DIE WELT Sonderausgabe Forderungsmanagement

Transcrição

DIE WELT Sonderausgabe Forderungsmanagement
Im Interview
Per Gesetz
Neue Beschlüsse sollen
vor Abzockern schützen
BDIU-Präsident Spitz
über Schulden und
Erziehung Seite II
Seite XI
SONDERAUSGABE FORDERUNGSMANAGEMENT
JENS KOHRS UND MICHAEL POSCH
D
er Konsum ist weiterhin eine wichtige Stütze der
deutschen
Konjunktur.
Nach Informationen des
Ifo-Geschäftsklimaindexes
erreichten die Anschaffungsabsichten
der Bürger in den vergangenen Monaten
immer wieder Höchststände und lieferten damit erhebliche Impulse für die
Wirtschaft. Die GfK-Marktforschungsgruppe führt die anhaltende Kauflaune
vor allem auf die stabile Arbeitsmarktlage, eine gute Einkommensentwicklung
sowie die weiter sehr niedrigen Zinsen
und eine leicht gestiegene Inflationsrate
zurück, so dass die Konsumenten ihr
Geld vor allem für größere Anschaffungen, darunter Immobilien, nutzen.
Doch die Kauflaune hat auch Schattenseiten. Denn nach Angaben von Wolfgang Spitz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen
(BDIU), wird ein Großteil der Anschaffungen über Kredite finanziert. So verzeichnet die Schufa aktuell zirka 17,4 Millionen Ratenkredite für Verbraucher, im
Vergleich zu 2003 ein Anstieg um etwa
Von Soll
und Haben
Inkasso sorgt dafür, dass Zahlungsausfälle die
deutsche Wirtschaft nicht zu stark belasten
Von 19 Millionen
Mahnungen pro
Jahr werden etwa
80 Prozent zu
einem Abschluss
gebracht
„Es gibt Leute, die gut zahlen, die schlecht zahlen, Leute, die
prompt zahlen, die nie zahlen, Leute, die schleppend zahlen, die
bar zahlen, abzahlen, draufzahlen, heimzahlen – nur Leute, die
gern zahlen, die gibt es nicht“
Georg Christoph Lichtenberg,
Begründer des deutschsprachigen Aphorismus (1742 – 1799)
GETTY IMAGES
die Hälfte. Laut Spitz besteht die Gefahr,
dass die aktuell gute Zahlungsmoral kippen könnte, wenn es bei erneuten wirtschaftlichen Turbulenzen beispielsweise
durch die Wirtschafts- und Eurokrise zu
einer Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt kommen sollte. Denn mit Jobverlusten würde auch die Zahl derer steigen, die Zahlungsverpflichtungen nicht
oder kaum noch erfüllen könnten.
Laut Spitz „tickt hier eine Zeitbombe“, die auch erhebliche Auswirkungen
auf die Wirtschaft hätte. Denn nach der
aktuellen Herbstumfrage des BDIU
reicht bei vielen Unternehmen die Eigenkapitalausstattung nicht aus, um Auftragseinbrüche oder Forderungsverluste
zu kompensieren. So gehen 51 Prozent
der Inkassofirmen davon aus, dass zu geringes Eigenkapital dafür verantwortlich
sei, wenn Unternehmen Rechnungen
nicht begleichen können.
Als eine Risikogruppe bezeichnet Verbandspräsident Spitz junge Menschen,
„deren Konsumwünsche nicht im Einklang mit ihren finanziellen Möglichkeiten stehen“. So führen bei den 18- bis 24Jährigen laut Inkassounternehmen in 86
Prozent der Fälle zu hohe Konsumausgaben dazu, dass Schuldner in dieser Altersgruppe im Durchschnitt 8200 Euro
an Miesen angehäuft und Schwierigkeiten beim Begleichen der Summe haben.
Von Zahlungsausfällen sind nach Erfahrungen der Branche vor allem Telekommunikationsunternehmen mit 90 und
In engen Grenzen
D
ie Klischees sind bekannt: Düster
dreinblickende, schwarz gekleidete Gestalten, groß wie ein Kleiderschrank, klingeln an der Tür und begehren Einlass. Doch dieses in vielen Filmen und immer wieder auch in TV-Dokumentationen präsente Bild des Schuldeneintreibers hat nichts mit den realen
Mitarbeitern von seriösen Inkassofirmen
zu tun. Denn diese erbringen für ihre
Kunden eine wichtige Dienstleistung
und haben nichts mit den grobschlächtigen Geldeintreibern aus dem kriminellen Milieu gemein.
„Die weit verbreitete Angst vor der
Branche liegt vor allem in der Unkenntnis vieler Bürger, was Inkassounternehmen eigentlich dürfen und was nicht“,
sagt der Berliner Verbraucherberater
Jens von Coburg. Wie in jedem anderen
Wirtschaftszweig gibt es zwar einige
„schwarze Schafe“. Die Regel seien sie
allerdings nicht, sagt von Coburg.
„Das liegt allein schon daran, dass es
klare gesetzliche Grundlagen für die Arbeit dieser Firmen gibt“, so der Experte.
„Denn Inkasso-Dienstleistungen gelten
als Rechtsdienstleistungen und unterliegen somit dem Rechtsdienstleistungsgesetz“, erklärt von Coburg. Das Gesetz
über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) regelt denn auch alle Befugnisse und mögliche Dienstleistungen.
Um überhaupt in dem Metier tätig
werden zu können, muss ein InkassoUnternehmen bei seinem zuständigen
Land- oder Amtsgericht einen entsprechenden Antrag stellen. Dieser kann verweigert werden, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. „Und selbst wenn
ein Inkassobüro eine gültige Genehmigung besitzt, heißt das noch nicht
zwangsläufig, dass eine von ihm bearbeitete Forderung im Einzelfall berechtigt
sein muss“, schränkt der Verbraucherberater ein. Zudem dürften die Büros nur
im gesetzlich definierten Rahmen vorgehen, um die Forderungen einzutreiben.
Man sollte also bei einer Drohung durch
ein Büro nicht gleich in Schock-Starre
verfallen, rät der Experte.
Inkassobüros verdienen ihr Geld damit, Schuldner zur Zahlung von Außenständen zu bewegen – entweder im Auf-
INHALT
III Vorurteile
Die Branche hat mit Negativklischees zu
kämpfen. Viele basieren auf Unwissenheit über die Arbeit der Firmen
IV Weitblick
Durch die Aktion „Schulschwein“ lernen
Kinder in Bremen, Frankfurt/Main und
München den Umgang mit Geld
V Partner
Schuldnerberater helfen Menschen aus
allen Schichten, ihre finanziellen
Probleme in den Griff zu bekommen
VI Rechnung
Wie Firmen ihr Forderungsmanagement
effizienter gestalten können und wo in
dem Bereich Fallstricke lauern
VII Ausland
Andere Länder, andere Zahlungssitten.
Außerhalb Europas ist es oft schwer,
Forderungen geltend zu machen
VIII Formeln
Statistische Verfahren und Auskunfteien
helfen, schnell die Kreditwürdigkeit von
Kunden einschätzen zu können
IX Handwerk
Ausdauer und Verhandlungsgeschick
sind vonnöten, will man bei Schuldnern
erfolgreich Geld eintreiben
X Betrug
Die Schäden durch Identitätsdiebstahl
im Internet nehmen drastisch zu. Tipps,
wie man sich schützen kann
XII Amtlich
Kommunen verlieren viel Geld durch
nicht eingetriebene Zahlungen. Einige
haben dafür Lösungen gefunden
er und ziehen in der Regel eine unfreundliche Beendigung der Kundenbeziehung nach sich. „Was die meisten Unternehmen gerne vermeiden möchten“,
so Falkners Erfahrung. Während früher
oft die fehlende Zahlungsmoral als Ursache des Übels genannt wurde, setze sich
heute in der Branche mehr und mehr ein
neues Verständnis durch. Denn oft ist
laut Falkner „eine Störung der Kundenbeziehung Ursache für den stockenden
Liquiditätsfluss“. Seiner Meinung nach
werden die Unternehmen der Branche
auch künftig weiter Inkassofälle bearbeiten, zuvorderst müsse es aber darum gehen, „zum Nutzen der Kunden alles zu
versuchen, um diese zu verhindern“.
Denn laut Falkner sind bis zu 25 Prozent aller Inkassofälle keine. Die Ursache für fehlende Zahlungen liege oft bei
den Gläubigern selbst. Die Frustration
der Kunden, die Inkasso-Schreiben erhalten, ohne dass sie sich etwas zu
Schulden kommen haben lassen, sei
nachvollziehbar. Für Falkner werden Firmen ihre Finanzdienstleister deshalb
künftig nicht mehr danach bewerten,
„wie viele Inkassofälle sie beigetrieben,
sondern wie viele sie verhindert haben“.
Den Report finden Sie auch unter:
www.welt.de/forderungsmanagement
ZAHLEN UND FAKTEN
Für Geldeintreiber gelten klare gesetzliche Regeln. Zwang und Nötigung sind unzulässig
HOLGER FRANCK
Online-Händler mit 84 Prozent betroffen. Hingegen stehen die über 25-Jährigen nach Einschätzung der BDIUHerbstumfrage mit 87 Prozent vor allem
bei Banken und Kreditinstituten in der
Kreide, gefolgt von Energieversorgern
(62), dem Telekommunikationsbereich
(61), Versandhändlern (59) und Vermietern (58 Prozent). Der Verband setzt sich
deshalb dafür ein, dass das Thema
Schulden beginnend mit der Schule eine
größere gesellschaftliche Relevanz bekommen sollte. Immerhin belaufen sich
laut Statistischem Bundesamt die Zahlungsausfälle durch Insolvenzen allein
für das erste Halbjahr 2013 auf fast 13
Milliarden Euro.
Deshalb ist laut Spitz auch die Arbeit
der Inkassobranche für Wirtschaft und
Verbraucher unverzichtbar. „Allein die
BDIU-Mitgliedsfirmen bearbeiten pro
Jahr fast 19 Millionen außergerichtliche
Mahnungen und führen rund fünf Milliarden Euro an Liquidität in den Wirtschaftskreislauf zurück“, so der Verbandschef. Dadurch garantiere man,
dass Zahlungsausfälle die Wirtschaft
nicht zu stark belasten, Insolvenzen verhindert und Arbeitsplätze gesichert werden können. Denn die Erfolgsquote der
Inkasso-Branche ist hoch. Nach Zahlen
der Studie „Inkassomarkt in Deutschland“ konnte von den 18,8 Millionen Fällen außergerichtlicher Mahnungen, die
Inkassofirmen im Jahr 2011 bearbeiteten,
mehr als 80 Prozent zum Abschluss gebracht werden. Was auch eine erhebliche
Entlastung der Gerichte bedeutet.
Trotz ihrer Bedeutung hat die Branche
Imageprobleme. Vor allem wegen
„schwarzer Schafe“, die oft ohne Zulassung mit rüden Methoden und hohen
Gebühren Rechnungen einzutreiben versuchen, leidet laut Spitz Inkasso unter
einer Stigmatisierung. Dabei ergab eine
Prüfung der Verbraucherzentralen, bei
der vor zwei Jahren 4000 innerhalb von
zwei Monaten eingegangene Beschwerden ausgewertet wurden, dass sich jede
siebte auf eine nicht registrierte Firma
bezog, die eigentlich keine Schulden hätte eintreiben dürfen.
Der BDIU als mitgliederstärkste Interessensvertretung der Inkasso-Wirtschaft begrüßt denn auch, dass der Bundesrat jetzt das „Gesetz gegen unseriöse
Geschäftspraktiken“ verabschiedet hat.
Dieses regelt auch die Arbeit von Inkassounternehmen neu und verschärft u.a.
Erklärungs- und Informationspflichten,
so dass Schuldner die Forderungen noch
einfacher nachvollziehen können. Der
BDIU will sich mit Schuldnerberatungsstellen und Verbraucherschützern für eine Umsetzung stark machen, damit für
alle Beteiligten Klarheit bestehe. Bundesweit sind etwa 750 Inkassofirmen mit
fast 15.000 Mitarbeitern zugelassen. Die
Bedeutung der Branche wird laut BDIUChef Spitz weiter zunehmen. Als Gründe
nennt er den weiter rasant wachsenden
Online-Handel und den bargeldlosen
Zahlungsverkehr. Für die Branche bedeutet das aber auch, sich auf diese Veränderungen noch stärker einzustellen.
Zudem muss sie, um ihr Image weiter zu
verbessern, auch die Beziehungen zu
Kunden und Schuldnern neu definieren.
Nach Angaben von Erwin Falkner, geschäftsführender Gesellschafter von Euro-Inkasso, sind Inkassofälle immer teu-
trag von Klienten oder im Eigeninteresse, wenn Gläubiger Forderungen an sie
abgetreten haben. In Einzelfällen kommt
es vor, dass mit Konsequenzen gedroht
wird, sollten Zahlungen nicht erfolgen.
„Allerdings ist jede Form von Nötigung,
Zwang oder gar Selbstjustiz auf jeden
Fall unzulässig“, sagt von Coburg.
Nächtliche Telefonanrufe oder Erkundigungen bei den Nachbarn beispielsweise muss niemand hinnehmen. Gegen
derartige Praktiken können sich Betroffene beim für das Inkassobüro zuständigen Amts- oder Landgericht beschweren.
In gravierenden Fällen kann auch eine
Strafanzeige hilfreich sein. Wissen sollte
man vor allem auch, dass Inkasso-Mitarbeiter im Gegensatz zu Gerichtsvollziehern kein Anrecht darauf haben, die
Wohnung eines Schuldners zu betreten.
Manchmal berichten Betroffene auch,
dass ihnen mit einem negativen SchufaEintrag gedroht wurde, sollten sie den
Verpflichtungen nicht nachkommen.
„Diese Drohung ist oft haltlos“, sagt Jens
von Coburg. Denn eine Schufa-Meldung
darf nur bei einem vertragswidrigen Verhalten des Schuldners und nur nach Ab-
wägung der betroffenen Interessen erfolgen. Dieses Urteil fällte das Amtsgericht Plön vor sechs Jahren (Az. 2 C 650/
07). Es muss also eine unbestrittene
oder rechtskräftig festgestellte Forderung vorliegen. Inkassounternehmen,
die quasi „standardmäßig“ mit SchufaEinträgen drohen, können deshalb auf
Unterlassung verklagt werden.
Die Büros dürfen allerdings im Bereich des gerichtlichen Mahn- und Vollstreckungsverfahrens tätig werden. Sobald ein vollstreckbarer Titel vorliegt, ist
es ihnen gestattet, eine Zwangsvollstreckung aktiv zu veranlassen. Dabei können sie etwa pfändbare Werte des
Schuldners ermitteln und die Informationen für eine spätere Vollstreckung an
den Gerichtsvollzieher weiterleiten.
Zudem dürfen Inkassofirmen mit
Schuldnern auch Lösungen über Ratenzahlungen oder finanzielle Vergleiche
vereinbaren. Ohne dieses gemeinsame
Suchen nach Alternativen wären die Forderungen sonst kaum eintreibbar. Zudem sorgt eine gütliche Einigung aller
Parteien dafür, dass die Kosten für den
Schuldner nicht noch weiter steigen.
Mittelständler verschenkten im vergangenen Jahr etwa 15 Milliarden Euro, weil sie
Rechnungen nicht eingetrieben haben.
Die Summe entspricht laut Debitos-Index
2012 knapp 2,5 Prozent aller Forderungen
des Mittelstands aus Geschäften mit
deutschen Unternehmen. Debitos-Geschäftsführer Hajo Engelke erklärt die
hohe Summe damit, „dass gerade kleine
und mittelständische Firmen aufgrund
knapper Ressourcen auf Forderungen
verzichten“. Dabei müssten die Ausfälle
nicht sein, denn zu den Dienstleistungen von Inkassofirmen gehört auch, das
Forderungsmanagement von Firmen zu
übernehmen. In Deutschland haben zwar
ein Drittel aller Unternehmen den Bereich
bereits ausgelagert, doch nutzen das vor
allem große Firmen. Die Zurückhaltung
bei kleinen und mittelgroßen erklärt der
Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen vor allem damit, dass bei ihnen
die Möglichkeiten eines Forderungsverkaufs oft noch zu wenig bekannt seien.
GETTY IMAGES
MITTWOCH, 23. OKTOBER 2013
Ehr’ und Geld treibt alle Welt: Bei säumigen Zahlern kann Inkasso helfen
SEITE II
D I E W E LT
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
FORDERUNGSMANAGEMENT
„Das Thema gehört in
den Schulunterricht“
Der Verbandspräsident über den Umgang mit Geld, Leistungen
und Kosten seiner Branche und den Datenschutz auf EU-Ebene
DIE WELT: Herr Spitz, die Deutschen schließen immer mehr Ratenkredite ab. Der Schufa zufolge laufen
derzeit rund 17,4 Millionen dieser
Verträge. Aber haben die Verbraucher
ihre Budgets wirklich im Griff?
WOLFGANG SPITZ: Es gibt durchaus
Anlass zur Sorge, gleichwohl gilt: Die
meisten Verbraucher können sehr gut
mit ihren Finanzen umgehen und haben
einen ausreichenden Überblick über ihre Zahlungsverpflichtungen. Diese Einschätzung trifft auf neun von zehn erwachsenen Deutschen zu. Das heißt
aber auch: Jeder Zehnte verfügt nicht
Wolfgang Spitz,
Präsident des
Bundesverbands
Deutscher InkassoUnternehmen
Schaden Sie mit
diesem Engagement nicht der
Geschäftsgrundlage Ihrer Branche?
Keineswegs.
Die
wachsende Überschuldung der Verbraucher ist ein
Gift für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieses Landes. Zwar
hat fast jeder schon einmal das Bezahlen
einer fälligen Rechnung vergessen, und
es gibt manche Verbraucher, die in vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten geraten. Wer aber dauerhaft überschuldet
ist, kann seine Gläubiger überhaupt
nicht mehr befriedigen. Unternehmen
kann das in die Insolvenz treiben, Arbeitsplätze sind gefährdet. Für uns ist
völlig klar: Überschuldung muss bekämpft werden. Hier sehen wir uns als
Inkassowirtschaft in der Pflicht, und wir
wollen unseren Beitrag dazu leisten.
GETTY IMAGES
D
as Geschäft mit dem Forderungsmanagement bleibt
ein Wachstumssektor –
insbesondere weil Distanzgeschäfte weiter zunehmen, sagt Wolfgang Spitz, Präsident des
Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU). Sorgen bereiten ihm
dagegen Überlegungen der EU, Datenschutzregelungen zu novellieren. Die
derzeit diskutierte Grundverordnung
könnte „über das Ziel hinausschießen
und effizientes Forderungsmanagement
unmöglich machen“, befürchtet Spitz.
über diese Finanzkompetenz. Auch immer mehr Jugendliche sind betroffen.
Viele haben zu wenige Kenntnisse über
vertragliche Verpflichtungen oder fühlen sich überfordert, mit den Verlockungen unserer Konsumwelt eigenverantwortlich umzugehen. Deswegen brauchen wir eine bessere Finanzerziehung.
Die Themen Geld und das Vermeiden
von Schulden gehören in den Schulunterricht. Wir unterstützen neben anderen gemeinnützigen Organisationen das
Projekt Schulschwein, das sich genau
diese Ziele auf die Fahnen geschrieben
hat, und bereits Grundschulkindern und
ihren Familien den korrekten Umgang
mit Geld beibringt.
BDIU
JENS KOHRS
Geld wächst nicht auf Bäumen. Deshalb sollten Kinder auch in der Schule lernen, dass es besser ist, Schulden zu vermeiden
Im September hat das Gesetz gegen
unseriöse Geschäftspraktiken, das
auch die Höhe von Inkassokosten regelt, auch den Bundesrat passiert.
Welche Auswirkungen hat das für
Schuldner?
Gläubiger können Inkassokosten bis zur
Höhe eines vergleichbaren Rechtsanwaltshonorars durch den Schuldner erstattet verlangen. Diese bisher schon
gängige Praxis wird nun auch endlich
durch den Gesetzgeber festgeschrieben.
Das begrüßen wir. Die neuen Darlegungsund Informationspflichten regeln zudem,
wie Inkassounternehmen ihre Forderungen gegenüber Schuldnern noch transparenter auszuformulieren haben. Hier
werden vonseiten der Inkassounterneh-
men und unserer Auftraggeber große Anstrengungen in der Umstellung von Datenbanken und ihrer Zahlungsprozesse
verlangt. Wir wollen uns in den kommenden Monaten mit den Schuldnerberatungsstellen und den Verbraucherschützern an einen Tisch setzen und uns
für eine Umsetzung stark machen, die
für alle Beteiligten Klarheit schafft.
Bietet das neue Gesetz auch eine bessere Handhabe gegen unseriös arbeitende Firmen?
Die Aufsicht hat jetzt mehr Eingriffsmöglichkeiten, auch der Bußgeldrahmen
wird drastisch erhöht. Das sind Schritte
in die richtige Richtung, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass unseriösen Geschäftemachern nur durch eine anlassbezogene, schnell durchgreifende Aufsicht das Handwerk gelegt werden kann.
Übrigens ist das eine Forderung, die wir
schon 2008 bei Einführung des für Inkassounternehmen zuständigen Rechtsdienstleistungsgesetzes gestellt haben.
Es ist schade, dass diese Reformen so
viel Zeit gebraucht haben.
ANZEIGE
A NZEI G E
Flagge zeigen
Internationales Inkasso
Was sollten Unternehmen bei internationalen
Geschäften beachten?
Landesspezifische Rechtssysteme und Fälligkeiten in jedem
EU-Land oder gar international zu kennen, ist nahezu unmöglich.
