiert
10
125
-
453
1
verfügbar
40
1.250
-
1.200
3,2
Anteil selektiert, % (p)
25,0
10,0
-
37,8
31,3
Selektionsintensität (i)
1,27
1,76
-
1,01
1,13
-
10 pHG_Z
10 pHG_B
Z
10 pHG_Z
10 pHG_B
Z
EL
Informationsquelle
Genauigkeit (r)
BZ
KB (39,6%) NS (60,4%)
100 pHG_Z 100 pHG_Z
100 pHG_B 100 pHG_B
Z
Z
EL
ZZ
0,39
0,62
-
0,32
0,56
Zuchtfortschritt/Generation (kg)
–240 Tage
41,7
– 300 Tage
51,5
91,7
113,3
0
27,3
0
33,7
240 Tage: 16,5
300 Tage: 20,4
53,6
66,1
Erstselektionsalter (Jahre)
1,5
3
1,5
1,5
1,5
Zuchtjahre
1
2
1
2
4
Generationsintervall (Jahre)
2
3,5
2
2,5
3
BB: Bockväter; ZB: Bockmütter; BZ: Ziegenväter; ZZ: Ziegenmütter; KB: Künstliche Besamung;
NS: Natursprung; pHG_Z: väterliche Halbgeschwister der Ziegen; pHG_B: väterliche Halbgeschwister der Böcke; Z: Ziegenleistung; EL: Eigenleistung
Tab. 5. Mittlerer genetischer Fortschritt (kg Milch) durch das Jungbockzuchtprogramm
Average genetic progress (kg milk) achieved in the Young buck breeding program
Generationsintervall (Jahr)
2,7
Genetischer Fortschritt/Generation
- 240 Laktationstage (kg)
- 300 Laktationstage (kg)
50,9
62,8
Genetischer Fortschritt/Jahr
- 240 Laktationstage (kg)
- 300 Laktationstage (kg)
18,8
23,3
Generationsintervall
Das Generationsintervall, welches den Zuchtfortschritt pro Generation relativiert, ist bei
dem vorgestellten Jungbockzuchtschema auf dem Pfad BB am kürzesten auf Grund der
nur einjährigen Nutzungsdauer. Bei ZB ist es durch das späte (zweite Laktation) Erstnutzungsalter für die Selektion mit 3,5 Jahren am höchsten, gefolgt von ZZ (3 Jahre),
welche die höchste Nutzungsdauer aufweisen, und BZ (2,3 Jahre) (vgl. Tabelle 4). Das
durchschnittliche Generationsintervall liegt bei diesem Jungbockzuchtschema bei 2,7
Jahren.
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Birgit Zumbach und K. J. Peters
Jährlicher Zuchtfortschritt
Bei Berücksichtigung des Generationsintervalls ist der erreichte Zuchtfortschritt bei den
ZB immer noch am höchsten. Der Pfad BB nimmt jedoch den zweiten Platz ein. In der Produktionsstufe ist der Zuchtfortschritt bei den ZZ doppelt bis dreifach so hoch wie bei den
Ziegenvätern. Der erwartete durchschnittliche Zuchtfortschritt pro Jahr über alle vier Pfade liegt bei 19 kg (240 Tage) bzw. 23 kg (300 Tage) pro Ziege und Laktation (Tabelle 5).
Vergleich Jungbockprogramm – Nachkommenprüfung
Tabelle 6 zeigt den Vergleich des Pfades BB für ein Jungbockzuchtprogramm mit dem
einer Nachkommenprüfung. Für die anderen Pfade gibt es keine Veränderungen mit
Ausnahme des Generationsintervalls für BZ, bei welchem BB mit 39,6 % einfließt.
Mit den festgelegten Vorgaben bleibt die Selektionsintensität konstant, die Genauigkeit jedoch erhöht sich bei der Einbeziehung von 100 Töchterleistungen bei der Nachkommenprüfung um nahezu das Zweieinhalbfache und somit auch der Zuchtfortschritt
je Generation in diesem Pfad. Das Generationsintervall bei der Nachkommenprüfung indessen erhöht sich ebenfalls in ungefähr derselben Größenordnung, sodass der jährliche
Zuchtfortschritt auf dem Pfad BB nur geringfügig über dem des Jungbockprogramms
liegt. Das höhere Generationsintervall von BB bei der Nachkommenprüfung beeinträchtigt den jährlichen Zuchtfortschritt von BZ, sodass der Gesamtzuchtfortschritt in der
Tendenz eher niedriger als beim Jungbockprogramm ist.