Da verheddert man sich leicht im internationalen Zahlungs- und
Sprachendickicht. Deshalb ist es von Vorteil, einen spezialisierten
Dienstleister an der Hand zu haben, der über die notwendige Expertise verfügt. Und das gilt nicht nur für ferne Länder
wie in Mittel- und Südamerika oder Asien, sondern auch in der
unmittelbaren EU-Nachbarschaft.
»Think global, act local«:
Die lokalen Platzhirsche beachten
Das fängt schon bei den Zahlungsmodalitäten an. Während bei
deutschen Online-Shoppern der Rechnungskauf populär ist und
sie auch gerne per Lastschrift bestellen, kaufen viele Niederländer nur per iDeal. Jeder dritte Brite setzt auf die Kreditkarte, genauso wie die Franzosen, die mit ihrer weit verbreiteten Carte
Bleue fast alles bezahlen. In Italien und Portugal hingegen zahlt
man oft noch traditionell per Bareinzahlung bei der Post. Die
Local Payment Heroes muss ein Online-Händler unbedingt
„drauf haben“, wenn er im Ausland Geschäfte machen möchte.
Denn grundsätzlich vertrauen Kunden auf bekannte Zahlmethoden. Und das ist nicht ganz billig: Internationale Dienstleister wie
arvato infoscore sind meist bestens vernetzt und haben die lokalen Payment-Platzhirsche zu günstigen Konditionen im Angebot.
Wo liegen die Fallstricke im internationalen Inkasso?
Das Mahnwesen ist international ungleich komplizierter. Deshalb sind Zahlungsausfälle im Ausland doppelt unangenehm für
Unternehmen. Ein dem deutschen Mahnwesen vergleichbares
System existiert nur in der DACH-Region und den Niederlanden. In allen anderen Ländern muss man die länderspezifischen
Präferenzen und rechtlichen Gegebenheiten vor Ort über lokale
Kooperationspartner berücksichtigen, die über profunde Landeskenntnisse verfügen wie arvato infoscore. Meist kann nur ein lokal ansässiges Unternehmen eine Inkassozulassung beantragen.
In anderen Ländern wiederum übernehmen Rechtsanwälte den
Einzug von Forderungen. Manchmal stellen sogar Zoll oder Polizei
die offizielle Zahlungsaufforderung zu.
Und auch die EU redet bei dem Thema mit. Wie würden sich die derzeit
diskutierten neuen europäischen Regelungen auf deutsche Inkasso-Unternehmen auswirken?
Die jetzt geltende EU-Richtlinie zum Datenschutz stammt noch aus den 90erJahren des letzten Jahrhunderts. Der Reformbedarf liegt also auf der Hand. Es ist
zu begrüßen, dass die Europäische Union
hier nun einheitliche Standards für ganz
Europa definieren möchte. Wir befürchten allerdings, dass die zur Debatte stehende
Datenschutzgrundverordnung
deutlich übers Ziel hinausschießt. Ein
Beispiel: Wenn künftig festgeschrieben
würde, dass Gläubiger nur mit der Zustimmung des Schuldners Daten zu unbezahlten Rechnungen an ein Inkassounternehmen übergeben dürfen, wäre ein
effizientes Forderungsmanagement ein
Ding der Unmöglichkeit. Wir hoffen sehr,
dass es nicht zu einer solch unsinnigen
Regelung kommt, und setzen auf ein modernes europäisches Datenschutzrecht
mit Augenmaß, das Wirtschaft und Verbrauchern gleichermaßen nützt.
Woran Unternehmen seriöse Anbieter erkennen können
HARALD CZYCHOLL
U
m hohe Zahlungsausfälle und die
damit verbundenen existenzbedrohenden Folgen zu vermeiden,
setzen Unternehmen verstärkt auf ein
professionelles Forderungsmanagement
und die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen. Allerdings sollten
Firmen unbedingt auf die Reputation
des potenziellen Partners achten. Wird
auf Schuldner Druck ausgeübt, oder wird
ihnen gar Gewalt angedroht, hat das
nicht nur nach Ansicht des Branchenverbandes BDIU nichts mit seriösem Inkasso zu tun. „So ein Vorgehen kann und
sollte bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden“, meint auch Achim Speldrich, Leiter des Geschäftsbereichs Forderungsmanagement der D.A.S. Prozessfinanzierung. „Strafbar macht sich nicht
nur der Geldeintreiber, sondern auch
der Gläubiger, der ihn angeheuert hat.“
Doch wie lassen sich „schwarze Schafe“ erkennen? Einen ersten Anhaltspunkt bietet das Rechtsdienstleistungsregister (www.rechtsdienstleistungsregister.de), in dem alle amtlich zugelasse-
arvato infoscore
Lösungen für alle Phasen des Kundenlebenszyklus
Professionell. Zuverlässig. Effizient.
arvato infoscore ist seit dem Zusammenschluss mit
der Gothia Financial Group Europas Nummer 3 unter
den integrierten Finanzdienstleistern. Als Tochterunternehmen der arvato AG gehört das Unternehmen zur
Bertelsmann SE & Co. KGaA. Rund 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten in 11 Ländern flexible
Komplettlösungen für wertorientiertes Management
von Kundenbeziehungen und Zahlungsflüssen. Zuverlässige Services rund um den Zahlungsfluss – von der
Risikoprüfung, über die Rechnungsstellung und Buchung
bis zu Debitorenmanagement, Vorfinanzierung und
Inkasso – bilden die Kernkompetenz.
Beim Thema Datenschutz stecken Inkassounternehmen in einer Zwickmühle. Einerseits gilt für sensible Daten ein hoher Schutz, andererseits
müssen die Unternehmen möglichst
viel über die Schuldner wissen. Wie
gehen die Branche damit um?
Der Schutz personenbezogener Informationen ist für unsere Branche unabdingbar. Fast alle Inkassounternehmen haben
einen eigenen Datenschutzbeauftragten,
der sie dabei unterstützt – übrigens auch
viele Unternehmen, die gesetzlich gar
nicht dazu verpflichtet wären. Unseren
Mitgliedsunternehmen steht darüber hinaus der unabhängige BDIU-Datenschutzbeauftragte für ihre Fragen zur
Verfügung. Letztlich müssen Inkassounternehmen lediglich über die Informationen verfügen, die jetzt mit den neuen
Darlegungs- und Informationspflichten
vom Gesetzgeber definiert sind. Uns interessiert nur, wie der Vertrag zwischen
Gläubiger und Schuldner zustande gekommen ist, wie hoch der ausstehende
Betrag ist und welche Adresse des
Schuldners dem Gläubiger zuletzt bekannt war – alles andere ist für uns gar
nicht von Belang.
Auf der sicheren Seite
Innovative und komfortable Verbraucherkommunikation über
alle verfügbaren Medien ist deshalb vor allem wichtig im internationalen Geschäft: Brief, Fax, E-Mail, SMS, modernste Telefonie,
Online-Portal für die junge, internetaffine Netzgemeinde – das
gehört zum Standard-Repertoire. Damit gewährleistet man eine
hohe Erreichbarkeit auch außerhalb der deutschen Geschäftszeiten und in den jeweiligen Landessprachen. Ein neutraler Dritter
hat zudem den Vorteil, die Kundenbeziehung nicht zu strapazieren, wenn es mal nicht so gut läuft. Deshalb haben Inkassounternehmen erfahrungsgemäß viel höhere Chancen, eine Forderung
im Ausland effizient zu realisieren.
Verantwortlich für den Inhalt: arvato infoscore
Schnell sind Verbraucher heute international unterwegs, wenn es um die Bestellung in einem ausländischen Online-Shop geht. Die Kehrseite der
Internationalisierung für die Unternehmen: Sie
haben es bei Lieferungen ins Ausland mit anderen
Sprachen und Rechtsvorschriften zu tun. Das ist vor
allem problematisch, wenn die Zahlung ausbleibt.
Reichen Sie Ihnen denn aus?
Wir hätten uns da durchaus noch mehr
vorstellen können, zum Beispiel die
Konzentration auf eine Bundesaufsichtsbehörde für Inkassounternehmen
oder maximal eine pro Bundesland.
Jetzt soll es erst einmal bei der Zersplitterung der Aufsichtslandschaft auf 79
Behörden bleiben. Hier für noch mehr
Rechtssicherheit zu sorgen, ist aus unserer Sicht eine der Aufgaben der neuen
Bundesregierung. Wir können uns die
Beteiligung an einer damit befassten
Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorstellen,
zusammen mit der Wirtschaft, den Verbraucherschützern und selbstverständlich der juristischen Praxis.
Ihre Mitgliedsunternehmen haben
gut zu tun. Wo sehen Sie künftig
noch Wachstumspotenzial für die
Branche?
Zum einen wird sich der Wandel im Handel fortsetzen. Distanzgeschäfte, wie sie
typischerweise im E-Commerce stattfinden, werden weiter zunehmen. Hier
brauchen die Unternehmen die Unterstützung durch externes Forderungsmanagement – sei es um auf der Grundlage
von Erfahrungswerten, die unsere Branche ihnen liefern kann, das Risiko von
Forderungsverlusten zu minimieren,
aber natürlich auch um im Fall von ausbleibenden Zahlungseingängen im Wege
der Rechtsverfolgung ihre berechtigten
Ansprüche durchzusetzen. Schnell, kostengünstig und effizient, das ist unsere
Maxime. Zum anderen sehen wir großes
Potenzial im Bereich der öffentlichen
Verwaltung. Viele öffentliche Träger sind
nah am finanziellen Kollaps. Gleichzeitig
betragen die Außenstände der öffentlichen Träger in Deutschland zusammengerechnet fast 80 Milliarden Euro. Inkassounternehmen können den öffentlichen
Verwaltungen durch ihr Fachwissen und
ihre Erfahrungen helfen, zumindest einen Teil dieser offenen Rechnungen einzuziehen. Dies würde letztlich allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen.
nen Inkassounternehmen verzeichnet
sind. Denn nur wer eine Genehmigung
des zuständigen Gerichts hat, darf Inkasso-Dienstleistungen anbieten. Bei
Rechtsverstößen kann diese Erlaubnis
auch widerrufen werden. Die Voraussetzungen für eine solche Zulassung ist,
dass mindestens eine Person in dem jeweiligen Inkassounternehmen Sachkunde in den einschlägigen Rechtsgebieten
nachweisen kann und dass sie außerdem
über mindestens zwei Jahre praktische
Erfahrung im Bereich des Forderungsmanagements besitzt. Zudem müssen
die Verantwortlichen strafrechtlich unbescholten sein und in wirtschaftlich geregelten Verhältnissen leben.
„Kann ein Unternehmen diese offizielle Erlaubnis nicht nachweisen, ist das
bereits ein eindeutiger Beleg dafür, dass
etwas nicht stimmt“, sagt Achim Speldrich. Ist ein Inkassobüro nicht zugelassen, begeht dessen Betreiber zudem eine
Ordnungswidrigkeit, die dann mit einem
Bußgeld von insgesamt bis zu 50.000
Euro geahndet werden kann.
Neben der offiziellen Zulassung ist die
Mitgliedschaft im Bundesverband Deut-
scher Inkasso-Unternehmen (BDIU) ein
Indiz für die Seriosität. Die Zugehörigkeit gilt sogar als Gütesiegel, denn der
Verband prüft die Einhaltung der berufsrechtlichen Regeln durch seine Mitglieder. Bei Verstößen drohen Sanktionen,
die vom Verweis über eine Geldbuße bis
hin zum Verbandsausschluss reichen.
Verbraucher, die Probleme mit Verbandsmitgliedern haben, können sich an
die BDIU-Beschwerdestelle wenden. Der
Verband fordert das betroffene Unternehmen dann zu einer Stellungnahme
auf. Eine Liste der Mitgliedsunternehmen hat der BDIU auf seiner Internetseite www.inkasso.de veröffentlicht.
„Unseriöses Inkasso ist eine bedrohliche Plage. Abzocke und Einschüchterung
müssen gestoppt werden“, fordert Gerd
Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale
Bundesverbandes (vzbv). Eine Auswertung von rund 4000 Verbraucherbeschwerden habe ergeben, dass 99 Prozent aller Beschwerden über unseriöse
Inkassopraktiken berechtigt seien. „Seriöses Inkasso ist legitim und sinnvoll“,
betont Billen. Aber ohne die Einhaltung
von Regeln gehe es nicht.
IMPRESSUM: Eine Veröffentlichung der Redaktion Sonderthemen für die „Die Welt“
Redaktionsleitung: Astrid Gmeinski-Walter | Redaktion: Michael Posch, Jens Kohrs (Mitarbeit) | Gestaltung: Jaques Bagios
Gesamtanzeigenleiter: Stephan Madel | Nationale Vermarktung: Kai Ehrenschneider-Brinkmann, Alexander Kühl [email protected]
+
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
D I E W E LT
SEITE III
FORDERUNGSMANAGEMENT
Zwischen Klischee
und Wirklichkeit
tigt hat. Auch die hessische Justizverwaltung geht davon aus, dass 98 Prozent der
registrierten Inkassounternehmen beanstandungsfrei arbeiten.
u Inkasso-Unternehmen verlangen
von Schuldnern extreme Gebühren
Inkassounternehmen prüfen Forderungen auf ihre Rechtmäßigkeit, bevor sie
sie geltend machen. Sie checken Verträge, machen gegebenenfalls Adressrecherchen und Bonitätsüberprüfungen,
kontrollieren Zahlungseingänge und stehen im ständigen Kontakt zu ihren Auftraggebern und den Schuldnern. Um individuelle Rückzahlungslösungen zu finden, sind oft viele einzelne Schritte erforderlich. Dafür können die Unternehmen maximal die gleichen Kosten geltend machen, wie sie ein Rechtsanwalt
für eine Inkassotätigkeit verlangt.
Durch Unwissenheit entstehen Vorurteile. Einige Beispiele
q Jeder kann Inkasso machen
Nein, notwendig ist eine öffentliche Registrierung. Inkassounternehmer müssen strafrechtlich unbescholten sein, in
geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen leben und über theoretische und
praktische Sachkunde verfügen. Sie müssen sich im allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie in inkassorelevanten Rechtsgebieten wie dem Handels-, Wertpapier- und Gesellschaftsrecht, dem Zivilprozess- einschließlich
des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts und im Kostenrecht auskennen. Wurde in einem juristischen Studium mindestens das erste Staatsexamen
absolviert, gelten diese Voraussetzungen
als erfüllt. Zudem sind mindestens zwei
Arbeitsjahre im Forderungseinzug beispielsweise im anwaltlichen Inkasso bei
einem Rechtsanwalt erforderlich. Erst
wenn alle Voraussetzungen vorliegen, erteilen die Behörden eine Registrierung
zum Inkassodienstleister.
w Die Geldeintreiber stehen bei den
Schuldnern immer sofort vor der Tür
Inkasso kommt nicht aus heiterem Himmel. Fällige Forderungen werden in der
Regel mehrmals angemahnt. Der Gläubiger muss auch darauf hingewiesen haben, dass die Forderung bei Nichtbegleichung an ein Inkasso-Unternehmen gehen kann. Ist das der Fall, melden sich
Inkasso-Firmen schriftlich und teilen
mit, dass die Zahlung nun an sie und
nicht mehr an den Gläubiger zu erfolgen
Gibt es
Schwierigkeiten
bei der Zahlung,
sollte man schnell
Kontakt mit
dem Gläubiger
aufnehmen
hat. Handelt der Schuldner dann nicht,
können weitere Schritte bis hin zum gerichtlichen Mahnverfahren und zur Beauftragung eines Gerichtsvollziehers folgen. Deshalb sollte man bei Zahlungsschwierigkeiten schnell Kontakt mit dem
Gläubiger oder dem Inkassounternehmen aufnehmen. Sie werden sich bemühen, eine Regelung zu finden.
e Forderungsmanagement ist ein
reines Männer-Geschäft
Es gibt viele Inkassounternehmerinnen,
die vorher als Rechtsanwaltsfachangestellte oder in anderen juristischen Berufen gearbeitet und dann den Schritt in
die Selbstständigkeit gewagt haben. Gerade für Existenzgründerinnen bietet die
Inkassobranche gute Perspektiven.
r Ich kann mich nirgendwo über ein
Inkasso-Unternehmen beschweren
Bestehen Zweifel daran, dass eine Forderung gerechtfertigt ist, wird sich ein seriöses Inkasso-Unternehmen darum
kümmern und die Betroffenen über die
Details informieren. Ist das Unternehmen beispielsweise Mitglied im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen, kann man sich bei Problemen an
den Verband wenden. Der BDIU verspricht, jeden Fall zu prüfen. Ist ein Unternehmen nicht registriert, sollten betroffene Verbraucher sogar eine Strafanzeige in Erwägung ziehen.
i Die Firmen suchen bei der Arbeit
vor allem ihren eigenen Vorteil
Inkassounternehmen agieren als Vertreter des Gläubigers. Sie tragen dazu
bei, dass der sein Geld für Waren und
erbrachte Dienstleistungen auch tatsächlich bekommt. Das sichert Arbeitsplätze und trägt zur Preisstabilität bei,
wie Experten betonen. Schließlich
müssten die Unternehmen die Kosten
für ausgefallene Forderungen ansonsten auf die Preise ihrer Waren oder
Dienstleistungen aufschlagen. Und das
müsste dann jeder bezahlen.
t Inkasso, das bedeutet vorrangig
breitschultrige Männer, die auf
Schuldner Druck ausüben
Inkassounternehmen sehen sich als
Mittler zwischen Gläubiger und Schuldner, die den Dialog mit den betroffenen
Schuldnern suchen. Seriöse Unternehmer nehmen dabei Rücksicht auf die individuellen finanziellen Verhältnisse der
Zahlungspflichtigen, vereinbaren gegebenenfalls Ratenzahlungen oder Stundungen, versuchen also, die wirtschaftlich sinnvollste Lösung für die Gläubiger
zu erarbeiten.
z Inkassounternehmer gehören zur
Halbwelt, sind eher unseriös
Die Branche verweist darauf, dass es
kaum Beschwerden über Inkassounternehmen gebe, was die Bundesregierung
Anfang des Jahres in einer Antwort auf
eine kleine Anfrage im Bundestag bestä-
GETTY IMAGES
D
ie Unternehmen der Branche haben mit einer Reihe
von Vorurteilen zu kämpfen. Ein größerer Teil von
ihnen resultiert auch aus
mangelndem Wissen, über die Arbeit
von Inkasso-Firmen: für wen sie Leistungen erbringen, welche Möglichkeiten
sie dabei haben und in welchem gesetzlichen Rahmen sich ihr Vorgehen bewegen
muss. Hier einige landläufige Annahmen
und wie es in der Realität aussieht.
Beim Geld hört die Freundschaft auf – Die Mitarbeiter der Inkassounternehmen
müssen dennoch Rücksicht auf die Finanzsituation der einzelnen Schuldner nehmen
o Um Inkasso-Mahnungen muss
man sich nicht kümmern
Berechtigte Forderungen müssen auch
bezahlt werden. Deshalb sollte man eine
Mahnung eines Inkassounternehmens in
jedem Falle prüfen. Wird das Geld nicht
gezahlt, kann es sogar zu einem gerichtlichen Mahnverfahren kommen, bei dem
im Zweifel auch noch Gerichtskosten anfallen oder Kosten für die Beauftragung
eines Gerichtsvollziehers. Im eigenen
Interesse sollten Schuldner deshalb dafür sorgen, dass berechtigte Forderungen schnell beglichen werden. Betroffene sollten auch wissen, dass die Inkassokosten ein Verzugsschaden des Gläubigers sind, den er sich von seinem
Schuldner erstatten lassen kann.
ANZEIGE
UMSATZVERLUST
VERLUST
Streichen Sie mit Lindorff die Verluste aus Ihrem Umsatz!
Als eines der größten Inkassounternehmen in Deutschland kümmern wir uns um Ihre Außenstände.
Fair, kompetent und für Sie profitabel. Nutzen Sie die Stärken eines Marktführers.
Besuchen Sie unsere Homepage www.lindorff-umsatzsteigerung.de oder kontaktieren Sie uns telefonisch unter: 06252 672 532
+
SEITE IV
D I E W E LT
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
FORDERUNGSMANAGEMENT
B
ei den Süßigkeiten sind sich
alle einig: Ob Kaugummizigaretten, Schokolade oder
Eis, dafür geht eine Menge
Taschengeld drauf. Doch die
Schüler der Münchener Grundschule am
Amphionpark behalten den Überblick
über ihre Budgets. Ständige Ausgaben,
größere Wünsche, langfristige Ziele, gute
Taten – alles wird genau eingeteilt und
nachgeprüft. Eine große Hilfe ist ihnen
dabei ein kleines Schwein aus Plastik. Es
ist durchsichtig und in vier Fächer aufgeteilt, hört wie das gleichnamige Projekt
auf den Namen „Schulschwein“ – und ist
mehr als eine einfache Spardose.
Initiativen wie das „Schulschwein“
machen im wahrsten Wortsinn Schule,
denn sie wenden sich über die Bildungseinrichtungen an die Kinder und versuchen, bereits den Jüngsten den Umgang
mit Geld nahezubringen. Finanzkompetenz, Gelderziehung, Jugendverschuldung – das sind die sperrigen und dennoch so wichtigen Schlagworte hinter
solchen Projekten. Und immer mehr
Schulen erkennen den Wert, den das
spielerische Herangehen an das Thema
Geld haben kann: Es ist Prävention vor
Verschuldung und schult den klugen
Umgang mit Ausgaben und Wünschen.
Dies scheint notwendiger denn je,
denn einerseits, so zeigt die Kids-Verbraucheranalyse des Ehapa-Verlages, haben Kinder und Jugendliche immer
mehr Taschengeld zur Verfügung, andererseits jedoch fällt vielen der richtige
Umgang mit eigenem Geld enorm
schwer. Immerhin stand laut Jugendstudie 2012 des Bundesverbandes Deutscher
Banken bereits fast jeder Fünfte zwischen 14 und 24 Jahren schon einmal bei
jemandem in der Kreide. Acht Prozent
der 18- bis 24-Jährigen galten demnach
sogar als überschuldet, und selbst zwei
Prozent der unter 18-Jährigen hatten bereits vor ihrer Volljährigkeit Freunde
oder Eltern über die Maßen angepumpt.
Als Grund für ihre Schulden gaben mehr
als 80 Prozent der jungen Leute ihre
„Konsumwünsche“ an.
Und genau beim „Konsum“ setzt das
Projekt „Schulschwein“ an. „Es geht da-
Ein blaues Schwein macht Schule
Geld einteilen, Budgets überblicken – schon Grundschüler lernen das Einmaleins des Wirtschaftens
„Wenn ich
meiner Mama
im Haushalt
helfe, dann
bekomme
ich mehr
Taschengeld“
Daniela, 2. Klasse
„Ich spare für
ein T-Shirt
von Bayern-Star
Tiago“
Konrad, 4. Klasse
DIANA BARTL FOTODESIGN (3)
SABINE SCHMITT
rum, sich Gedanken zu machen, wofür
man Geld ausgeben will, Prioritäten zu
setzen und zu erkennen, dass sich Wünsche oft auch kurzfristig verändern“,
sagt Diana Bartl, Mitgründerin der Initiative. „Dazu muss man sich mit einem
Budget beschäftigen und einteilen lernen.“ Das Sparschwein mit den vier Fächern „Ausgeben“, „Sparen“, „Investie-
Über Geld spricht man nicht –
Projekte wie das „Schulschwein“
wollen genau das Gegenteil
bewirken und Kinder schon früh
an das Thema Geld heranführen
ren“ und „Gute Tat“ hilft dabei. Die
Schüler nehmen das Schwein mit nach
Hause und füttern es: Ein Teil des Taschengeldes zum direkten Ausgeben, der
Rest landet in den anderen Fächern – je
nachdem, welche individuellen Ziele es
gibt und wie groß die Wünsche sind.
Denn selbst die – auf Zetteln notiert –
werden ins Schulschwein gesteckt. Und
nach ein paar Wochen wird überprüft,
ob der Wunsch noch dringend ist.
Das clevere Schwein ist das Herzstück
des Projekts, für das die Gründerinnen
Geldgeber und Paten aus der Wirtschaft
gewonnen haben. „Im Grunde steht dahinter ein ganzes Unterrichtskonzept“,
erläutert Bartl. „Über Geld kann man in
jedem Fach sprechen, man kann damit
rechnen, aber auch in Religion oder
Ethik über Werte diskutieren.“ Der Fantasie seien da keine Grenzen gesetzt.
Um sie zu beflügeln, haben Bartl und
ihre Kollegin und Rechtsanwältin Stephanie Schmid mit Unterstützung einer
Grundschullehrerin Material für den Unterricht erarbeitet. „Da geht es dann
auch ganz klar um Wissens- und Wertevermittlung“, sagt Bartl. Anhand von
Musterfamilien und fiktiven Budgets lernen die Kinder beispielsweise die Ausgaben kennen, mit denen ihre Eltern sich
jeden Monat herumschlagen müssen –
und sie lernen einzuschätzen, wie viel
am Ende zum Ausgeben übrig bleibt.
Weil dies selbst viele Eltern nicht wis-
ANZEIGE
Dynamisch, erfahren, effizient:
Wir bringen Ihre Forderungen auf Kurs.
Mit Kompetenz und Konsequenz.
sen, hält Schmid die Prävention von Kindesbeinen an für so wichtig. Als Anwältin berät sie oft überschuldete Erwachsene und begleitet sie in die Insolvenz.
Lehrer überzeugen, Eltern mit ins
Boot holen, darum bemühen sich die
beiden Münchnerinnen bei Workshops
und Informationsabenden in den Schulen. Die Kinder sind immer schnell bei
der Sache, denn der Umgang mit Geld
macht ihnen Spaß. „Bei vielen gehört das
Schulschwein mittlerweile einfach dazu“, erzählt die Leiterin der Grundschule am Amphyion-Park, Evelyn Weiser:
„Es ist erstaunlich, was allein seine Präsenz ausmacht.“ Seit drei Jahren sind
Bartl und Schmid mit dem „Schulschwein“ unterwegs. Nach München haben sie Schulen in Bremen und Frankfurt am Main überzeugt, und mit der
Adam-Ries-Grundschule in Lichtenberg
gibt es auch in Berlin eine Kooperation.
Bereits im Kindergarten setzt das Berliner Projekt „Bricklebrit“ an. Den Namen hat sich Kirstin Wulf aus dem Märchen mit dem Goldesel abgeschaut: Fällt
darin das Zauberwort, kommen die goldenen Taler aus dem Esel zum Vorschein. „Das ist ein tolles Bild“, sagt
Wulf – und hat deshalb bei allen Veranstaltungen ihren großen Stoffesel dabei.
„Kinder interessieren sich ganz früh für
Geld“, sagt Wulf. „Sie gehen mit zum
Einkaufen, und sie spielen Kaufmannsladen.“ Das Wichtigste für sie: das Gespräch über Geld. Weil genau dies in den
meisten Familien ein Tabuthema sei,
„setzen wir da an. Wir müssen die Eltern
erreichen. Sie sind immer Vorbild.“
Anfangen mit Spieltalern, um Budgets
zu erklären, mit Kindern bewusst einkaufen, Kaufentscheidungen erläutern –
all dies gehört für Kirstin Wulf dazu. Sie
möchte erreichen, dass Entscheidungen
der Eltern transparent werden. „Vieles
ist für Kinder nicht nachvollziehbar“, erklärt die Bricklebrit-Gründerin. „Es geht
da nicht um frühen Drill. Geld ist eine
Möglichkeit, Kinder zu fördern. Sonst
brauchen sie dann irgendwann Finanzkompetenz – spätestens mit 18 – und haben es nie gelernt.“
In einer doppelten Falle
Suchtkranke häufen oft Schulden an. Die Marianne von Weizsäcker
Stiftung unterstützt Betroffene bei der Rückkehr ins normale Leben
Liquiditätsmanagement
mit Kompetenz
ALEXANDRA GROSSMANN
Knapp 30 Jahre Erfahrung in der
individuellen, transparenten und
schnellen Abwicklung offener Forderungen haben uns zu einem der
Marktführer und einem der bedeutendsten konzernunabhängigen
Inkassounternehmen Deutschlands
gemacht.
Über 200 hochqualifizierte Mitarbeiter betreuen Kunden aus allen
Branchen bundesweit mit einem
jährlichen Forderungsvolumen
von ca. 520 Mio. €.
Unser Ziel:
Risiken minimieren, Kosten
senken, Effizienz steigern.
TESCHINKASSO
Forderungsmanagement GmbH
Bielsteiner Str. 43, 51674 Wiehl
Tel. + 49 2262 711-400
Fax. + 49 2262 711-198
[email protected]
www.tesch-inkasso.de
Vorgerichtliches Inkasso . Telefoninkasso . Gerichtliches Mahnverfahren . Vollstreckungsmaßnahmen . Langzeitüberwachung . Forderungskauf
+
GETTY IMAGES
E
hemals Suchtkranke haben es
doppelt schwer. „Sie haben meist
sehr hohe Schulden, die sie alleine nicht ablösen können“, sagt Rita Hornung, Geschäftsführerin der Marianne
von Weizsäcker Stiftung. Die Verbindlichkeiten belasten diese Personengruppe erheblich und führen oft zum Rückfall in den Teufelskreis aus Sucht-Schulden-Abhängigkeit. „Darum ist Ziel unserer Stiftungsarbeit, die Schuldensituation Betroffenen zu klären“, so Hornung.
„Wir nehmen das unseren Klienten nicht
ab, aber anhand der wirtschaftlichen und
persönlichen Leistungsfähigkeit machen
wir die Lage überschau- und bezahlbar.“
Die von der Gattin des sechsten Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker
gegründete Stiftung arbeitet bundesweit
mit örtlichen Sucht- und Schuldnerberatungsstellen, Nachsorgeeinrichtungen,
Rechtsanwälten, Familienhilfen und Betreuern zusammen. Diese können bei
der Stiftung einen Antrag auf Entschuldungshilfe stellen. Rund 240 Anträge bearbeitet das Team von Rita Hornung pro
Jahr. „Wenn wir einen Antrag bewilligt
haben, wickeln wir das Kaufmännische
ab. Und die Kollegen vor Ort kümmern
sich um die Behandlung der Sucht.“
Im nächsten Jahr feiert die Stiftung
25-jähriges Bestehen. Ursprünglich war
sie gegründet worden, um Leuten mit
Drogenproblemen zu helfen. „1994 öffneten wir uns auch für Alkohol-Abhängige, dann kamen Medikamenten- und im
Einzelfall Spielsucht dazu“, so Hornung.
Nach Auskunft der Stiftung müssen sie
im Durchschnitt ehemals Suchtkranke
Er muß Lehrgeld geben, sagen die Spieler:
Abhängigkeit führt oft zu hohen Schulden
einen Schuldenberg von 12.000 Euro abtragen. Eine Summe, die sie allein nur
sehr schwer bewältigen können. Deshalb
hilft die Organisation nicht nur beim Abtragen der Schulden, sondern auch beim
Wiedereinstieg ins Erwerbsleben.
Heute hat sich die Stiftung als bundesweit führende Anlaufstelle für verschuldete Suchtkranke etabliert. Neben
ihr gibt es kleinere Stiftungen, meist
kirchliche oder von Bundesländern finanzierte. Diese bieten allerdings fast
ausschließlich klassische Schuldnerberatung an. Anders die Marianne von Weizsäcker Stiftung. „Wir bieten der Gläubigerseite Vergleichszahlungen als EinmalZahlungen an. Dabei verzichten die
Gläubiger auf einen großen Teil der Forderung“, so Hornung. Im Gegenzug bekommen die Gläubiger – durch die Stiftung abgesichert – den ausgehandelten
Vergleichsbetrag sofort und ohne weitere Kosten. Der Klient im Gegenzug hat
nur noch einen Gläubiger – nämlich die
Stiftung – und eine überschaubare Rate.
Einen Konsens zu finden, liegt stets
im Interesse der Stiftung. Hornung: „Wir
bemühen uns immer, Kontakt zur Gläubiger-Seite aufzunehmen, um auch dort
für unsere Arbeit zu werben.“ Sie wolle
transparent machen, was genau die Stiftung biete und warum ihre Arbeit so
wichtig ist. Dafür versucht die Schuldnerberaterin die Gläubiger-Seite zu animieren, mit ihr gemeinsam eine für alle
Seiten tragbare Lösung finden. So hat
die Stiftung bereits seit 1995 Kontakt
zum Bundesverband Deutscher InkassoUnternehmen. „Es findet ein Dialog
statt, mit dem auf beiden Seiten Vorurteile abgebaut werden. Man erkennt,
dass die Zusammenarbeit sinnvoll ist“,
resümiert die Geschäftsführerin die bisherige Zusammenarbeit.
Wer heute das Verbraucher-Insolvenzverfahren durchläuft, muss sich mit den
Gläubigern einigen. Dafür hat die „Stephan-Kommission“, zusammengesetzt
aus Banken-Verbänden, Inkassounternehmen und Vertretern von Justiz,
Schuldnerberatung,
Kreditwirtschaft
und Insolvenzverwaltern, einen Standard entwickelt. „Anhand der Daten
können sich Gläubiger ein realistisches
Bild machen, wie aussichtsreich das Realisieren ihrer Forderungen ist“, erklärt
Hornung. Denn die meisten Menschen
kämen kaum noch in den pfändbaren
Bereich, vor allem Suchtkranke nicht,
weil sie auf dem Arbeitsmarkt kaum eine
Chance hätten. „Wenn wir schlichten,
steht am Ende eine Zahl“, sagt Hornung.
Sie könne in einem Vergleich beispielsweise 20 Prozent der Gesamtforderung
anbieten. Diese Summe bekäme der
Gläubiger dann sofort. Im Insolvenzverfahren würde dagegen in der Regel meist
eine Null herauskommen.
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
D I E W E LT
SEITE V
FORDERUNGSMANAGEMENT
Wenn das Geld
knapp wird
Zu Schuldnerberater Carlo Wahrmann
kommen Menschen aus allen sozialen
Schichten. Vielen von ihnen kann er helfen
D
ie Leute kommen meist
erst sehr spät“, sagt Carlo
Wahrmann. Wenn das
Konto beispielsweise gepfändet ist, der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand und die
Schuldner nicht mehr weiter wissen,
dann suchen sie Rat bei dem Sozialpädagogen. Denn Carlo Wahrmann hat eine
Zusatzausbildung zum Schuldnerberater
absolviert und weiß, wovon er spricht:
Seit 24 Jahren arbeitet er in dem Beruf,
davon zwölf in der Beratungsstelle der
Caritas in Berlin Mitte. Dort berät er
verschuldete Menschen.
„Wer Schulden hat, erhält jede Menge
Rechnungen und Mahnungen“, sagt
Wahrmann. Und wer darauf nicht reagiere, löse schließlich eine ganze Lawine
aus: Inkasso-Dienste, Gerichtsvollzieher
und Kontopfändung. „Also das komplette Programm“, so der Experte.
Menschen, die zur Schuldnerberatung
gehen, kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten, weiß Wahrmann aus
langjähriger Erfahrung. Unternehmer
sind dabei, gut situierte und weniger gut
situierte Menschen, gebildete und weniger gebildete. Drogenabhängige sind darunter, vor allem auch Spielsüchtige.
Aber auch Schauspieler oder Leute von
Behörden gehörten zu seiner Klientel.
„Es gibt eigentlich keine Berufsgruppe,
die man ausnehmen kann“, sagt Wahrmann. Vor Tagen erst hatte er einen tragischen Fall. Eine 21-jährige Frau, die sich
bereits mit 18 Jahren selbstständig gemacht hatte. Drei Jahre lang hatte sie einen Betrieb mit einigen Angestellten geführt. Die Geschäfte liefen nicht wie erhofft. Als sie zu Wahrmann kam, hatte
sie schon seit Monaten die Krankenkassen nicht mehr bezahlen können, damit
war sie nicht mehr versichert. Zudem
hatte sie Ärger mit dem Finanzamt, weil
ihr alter Steuerberater die Unterlagen
nicht herausgab und sie keine Steuererklärung abgeben konnte. Trotz der ausweglosen Situation wirkte die junge Unternehmerin auf den Experten noch immer optimistisch und tatkräftig. „So etwas war für mich neu“, sagt Wahrmann.
Denn sonst sammelte er eher die Erfahrung, dass sich immer mehr Jugendliche
verschulden. Unbezahlte Handyrechnungen sind dabei das größte Problem. Denn
können Jugendliche die Verträge nicht
erfüllen, kommen schnell ein paar tausend Euro zusammen. „Für junge Leute
ist das Handy als Statussymbol extrem
wichtig, vor allem, wenn sie sonst nichts
haben“, sagt der Sozialpädagoge. Es sei
„irre, wie viele Leute, die eigentlich kein
Geld haben, trotzdem ein iPhone oder
ein vergleichbares Gerät besitzen.“
Denn heutzutage ist es eher normal,
auf Pump einzukaufen – meist sind es
Reisen oder Autos. Wer mit beiden Beinen im Berufsleben steht, gewöhnt sich
leicht an den schnellen Ratenkauf. Doch
steht man einmal nicht mehr in Lohn
und Brot – zum Beispiel wegen Alter
oder Krankheit – können diese Raten
nicht mehr bedient werden. „Dann bricht
alles zusammen“, sagt Wahrmann.
GETTY IMAGES
ALEXANDRA GROSSMANN
beitslos. Und jetzt ist die Rente
so gering, dass sie nicht mehr
klarkommen“,
erklärt
der
Schuldnerberater. Normalerweise kommen diese Menschen allerdings nicht so schnell in die
Beratungsstellen. Sie glauben, es
selbst zu schaffen. Doch während sie das versuchen, entstehen immer neue Löcher, die sie
nicht stopfen können. „Irgendwann landen sie dann doch bei
uns“, sagt Wahrmann. Die Folge:
Gerade bei Älteren wird häufig
der Strom gesperrt. Oder sie
können ihre steigenden Mieten
nicht mehr bezahlen.
Wahrmann berichtet von einem weiteren Beispiel, einer
Frau Anfang 40, alleinerziehend mit zwei Kindern, der das
Amt die Unterstützung um 106
Euro kürzte. „Damit liegt sie
unter dem Sozialhilfesatz. Da
ist es abzusehen, dass es irgendwann kracht“, meint der
Sozialpädagoge.
Wahrmann und seine Kollegen agieren in einem Netzwerk.
Im selben Haus arbeiten auch
die Sucht- und die Familienberatung, es gibt Spezialisten für
Leute, die in Wohnungsnot geraten. Die Experten schauen
dann, ob sie Ausnahmen machen können, um so an zusätzliche Gelder zu kommen.
Im Ernstfall helfen sie sogar
dabei, eine neue Wohnung zu
finden. Wer ein akutes Problem
hat, bekommt innerhalb von
zwei Wochen einen Termin. Die
Wartezeit für eine umfassende
Beratung ist allerdings deutlich
länger: „Leider sind wir viel zu
wenige. Wir erreichen deutschlandweit höchstens zehn Prozent der Überschuldeten, weil
nicht mehr Kapazitäten da
sind“, erklärt Wahrmann.
In der Regel dauert es etwa fünf Monate. Danach übernehmen die Schuldnerberater aber den gesamten Schriftverkehr mit allen Gläubigern, machen
Regulierungspläne in Insolvenzverfahren
Vornehme Schuldner – schlechte Zahler: Viele junge Leute geraten durch hohe
Handy-Rechnungen und Ausgaben für Kleidung schnell in Zahlungsschwierigkeiten
Gerade unter den älteren Menschen,
die Wahrmanns Beratung in Anspruch
nehmen, sind viele ehemals Selbstständige oder solche, die nicht so viele Arbeitsjahre haben. „Sie waren lange ar-
TIPPS RUND UM’S GELD AUSGEBEN
Führen Sie ein Haushaltsbuch über alle
Einnahmen und Ausgaben.
Notieren Sie, welche Ausgaben unbedingt
nötig sind – etwa Miete, Heizung und
Strom. Überweisen Sie diese Beträge
gleich zum Monatsanfang, dann wissen
Sie, wie viel Geld übrig bleibt.
Bleiben Sie beim Bargeld. Studien haben
bewiesen, dass wir weniger ausgeben,
wenn wir bar bezahlen.
Kaufen Sie nur, was Sie wirklich brauchen. Und wenn Sie versucht sind, einer
spontanen Entscheidung nachzugeben:
Schlafen Sie eine Nacht darüber.
Vergleichen Sie Preise – im Supermarkt,
aber auch bei regelmäßigen Posten wie
Strom, Telefon und Versicherungen.
Nehmen Sie keinen Kredit auf, um einen
anderen zu tilgen: Damit steigt die Zinslast, Sie verschulden sich mehr und mehr.
oder füllen Anträge der Klienten aus. Zusätzlich gibt es Anwälte im Hintergrund,
die kostenlos helfen. „Unser Angebot ist
kostenlos“, sagt Wahrmann. Außerdem
unterscheiden sie sich von anderen
Schuldnerberatern, weil ihr Ansatz ganzheitlich ist. Das heißt, sie versuchen herauszufinden, warum die Leute die
Schulden anhäuften, ob es Sucht-, Erziehungs- oder andere Probleme gibt. Das
ist natürlich ein längerer Prozess. „Denn
Betroffene müssen auch selbst ihr Verhalten ändern und die Ursachen be-
„Betroffene
müssen selbst
die Ursachen
bekämpfen“
Carlo Wahrmann,
Schuldnerberater
kämpfen, um nicht wieder in diese Lage
zu geraten.“ Arbeitslosigkeit, sagt der
Sozialpädagoge, sei immer ein großes
Problem, gefolgt von Trennung und
Scheidung sowie Krankheit und Sucht:
„Das sind die drei Bausteine, die immer
wieder auftauchen.“ Hinzu kämen
Schicksalsschläge aller Art.
Doch viele Leute sind auch einfach
nur leichtsinnig: Sie kaufen auf Kredit
ein und denken nicht an die kommenden
Jahre. „Manche verschulden sich dermaßen, das ist schon verrückt“, findet
Wahrmann. Für den Experten ist es unerlässlich, einen Haushaltsplan zu führen. Den aber hätten die wenigsten.
Meistens kann er aber sehr konkret
helfen. Denn viele Schuldner fühlen sich
wie das sprichwörtlich gehetzte Reh.
„Wir beruhigen sie, ordnen mit ihnen die
Unterlagen und helfen, die Kontrolle
wieder zu gewinnen“, erklärt der Schuldnerberater. Für viele ist das bereits eine
riesige Entlastung. Sie können wieder
klar denken und konstruktiv die weitere
Zukunft planen. „Schuldnerberatung ist
ein toller Weg, um Leuten zu helfen,
wieder ein besseres Leben zu führen.“
ANZEIGE
Die Außendienstmitarbeiter bei EOS setzen
auf Transparenz und
Einfühlungsvermögen
Raus aus den Miesen
Eine private Insolvenzerklärung bietet gute Chancen, Schulden
nachhaltig loszuwerden. Das Verfahren wird ab 2014 verkürzt
D
as Konsumklima in Deutschland
ist prächtig, die Kreditzinsen
sind niedrig und die Arbeitslosigkeit sinkt. Und dennoch: Fast jeder
zehnte Deutsche steckt bis zum Hals in
Schulden. 6,6 Millionen Menschen gelten nach den Zahlen des Schuldneratlas
der Wirtschaftsauskunftei Creditreform
mittlerweile als überschuldet oder zahlungsunfähig. Eine Privatinsolvenz ist
für viele von ihnen der letzte Ausweg –
und zugleich auch die Chance für einen
wirtschaftlichen Neustart.