Tab. 6. Vergleich Jungbock-Zuchtprogramm und Nachkommenprüfung für die Bunte Deutsche
Edelziege
Comparison between Young Buck Program and Progeny Testing Program
BB
Gesamt
BB-JB
BB-NK
selektiert
10
10
verfügbar
40
40
Anteil selektiert, % (p)
25,0
25,0
Selektionsintensität (i)
1,27
1,27
100 pHG_Z
100 pHG_B
Z
100 pHG_Z
100 pHG_B
Z
100 Tö
Genauigkeit (r)
0,39
0,93
Zuchtfortschritt/Generation (kg)
–240 Tage
– 300 Tage
41,7
51,5
100,9
124,6
Erstselektionsalter (Jahre)
1,5
4
Zuchtjahre
1
1
Generationsintervall (Jahre)
2
20,9
25,8
Informationsquelle
Zuchtfortschritt/Jahr
–240 Tage
– 300 Tage
BB-JB
BB-NK
50,9
62,8
65,7
81,1
4,5
2,7
3,6
22,4
27,7
18,8
23,3
18,4
22,7
BB: Bockväter; JB: Jungbockprogramm; NK: Nachkommenprüfung; pHG_Z: väterliche Halbgeschwister der Ziegen; pHG_B: väterliche Halbgeschwister der Böcke; Z: Ziegenleistung;
Tö: Töchterleistung
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Entwicklung der Inzucht
Die erwartete Inzuchtrate dieses Zuchtprogramms mit 10 Jungböcken und 250 Bockmüttern im Nukleus liegt bei ca. 0,7 % je Generation, d.h. 0,3 % pro Jahr in der Elitestufe. Sie liegt somit unter der von Nicholas (1991) genannten tolerierbaren Schwelle
von 0,5 %.
Planungsalternativen
Die bisherigen Berechnungen basieren auf 40 Jungböcken. Wesentliche Ergebnisse für
vergleichbare Schemata mit 20, 40, 60 und 80 Jungböcken sind in der Tabelle 7 dargestellt.
Eine Erhöhung der Anzahl der Jungböcke – ceteris paribus – ist verbunden mit einer
Steigerung der Anzahl der Bockmütter, um diese Jungböcke zu erzeugen. Insofern erhöht sich die Selektionsintensität bei BB, während sie sich bei ZB verringert. In der Produktionsstufe stehen bei einer höheren Anzahl von Jungböcken mehr Samenportionen
zur Verfügung. Insofern reduziert sich der Bedarf an NS-Böcken, sodass die Selektionsintensität im Pfad BZ steigt. Der Gesamtzuchtfortschritt ist bei sämtlich aufgeführten
Planungsalternativen vergleichbar.
Tab. 7. Selektionsintensitäten und Zuchtfortschritt für Jungbock-Zuchtprogramme mit unterschiedlicher Anzahl von Jungböcken
Selection Intensities and Selection Response in a Young Buck breeding program with different
number of young bucks
Zuchtnukleus
(KB)
BB
Gebrauchszucht
(NS)
ZB
BZ
KB
Selektionsintensität (i)
20 JB
40 JB
60 JB
80 JB
ZZ
NS
0,80
1,27
1,50
1,65
2,06
1,76
1,55
1,40
0,80
1,01
1,26
1,63
1,13
1,13
1,13
1,13
Zuchtfortschritt* pro Gen. /Jahr (kg)
20 JB
26,2
40 JB
41,7
60 JB
49,3
80 JB
54,0
107,7
91,7
81,2
73,2
26,6
16,5
13,9
9,2
53,6
53,6
53,6
53,6
Zuchtfortschritt* pro Gen. /Jahr (kg)
20 JB
40 JB
60 JB
80 JB
51.2 / 19.0
50,9 / 18,8
51,6 / 19,1
52,4 / 19,4
* 240-Tage-Leistung
4 Diskussion
Bei Zuchtprogrammen für Milchziegen gibt es weltweit sehr große Unterschiede, von
der Nicht-Existenz bis hin zu sehr effizienten Zuchtsystemen, wobei nur wenige einen
tatsächlichen genetischen Fortschritt bei Milchmerkmalen erzielen (Barillet, 1997;
Montaldo und Manfredi, 2002; Serradilla und Ugarte, 2006). So stellt sich die Frage, ob es sinnvoller ist, verbessertes Genmaterial zu importieren oder ein effizientes
194
Birgit Zumbach und K. J. Peters
Zuchtprogramm aufzubauen (Barillet et al., 2006). Die Entwicklung der deutschen
Ziegenzucht geht deutlich in Richtung einer effizienten Zuchtwertschätzung. Dies bedeutet auch eine Entscheidung für den Erhalt der bestehenden genetischen Ressourcen,
welche trotz bisher weitestgehender Erhaltungszucht auf einem hohen Niveau stehen.