Rund 100.000 Menschen gehen in
Deutschland jedes Jahr den ganz offiziellen Weg in die Pleite. In der sogenannten Verbraucherinsolvenz suchen die
Schuldner Zuflucht vor ihren Gläubigern
– auch in wirtschaftlich guten Zeiten: Allein in den ersten sechs Monaten diesen
Jahres wurden nach Angaben von Creditreform fast 48.000 Verfahren eröffnet. Allerdings sind es nicht immer Unvermögen oder eine unvernünftige
Haushaltsführung, die Menschen in die
Zahlungsunfähigkeit treiben. „Es sind
eher die unvorhergesehenen Schicksale,
durch die sich Schulden auftürmen“,
sagt Hjördis Christiansen, Juristin bei
der Verbraucherzentrale Hamburg.
Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung
oder Trennung stehen da an den vorderen Stellen. „Und ganz viele kommen
aus einer gescheiterten, kleinen Selbstständigkeit“, sagt Christiansen. Für all
jene ist die Verbraucherinsolvenz tatsächlich die allerletzte Möglichkeit, um
aus der finanziellen Schieflage wieder
auf die Beine zu kommen und nicht lebenslang in den Schulden zu bleiben.
Hinter vielen Privatpleitiers liegt ein
langer Weg durch Schulden und Ängste,
der sie schließlich zum Schuldnerberater und ins Insolvenzverfahren führt.
Die meisten Betroffenen gestehen sich
lange nicht ein, dass sie am finanziellen
Ruin stehen – und wenn sie es dann tun,
sind die Wartezeiten bei den kostenlosen Beratungsstellen inzwischen lang.
In der Beratung selbst kommt dann alles auf den Tisch: Rechnungen, Mahnbescheide, Kreditverträge, Kontoauszüge –
alles, was die Zahlungsunfähigkeit belegt.
Als zahlungsunfähig oder überschuldet
gilt ein Haushalt, wenn die Verbindlichkeiten mit den monatlichen Einkünften
oder aus Ersparnissen nicht mehr bedient werden können.
Die Schuldnerberater versuchen zunächst, eine Einigung mit den Gläubigern zu erreichen. Lehnt allerdings nur
ein einziger von ihnen den Plan ab, geht
es vor Gericht. Dieses Verfahren der Privatinsolvenz wurde im Jahr 1999 eingeführt und hat eine Regelung abgelöst, bei
der die Vollstreckungsbescheide über einen Zeitraum von 30 Jahren gültig blieben – raus aus den Schulden kam damals
also kaum jemand.
Doch private Insolvenz heißt auch
heute noch, dass man für sechs Jahre an
der Armutsgrenze leben muss. Denn in
der sogenannten Wohlverhaltensphase
geht jeder Cent, der über dem Pfändungsfreibetrag von 1045,04 Euro ohne
Unterhaltspflichten erwirtschaftet wird,
an einen vom Gericht bestellten Treuhänder. Dieser verteilt die Einnahmen
dann an die Gläubiger. Viel Geld kommt
bei denen allerdings meist nicht an,
denn oft leben die Schuldner ohnehin
GETTY IMAGES
SABINE SCHMITT
Wie gewonnen, so zerronnen – vielfältige
Schicksale sorgen für Verschuldung
unterhalb der Pfändungsgrenze. Nach
sechs Jahren erteilt das Gericht dann eine Restschuldbefreiung. Doch wer negativ auffällt, seinen Verpflichtungen nicht
nachkommt oder sogar noch neue Schulden macht, kann damit rechnen, dass am
Ende die Restschuldbefreiung – und damit die Schuldenfreiheit – in Frage steht.
Eine Verkürzung der „Wohlverhaltensphase“ auf drei Jahre wird schon
seit Jahren diskutiert – und ab Juli 2014
wird sie tatsächlich Gesetz. Allerdings
wird die Möglichkeit, sich früher aus
den Schulden zu befreien, an Bedingungen geknüpft, die Experten sehr kritisch
sehen: Wer gegenüber seinen Gläubigern nach drei Jahren von seiner Restschuld losgesprochen werden will, muss
35 Prozent seiner Schulden getilgt und
auch die Verfahrenskosten von etwa
1500 Euro gezahlt haben.
„Das werden wohl die wenigsten tatsächlich schaffen“, befürchtet Frank
Weide, Schuldnerberater bei der Verbraucherzentrale Berlin. „Wir rechnen
nur mit rund fünf Prozent, denen das
gelingen könnte.“ Seiner Ansicht nach
werden die meisten Schuldner wohl
auch in Zukunft die sechsjährige Wohlverhaltensphase bis zur Schuldenfreiheit durchstehen müssen.
Die durchschnittlichen Außenstände
der Überschuldeten summieren sich in
Berlin auf immerhin 32.000 Euro – bundesweit sieht es ähnlich aus. Das sind für
viele Schuldner unüberschaubare Dimensionen. Auch Christoph Niering, der
Vorsitzende des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands, ist deshalb
skeptisch: „Die Hürde von 35 Prozent
liegt einfach zu hoch.“ Auch er plädiert
für eine Verkürzung des Verfahrens ohne
Bedingungen, denn der Schutz der Gläubiger sei ohnehin durch das Gesetz gewährleistet. Ein neues Insolvenzverfahren dürften Betroffene erst nach zehn
Jahren wieder durchlaufen, betont Niering: „Der Drehtüreffekt wird damit
nachhaltig vermieden.“
Kommunikation auf Augenhöhe
Unternehmer kennen das: Das Produkt ist geliefert, die Leistung erbracht – aber der Kunde
zahlt die Rechnung nicht. Eine ärgerliche Situation, die ein Unternehmen in Bedrängnis
bringen kann. Hier hilft ein seriöser Partner, der nicht nur an sich selbst denkt. Ein Spezialist
wie die EOS Gruppe arbeitet als neutraler Mittler zwischen säumigem Zahler und Gläubiger.
Vom Energieversorger bis zum Versandhändler: Jedes Unternehmen ist darauf angewiesen, dass Kunden ihre Rechnungen fristgerecht begleichen. Doch einige Kunden zahlen
verspätet, andere gar nicht. Diese überfälligen Forderungen
kosten dem Unternehmen Geld – das für laufende Ausgaben
und Investitionen fehlt. Ein Grund, sich an einen professionellen Anbieter von Forderungsmanagement zu wenden:
EOS hat sich zum Ziel gesetzt, Lösungen zu finden, die für
die Kunden der Auftraggeber genauso verträglich sind wie
für die Gläubiger selbst.
Wertorientiertes Handeln
Denn für alle Mitarbeiter gilt: EOS lebt das Markenversprechen
‚Konsequenz und Sympathie‘. Konsequent, weil EOS zielstrebig
Vereinbarungen trifft, die das Unternehmen auch einhält. „Durch
verantwortliches Handeln mit Maß suchen wir mit Schuldnern
einvernehmliche Lösungen – und bieten damit immer auch
einen Mehrwert für unsere Kunden“, meint Jürgen Borgartz,
Geschäftsführer von EOS Deutschland. Sympathisch, weil EOS
besonderen Wert auf einen offenen Austausch auf Augenhöhe legt. „Kommunikation ist für EOS der Schlüssel zum Erfolg“,
so Borgartz. Das zeigen auch die folgenden Zahlen: Mehr als
130 Mitarbeiter des EOS Callcenters in Berlin und Potsdam
telefonieren täglich mit säumigen Zahlern. Bei 63 Prozent der
Anrufe werden konkrete Zahlungsvereinbarungen getroffen.
70 Prozent davon werden eingehalten. Die Kollegen von
+
EOS Deutscher Inkasso-Dienst verschicken monatlich etwa 1,2
Millionen Briefe. Und die Außendienstmitarbeiter von EOS Field
Services haben bis zu 60 persönliche Kontakte pro Woche.
Seriöse Anbieter arbeiten transparent
Nicht nur die Quantität ist entscheidend, sondern auch die
Qualität: Zeigen schriftliche und telefonische Mahnungen
keine Wirkung, kommt auf Wunsch des Kunden der Außendienst zum Einsatz. Ziel ist es hierbei, Zahlungsvereinbarungen zu treffen, denen die Betroffenen auch nachkommen
können. „Wichtig ist dabei, dass uns die Schuldner zuhören
und vertrauen, nur so können wir gemeinsam eine Lösung
finden“, sagt Borgartz.
Der Geschäftsführer von EOS Deutschland rät, bei der Suche
nach einem verlässlichen Partner genau hinzusehen: Seriöse
Inkassodienstleister erkenne man daran, dass sie Wert auf
Transparenz gegenüber Schuldnern sowie Kunden legen und
wie EOS etabliertes Mitglied im Bundesverband Deutscher
Inkasso-Unternehmen e.V. sind.
Mehr Informationen unter
www.eos-deutschland.de
SEITE VI
D I E W E LT
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
FORDERUNGSMANAGEMENT
B
rita Marx legt den Telefonhörer auf und bucht einen
Auftrag im Rechner ein. „Die
sechs Ordner hier“, sagt die
Unternehmerin und zeigt auf
das Regal in ihrem Büro, „da sind noch
lauter Titel drin. Von Anfang der 90erJahre“. Damals, in den ersten Jahren
nach der Wende, wurden jede Menge
bröcklige Gebäude saniert in Ostdeutschland, marode Häuser abgerissen,
neue errichtet. Ein Bauboom, von dem
auch Brita Marx profitierte: Bei ihrem
Entsorgungsunternehmen im brandenburgischen Städtchen Luckenwalde wurde so mancher Container bestellt,
schließlich mussten auch große Mengen
an Bauschutt auf die Deponien geschafft
werden. Die Aktenordner mit den Mahnbescheiden zeigen die Kehrseite der Medaille. Zahlreiche Bauherren hatten sich
mit ihren Projekten übernommen, und
Brita Marx blieb auf unbezahlten Rechnungen sitzen. „Damals hatte ich gar
nicht die Zeit, mich von früh bis spät darum zu kümmern und Zahlungseingänge
zu kontrollieren.“ Doch mittlerweile hat
Brita Marx ihr Forderungsmanagement
längst verändert. Sonst wäre sie 2009
wohl auch nicht zur „Brandenburger Unternehmerin des Jahres“ gekürt worden.
Mit den Erfahrungen, die sie als Jungunternehmerin gemacht hat, steht Brita
Marx nicht allein. „Gerade bei kleinen
und mittelständischen Unternehmen ist
das Bewusstsein leider häufig nicht sehr
ausgeprägt, dass sie zu Kreditgebern
werden, wenn sie in Vorleistung gehen“,
sagt Frank Rieger, Referent im Geschäftsbereich Recht und Steuern bei
der Niederrheinischen Industrie- und
Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve.
„Wenn Banken Kredite vergeben, schauen sie genau hin, ob jemand kreditwürdig ist. Da wird intensiv geprüft, wie weit
man bereit ist, ein Risiko einzugehen. So
muss das grundsätzlich auch bei Unternehmern sein.“
Forderungsmanagement sei Risikomanagement, betont der IHK-Experte.
Schließlich gehe es darum, die eigene
Liquidität im Auge zu behalten. Da gehe
es nicht einfach um das Abarbeiten von
Rechnungen, das sei eine echte Managementaufgabe. „In vielen Insolvenzfällen
scheitern Unternehmen nicht an mangelnder Fachkompetenz, sondern wegen
eines unzureichenden Forderungsmanagements“, sagt Rieger. Forderungsausfälle könnten in Einzelfällen ein Prozent des Umsatzes oder mehr ausmachen, so der Jurist.
Die Zahl kann Meinolf Wippermann,
Tischlermeister im westfälischen Paderborn, bestätigen. Und das, obwohl in der
Buchhaltung seiner Firma Zahlungseingänge genau überwacht werden. Wippermann hat das Mahnwesen mit einem
Computerprogramm bestens organisiert
Immer die eigene
Liquidität im Blick
Wie Mittelständler ihr Forderungsmanagement organisieren und wo Fallen lauern
JAQUES BAGIOS
KATRIN STARKE
Nur Bares ist Wahres: Manche Unternehmer verlangen von ihren Kunden mittlerweile ausschließlich Bargeld, um finanzielle Ausfälle zu vermeiden
– ganz so, wie es das Bundeswirtschaftsministerium in seinen „Tipps zur Vermeidung von Forderungsausfällen“ rät.
Weil Forderungsverluste ein Unternehmen schlimmstenfalls in seiner Existenz
bedrohen könnten, gelte es, frühzeitig
Ausfallrisiken zu erkennen, warnt das
Ministerium in seinem Internetportal.
Meinolf Wippermann hat einen Vorteil gegenüber anderen Mittelständlern.
"@"Ž1%"0:0)"3
5"
1%0"Ú
¾ !""
1%0" "11%
BÐÔÞo£ ©|žoÔÞoÐ ºÐ¾»c :©ÐÔÞB£f foÐ 1oƒŒ©Ð£ c ç£f
5îo ©Ô\Œc oÔ\ŒB|ÞÔ|êŒÐoÐ foÐ 1oƒŒ©Ð£ £—BÔÔ© žR
@BŒ˜ç£ƒ —©žžÞc
ç£fo R˜oRÞ
1%0" ÔÞ foÐ ÐB£\Œo£Ž
oï¸oÐÞo |êÐ :oÐԏ\ŒoÐ磃o£c
B£—o£ ç£f :oÐÔB£fŒB£fo˜¾
;Ð ÔÞoŒo£ |êÐ —ç£fo£Ô\ŒoУŽ
foÔ ©ÐfoÐ磃ԞB£Bƒožo£Þ¾
;B££ žžoÐ oÔ ž¬ƒ˜\Œ ç£f
îÐÞÔ\ŒB|ޘ\Œ ԏ££í©˜˜ ÔÞc
oЌB˜Þo£ 1o í©£ ç£Ô ŒÐ o˜f
5" ŒÐo£ ç£fo£ ôçÐê\—¾
o££ o£o ƒoÐoÞÞoÞo ç£fo£Ž
RoôoŒç£ƒ ÔÞ £ foÐ 0oƒo˜
o||ôo£ÞoÐ ç£f ¸Ð©|ÞBR˜oÐ B˜Ô
o£o "oç—ç£fo£ƒo£ç£ƒ¾
;o îÐ fBÔ žB\Œo£Æ
;Ð RoÞÐB\ŒÞo£ ŒÐo£ ç£fo£
žžoÐ Bç\Œ B˜Ô ç£ÔoÐo£ 磎
fo£c fo£ îÐ £ ŒÐož 1££o
|BÐc ÐoÔ¸o—Þí©˜˜ ç£f íoÐR£fŽ
˜\Œ RoÞÐoço£¾ oÐ £fífço˜˜o
B˜©ƒ žÞ fož ç£fo£ ÔÞ foÐ
1\Œ˜êÔÔo˜ ôçž Ð|©˜ƒ¾ oԌB˜R
RoÐê\—ԏ\ŒÞƒo£ îÐ ÔÞoÞÔ fo
¸oÐÔ¬£˜\Œo 1ÞçBޏ©£ ŒÐoÔ
ç£fo£c B£B˜ðԏoÐo£ fo
Ðê£fo |êÐ fo£ @BŒ˜ç£ƒÔŽ
íoÐôçƒ ç£f Џ\ŒÞo£ ç£ÔoÐo
1ÞÐBÞoƒo fožo£ÞÔ¸Ðo\Œo£f
BçÔ¾ 1© |£fo£ îÐ £ foÐ 0oƒo˜
o£o ¬Ô磃c çž ŒÐo ç„o£Ž
ÔÞF£fo ôç ÐoB˜ÔoÐo£c ©Œ£o
fBRo ŒÐo ç£fo£RoôoŒç£ƒ
ôç Ro˜BÔÞo£¾
!Þ 1\ŒoЌoÞ ԏ\ŒoÐ
BÞo£Ô\ŒoЌoÞ ÔÞ fo Ðç£fŽ
˜Bƒo |êÐ :oÐÞÐBço£¾ oÐ 1\ŒçÞô
í©£ !B£fB£Þo£Ž ç£f ç£fo£Ž
fBÞo£ ŒBÞ Ro ç£Ô ©RoÐÔÞo
.Џ©ÐÞFÞ¾ oԌB˜R ԏ£f ç£ÔoÐo
1\ŒoЌoÞÔÔðÔÞožo žžoÐ Bç|
fož £oçoÔÞo£ 1ÞB£f¾ @çž
oÔ¸o˜ íoÐ|êƒo£ îÐ êRoÐ
o£o£ Bçԃo˜BƒoÐÞo£ "©Þ|B˜˜Ž
ÔÞB£f©ÐÞ w BçԃoÐêÔÞoÞ žÞ
o£ož —©ž¸˜oÞÞo£ ôîoÞo£
0o\Œo£ôo£ÞÐ瞾
îîî¾ÔoƒŒ©Ð£¾fo
Weil er maßgefertigte Möbel liefert –
Ausstattungen für Arztpraxen und Anwaltskanzleien beispielsweise ebenso
wie Einbauschränke für Eigenheime –,
kommt er zum Aufmessen zu den Kunden nach Hause. Und bei diesen Gelegenheiten schaut er genau hin, mit wem
er es zu tun hat. Läuten beim Hausbesuch die Alarmglocken, verlangt Wippermann 30 bis 50 Prozent Vorauskasse.
Beispielsweise auch dann, wenn sich ein
noch ziemlich junger Existenzgründer
einen schmucken Laden von ihm einrichten lassen möchte. Es sei doch klar,
dass der noch nicht viel habe ansparen
können – für den Fall der Fälle, wenn das
Geschäft nicht gut anläuft. Da sichert
sich der erfahrene Tischlermeister, mitt-
„Professionelle
Bonitätsprüfungen
finden im
Mittelstand
oft nicht statt“
Frank Rieger,
Niederrheinische IHK
lerweile 30 Jahre im Geschäft, lieber ab.
Wohl wissend, wie mühsam es ist, bei
Insolvenz eines Kunden an sein Geld zu
kommen – „wenn da überhaupt noch etwas zu holen ist“.
Insgesamt schätzt Wippermann die
Zahlungsmoral seiner Kunden aber als
gut bis zufriedenstellend ein. Das Gros
zahle binnen zwei Wochen – also innerhalb der auf seinen Rechnungen ausgewiesenen Frist. Doch auch wenn das
Computerprogramm seine Buchhaltung
darauf aufmerksam macht, dass eine
Zahlung noch nicht eingegangen ist,
schickt er nicht in jedem Fall sofort eine
Erinnerung. Es könne ja ein treuer Kunde sein, der im Urlaub sei. Eine absolut
richtige Vorgehensweise, sagt IHK-Jurist
Frank Rieger. Gerade Mittelständlern
empfiehlt er, auf die Kundenbeziehung
zu achten und keine standardisierten
Zahlungsaufforderungen zu verschicken.
Der Mittelständler müsse eher schauen,
„wie er am effektivsten an sein Geld
kommt“, immer mit Blick darauf, dass er
mit dem Kunden vielleicht künftig noch
zusammenarbeiten möchte.
„Manchmal entschuldigen sich Kunden sogar auf den Überweisungsträgern“, erzählt Tischlermeister Wippermann. Sind die freundliche Zahlungserinnerung sowie erste und zweite Mahnung allerdings fruchtlos geblieben,
schaltet Wippermann einen Anwalt ein.
„Dann ist klar, die Leute wollen oder
können nicht zahlen.“ Auch Brita Marx
schreibt säumige Kunden maximal dreimal an. „Dann übergebe ich das Ganze
an ein Inkassobüro.“ Damit habe sie keine Kosten, der Schuldner müsse das Inkassobüro bezahlen. „Und wir müssen
dem Kunden nicht hinterherrennen.“
Außerdem ist die Unternehmerin dazu übergegangen, Privatkunden in bar
zahlen zu lassen. Entweder direkt, wenn
der Container geliefert wird – „wenn
der Kunde nicht dort wohnt“. Oder bei
Abholung des gefüllten Containers. Die
Zeiten, als Rechnungen erst nach getaner Arbeit geschrieben wurden, seien
vorbei. Mit dem Ergebnis, „dass wir nur
noch sehr wenige Ausfälle haben“. Bei
gewerblichen Kunden sichert sich Marx
noch einmal anders ab: „Jeder Neukunde wird versichert. Meldet ein Kunde
dann Insolvenz an, und meine Forderung an ihn ist unstrittig, bekomme ich
mein Geld von der Versicherung.“ Will
der Versicherer den Kunden wegen
schlechter Bonität nicht absichern, verlangt Marx Vorkasse. „Ansonsten lehne
ich den Auftrag ab.“
Eine professionelle Bonitätsprüfung
„findet im Mittelstand aber oft nicht
statt“, beklagt IHK-Mann Rieger. Dabei
sei es wichtig, dass ein Forderungsmanagement nicht erst dann ansetze, wenn
ein Kunde seine Rechnung nicht begleiche. Stattdessen müssten Unternehmer
vorausschauend handeln, sonst könnten
sie schnell in einen gefährlichen Teufelskreis geraten. „Bei größeren Aufträgen
sollten Informationsquellen zur Liquidität des Kunden genutzt werden, außerdem sollte die Vorleistung abgesichert
werden“, rät Rieger. Zudem müsse die
Rechnung rasch erstellt werden, sobald
eine Leistung vollständig erbracht worden sei. „Und dann muss der Zahlungseingang natürlich verfolgt und die Forderung muss konsequent durchgesetzt
werden“, betont Rieger.