Die Zentrale Datenbank als das wesentliche Glied einer verbandsübergreifenden
Zuchtwertschätzung ist bereits Realität. Derzeit bestehende strukturelle Probleme wie
z.B. Identifikationsprobleme oder die Speicherung der Probegemelksdaten können damit elegant gelöst werden. Wegen der Beschränkung des Datenflusses derzeit auf die
einzelnen Zuchtverbände wird eine länderübergreifende Zuchtwertschätzung zunächst
auf einem Laktationsmodell basieren. Erst unter Einbeziehung der LKVs, d.h. mit der
Übermittlung der Probegemelksdaten an die Zentrale Datenbank, wird eine Auswertung
per Testtagsmodell ermöglicht.
Die systematische Einführung der künstlichen Besamung stellt ein weiteres zentrales
Element eines effizienten Zuchtprogramms dar. Zum einen schafft sie die Möglichkeit,
die Selektionsintensität zu erhöhen, zum anderen können dadurch genetische Verbindungen zwischen den Herden ohne Hygienerisiko hergestellt werden.
Um Züchtern mit großen Herden die Teilnahme am Zuchtprogramm zu ermöglichen,
sollte eine Vereinfachung der derzeitigen Leistungsprüfung zwecks Senkung der Kosten
und einer vereinfachten Operationalität angestrebt werden. Hierbei könnten vereinfachte Prüfverfahren (AC, AT) sowie die Reduzierung der Anzahl Probegemelke je Laktation, insbesondere für die Analyse von Inhaltsstoffen, eine Lösung darstellen. Für den
Zweck einer Zuchtwertschätzung ist es nach Sullivan (2000) wichtiger, mehr Herden
zu prüfen als die Einbuße an Genauigkeit bei Einzeltieren.
Als Engpässe bei vielen Zuchtprogrammen werden zumeist unvollständige Pedigrees,
unzureichende Töchterzahlen und mangelnde genetische Verbindungen (connectedness) zwischen Herden genannt (Barillet et al., 2006; Serradilla und Ugarte, 2006).
Dennoch wird an einer Nachkommenprüfung festgehalten (Serradilla und Ugarte,
2006). Diese wird sehr oft als notwendige, nahezu „magische“ Komponente eines Zuchtprogramms betrachtet, auch wenn sie nicht von Bedeutung ist (Philipsson, 2000).
In der deutschen Ziegenzucht sind die Pedigrees der Herdbuchziegen in der Regel
vollständig und auf mehrere Generationen zurückverfolgbar, sodass dies kein Hindernis
für eine Nachkommenprüfung darstellen sollte. Jedoch zeigt der Vergleich des Jungbockprogramms mit der Nachkommenprüfung einen vergleichbaren Zuchtfortschritt,
da die raschere Generationsfolge im Jungbockprogramm die höhere Genauigkeit der
Zuchtwertschätzung in der Nachkommenprüfung kompensiert. Unter Mitberücksichtigung der organisatorischen und ökonomischen Vorteile eines Jungbockprogramms (siehe oben) bietet es sich als Zuchtprogramm der Wahl für die derzeitige Ziegenzucht in
Deutschland an. Es kann daher als einzigartig unter den bisherigen bzw. den entstehenden Ziegenzuchtprogrammen genannt werden.
Die jährliche Inzuchtrate ist trotz des niedrigen Generationsintervalls beim Jungbockprogramm relativ gering. Dies ist hauptsächlich durch die Berücksichtigung einer ausreichenden Zahl von Elite-Jungböcken bedingt (e.g. Falconer und Mackay, 1996). Wesentlich bei der Durchführung des Zuchtprogramms ist eine adäquate Paarungsstrategie, welche die Inzuchtrate langfristig minimiert (z.B. Loywick et al., 2005; Weigel and
Lin, 2002).
Da nach unseren Berechnungen die Variation von 20 bis 80 KB-Jungböcken im Zuchtprogramm keine größeren Auswirkungen auf den Zuchtfortschritt insgesamt hat, gestattet dieses Ergebnis Variationen im Verhältnis KB/NS. Dies bedeutet, dass auch eine
Variation in der Anzahl an Spermaportionen je Jungbock (im Planungsbeispiel festgelegt auf 1000) in einem bestimmten Rahmen den Zuchtfortschritt nicht beeinträchtigt.
Da die Anzahl der Eliteböcke nicht verändert wurde, wirkt sich die variierende Anzahl
von Bockmüttern (125 – 500) zur Erzeugung von 20 – 80 KB-Jungböcken kaum auf die
Inzuchtrate aus.
Zuchtprogrammgestaltung bei der Bunten Deutschen Edelziege
195
Das vorgestellte Zuchtschema beschränkt sich hier ausschließlich auf die Milchmenge. Da das Hauptprodukt der Milchziegenproduktion jedoch Käse ist, sollten alsbald
auch die Milchinhaltsstoffe in die Zuchtwertschätzung miteinbezogen werden. Auch die
Euterform und Eutergesundheit sollten dringend mit standardisierten Verfahren erhoben und in die ZWS einbezogen werden, wie es schon in Frankreich üblich ist (Barillet
et al., 2006), und auch das Reproduktionsgeschehen darf züchterisch nicht außer Acht
gelassen werden.
Zusammenfassung
Strukturelle Probleme in der deutschen Milchziegenzucht (Bunte Deutsche Edelziege) –
verursacht durch die kleine aktive Zuchtpopulation, den hohen Kostendruck bei der
Durchführung der MLP, eine dezentrale Datenerfassung und -analyse sowie die praktizierte Leistungsselektion auf der Verbandsebene – sind ungünstige Voraussetzungen für
eine züchterische Leistungsverbesserung. Ansätze zur Erhöhung der züchterischen Arbeitseffizienz liegen in einer verbandsübergreifenden einheitlichen Identifikation von
Zuchttieren, Einrichtung einer Datenbank und einer systematischen Nutzung der vorhandenen MLP-Daten für die Zuchtwertschätzung. In kleinen und Zuchtpopulationen
mit schwieriger Organisation sind Nachkommenschaftsprüfprogramme als züchterische
Methode wenig praktikabel. Mit dem Jungbock-Selektionsprogramm können diese
Nachteile überwunden und es kann – wie Simulationsrechnungen belegen – ein beachtlicher Selektionserfolg, unabhängig von der Zahl der selektierten Jungböcke, realisiert
werden. Nachkommenschaftsprüfprogramme weisen zwar eine höhere Genauigkeit der
ZWS auf, erzielen aber wegen des verlängerten Generationsintervalls keinen höheren
Selektionserfolg als das Jungbockprogramm. Wegen der wesentlich einfacheren organisatorischen Umsetzung des Jungbockprogramms wird die Anwendung dieser Methode
empfohlen.
Schlüsselwörter: Milchziegen, Bunte Deutsche Edelziege, Jungbock-Zuchtprogramm,
Zuchtfortschritt
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Breeding program formation for the German Fawn Dairy Goat
by Birgit Zumbach and K. J. Peters
Structural deficits of Dairy Goat breeding (German Fawn Goat) in Germany caused by
small fragmented populations, high cost sensitivity of performance recording and
breeding activities, decentralized information collection, data analysis, and selection
of breeding animals are major constraints to current and future performance improvements. Attempts to overcome these limitations are targeted at concerted actions of
regional goat breeding societies to implement a standardized identification system, a
common data bank and systematic utilisation of available milk recording data, and a
common platform for buck selection. Progeny testing schemes are less appropriate for
small fragmented breeding populations, thus, young-buck selection scheme is evaluated. Simulation calculations indicate a reasonable selection response irrespective of
the numbers of selected bucks. Progeny testing schemes achieve a higher accuracy of
BW prediction but because of the longer generation interval due not attain a higher
selection response. Due to the easier implementation and comparable efficiency the
young buck breeding scheme should be adapted in the German Fawn goat breeding.
Keywords: Dairy goat, German Fawn goat, Youngbuck selection program, progeny
testing scheme, selection response for milk

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