Um insbesondere Existenzgründern
Hilfestellung zu geben, hat die Niederrheinische IHK ein kostenloses ExcelTool entwickelt, das die grundlegenden
Funktionen des Forderungsmanagements von Klein- und Kleinstunternehmen abdeckt. Damit lassen sich ohne
viel Aufwand Rechnungen und Mahnungen erstellen. „Auch das Zahlungsverhalten der einzelnen Kunden können Firmen so im Blick behalten“, sagt Rieger –
um bei neuen Aufträgen Sicherheiten zu
verlangen, wenn das Zahlungsverhalten
bestimmter Kunden in der Vergangenheit zu wünschen übrig gelassen hatte.
Mit Strategie und Weitsicht
Um Risiken zu vermeiden, sollten Firmen bei neuen Geschäftspartnern erst einmal deren
Finanzlage klären. Es gibt diverse Wege, um an die nötigen Informationen zu gelangen
Übrigen gelte: „Forderungsausfälle werden letztlich von allen zahlenden Kunden getragen und somit kompensiert.
Gelingt es einem Unternehmen, Forderungsausfälle zu vermeiden, senkt dies
letztlich die Preise für alle Kunden.“
Erstellt werden Bonitätsauskünfte auf
der Basis einer Vielzahl von Einzeldaten.
Dazu gehören veröffentlichte Bilanzen,
Insolvenzdaten, Branchenentwicklungen, das bisherige Zahlungsverhalten bis
hin zu Daten über die Mitarbeiterfluktuation. Und gerade auch die Daten aus
Inkassoverfahren fließen in Bonitätsbewertungen ein.
Manche Anbieter setzen dabei auf die
Aggregation verschiedener Quellen. So
wie beispielsweise die Eos-Gruppe, die
mit der Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, einem Unternehmen der Allianz AG zusammenarbeitet.
„Unsere gemeinsame Datenbank mit
Bürgel, der Deutsche Debitoren Monitor
(DDMonitor), liefert Informationen zu
wirtschaftsaktiven Unternehmen und
Gewerbetreibenden aus Deutschland“,
erläutert Stephan Spieckermann.
Dabei steuert Bürgel die klassischen
Informationen aus den öffentlich zugänglichen Registern bei, Eos liefert die
Inkassodaten. Zusätzlich speisen die
Partner beziehungsweise Nutzer des
DDMonitors ihrerseits noch Erfahrungswerte in die Datenbank ein.
JOST BURGER
D
ie Zeiten, in denen in vielen
Gasthöfen die Geldbörse vorgezeigt werden musste, bevor der
Wirt Speis und Trank brachte, sind vorbei. Doch auch heute müssen sich Unternehmen vor Zahlungsausfällen schützen. Die beste Möglichkeit ist immer
noch, sich vorab über die Zahlungsfähigkeit, also die Bonität, der potenziellen
Kunden zu informieren.
Präventives Forderungsmanagement
nennt man das heute. „Es verhindert
Folgeschäden, die die Liquidität von Unternehmen nachhaltig gefährden können“, sagt Stephan Spieckermann, Geschäftsführer der Eos KSI. Die EosGruppe gehört zu den führenden Anbietern für das Forderungsmanagement
und ist aus dem Inkassodienst des Versandhändlers Otto hervorgegangen.
Im Zuge des Forderungsmanagements bietet Eos zudem Bonitätsinformationen sowohl über Unternehmen als
auch Privatpersonen an. Präventiv bedeutet aber auch, mit Strategie und
Weitsicht vorzugehen: „Je früher ein Unternehmen Risiken erkennt, desto eher
kann es gegensteuern. Das ist wie mit
der Titanic: Hätte der Kapitän den Eisberg frühzeitig erkannt, hätte eine kleine
Kurskorrektur gereicht, um das Unglück
zu verhindern“, sagt Spieckermann. Im
+
Der Verband der Vereine Creditrefom
e.V. wiederum, den meisten schlicht als
Crefo bekannt, bietet ebenfalls unter anderem Inkassodienste und Bonitätsbewertungen an. Doch bei der Crefo wird
man nicht Kunde, sondern Mitglied in
einem der lokalen oder regionalen Vereine. Denn historisch geht die Crefo auf
örtliche Vereinigungen von Kaufleuten,
die sich gegenseitig über die Zahlungsmoral ihrer Kunden informierten, zurück. Seit Jahren arbeitet die Crefo auch
mit der Handelsblatt-Gruppe zusammen. Auf dem gemeinsamen Portal „firmenwissen.de“ können Informationen
über Firmen erworben werden.
Hier zeigt sich, dass es den Königsweg
zur Bonitätsauskunft nicht gibt. Auch
deshalb empfehlen Experten, im Internet nach Auskunfteien zu suchen – und
dann deren Konditionen zu erkunden.
Wer beispielsweise immer über Veränderungen in der Bonität seiner Kunden informiert sein will, braucht eine dauerhafte Beziehung zu einem Datenlieferanten – sprich, er muss Dauerkunde von
Dienstleistern wie Eos, Auskunfteien wie
Bürgel oder Mitglied im Verein werden.
Denn nur dann lohnt sich die in der Regel fällige Grundgebühr im Verhältnis zu
den Kosten einer Einzelabfrage.
Eine Mitgliedschaft hat allerdings
auch weitere Vorteile: „Die Creditreform
Wirtschaftsauskunft umfasst für Mitglie-
der auch ein Monitoring, das dem Nutzer zwölf Monate lang tagesaktuell Aktualisierungen zu seiner Auskunft bietet“, erläutert Michael Bretz vom Verband der Vereine Creditreform.
Doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit, Bonitätsinformationen zu bekommen: indem ein unabhängiger Vermittler eingeschaltet wird, ein Informationsbroker wie etwa die Agentur von
Nicola Stobbe. Die Gründerin und Inhaberin der iMOE GmbH hat sich auf Wirtschaftsauskünfte aus Mittel- und Osteuropa spezialisiert, doch ihr Geschäftsmodell gilt beispielhaft für alle Agenturen dieser Art. „Wir agieren absolut unabhängig auf dem Markt, vergleichen die
lokalen Anbieter von Bonitätsauskünften
und kooperieren mit dem Anbieter, der
unserer Meinung nach die beste Qualität
anbietet“, sagt Nicola Stobbe.
Agenturen wie iMOE verstehen sich
auch als Anwälte von Firmen, die sich
auf die Qualität einer Auskunft verlassen
wollen, aber keinen Bedarf an einer langfristigen Bindung an einzelne Anbieter
haben: „Wir prüfen jede einzelne gelieferte Auskunft nochmals und gehen besonders auf individuelle Informationswünsche ein. Wer nicht gewillt ist, selber
Bonitätsauskünfte verschiedener Anbieter oder Auskunfteien auf Qualität und
Preis zu vergleichen, ist mit einem Informationsbroker wie uns besser bedient.“
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
D I E W E LT
SEITE VII
FORDERUNGSMANAGEMENT
Andere Länder, andere Zahlungssitten
KATHARINA LEHMANN
F
ür den Mitarbeiter eines
Hamburger Inkasso-Dienstleisters ist es eigentlich ein
Routine-Vorgang – denkt er
zumindest. Er soll für einen
Kunden eine unbeglichene Rechnung
von einem in Österreich ansässigen
Schuldner einfordern. Er verfasst – wie
üblich in Deutschland – ein kurzes und
sachliches Mahnschreiben. Doch der
Brief verfehlt die erhoffte Wirkung.
Schlimmer noch: Der Adressat aus Wien
legt die Mahnung gleich kopfschüttelnd
zur Seite und reagiert gar nicht.
„Beide Parteien sprechen zwar die
gleiche Sprache, sie verstehen sich aber
nicht“, erklärt Ellen Ulbricht, Expertin
für Auslandsinkasso, den Fall. Denn neben den regionalen Spitzfindigkeiten ist
dieses Schreiben für den Österreicher
vor allem eins: unangemessen. Im kleinen Alpenland bittet ein Inkasso-Unternehmen in einem Zahlungsersuchen höflich und ausführlich um das Begleichen
des ausstehenden Betrages. Und dann
braucht es Geduld. Denn bis der Schuldner zahlt, können schon mal Wochen ins
Land gehen. Ein österreichischer Dienstleister hätte das gewusst.
„Die kulturellen Unterschiede werden
immer größer, je weiter man in den Süden Europas kommt“, sagt Ellen Ulbricht. Zudem gelten nicht überall die
gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Und schließlich kann neben diesen
Schwierigkeiten schnell auch die Sprache selbst die Probleme vertiefen, wenn
bei Forderungen der deutschsprachige
Raum verlassen wird. Hier sind Missverständnisse programmiert. Die studierte
Juristin weiß, wovon sie spricht. Nachdem sie verschiedene Inkassounternehmen in Deutschland geleitet hat, ist sie
vor einigen Jahren nach Österreich gezogen und schreibt und referiert seitdem
vor allem über das Thema „grenzüberschreitender Zahlungsverkehr“.
Das sollte jedoch für deutsche Unternehmen kein Grund sein, auf Export zu
verzichten. Experten raten allerdings,
sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und Mentalitäten des jeweiligen
Landes möglichst schon vor dem Abschluss eines großen Geschäfts vertraut
zu machen. Helfen kann dabei vor allem
ein grenzüberschreitend tätiger Anwalt
oder ein Inkassounternehmen mit Auslandserfahrung. Beide können Tipps
zum richtigen Umgang mit dem Kunden,
zur Vertragsgestaltung, aber auch zur
Absicherung des Geschäfts geben.
„Insgesamt ist es in der EU relativ
einfach, offene Forderungen durchzusetzen“, meint die Inkasso-Expertin. Dafür
sorgen zunehmend standardisierte Regelungen. Vor allem die Einführung des
Europäischen Mahnverfahrens erleichterte den Umgang mit säumigen Zahlern
im EU-Ausland. Für Forderungen bis
2000 Euro gelten für die gerichtliche
Geltendmachung nun einheitliche Vorgaben. Sie schließen auch die Möglichkeit ein, Verhandlungen auf elektronischem Wege, also zum Beispiel mittels
Telefonkonferenzen, zu führen. Das ist
vor allem für den Gläubiger günstiger,
muss er doch nicht jedes Mal in das
Land des Schuldners reisen. Außerdem
gelten für alle Beteiligten kurze Fristen.
„Das spart viel Zeit und macht dieses
Verfahren so effektiv“, so Ulbricht.
Sollte die außergerichtliche Einigung
nicht funktionieren, bleibt in der EU
noch die Möglichkeit, den nationalen
Vollstreckungsbescheid in einen europäischen zu übertragen. Damit können
Gläubiger in jedem EU-Land zwangsvollstrecken. Doch Vorsicht: Die
Zwangsvollstreckung richtet sich nach
dem Recht des jeweiligen Landes. Mitunter können hier noch weitere Mittel
notwendig sein. Nicht einheitlich gere-
JAQUES BAGIOS
Im Ausland muss man auf die Rechtslage und kulturelle Unterschiede achten, sonst drohen Verstimmung und schlimmstenfalls Ausfälle
Was den Menschen ruiniert, sind dumme Geschäfte: Im Ausland erschweren komplizierte Rechtssysteme den Zahlungsverkehr
gelt ist auch, wer die Kosten des Inkassos trägt. Denn nicht überall gelten diese
Kosten als Verzugsschaden und müssen
deshalb vom Schuldner übernommen
werden. In einigen Ländern trägt sie
stattdessen der Gläubiger.
Vorsicht ist auch in der Schweiz geboten. Denn dort ist alles anders, meint Inkasso-Expertin Ulbricht. „Ohne Schweizer Anwalt läuft dort gar nichts.“ Und
selbst dann sei ein langwieriges und
kompliziertes Verfahren nötig, bis die
Forderung überhaupt anerkannt ist.
Auch außerhalb Europas sind die rechtlichen Gegebenheiten sehr unterschiedlich. Was in einem Land gilt, kann im
nächsten grundverkehrt sein. Wird aber
bereits vor Geschäftsabschluss ein Anwalt zu Rate gezogen, kann er den Vertrag so gestalten, dass der auch im jeweiligen Ausland wasserdicht ist.
Der Mittelstand sichert sich indes
noch viel zu selten ab. Zwar legen die
Firmen in ihren Verträgen oft fest, dass
deutsches Recht gelte und verweisen
ausdrücklich auf ihre Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen (AGB). Doch vergessen sie, dass dadurch Lücken entstehen.
Als Beispiel nennt Ulbricht den Eigentumsvorbehalt. Der ist in vielen AGB
enthalten und besagt, dass die Ware bis
zur vollständigen Bezahlung Eigentum
des Verkäufers bleibt. „Viele Länder kennen so einen Eigentumsvorbehalt aber
gar nicht“, gibt Ulbricht zu Bedenken.
„Damit verliert der Verkäufer dann trotz
vermeintlicher Absicherung bei Grenzübertritt der Ware das Eigentum, oft,
ohne dass er sich dessen bewusst ist.“
Rebecca Giesecke vom InkassoDienstleister Eos kennt das Problem:
„Gerade für kleine und mittelständische
Unternehmen ist der Umgang mit offenen Forderungen von Kunden im Ausland oft noch Neuland.“ Die Leiterin des
Cross-Border Centers in Hamburg stellt
immer wieder fest, dass viele Firmen
zwar Verträge abschließen, die besagen,
dass im Streitfall deutsches Recht angewendet werden soll. Die Frage, ob und
wie das bei einem säumigen Kunden
zum Beispiel in Süd-Korea aber tatsächlich möglich ist, sorgt dann im Ernstfall
doch für Probleme.
Giesecke rät deshalb zu einem Inkassounternehmen im Land des Kunden.
Denn die kennen nicht nur die Sprache
und die landestypische Mentalität. Sie
haben auch Erfahrung im Umgang mit
Ämtern, kennen die rechtlichen Möglichkeiten und Fristen. Und nicht zuletzt
helfen sie auch dem säumigen Zahler,
wenn der Verzug nur dadurch zu Stande
kam, dass der sich mit Auslandsüberweisungen nicht auskennt oder ihm ein Formular oder gar nur ein Stempel fehlt.
„Allerdings ist es auch schwer, ein solides und vertrauenswürdiges Inkassounternehmen in einem fernen Land zu
finden und anzusprechen“, weiß Rebecca Giesecke. Sinnvoller sei es, ein Unternehmen im eigenen Land zu engagieren,
das einen Partner im Land des Schuldners hat. Aus diesem Grund bietet die
Eos-Gruppe ihren Kunden ein Netzwerk
mit Inkassounternehmen in mehr als
140 Ländern weltweit. Und auch Ellen
Ulbricht empfiehlt, immer ein Inkassounternehmen zu suchen, das eine Tochtergesellschaft oder Kooperation im jeweiligen Ausland hat. So seien deutsche
Gläubiger auf der sicheren Seite.
Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen hat einen Leitfaden für
grenzüberschreitendes Bonitäts- und
Forderungsmanagement erstellt.
ANZEIGE
Forderungsmanagement
Liquiditätsmanagement
Schwarze Zahlen schreiben und Verständnis aufbringen für schwierige Situationen auf Kundenseite: Die richtige Balance zwischen diesen beiden Polen
ist das Fundament guter Geschäftsbeziehungen. Das ist unsere Überzeugung, die wir in unseren Leitsatz ,,EOS. With head and heart in finance“ gegossen
haben. Und nach dieser Devise arbeiten wir auch für lhr Unternehmen. Unsere Dienstleistungen rund um das Forderungsmanagement verschaffen lhnen
Liquidität. Dabei begegnen wir lhren säumigen Kunden im lnkassoprozess kooperativ und auf Augenhöhe, um Lösungen zu entwickeln, die allen Beteiligten
gerecht werden. Damit die Bilanzen stimmen. Und die Geschäftsbeziehungen. Mehr über unsere Services finden Sie unter www.eos-deutschland.de.
With head and heart in finance
+
Informationsmanagement
Besuchen Sie unsere
Internetseite und erfahren Sie mehr über
das EOS Forderungsmanagement.
SEITE VIII
D I E W E LT
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
FORDERUNGSMANAGEMENT
Einkaufsformeln
Die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern wird oft
über statistische Verfahren geklärt. Für viel der
Betroffenen ist dieses Scoring eher rätselhaft,
doch so undurchsichtig ist es eigentlich nicht
W
er online etwas auf
Rechnung kauft, bekommt wahrscheinlich einen. Wer im
Elektronikmarkt sein
neues Handy auf Raten bezahlt, ebenfalls. Und wer mal eben rasch einen kleinen Verbraucherkredit abschließt, über
den wird ganz sicher ein Kreditscore erstellt. Dieser persönliche Punktwert sagt
etwas über die Kreditwürdigkeit der jeweiligen Person aus, macht schnelle Einkäufe möglich und soll Firmen vor Zahlungsausfällen schützen. Scoring heißt
das Verfahren. Aber wie funktioniert es,
und wer steckt dahinter?
Die infoscore Consumer Data GmbH
(ICD) zum Beispiel. Die Wirtschaftsauskunftei gehört zur Bertelsmann-eigenen
Arvato-Gruppe, einem führenden Anbieter von Outsourcing-Dienstleistungen.
Die ICD versorgt ihre Geschäftspartner
im Handel mit Informationen über die
Kreditwürdigkeit ihrer (potenziellen)
Kunden. Für ihre umfangreiche Datenbank greift sie, wie alle Auskunfteien,
unter anderem auf öffentlich zugängliche Bonitätsinformationen wie das Insolvenzverzeichnis oder die Schuldnerregister der Amtsgerichte zurück.
Auch Erfahrungen, die ein Unternehmen in der Vergangenheit mit einem
Kunden gemacht hat, fließen in die Bewertung ein. Doch nicht immer reicht
das aus, erklärt Geschäftsführer Wolfgang Hübner: „Liegen zu einem Konsumenten keine bekannten Zahlungserfahrungen vor – insbesondere in der Neukundenphase – kommen auch ScoringVerfahren zum Einsatz.“ Dabei nutzt
Scoring statistische Verfahren, die die
Wahrscheinlichkeit errechnen, mit der
die Kunden ihre Rechnungen bezahlen.
Kombiniert werden Erfahrungen mit bestimmten Merkmalsgruppen. Je nach
Anbieter schaut man etwa auf Alter, Beruf, Name oder Adresse. Wohnt jemand
beispielsweise in einem Stadtviertel mit
schlechter Zahlungsmoral, kann der
Scoringwert sinken. Versandhändler fordern dann eventuell Vorkasse, um Risiken zu vermeiden oder zu begrenzen.
„Scorewerte werden einzelfallbezogen
und tagesaktuell ermittelt“, betont Hübner. Das heißt, den einen Scoringwert
gibt es nicht. Je nach anstehendem Geschäft, je nach Branche und je nach Produkt werden die vorhandenen Daten in
der Regel auf verschiedene Weise genutzt. Übrigens: Welche Daten Auskunfteien gespeichert haben, müssen sie laut
Gesetz den Betroffenen mitteilen, fal-
ANZEIGE
sche Daten müssen sie zudem ändern. Doch wie sie
die Scoringwerte dann jeweils im Detail berechnen,
das bleibt bei allen ein Geschäftsgeheimnis.
Das ist auch bei der
Schufa so. Als Institution
dürfte sie nahezu jedem
Deutschen bekannt sein.
Im Unterschied zu anderen Auskunfteien kennt Eine kluge Frau ist ein unbezahlbarer Schatz: In einer Partnerschaft mag das Sprichwort stimmen. Doch bei Krediten oder Online-Käufen wird
sie alle 66,2 Millionen auch deren Kreditwürdigkeit genau geprüft. Denn nach einer Studie stammen 72 Prozent der Einnahmen des deutschen Handels von Frauen
Deutschen, die potenzielle
Kreditnehmer sind. Denn
auch die Schufa erstellt branchenabhän- zum Beispiel Online-Kredite und spon- strument“, erklärt Tobias Teuber, tem erkennt genau solche Ungereimtheigige Scores. Genau wie andere Anbieter tane Finanzierungen an der Kasse, ge- Deutschland-Chef von Klarna. Wählt ein ten. Unter Umständen wird der Kauf
sorgt sie so unter anderem für die troffen werden“, schildert Lehmann die Kunde in einem angeschlossenen On- dann abgelehnt.“ Auch wenn die einzelschnelle Bearbeitung von Krediten oder Vorteile. Das wird am Beispiel Online- lineshop die Option „Rechnungskauf“, nen Daten für sich gesehen natürlich unRatenzahlungen – Bequemlichkeiten, die Handel deutlich. Viele Shopbetreiber übernimmt Klarna den Fall. Einzugeben problematisch sein könnten.
Konsumenten erwarten. „An dieser Stel- übergeben ihre Zahlungsabwicklung zu- sind nur wenige Daten wie Namen,
Dieses Beispiel von Klarna zeigt: Bei
le kommen häufig Scoring-Systeme zum mindest teilweise an Dienstleister, vor Adresse, Geburtsdatum, E-Mail und eine Scoring geht es neben statistischen AbEinsatz“, sagt Andreas W. Lehmann, allem, wenn es um den Kauf auf Rech- Telefonnummer. Über die Schufa wird wägungen auch um PlausibilitätsprüfunSprecher der Schufa Holding. Denn Sco- nung oder Rate geht. Dabei treten Sie ih- dann vollautomatisch ein Identitäts- gen, mit deren Hilfe sich Unternehmen
ring ist vor allem ein schnelles Verfah- re Forderung an den Dienstleister ab – Check durchgeführt – und geklärt, ob die schützen wollen. Dass Scoringanbieter
ren. Scoringwerte werden vom Compu- und damit das Risiko eines Zahlungsaus- Person überhaupt existiert.
dabei ihre Verfahren nicht offenlegen
ter berechnet, auf die Datenbanken der falls. Die Ware kann sofort versendet
„Sollte sich schon über die Schufa er- wollen, ist aus deren Sicht verständlich.
Anbieter können angeschlossene Unter- werden, und der Verkäufer bekommt weisen, dass die Bonität extrem fragwür- Und dass die Verfahren treffsicher sind,
nehmen online zugreifen – oft automati- umgehend sein Geld vom Dienstleister. dig ist, ziehen wir bereits zu diesem Zeit- liegt ebenfalls in deren Interesse. Einen
siert aus ihren Bezahlprozessen heraus.
Factoring heißt diese Art des Geschäfts.
punkt die Notbremse. Die maßgebliche gewissen Schutz vor falschen Einschät„So können teils auch nachts oder am
Einer der größten Factoring-Anbieter Prüfung findet jedoch bei uns intern zungen erhalten Betroffene zudem
Wochenende Kreditentscheidungen, wie im Onlinebereich in Deutschland ist die statt“, sagt Tobias Teuber. Dabei werden durch das Datenschutzgesetz. Und auch
Klarna Gmbh – und sie setzt auf Scoring. dann mehrere Dutzend Faktoren zur Ab- Scoringunternehmen selbst versuchen,
„Als Factoring-Dienstleister gehen wir schätzung der Kreditwürdigkeit einbezo- sich diesbezüglich abzusichern: Klarna
finanziell in Vorleistung. Deshalb ist es gen. Wie das vor sich geht, erläutert Teu- etwa erhebt die Telefonnummer nach eiunser ureigenstes Interesse, Zahlungs- ber an einem möglichen Beispielfall: gener Aussage, um fragliche Eingaben diausfälle zu vermeiden. Wir müssen in- „Wenn jemand nachts um halb drei von rekt klären zu können. Denn rein theorenerhalb von Sekunden klären, ob ein einem Internetcafé aus 20 iPads bestellt tisch ist es ja durchaus möglich, dass eiEinkauf nicht ein zu großes Risiko ist. und dabei angibt, er sei eine 85-jährige ne rüstige Rentnerin nachts tatsächlich
Dafür ist Scoring ein unerlässliches In- Frau, dann werden wir stutzig. Das Sys- zehn iPads ordern will.
GETTY IMAGES
JOST BURGER
„Auch eine Frage der Erziehung“
Psychologe Georg Felser über Zahlungsmoral und Schuldenmachen
E
s ist die grundsätzliche Abneigung, einen Verlust zu realisieren,
die viele davon abhält, Rechnungen pünktlich zu bezahlen, sagt Georg
Felser, Fachdozent für Markt- und Konsumpsychologie an der Hochschule
Harz in Wernigerode. Hinzu komme außerdem, dass der Genuss einer Leistung
und das Bezahlen immer stärker entkoppelt werden.
DIE WELT: Herr Felser, warum ist
die Zahlungsmoral von Menschen so
unterschiedlich?
GEORG FELSER: Grundsätzlich haben
wir alle eine Abneigung, Verluste zu realisieren. Doch der Referenzpunkt, von
dem aus wir betrachten, ob etwas für
uns ein Gewinn oder Verlust ist, liegt
nicht fest. Das ist eine Frage der persönlichen Deutung. Wer es also als Verlust
sieht, eine Rechnung zu begleichen oder
Schulden zu tilgen, weil das ein Loch in
seine Kasse reißt, wird sich mit dem Bezahlen schwer tun. Dabei lässt sich die
Situation natürlich auch anders herum
interpretieren: Mit den Schulden ist der
Verlust längst gemacht, und durch die
Tilgung wird er abgemildert.
IHR SPEZIALIST IM FORDERUNGSMANAGEMENT.
Als führender Anbieter für Forderungsmanagement-Dienstleistungen finden wir
auch für Sie die richtige Lösung.
Wir sind Ihr Spezialist für:
klassisches Inkasso/Auslandsinkasso
Portfoliomanagement
Forderungskauf
Outsourcing
Datenmanagement
E-Commerce Lösungen
Ist die Deutung eine Frage des Typs?
Eine Möglichkeit ist sicher, dass wir es
von Geburt an, gewissermaßen genetisch
bedingt, unangenehm finden, irgendwo
Schulden zu haben. Viel wichtiger allerdings sind die Erziehung und das, was
uns vorgelebt wird – durch unser Umfeld, die Familie und die Freunde. Außerdem spielen die Politik und die Nachrichten eine große Rolle. Wenn in der
allgemeinen Stimmung Konsum gewissermaßen als Bürgerpflicht gilt, werden
auch diejenigen, die sonst eher dagegen
sind, es in Ordnung finden, Schulden zu
machen. Die omnipräsente Meta-Botschaft ‚Konsum ist gut’ ist ein Baustein
für das Schuldenmachen.
GFKL betreut ein Forderungsvolumen von derzeit rund 21,7 Milliarden Euro.
Standard & Poor's verlieh das höchste Ranking als Servicer „Strong.“
Risiken minimieren – Kosten senken – Erträge steigern.
Durch die Übertragung Ihres Forderungsmanagements an die Experten von GFKL.
GFKL Financial Services AG
Limbecker Platz 1
45127 Essen
Sprechen Sie uns an!
Tel. +49 201 102 1162
Fax +49 201 102 110 2256
[email protected]
www.gfkl.com
Bei der Steuererklärung ist Schummeln zum „Volkssport“ geworden. Ist
+
es ein ähnliches Phänomen, dass
Rechnungen erst auf den letzten Drücker bezahlt oder sogar bewusst die
Mahnungen abgewartet werden?
Bei der Steuererklärung verursacht eine
drohende Nachzahlung ein Verlustgefühl. Je nachdem, wie hoch die Erwartung einer Rückzahlung ist, sinkt die Bereitschaft zu schummeln. Mit Blick auf
eine Nachforderung könnte man ja auch
sagen, der Staat hat bislang einen kostenlosen Kredit gewährt, und dieses
Geld war dadurch viel länger nutzbar.
Doch die Verlustaversion ist höher
als die Freude
über diesen Gewinn. Auch eine
Rechnung
wird
oft nicht mit der
bereits erhaltenen
Leistung in Verbindung gebracht
Georg Felser ist
und darf deshalb
Fachdozent für
ruhig eine Weile
Markt- und Konliegen
bleiben.
sumpsychologie
Dahinter
steht
auch, dass Genuss und Bezahlen immer stärker entkoppelt werden. Kreditkarten, Flatrates
und „Heute-kaufen-später-zahlen-Angebote“ tragen dazu bei. Auch deshalb werden normale Zahlungsvorgänge als Realisierung eines Verlustes umgedeutet.
HOCHSCHULE HARZ
JENS KOHRS
Warum zeigt Post von einem Inkasso-Büro meist schneller Wirkung als
die Mahnungen der Gläubiger?
Das erklärt sich vielleicht mit der Idee
der mentalen Kontoführung. Die Frage
ist, welcher Kategorie jemand einen
Posten zuordnet. Nehmen Sie beispielsweise das Budget für Winterkleidung.
Wenn es ausgeschöpft ist, jemand ein
bestimmtes Kleidungsstück aber unbedingt haben möchte, deklariert er es
einfach als ‚gut für den Übergang’ oder
‚ideal fürs Büro’. Schon gehört es in eine andere Kategorie, und es kann gekauft werden. Mein mentales Konto definiert, welchen Zweck ich erreiche und
welches Ziel ich habe. Ein Inkasso-Büro
ist in diesem Sinn ein anderes Konto –
da will ich verhindern, dass ich richtig
Ärger bekomme.
Gläubiger fürchten oft, Kunden für
künftige Geschäfte zu verlieren,
wenn sie beharrlich auf Zahlungen
bestehen. Ist die Angst berechtigt?
Aus lernpsychologischer Sicht halte ich
das für hochproblematisch, denn es verstärkt das Verhalten der Nicht-Zahler.
Stattdessen sollten Unternehmen grundsätzlich mit einrechnen, dass Kunden eine unterschiedliche Qualität haben. Dabei müssen sie gut differenzieren, denn
es gibt zwei große Fehlerquellen: den falschen Alarm, bei dem ich einen Kunden
herausfiltere, obwohl keine Gefahr des
Zahlungsausfalls bestand, und die Auslassungsfehler, bei denen ich mit Kunden Geschäfte mache, die später nicht
bezahlen. Es ist etwas zynisch, aber die
Frage ist, wie viele dieser falsch-negativen Auslassungsfehler ich mir leisten
kann. Kommen sie zu häufig vor, muss
individueller differenziert werden. Das
ist ja nicht neu: Der Krämer um die Ecke
hat schon früher immer gewusst, wer ein
guter und wer ein schlechter Kunde war.
Heutige Verfahren sind die konsequente
Weiterführung. Dabei ist die Grundidee,
von vergangenem auf künftiges Verhalten zu schließen, nicht falsch.
Und wie ist das, wenn wir uns von
Freunden Geld geliehen haben? Wie
steht es da um die Bereitschaft, dieses auch wieder zurück zu zahlen?
Da fällt die persönliche Beziehung stark
ins Gewicht. Und was die Bereitschaft
jenseits aller Beziehungspflege zusätzlich enorm verstärkt, ist das Gefühl,
dass der Andere das nicht tun musste,
dass er also einen ungeschuldeten Gefallen getan hat. Dann ist der Druck
zum Ausgleich sehr viel höher, weil das
Gefühl besteht, den Gefallen unbedingt
erwidern zu müssen. Würde es gelingen, auch dem Angebot eines Dienstleisters diesen Charakter zu geben, wäre das eine Möglichkeit, den Zahlungsdruck zu erhöhen.
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
D I E W E LT
SEITE IX
FORDERUNGSMANAGEMENT
Mit Empathie
und Argumenten
Reich sind nur die,
die Freunde haben:
Statt auf Konfrontation setzen seriöse
Inkassofirmen vor
allem auf Dialog,
um Lösungen zu
finden. Dabei bieten
sie Schuldner auch
Ratenzahlungen an
Verständnis, Ausdauer und Verhandlungsgeschick sind
gefragt, um offene Rechnungen einzutreiben. Je
nach Größe des Arbeitgebers unterscheidet sich der
Arbeitsalltag eines Inkasso-Beraters erheblich
F
ür einen Inkasso-Berater gibt
es keinen geregelten Tagesablauf. Jeder neue Arbeitstag
bringt neue Kunden, neue
Schuldner, neue Ausreden –
aber auch neue Einigungen. Eines allerdings ist immer gleich: „Ganz früh morgens kontrolliere ich meinen Kontostand
und sehe nach, ob jemand gezahlt hat.
Das ist das erste, was ich mache“, sagt
Annegret Krol, selbstständige InkassoBeraterin. Danach hänge vieles davon ab,
was anfalle: Wiedervorlagen durchgehen, Briefe schreiben, Schuldner erinnern, mit den Kunden in Kontakt treten.
Krol hat ihre Inkasso-Firma Ask Me
vor sechs Jahren gegründet. Seitdem arbeitet sie allein. Sie zieht Forderungen
für kleine und mittelständische Unternehmen ein, derzeit hat sie rund 50 Auftraggeber. „Meine Kunden rufen an,
schildern einen neuen Fall, und wir
überlegen, ob es sinnvoll ist, diesen weiter zu verfolgen“, sagt sie. „Meist lasse
ich mir dann die Unterlagen schicken
und prüfe, ob ich das übernehme.“
Ähnlich verfahren die Mitarbeiter von
Dr. Duve Inkasso, einem mittelständischen Unternehmen mit Sitz in Hannover. Die Firma wurde 1987 gegründet und
beschäftigt 25 Mitarbeiter. „Ganz typisch
für die Vorgehensweise ist, dass wir Aufträge von unseren Kunden bekommen“,
erklärt Geschäftsführer Andreas Bingemer. „Dann beginnt in der Regel der Recherche-Teil, das heißt, wir versuchen,
die Daten zu verifizieren, um herauszubekommen, ob die Forderungen wirtschaftlich werthaltig sind.“
Annegret Krol schreibt zunächst die
Schuldner an. Im Idealfall kommt dann
prompt die Zahlung. Wenn nicht, schickt
die Inkasso-Beraterin in der Regel einen
zweiten Brief oder versucht, telefonisch
Kontakt mit der Person oder Firma aufzunehmen. Ziel ist immer eine Vereinbarung – entweder nennt der Schuldner einen Termin, zu dem er bezahlen kann,
oder er vereinbart eine Ratenzahlung.
„Auf Fingerspitzengefühl kommt es an“,
weiß Annegret Krol. Auch sie passt ihre
Verhandlungstaktik dem Gegenüber an:
„Ein Schuldner, der bereit ist für Verhandlungen, auf den gehe ich auch ein.
Aber wenn einer pampig ist, dann reagiere ich härter.“ Es sei wichtig, trotzdem
immer freundlich zu bleiben. Zudem
müsse sie neutral bleiben und dürfe keine persönliche Beziehung entwickeln.
Die Kommunikation mit den Kunden ist
für Krol ebenso wichtig, wie die mit den
Schuldnern „Meine Kunden möchten in
den meisten Fällen über jeden meiner
Schritte sehr genau informiert sein“,
sagt Krol. Deshalb bekommen sie die gesamte Korrespondenz als Kopie, ebenfalls die Protokolle der Telefonate.
Auch Frank Kebsch, Geschäftsführer
von Arvato Infoscore weiß: „Beim Inkasso kommt es auf die Kommunikation an.“ Seine Mitarbeiter seien pau-
senlos damit beschäftigt, mit den
Gläubigern und den
Kunden zu sprechen,
diese zu informieren
und mit ihnen zu
verhandeln. Das zur
Bertelsmann-Gruppe
gehörende
Unternehmen ist europaweit tätig, rund 3500
Mitarbeiter betreuen
etwa 10.000 Kunden
in elf Ländern.
„Wir haben Kunden
aus ganz verschiedenen Branchen“, so
Kebsch. „Wir bearbeiten sowohl Hypotheken-Forderungen als
auch solche aus dem
Schwarzfahrer-Geschäft.“ Hinzu kämen unter anderem Telekommunikation und Versandhandel.
Mit diesem Branchen-Mix gehen die unterschiedlichsten Arten von Forderungen einher. Diese wiederum sind mit unterschiedlichen Rechtsfragen verknüpft.
Laut Kebsch muss man sich spezialisieren, „denn die jeweiligen Sachgebiete
unterscheiden sich auch in rechtlicher
Hinsicht teilweise erheblich von einander“. Deshalb seien bei Arvato Infoscore
die Abteilungen so organisiert, „als würden wir aus einzelnen Inkasso-Unternehmen bestehen“.
Am Ende komme es aber immer darauf an, möglichst wenig Zeit und Geld
zu investieren, um die Schulden einzutreiben, meint auch Andreas Bingemer
von Dr. Duve Inkasso: „Wir wollen
nicht, dass unsere Kunden gutes Geld
schlechtem Geld hinterherwerfen.“
Das bedeutet: Hat ein Schuldner bereits mehrere Forderungen negativ
IN KONTAKT
Seriöse Inkassofirmen setzen auf Kommunikation. Denn im Gespräch mit
Schuldnern können Fragen geklärt und
Lösungswege für das Begleichen der
Schulden besprochen werden. Die
Erfahrungen zeigen, dass eine gerichtliche Verfolgung so oft vermieden
werden kann. Die Kommunikation
umfasst neben dem obligatorischen
Briefverkehr eine telefonische Kontaktaufnahme und auch das direkte Gespräch durch Außendienstmitarbeiter.
hinter sich – also in Form von Eidesstattlichen Versicherungen, Haftanordnungen – oder ist er bei den Inkassounternehmen mehrfach aufgefallen,
so hält Andreas Bingemer Rücksprache
mit seinem Kunden. Er informiert ihn
über die Vorgeschichte des Gläubigers
und fragt nach, ob er in diesem Fall
wirklich tätig werden soll. Dafür ist es
allerdings notwenig, umfangreiche Re-
CreditreformThese Nr. 5
GELD
IST NICHT
ALLES,
Die Branche setzt verstärkt auf Kontakt am Telefon. Das signalisiert
Kompromissbereitschaft und verbessert die Kundenbeziehung
JAQUES BAGIOS
P
ro Jahr wechseln 4,8 Millionen
Menschen in Deutschland ihren
Wohnort und damit ihre Adresse.
Versäumen sie dabei, einen Nachsendeantrag bei der Post zu stellen, landen die
Briefe wieder beim Absender oder verschwinden im Zweifelsfall einfach. „Das
kann zu einem klassischen Missverständnis in der Kommunikation führen“,
sagt Steffen Kowalski. „Wenn ein Unternehmen Rechnungen verschickt und keine Rückmeldung bekommt, muss der
Schuldner am Ende hohe Gebühren zahlen oder wird sogar in ein Gerichtsverfahren verwickelt.“
Kowalski ist Trainer an der Deutschen
Inkasso Akademie und anderen Institutionen, und er weiß: „Die meisten Menschen, die Rechnungen nicht bezahlen,
sind zahlungswillig. Der Grund für die
Schulden liegen oft in anderen Bereichen.“ Damit sie diese Gründe kennenlernen und Missverständnisse aus dem
Weg räumen können, schult Kowalski
Unternehmen und Inkassofirmen im Telefoninkasso. Die Idee ist es, Schuldner
nach der ersten schriftlichen Kontaktaufnahme per Anruf zu erreichen. Im
Gespräch können die Kunden dann ihre
Gründe darlegen, warum sie Rechnungen nicht begleichen, und die Unternehmen haben die Möglichkeit, entsprechend zu reagieren. „Das Ziel eines solchen Anrufs ist immer, am Ende die Zahlungsmodalitäten wie Raten und Termine festgelegt zu haben“, sagt Kowalski.
Für die Firmen hat sich dieses Vorgehen schon häufig bewährt. „Briefe sind
sehr anonym und ganz klar eine reine
Forderung“, sagt Rebecca Poppe von
GFKL Financial Services. „Mit den Telefongesprächen signalisieren wir unsere
Kompromissbereitschaft. Das führt nicht
Geld ist nicht alles: Missverständnisse
lassen sich am besten im Gespräch klären
nur dazu, dass Rechnungen schneller beglichen werden, sondern bewirkt auch,
dass die gute Beziehung zwischen Kunde
und Rechnungssteller bestehen bleibt.“
Steffen Kowalski schult seine Seminarteilnehmer, damit die Anrufe erfolgreich verlaufen: „Gerade beim Thema
Geld reagieren viele emotional. Damit
ein solches Telefonat nicht aus dem Ruder läuft, sollte der Anrufer sachlich
bleiben“, erklärt der Trainer. Zudem
müssen die Mitarbeiter mit den Datenschutzbestimmungen vertraut sein.
HOHE FORDERUNGEN
Die durchschnittliche Forderung, die
Inkassounternehmen für Gläubiger
einziehen, beträgt dem Branchenverband zufolge 646 Euro. Forderungen mit niedrigen Eurobeträgen machen demnach lediglich einen geringen
Teil aus: Nur in 16 Prozent der Fälle
geht es um weniger als 100 Euro. Mit
Blick auf private Verbraucher liegt
die Höhe jeder vierten Forderung
zwischen 100 und 499 Euro. Und der
Bereich von 100.000 Euro und mehr
macht immerhin 19 Prozent aus.
cherchen über den Schuldner einzuholen und sich auch von diesen Informationen nicht hinters Licht führen zu
lassen. „Oft ist zum Beispiel ein Firmenname ein Fantasiename, so etwa
wie ‚Andreas’ Pommesbude’. Dann
müssen wir herausfinden, wer eigentlich der Gewerbetreibende ist, wer also
für die Forderung haftbar zu machen
ist“, erklärt Bingemer.
ANZEIGE
Persönliche Mitteilungen
STINA BEBENROTH
Auch
Annegret
Krol überprüft als
erstes den Schuldner
und seine Bonität.
Dazu nutzt sie in den
meisten Fällen das
Internet. Über Auskunfteien erhalte sie
eine Vermögensauskunft und erfahre, ob
es bereits andere Forderungen gegen den
Schuldner gebe, sagt
die Inkasso-Unternehmerin. In jedem
Fall aber versucht sie,
mit dem Schuldner in
Kontakt zu treten:
„Meist gelingt es
auch, und wir finden
eine Einigung.“ Selten passiere es, dass
sich Schuldner nicht melden oder nur
einmal ans Telefon gehen, danach nicht
mehr. Wenn Krol gar nicht an die Leute
herankomme, gehe sie gerichtlich vor –
mit einem Mahnbescheid und dann mit
einem Vollstreckungsbescheid. Schließlich drohe sie schriftlich mit dem Gerichtsvollzieher, erklärt sie: „Dass der
kommt, wäre der letzte Schritt. Die
meisten zahlen vorher.“
GETTY IMAGES
ALEXANDRA GROSSMANN
WAS SIE
*
VERLIEREN.
Der Trend zur persönlichen Kommunikation hat mittlerweile einen Großteil
der Inkassobranche erfasst. Je nach
Schuldnergruppe werden dabei unterschiedliche Wege der Kontaktaufnahme
gewählt. Beim persönlichen Gespräch
am Telefon oder beim Vor-Ort-Inkasso
etwa kann die individuelle Situation der
Schuldner geklärt und gemeinsam eine
Lösung gefunden werden. Zudem kommen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch E-Mails und SMS zum
Einsatz, zum Beispiel um an Ratenzahlungen zu erinnern.
Ein weiteres wichtiges Instrument
sind Schuldnerportale, über die Schuldner Kontakt zu Inkassofirmen aufnehmen und direkt Zahlungsmodalitäten
vereinbaren können. „Statt als das unheimliche Unbekannte, präsentieren
sich Inkassofirmen dort als Helfer und
Unterstützer der Schuldner. Das Bild in
der Öffentlichkeit wird dadurch positiv
beeinflusst“, sagt Steffen Kowalski.
Auch bei dohr-inkasso hat sich das bereits 2009 installierte Schuldnerportal
im Internet bewährt. „Die wichtigste
Funktion ist es, mit den Schuldnern ins
Gespräch zu kommen und ihnen klar zu
machen, dass wir uns für ihre Sicht der
Dinge und Probleme interessieren“, sagt
Geschäftsführer Hans Iuel Dohr: „Besonders freut uns, dass sich ehemalige
Abwicklungskunden als Testimonials zur
Verfügung gestellt haben, die mit unserer Hilfe ihre Schulden begleichen konnten. Das macht anderen natürlich Mut.“
Internetportale und Mails ermöglichen es, „andere Wege des Forderungseinzuges zu gehen“, betont auch Erwin
Falkner, Geschäftsführer von Euro-Inkasso: „Dieser findet dann nicht mehr
gegenüber einem Schuldner statt, sondern gegenüber einer Person mit Wünschen und Bedürfnissen.“
*
CREDITREFORM. MIT SICHERHEIT MEHR WERT.
Zahlungsverzögerungen bei Ihren Kunden kosten Geld und Nerven. Wenn Sie auf Ihren Forderungen sitzen
bleiben, können sich schnell fatale Finanzierungslücken auftun. Wir sorgen dafür, dass Sie schneller an Ihr Geld
kommen und schonen noch dazu Ihre Kundenbeziehungen. Damit Sie die Ruhe bewahren und sich auf Ihr
Geschäft konzentrieren können. Sprechen Sie mit uns.
Verband der Vereine Creditreform e.V.
Tel. 0800 - 9995500 | www.creditreform.de
+
SEITE X
D I E W E LT
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
FORDERUNGSMANAGEMENT
Wenn Betrüger
einkaufen gehen
Das Geschäft mit gestohlenen Identitäten nimmt dramatisch zu
E
s war ein Freitag im März,
als über Stefanie Groth der
Sturm losbrach. Ein Dreivierteljahr vorher hatte die
junge Rechtsanwaltsfachangestellte ihr eigenes Inkassobüro gegründet. Ruhig und beständig wuchs das
Geschäft. Handwerker und Freiberufler,
Vermieter, Tier- und Zahnärzte klopften
bei Groths BDE Inkasso e.K. in Ratingen
an, um das Forderungsmanagement des
Betriebs abzugeben, oder weil sie sich
um säumige Kunden kümmern sollte.
„Aber an diesem Tag bekamen wir auf
einmal einen Anruf nach dem nächsten,
und alle sprachen von irgendeinem Gewinnspiel“, berichtet Groth. „Ich habe
erst gar nicht verstanden, worum es
ging.“ Das sollte sich rasch ändern.
Denn auch nach dem Wochenende hörte das Telefon nicht mehr auf zu klingeln. Eine Anruferin erbarmte sich
schließlich und faxte den Brief durch,
über den sich alle beschwerten. Es stellte sich heraus: Groth und ihre BDE Inkasso waren Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden. In dem Brief forderte
eine erfundene „BDE Inkasso GmbH
aus München“ im Namen einer LottoSpielgemeinschaft die Empfänger zur
Zahlung von 288,48 Euro auf. In den
Briefkopf hatten die Betrüger das Logo
und die Adresse der echten Firma aus
Ratingen hineinkopiert.
Die meisten Adressaten machten im
Grunde alles richtig: Sie riefen bei der
BDE Inkasso in Ratingen an und fragten
nach, statt einfach das Geld zu überweisen. Genau dazu raten alle Verbraucherschützer und Experten. Doch Groth und
ihr junges Unternehmen brachten der
Betrug und seine Folgen beinahe um die
Existenz. „Anderthalb Monate lang haben wir jeden Tag 80 Anrufe gehabt –
nur zu diesem Thema“, sagt Groth.
Das eigentliche Geschäft lag in der
Zeit brach, weil die Firmengründerin nur
damit beschäftigt war, die Betrugsgeschichte aus der Welt zu schaffen. „Um
unseren Namen sauber zu halten, habe
ich auf jeden Blog-Eintrag reagiert und
auf jedes Schreiben vom Anwalt. Ich habe jede Mail beantwortet, jedes Fax und
jeden Anruf. Zwischenzeitlich haben wir
sogar ein Callcenter eingeschaltet, weil
wir die Masse an Anrufen einfach nicht
mehr stemmen konnten.“
„Solche Betrügereien mit gestohlenen
Identitäten haben in letzter Zeit enorm
zugenommen“, sagt Marco Weber vom
Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU). Entweder geben sich
die Täter – wie im Fall der BDE aus Ratingen – als Inkassounternehmen aus
und verschicken Fantasierechnungen.
Oder sie stehlen die Identität von Privat-
„Alleine im letzten
Quartal 2012
haben wir eine
Viertelmillion
Identitätsdiebstähle
registriert“
Tim Griese, BSI-Sprecher
personen und gehen auf deren Kosten
teuer im Internet shoppen: Die Ware
wird an irgendeine Lieferadresse geschickt, die dicke Rechnung bekommen
allerdings die Opfer. „Mit den Distanzgeschäften im Internet, bei denen es keinen persönlichen Kontakt zwischen
Käufer und Verkäufer gibt, ist das relativ
einfach“, sagt Marco Weber.
Tim Griese, Sprecher des Bundesamts
für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht das genauso: „Bei vielen
Accounts reicht es schon aus, wenn Sie
einen Benutzernamen und ein Passwort
haben oder auch den Namen, die Adresse und das Geburtsdatum. Damit können Sie sich einloggen und einkaufen gehen.“ Wie viele Menschen in Deutschland durch Identitätsdiebstahl tatsächlich zu Schaden kommen, weiß niemand
genau. Es gibt lediglich Hinweise darauf,
wie verbreitet das Phänomen ist. „Im
Rahmen der Allianz für Cybersicherheit
haben wir alleine im letzten Quartal 2012
eine Viertelmillion Identitätsdiebstähle
registriert“, sagt BSI-Sprecher Tim Griese. Damit ist noch nicht gesagt, dass diese Daten auch tatsächlich missbraucht
werden – aber nutzbar sind sie.
Nach dem Lagebericht Cyberkriminalität des Bundeskriminalamtes (BKA) registrierte die Polizei im vergangenen
Jahr die Rekordzahl von fast 64.000 Fällen von „Cybercrime“ – also Straftaten,
die mit Hilfe von Computern oder im Internet begangen werden, beziehungsweise Taten, die Angriffe auf Computer oder
mobile Geräte beinhalten. Im Vergleich
zu 2011 war das eine Steigerung um acht
Prozent. Besonders dramatisch fiel dabei
der Anstieg bei Computersabotage aus:
Fast 11.000 Eingriffe registrierte das BKA
GETTY IMAGES
MARION MEYER-RADTKE
schreiben in der Fußgängerzone war, bei dem man Postkarten ausgefüllt hat, sind heute
die Pflichtfelder im Internet,
wenn man sich etwas herunterladen oder bestellen will“, sagt
Griese. „Man sollte sich immer
fragen: Ist es mir dieser Dienst
wert, dass ich dafür meine Daten angebe? Wenn ich einen
Newsletter per Mail haben will
– wozu muss der Anbieter wissen, wo ich wohne?“ Solche
Daten sind Gold wert – für Unternehmen, aber eben auch für
Kriminelle. Wenn man zu viel
über sich preisgeben müsse,
solle man im Zweifel lieber auf
ein Angebot verzichten, empfiehlt Griese. Vor allem
Smartphone-Nutzer, die massenhaft Apps herunterladen,
seien noch zu wenig sensibilisiert: „Das sind kleine Computer und die müssen genauso geschützt werden wie die Geräte
zu Hause“, betont Griese.
„Aber vielen Nutzern ist das
noch immer nicht bewusst.“
Das Risiko, Opfer eines
Identitätsdiebstahls zu werden,
steigt also. Wen es wirklich
trifft, der sollte vor allem eines
tun: Ruhe bewahren, sagt
BDIU-Sprecher Marco Weber:
„Ganz wichtig ist zu wissen:
Niemand muss Forderungen
bezahlen, die nicht rechtens
sind.“ Eine rasche Reaktion sei
trotzdem wichtig, sagt Gerrit
Cegielka, Jurist bei der Verbraucherzentrale
Bremen:
Wenn die offenbar von Fremden genutzt wurde, dann müsse sie so schnell wie möglich
gesperrt werden. Falsche Abbuchungen vom Konto könne
man sich bei der Bank zurückholen. Und auch wenn falsche
Rechnungen oder Mahnungen
ins Haus flattern, solle man
„auf jeden Fall reagieren und
die Forderung bestreiten“, rät Cegielka.
Die Beweislast für die Rechtmäßigkeit
der Rechnung liege beim Unternehmen,
nicht beim Käufer. Und natürlich solle
man sofort die Polizei einschalten und
Anzeige erstatten.
Stefanie Groth hat den Angriff auf ihre BDE Inkasso inzwischen überstanden.
Sie hatte damals die Bank alarmiert, bei
der die Täter das Konto für die Zahlungen eingerichtet hatten, und den Betrug
über ihre Webseite und auf Facebook öffentlich gemacht. „Darauf haben wir nur
positive Meldungen bekommen, und
jetzt läuft unser Geschäft wieder in normalen Bahnen“, sagt sie. „Aber es hat
mich viel Zeit und viel Geld gekostet.“
Der eine hat den Beutel, der andere hat das Geld: Betrugsdelikte sorgen für hohe Schäden
– ein Zuwachs um 134 Prozent gegenüber
dem Vorjahr. „Die Täter nutzen
Schwachstellen aus, um Rechner mit
Schadsoftware zu infizieren, so dass sie
zum Beispiel Eingaben auf der Tastatur
mitlesen können. Oder sie hacken sich
in Datenbanken ein und stehlen dort
Nutzerdaten, wie das zum Beispiel 2011
beim Online-Dienst Sony Playstation
Network geschehen ist“, sagt Griese.
Für Computernutzer gilt es also, auf
der Hut zu sein: „Sie sollten Ihren Rechner immer auf dem neuesten Stand halten, was Virenschutz und SicherungsUpdates angeht, und Ihre Passwörter so
wählen, dass sie möglichst nicht zu knacken sind“, rät BSI-Experte Griese. Fatal
ANZEIGE
FORUDNERGEN
KNÖNEN MHER
VEWRIRNRUG
SFTIETN ALS MAN
SCIH VOLERSTLEN
KNAN.
sind zum Beispiel Mails mit Anhängen,
die den einzigen Zweck haben, Trojaner
auf den Rechner zu spielen, um diesen
ausspionieren zu können. So seien in
jüngster Zeit viele gefälschte E-Mails im
Umlauf, die vorgäben von bekannten
Unternehmen wie etwa der Deutschen
Telekom oder Amazon zu stammen,
warnt Griese: „Wenn Ihr Rechner nicht
ausreichend geschützt ist und Sie Anhänge oder Links dieser Mails anklicken,
haben Sie sich meistens schon die
Schadsoftware eingefangen.“
Experten sehen zudem mit Sorge, wie
freigiebig Verbraucher mit ihren Daten
umgehen – und gerade das Internet verführt dazu. „Was früher das Preisaus-
Post, die niemand will
Was sollte man beachten, wenn sich ein Inkassobüro meldet
LENA BULCZAK
E
ine Nachricht von einem Inkassounternehmen einfach zu ignorieren, kann kostspielig werden,
warnt Michael Requardt: „Aktiv zu bleiben, ist immer die beste Lösung“, sagt
der Anwalt und Vorsitzende des Bundesverbands Schuldnerhilfe Deutschland.
Sich aus Scham nicht zu rühren, wenn
berechtigte Forderungen nicht beglichen
werden können, sei ein Fehler, der viele
Schuldner oft teuer zu stehen komme.
Aber auch säumige Zahler, die aus
Angst vor einem Schufa-Eintrag sofort
übereilig allen Forderungen eines Inkassobüros nachkommen wollen, sollten
zuvor innehalten und erst genau prüfen:
Hat das Inkassobüro eine Zulassung, um
Geld eintreiben zu können? Sind alle
Posten auf der Rechnung berechtigt?
„Was viele nicht wissen: Die erste Mahnung ist nicht kostenpflichtig“, sagt Requardt, „egal, ob sie vom Gläubiger oder
von einem Inkassobüro kommt.“ Wurden trotzdem Mahngebühren in Rechnung gestellt, könne man diese getrost
ignorieren. Es reiche, die eigentliche
Forderung zu begleichen.
Bleibt die entscheidende Frage: Ist die
Forderung auf dem Papier der Höhe
nach wirklich berechtigt? „Aus fünf Euro
dürfen nicht plötzlich 65 werden. Inkassodienstleister fallen aber nicht selten
dadurch auf, dass sie neben der eigentlichen Inkassovergütung noch zahlreiche
unberechtigte oder überhöhte Gebühren
verlangen“, ärgert sich Bernd Ruschinzik, Bereichsleiter Recht und Beratung
bei der Verbraucherzentrale Berlin.
„Verbraucher sollten die ursprüngliche Forderung sowie Verzugszinsen in
Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz von aktuell minus 0,38 Prozent
zahlen. Sind Portokosten angefallen,
sollten man auch diese begleichen“, rät
Ruschinzik. Wer ganz sicher gehen wol-
APONTAS BRINGT ORDNUNG IN
IHR FORDERUNGSMANAGEMENT.
www.apontas.de
+
le, können noch fünf bis zehn Euro mehr
überweisen – verbunden mit einem klaren Hinweis, dass er nicht bereit ist,
mehr zu zahlen. Dann nämlich könne
der nächste Schritt seitens des Inkassounternehmens nur eine Klage sein. Allerdings reicht es nicht, die Ablehnung
weiterer Zahlungen per E-Mail oder Telefon zu bekunden. Geht es vor Gericht,
muss der Schuldner dies mit einem postalischen Einschreiben nachweisen können. Versprechen, dass der Spuk damit
vorbei ist, kann Ruschinzik jedoch nicht.
„Nageln Sie uns bitte nicht fest“, ist sein
Standardsatz in der Inkasso-Beratung:
„Die Rechtsprechung ist schillernd.“
Michael Requardt rät Schuldnern dagegen, neben Hauptforderung und Verzugszinsen auch die Inkassokosten zu
begleichen. Nach der Rechtssprechung
dürften Inkassobüros ihren Schuldnern
Gebühren für ihre Tätigkeit in Rechnung
stellen, sagt Requardt. Diese dürften
aber die Sätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes nicht überschreiten. Die
genaue Höhe der Inkassokosten sei damit abhängig vom Wert der Forderung
TEURE FEHLER
BEI RATENZAHLUNGEN
Treffen Schuldner Ratenvereinbarungen, begehen viele einen typischen und
teuren Fehler: Sie versäumen es zu
bestimmen, dass ihre Zahlungen zuerst
auf die Hauptforderung angerechnet
werden, dann auf die Inkassokosten
und zuletzt auf die Zinsen. So tragen
sie mit ihren ersten Raten jeweils nur
die Zinsen ab. Der eigentliche Schuldenberg, die Hauptforderung, anhand
der sich die Zinsen bemessen, verringert sich damit nur schleppend. Die
insgesamt abzuzahlende Summe steigt.
und lasse sich im Internet nachprüfen.
Zwei Juristen, zwei Meinungen – genau
das macht Inkassofragen so schwierig.
Wer seine Schulden nicht begleicht,
hat aber häufig noch ganz andere
Schwierigkeiten – ihm fehlt Geld. Dann
hilft verhandeln. „Auch Schuldner haben
Rechte und sollten darauf pochen“, sagt
Requardt. Doch bevor Verbraucher mit
einem Inkassobüro in Verhandlungen
treten, sollten sie prüfen, ob dieses überhaupt eine rechtliche Erlaubnis hat. Das
lässt sich im Register beim Landgericht
des Ortes erfragen, an dem das Büro seinen Sitz hat. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Hat der Gläubiger seine Forderung
an das Inkassounternehmen abgetreten,
braucht es keine gerichtliche Erlaubnis,
um tätig zu werden. Auf diese Weise ist
es selbst zum Gläubiger geworden.
Allerhöchste Zeit, aktiv zu werden, ist
es jedoch, wenn ein Mahnbescheid vom
Mahngericht kommt. Denn das Gericht
prüft nicht automatisch, ob eine Forderung berechtigt ist oder nicht. Verbraucher haben zwei Wochen Zeit, Widerspruch gegen unberechtigte Forderungen einzulegen. Geschieht dies nicht,
folgt ein Vollstreckungsbescheid – diesmal mit zweiwöchiger Einspruchsfrist.
Wer dann immer noch nicht handelt, hat
dem Gläubiger einen vollstreckbaren Titel geschenkt und sich selbst einen negativen Schufa-Eintrag beschert.
Damit darf der Inkassodienstleister
Konto oder Gehalt pfänden oder einen
Gerichtsvollzieher schicken. Das ist auch
schon fast das schlimmste Szenario:
Noch schlimmer kann es nur kommen,
wenn der Schuldner beim Besuch des
Gerichtsvollziehers nicht zumindest eine Ratenzahlung anbietet. Dann nämlich
kann dieser ihm die eidesstattliche Versicherung abnehmen, was einen Eintrag
in das Schuldnerverzeichnis zur Folge
hat. Bis zur Privatinsolvenz ist es dann
nur noch ein weiterer, letzter Schritt.
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
D I E W E LT
SEITE XI
FORDERUNGSMANAGEMENT
Paragrafen
gegen Abzocker
Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken soll
Verbraucher vor Massen-Abmahnungen, unerlaubten
Werbeanrufen und falschen Geldeintreibern schützen
E
s verspricht mehr Schutz
und soll gleich ein ganzes
Bündel an Problemen lösen:
das Gesetz gegen unseriöse
Geschäftspraktiken, das Ende September auch vom mehrheitlich
rot-grün besetzten Bundesrat verabschiedet worden ist. Es soll unter anderem die unerlaubte Telefonwerbung eindämmen, Missstände bei den urheberrechtlichen Abmahnungen beseitigen,
und es umfasst auch neue Regelungen
für die Inkassobranche.
Das heißeste Thema des Gesetzes jedoch war die Eindämmung kostspieliger
urheberrechtlicher Abmahnungen gegen
das sogenannte Filesharing im Internet.
Dabei geht es zum Beispiel um Musikdateien oder Filme, die illegal aus OnlineTauschbörsen heruntergeladen werden.
Zukünftig sollen Rechtsanwälte für eine
erste Abmahnung von Privatleuten nur
noch 148 Euro verlangen dürfen. Hinzu
kommen erweiterte Informationspflichten, nach denen genau klar werden
muss, wofür die Zahlungen gefordert
werden, sowie bessere Verteidigungsmöglichkeiten für zu Unrecht Abgemahnte. Zudem dürfen Privatleute wegen Urheberrechtsverletzungen künftig
nur noch an ihrem Wohnort verklagt
werden. Rechtsanwalt Sven Mühlberger,
der Betroffene vertritt, empfindet es als
einen wichtigen Schritt, dass Opfer erkennbar unberechtigter Abmahnungen
jetzt Anspruch auf Erstattung der
Rechtsanwaltskosten haben.
Gerade die wichtige Begrenzung der
Gebühren bleibt aber unsicher: Die Begrenzung soll dem neuen Gesetz zufolge
nicht gelten, wenn im Einzelfall doch
höhere Gebühren angemessen wären.
„Eine ähnliche Regelung hat sich schon
nach der letzten Reform als Schlupfloch
erwiesen“, kritisiert Mühlberger und
Branche besser zu regulieren und schwarze
Schafe herauszufiltern.“
Der
Bundesverband
Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) hat
bereits angekündigt, sich
im Dialog mit Schuldnerberatungsstellen
und
den Verbraucherschützern für eine klare Umsetzung einzusetzen.
Geld verdirbt den Charakter: Neue Vorschriften sollen auch zweifelhafte Geschäfte mit Telefonwerbung und Gewinnspielen weiter erschweren
Die Aufsicht über Inkassounternehmen wird
durch das neue Gesetz
ebenfalls gestärkt. Die Aufsichtsstellen re Höchstsätze für das erste Mahn- wenig weitgehend rügt, empfindet tisiert Berg. Auch deshalb behalte sich
können jetzt auf einen besser abgestuf- schreiben nach Eintritt des Verzugs fest- Legial-Vorstand Constantin Svoboda ei- der BDIU eine verfassungsrechtliche
ten Maßnahmenkatalog zurückgreifen, gelegt werden, und auch im Fall des so- ne solche Festlegung der Gebührensätze Überprüfung der Regelungen vor.
genannten Masseninkassos soll es Ober- als Überregulierung – genau wie der
Der dritte Teil des neuen Gesetzes
um die Branche zu regulieren.
Auch die möglichen Bußgelder wur- grenzen geben. Das betrifft Fälle, bei de- BDIU: „Die Arbeit von Inkassounterneh- trifft die Telefonwerbung. Gewinnspiele
den erhöht: Sie können jetzt bis zu nen ein Gläubiger einem Inkassodienst- men darf nicht durch eine Überregulie- beispielsweise können Unternehmen
50.000 Euro betragen. Kritik gibt es al- leister innerhalb eines Monats mehr als rung der Inkassokosten gefährdet wer- nicht mehr per Anruf verabreden. Wer
lerdings an der weiterhin zersplitterten 100 sogenannte gleichartige Forderun- den“, warnt Kay Uwe Berg. Der Ver- teilnehmen möchte, muss dies künftig
Struktur der Aufsicht. Denn auch künftig gen zum Einzug übergibt. Diese Maxi- bandsgeschäftsführer sieht in der Rege- schriftlich bestätigen. Zudem werden die
sollen insgesamt 79 Aufsichtsstellen den malgebühren kann das Bundesjustizmi- lung insbesondere eine Ungleichbehand- maximalen Bußgelder für unerlaubte
Markt regulieren. In ungewöhnlicher nisterium laut Gesetz im Rahmen einer lung der verschiedenen Berufsstände. Werbeanrufe von 50.000 auf 300.000
Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes Euro versechsfacht, und sie gelten nicht
Eintracht haben BDIU, Verbraucher- Rechtsverordnung festlegen.
Dieses Einfallstor staatlicher Regulie- solle eine solche Gebührenverordnung mehr nur, wenn echte Menschen anruschützer und Unternehmer der künftigen Regierung deshalb schon jetzt ins rung findet allerdings wenig Beifall. nur für registrierte Inkassodienstleister, fen, sondern auch wenn sich am anderen
Aufgabenbuch geschrieben, diese Zu- Während der vzbv die Regelung als zu nicht aber für Rechtsanwälte gelten, kri- Ende ein Telefoncomputer meldet.
ständigkeit in der kommenden LegislaANZEIGE
turperiode effektiv zu bündeln (siehe
Beitrag unten auf dieser Seite).
Weniger einig sind sich die Interessengruppen, wenn es um die neuen Gebührenregelungen für Inkassodienstleister geht. Diese wurden mit dem neuen
Gesetz den Rechtsanwaltsgebühren angepasst. Der Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) etwa fordert, dass
die Inkassogebühren weiter standardisiert und gedeckelt werden müssen.
In der Tat enthält das Gesetz hierzu
einen Ansatzpunkt: Für die Gebühren,
deren Erstattung ein Gläubiger von einer
Privatperson verlangen kann, soll es feste Sätze geben. Dabei sollen insbesonde-
fürchtet, die Gerichte könnten die Ausnahmeregel etwa bei neuen Kinofilmen
oder Musikalben anwenden. Über den
Umweg von Schadensersatzforderungen
könnten Anwälte zudem weiter hohe
Kosten produzieren.
Das zweite wichtige Anliegen des Gesetzes ist eine schärfere Regulierung der
Inkasso-Dienstleister. Die Branche soll
transparenter werden und übersichtliche
Gebührenstrukturen erhalten. Künftig
muss aus dem Inkassobrief klar hervorgehen, für wen ein Inkassounternehmen
tätig wird. Auch der Forderungsgrund,
der Vertragsgegenstand und das Vertragsdatum müssen offengelegt werden.
Außerdem wird die Berechnung von Inkassokosten und Zinsen aufgeschlüsselt,
und Privatpersonen haben Anspruch auf
noch weitergehende Auskünfte.
Für Constantin Svoboda, Vorstand
des Inkasso-Dienstleisters Legial, ist das
ein sinnvoller Schritt: „Die neuen Transparenzregeln helfen dabei, korrekte Inkassotätigkeit klarer zu definieren. Auch
den Aufsichtsbehörden werden damit
Leitlinien an die Hand gegeben, die
GETTY IMAGES
CHRISTOPH ENDELL
„Die neuen
Transparenzregeln
helfen dabei,
eine korrekte
Inkassotätigkeit
klarer zu
definieren“
Schwere Fälle
fallen uns leicht.
Constantin Svoboda,
Vorstand Legial
Alles unter Kontrolle?
In Deutschland sind insgesamt 79 Gerichte für die Aufsicht von
Inkassofirmen zuständig. Effektive Prüfung ist so kaum möglich
D
ie Theorie ist eindeutig: Fällt ein
Inkasso-Unternehmen negativ
auf, kann das Gericht, bei dem
der Dienstleister registriert ist, dessen
Genehmigung widerrufen. Das regelt das
Rechtsdienstleistungsgesetz. Doch die
Praxis zeigt: Ist eine Genehmigung einmal erteilt, wird sie nur in den seltensten Fällen wieder entzogen. So hat eine
Untersuchung der Verbraucherzentrale
Schleswig-Holstein im Jahr 2010 ergeben, dass Inkassofirmen bundesweit lediglich in zwei Fällen aufgrund von Verbraucherbeschwerden die Zulassung entzogen wurde. Verbraucherschützer werfen der Branche zudem vor, dass auch
deren Selbstregulierung nur unzureichend funktioniere. So würden die „berufsrechtlichen Richtlinien“ des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) weder eine Gebührenordnung noch konkrete Informationspflichten vorgeben, kritisiert der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).
Rund 750 zugelassene Inkassounternehmen gibt es derzeit in Deutschland,
von denen zwei Drittel im BDIU organisiert sind. Sie bewegen nach Verbandsangaben jährlich ein Forderungsvolumen
von mehr als 24 Milliarden Euro. Doch
eine effektive Kontrolle der Unternehmen finde nicht statt, bemängeln Experten. Der Grund dafür liege in der Zersplitterung der Aufsichtslandschaft: Momentan sollen 79 verschiedene Amtsund Landgerichte die Tätigkeit der Inkassounternehmen kontrollieren.
Zwar hat das Ende September verabschiedete „Gesetz gegen unseriöse Ge-
schäftspraktiken“, das auch als „Anti-Abzock-Gesetz“ bekannt geworden ist, die
Aufsicht über Inkassofirmen verbessert.
Laut Bundesjustizministeriums wurden
die Widerrufsmöglichkeiten für die Registrierung erweitert. Außerdem können
zuständige Gerichte zusätzliche Sanktionsmaßnahmen unterhalb des Widerrufs
der Registrierung verhängen. Dazu zählen etwa Bußgelder und die Möglichkeit,
den Firmen die Arbeit für eine gewisse
Zeit komplett oder teilweise zu untersagen. Allerdings haben weiterhin 79 Behörden die Aufsichtspflicht. Dabei handelt es sich um Gerichte, die meist
schon mit ihren Kernaufgaben überlastet
JAQUES BAGIOS
HARALD CZYCHOLL
Zum Reichtum führen viele Wege:
Behörden prüfen die Arbeit der Firmen
sind. Diese Regelung ist denn auch aus
Sicht des Branchenverbandes BDIU unbefriedigend. „Optimal wäre eine bundesweite Aufsichtsbehörde“, sagt Verbandsgeschäftsführer Kay Uwe Berg.
„Realistisch wäre zumindest eine Aufsichtsbehörde pro Bundesland.“ Nach
Einschätzung der Interessensvertretung
ist eine solche Regelung daran gescheitert, dass die Bundesregierung nicht dazu bereit war, mehr Geld für die Aufsicht
über Inkassounternehmen auszugeben.
Aus Sicht des BDIU ist das ein schwerer Fehler: Wer unseriöse Geschäftspraktiken wirklich eindämmen wolle, müsse
den Behörden auch die dafür notwendigen Mittel an die Hand geben, heißt es
beim Verband. Die Branchenvertreter
fordern daher weitere gesetzliche Änderungen. In einem ersten Schritt solle die
Bundesregierung eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Wirtschaft, der Verbraucherschützer und der
juristischen Praxis einsetzen, um Vorschläge für eine weitere Verbesserung
der Inkasso-Aufsicht zu erarbeiten.
Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) fordert eine schlagkräftigere Aufsicht mit lediglich einer
zuständigen Aufsichtsbehörde pro Bundesland und setzt sich für noch effektivere Sanktionsmöglichkeiten ein, die
von gestaffelten Geldbußen bis hin zum
Entzug der Zulassung reichen. „Inkasso
braucht Regeln, gesetzliche Informationspflichten, verlässliche Gebührenvorgaben und eine schlagkräftige Aufsicht“,
betont der Verbraucherzentralen-Chef
Gerd Billen. „Ein Mangel an effektiven
Kontrollen und Sanktionen ist geradezu
eine Einladung für Betrüger.“
Altforderungen sind oft schwer zu managen. Ihnen fehlen Zeit und
die nötige Kapazität. So gerät das Ertragsgleichgewicht ins Wanken.
Mit unserem außergewöhnlichen Forderungsmanagement überbrücken wir diese Strecke – Schritt für Schritt. Auf Wunsch kaufen
wir auch Ihren Altforderungsbestand. Rufen Sie uns noch heute an:
0800 3647465 Stichwort „Elefant“.
www.dohr-inkasso.de
+
SEITE XII
D I E W E LT
M I T T WO C H , 2 3 . O KT O B E R 2 013
FORDERUNGSMANAGEMENT
„Wir hatten das
Geld schon
abgeschrieben“
Geld ist nicht alles:
Für die finanziell
klammen Kommunen und Städte
ist es allerdings
überlebenswichtig.
Dennoch sind diese
beim Eintreiben
von Forderungen
oft immer noch
sehr nachlässig
Mit externer Hilfe können Städte und
Kommunen offene Rechnungen reduzieren
V
on dem Erfolg waren Christian Strunk und sein Team
selbst überrascht. Seit gut
eineinhalb Jahren gibt die
Stadt Xanten in NordrheinWestfalen Forderungen, die ihre Mitarbeiter mit eigenen Mitteln nicht mehr
eintreiben können, an ein Inkassounternehmen ab – und freut sich über zusätzliche Erträge im Haushalt: „Bisher liegt
die Erfolgsquote bei 25 Prozent“, sagt
Bürgermeister Strunk: „Die Gelder hatten wir eigentlich schon abgeschrieben.“
Der Dienstleister arbeite auf Erfolgsbasis
und bekomme neben den Gebühren, die
er von den Schuldnern verlange, 30 Prozent der eingetriebenen Forderungen.
Dabei handelte es sich in Xanten zunächst hauptsächlich um nicht bezahlte
Strafzettel, vor allem „Knöllchen“ von
Besuchern aus den Niederlanden. Zudem würden jetzt aber auch verstärkt
Außenstände bei Steuern und Gebühren
an das Inkassounternehmen abgegeben,
sagt Strunk. Die Spanne reiche von zehn
Euro für die Urkunde des Standesamtes
bis hin zu mehreren Tausend Euro Gewerbesteuern. Und Xanten werde diesen
Weg „konsequent weiter gehen“, so das
Fazit des Bürgermeisters.
Dass sich viele Kommunen damit beschäftigen, ihr Forderungsmanagement
zu verbessern, bestätigt Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Ob wie in Xanten allerdings auch Dienstleister beauftragt werden, um als sogenannte Verwaltungshelfer beispielsweise die Kommunikation
mit Schuldnern zu übernehmen, sei für
die Kommunen letztlich eine betriebswirtschaftliche Frage, sagt Zimmermann.
Das Potenzial für derartige Kooperationen scheint jedenfalls groß. Schätzungen zufolge entgehen der öffentlichen
Hand jährlich mehr als eine Milliarde
Euro, weil Forderungen niedergeschlagen werden müssen. Das heißt, in diesen
Fällen sehen die Kommunen wie die
Stadt Xanten bei ihren Knöllchen keine
Chance mehr, dass sie das Geld noch bekommen werden. Sie haben mehrmals
längst gegeben. Nach
dem neuen hessischen
Justizkostengesetz dürfen künftig auch die Gerichtskassen des Landes
mit privaten Inkassounternehmen zusammenarbeiten. Hintergrund sind
offene Gerichtskosten
im zweistelligen Millionenbereich. Laut Gesetz
dürfen die Firmen die Gerichtskassen als
Verwaltungshelfer beim Einzug niedergeschlagener Forderungen unterstützen.
Sie bewerten die Erfolgsaussichten, ermitteln Anschriften, nehmen schriftlich
und telefonisch Kontakt mit Schuldnern
auf oder sorgen für die langfristige Überwachung von Forderungen. Hoheitliche
Aufgaben wie etwa Vollstreckungsmaßnahmen übernehmen sie nicht. Die bleiben auch weiterhin ausschließlich staatlichen Gerichtsvollziehern vorbehalten.
Vorbild des Landes war die eigene
Landeshauptstadt. Wiesbaden hat sein
Forderungsmanagement seit 2003 komplett neu aufgebaut und die monatlichen
Außenstände seitdem von rund 50 Millionen Euro auf rund 31 Millionen Euro
reduziert. Seit Jahren kooperiert die
Stadt auch mit externen Anbietern, erklärt Thomas Idstein, der in der Kämmerei das Forderungsmanagement leitet.
Beim Inkasso etwa kümmere sich ein
Dienstleister ausschließlich um niedergeschlagene Fälle. „Wir achten streng
darauf, dass wir für das Inkasso nur die
nötigsten Daten der Schuldner weitergeben“, betont Idstein. Beschwerden habe
es noch nie gegeben. Dafür habe die
Stadt in den vergangenen zweieinhalb
Jahren rund 110.000 Euro eingenommen.
Zudem seien mit Schuldnern Ratenvereinbarungen über weitere 300.000 Euro
getroffen worden, sagt Idstein: „Dieses
Geld wäre sonst komplett weg gewesen.“
JAQUES BAGIOS
JENS KOHRS
gemahnt, und weil auch ihre Vollstreckungsbeamten nichts erreichten, wird
das Geld abgeschrieben.
Dabei könne bei entsprechend langem
Atem durchaus noch Geld fließen, sagt
Andreas Tafel, CEO von Apontas Die
Forderungsmanager. Das Hannoveraner
Unternehmen arbeitet auch für öffentliche Unternehmen wie Stadtwerke und
gesetzliche Krankenkassen. „Externe
Dienstleister haben genug Ressourcen,
um eine niedergeschlagene Forderung
über einen langen Zeitraum zu überwachen“, sagt Tafel: „Erfahrungsgemäß
werden viele Schuldner nach einer gewissen Zeit wieder leistungsfähig.“ Des-
halb werde schriftlich und teilweise auch
telefonisch Kontakt gehalten, und sollte
sich die Finanzlage der Schuldner verbessern, werden zum Beispiel neue Zahlungsvereinbarungen getroffen. Denkbar
seien etwa Ratenzahlungen oder Einmalzahlungen im Sinne von Vergleichen.
Darauf setzt auch Dirk Schatz im
Landkreis Mansfeld-Südharz in SachsenAnhalt. Als sich die nicht eintreibbaren
Forderungen auf mehr als 106.000 Euro
summierten, zog der Landrat die Notbremse und lagerte die weitere Bearbeitung an ein Inkassounternehmen aus.
Neben Forderungen des Straßenverkehrsamtes und des Bauamtes, zum Beispiel für Baugenehmigungen, machen
Unterhaltsvorschüsse für Kinder mit
39.200 Euro den Großteil der niedergeschlagenen Außenstände aus.
„Wir sehen es aber nicht ein, dass ein
Vater die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinem Nachwuchs nicht erfüllt
und die Allgemeinheit diese begleichen
muss“, sagt Schatz. Vor allem bei denjenigen, die sich nur zeitweise in einer finanziell knappen Lage befinden, sollen
die Forderungen doch noch realisiert
werden, sobald sich die Schuldner wirtschaftlich erholen. Deshalb behält sie
das Inkassounternehmen künftig langfristig im Auge, „und wir senken dadurch
unnötigen und unverhältnismäßigen
Verwaltungsaufwand“, erklärt Schatz.
Trotzdem ist die Zahl der Kommunen,
ANZEIGE
„Wir achten
streng darauf, dass
wir nur die
nötigsten Daten
der Schuldner
weitergeben“
Thomas Idstein,
Kämmerei Wiesbaden
die sich externe Hilfe holen, bislang
überschaubar. Dafür sorgen unterschiedliche Landesgesetzgebungen genauso
wie die Diskussion, ob es nicht doch eine
reine Staatsangelegenheit ist, kommunale Forderungen einzuziehen. Vor allem
aber bleibt die grundsätzliche Frage, ob
die Kommunen Daten ihrer Bürger überhaupt an die Privatwirtschaft abgeben
dürfen. „Die Datenschutzbeauftragten
der Länder bewerten dies vollkommen
unterschiedlich, und auch auf Seiten der
Politik und in den Verwaltungen gibt es
vielfach kontroverse Ansichten“, sagt
Apontas-Chef Tafel. Entsprechend groß
sei die Unsicherheit.
Hessens Datenschutzbeauftragter Michael Ronellenfitsch hat sein Okay
Alles andere als Standard
Die Einsatzmöglichkeiten in der Branche sind vielfältig. Am Anfang
steht die Sachkundeprüfung, aber Weiterbildung bleibt Pflicht
PAULINE KREBS
W
er an Universitäten oder
Fachhochschulen nach einem
Studiengang „Forderungsmanagement“ sucht, sucht vergebens. Auch
einen eigenständigen Ausbildungsberuf
gibt es nicht. Die theoretischen Grundlagen, um sich als Inkassounternehmer registrieren lassen zu können, werden in
einem Lehrgang vermittelt. Angeboten
wird er etwa von der Deutschen Inkasso
Akademie (DIA), einer Tochtergesellschaft des BDIU. Er deckt das gesetzlich
verlangte juristische Wissen ab, denn Inkassounternehmer müssen sich etwa im
bürgerlichen Recht, im Handels-, Wertpapier- und Gesellschaftsrecht, aber
auch im Zivilprozess-, Insolvenz- sowie
Kostenrecht auskennen.
In 120 Stunden lernen die Teilnehmer
eines solchen Sachkundelehrgangs die
relevanten Gesetzesgrundlagen. In weiteren 18 Stunden werden bei der DIA
Themen wie Datenschutz- und Berufsrecht beleuchtet. „Da es beim Forderungsmanagement immer das Ziel ist,
dass sich Schuldner und Gläubiger – am
besten außergerichtlich – einigen, spielt
im Unterricht neben der Theorie auch
der soziale Aspekt eine große Rolle“,
sagt Ulrich Jäger, DIA-Dozent und Justiziar der Seghorn Inkasso GmbH. Der
Lehrgang endet mit einer schriftlichen
und einer mündlichen Prüfung.
Juristen, die das erste Staatsexamen
haben, benötigen die Sachkundeprüfung
nicht. Aber wie die Lehrgangsabsolventen müssen sie für die Registrierung als
+
Inkassounternehmer noch mindestens
zwei Jahre Berufserfahrung im Forderungsmanagement nachweisen. Das
zweite Staatsexamen berechtigt dazu,
sich direkt selbstständig zu machen.
„Die Teilnehmer des Sachkundelehrgangs sind in der Regel bereits im Forderungsmanagement tätig“, sagt Anett Bremert, die an der DIA die Seminare und
Lehrgänge organisiert. „Sie arbeiten als
Anwaltsgehilfen, im Vertrieb, als Sachbearbeiter, Assistenz der Geschäftsführung
oder als Bürokaufmann in der Forderungsabteilung großer Unternehmen, in
Inkassofirmen oder privatärztlichen Abrechnungsstellen. Sie sind bereits Teamleiter oder wollen innerhalb ihres Unternehmens andere Aufgaben übernehmen
beziehungsweise sich als Inkassounternehmer selbstständig machen.“
Für Bremert ist dieser Weg sinnvoll,
denn viele der komplexen Zusammenhänge seien ohne das praktische Knowhow kaum nachvollziehbar. Die Altersspanne der Teilnehmer reiche für gewöhnlich von Mitte 20 bis Ende 60. Den
neunmonatigen Lehrgang bietet die DIA
zweimal im Jahr an. Die Theorie wird an
23 Unterrichtstagen sowie in Form von
monatlichen Blockseminaren vermittelt.
Doch auch danach sind Inkassounternehmer verpflichtet, sich regelmäßig
weiterzubilden. „In den Zusatzseminaren vermitteln wir beispielsweise aktuelle Gesetzesänderungen“, sagt Ulrich Jäger. „Und die sind jedes Jahr zahlreich.“
Aber auch Seminare zu Softskills bei der
Mitarbeiterführung oder zu Telefoninkasso und Zwangsvollstreckungen gehö-
ren zum Angebot. Die Teilnehmer entwickeln beispielsweise Gesprächsleitfäden
oder absolvieren Telefontrainings, um
den Umgang mit Schuldnern zu lernen
und Lösungsansätze zu finden. Ähnliche
Fortbildungen und Trainings bieten neben der DIA auch mehrere Industrieund Handelskammern sowie die DIHKBildungs-GmbH an.
Stefanie Roth arbeitet seit sechs Jahren als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte sowie Rechtsfachwirtin bei Inkasso Kodat in Essen. Die 33-jährige
Gruppenleiterin hat vor kurzem den
Sachkundelehrgang absolviert. Besonders geholfen hat ihr neben dem praxisnahen Unterricht der Austausch mit den
anderen Teilnehmern: „Es ist interessant
zu erfahren, was andere erleben und wie
sie mit bestimmten Forderungsfällen
und Arbeitsabläufen umgehen.“
Die Branche, sagt sie, sei unglaublich
vielfältig. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten
in Firmen jeder Größe und mit unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung, in
Kanzleien oder Inkassounternehmen.
„Neben unternehmerischem Denken ist
eine gute Menschenkenntnis wichtig“,
sagt Roth. „Hinter jedem Fall steht eine
Person mit einer ganz eigenen Geschichte.“ Roth hat gemerkt, dass standardisierte Workflows nicht immer helfen:
„Unsere Aufgabe ist es, auch individuell
zu handeln – sonst kommen wir manches Mal nicht weiter.“ Ihr Tipp für angehende Inkassounternehmer: „Einfach
mal gucken, welcher Bereich einem gefällt – denn Forderungsmanagement ist
nie gleich Forderungsmanagement.“

Documentos relacionados