Galata und Karaköy - Michael Müller Verlag

Transcrição

Galata und Karaköy - Michael Müller Verlag
206
Galata und Karaköy
Sehens- und erlebenswert: Derwischzeremonie im alten Mevlevi-Kloster
Galata und Karaköy
Wo der Bosporus das Goldene Horn küsst, liegen Karaköy und Galata – zwei
Stadtteile im Wandel: In geheimnisvollen Gässchen verbergen sich Synagogen und Kirchen, tanzen Derwische und blüht das älteste Gewerbe der
Welt. Neu dazu kamen witzige Boutiquen, provokante Kunsträume und
alternative Cafés.
Die beiden Stadtteile nördlich der Galatabrücke haben sich in den letzten Jahren gründlich verändert. Rund um den
Galataturm und entlang der Galipdede
Caddesi eröffneten etliche originelle
Cafés, Restaurants und Vintageläden.
Auch die einst recht düsteren Seitengässchen Karaköys erwachten zu
neuem Leben: Junge Designer zeigen
hier ihre Kreationen, Streetart-Künstler
toben sich an den Wänden aus, Boutiquehotels und Szenebars entstehen so
schnell, dass man der Entwicklung
kaum mehr hinterherkommt. Für viele
İstanbuler Apple-Hipster sind Galata
und Karaköy die neuen Places to be. Ein
Altbau nach dem anderen wird schick
restauriert, die Mieten steigen rasant.
Im Rahmen des konsumorientierten
Megaprojekts Galataport soll in den
Galata und Karaköy → Karte S. 208/209
nächsten Jahren zudem die Uferfront
Richtung Tophane völlig umgestaltet
werden, geplant sind u. a. Shoppingtempel und Luxusherbergen.
Bleibt zu hoffen, dass der morbide
Charme Galatas und Karaköys nicht
gänzlich verschwinden wird – mit Moscheen, Kirchen und Synagogen in verborgenen Winkeln. Die Synagogen sind
eine Hinterlassenschaft der Ausländer
und nichtmuslimischen Minderheiten,
die beide Stadtteile über Jahrhunderte
hinweg prägten. Insbesondere in Galata, das sich hinter Karaköy den Hügel
nach Beyoğlu hinaufzieht, waren sie ansässig. In den Häusern und Hanen, unter denen heute die Tünel-Bahn
schnaufend ihren Weg sucht, lebten
und arbeiteten Genuesen, Araber und
Juden, Griechen und Armenier.
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kann aber auch hier auf Entdeckungstour gehen: Zu besichtigen gibt es ein
Lustschlösschen aus dem frühen 19. Jh.
und ein sehenswertes Industriemuseum
(→ Sehenswertes westlich von Galata ab
S. 215).
Spaziergang
Der Tünel Meydanı ist ein kleiner, von
Cafés gesäumter Platz an der oberen
Station der Tünel-Bahn, einer der ältesten Metros der Welt (gebaut 1875). Nahebei startet und endet die nostalgische
Straßenbahn durch die İstiklal Caddesi
von Beyoğlu.
Vom Platz zweigt die steil bergab führende Galipdede Caddesi ab. Musikalienhandlungen und Studios säumen
sie, dazu Cafés, Souvenirläden und
Fruchtsaftverkäufer. Noch bis in die
1980er war die Straße eine für Galata
typische Treppengasse, dann wurde sie
zugunsten des Autoverkehrs gepflastert. Benannt ist sie nach Galip Dede,
einem Hofdichter aus dem 17. Jh. Sein
Grab bef indet sich im Garten des
→ Mevlevi-Klosters (Galata Mevlevihane),
Länge ca. 4 km, Dauer
2:30 Std., Karte S. 208/209.
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Hinweis: Zwar hat man sonntagvormittags die besten Chancen,
das Gros der hier aufgeführten
Kirchen offen vorzufinden, jedoch
herrscht dann in den sonst äußerst geschäftigen Stadtvierteln
wenig Leben.
das heute ein Museum beherbergt. Im
mächtigen, aber recht morbiden Teutonia-Gebäude (Galipdede Cad. 65) etwas
weiter die Straße bergab versammelten
sich im späten 19. Jh. die BosporusDeutschen. Es soll saniert werden und
künftig das Orient-Institut İstanbul der
Max Weber Stiftung beherbergen.
Galata und Karaköy → Karte S. 208/209
In den sich nordwestlich an Karaköy
und Galata anschließenden Vierteln
entlang dem Goldenen Horn überwiegt hingegen Industrietristesse. Marode Fabriken und heruntergekommene Werften säumen das Ufer. Man
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Kurz darauf führt linker Hand die Gassenschlucht Serdar-i Ekrem Caddesi an
alten Stadtpalästen in neuem Glanz, an
Designer- und Vintageläden sowie an
hübschen Cafés vorbei zur schönsten
protestantischen Kirche am Bosporus.
Die neogotische Crimean Memorial
Church (Kırım Kilisesi) der englischen
Gemeinde İstanbuls entstand nach dem
Krimkrieg (1854–56, meist nur zur
Messe So um 10 Uhr geöffnet).
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Der steil bergab verlaufende Kumbaracı
Yokuşu ist benannt nach einem französischen Off izier, der im 18. Jh. zum Islam konvertierte und den martialischen Beinamen „der Bombardier“
(Kumbaracı) annahm. Zum Glück
prägt der Name einer Straße nicht seine Anwohner, die hier spielenden Kinder lachen einen eher schüchtern an.
Die Straße wird vom Alltagsleben der
kleinen Leute beherrscht – nur wie
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haben deren Stelle eingenommen. In einem aufgegebenen Tabaklager hat sich
die Galerie Depo niedergelassen, die oft
recht provokante Ausstellungen zeigt
(→ Galerien, S. 74).
Eine Dominante im hiesigen Stadtbild
ist der → Galataturm (Galata Kulesi),
ein imposantes, 62 m hohes Befestigungswerk. Den Platz davor rahmen
Touristenlokale ein. Von der Aussichtsplattform des Galataturms genießt man
einen grandiosen Panoramablick. Dabei
fällt ein weiterer Turm, dieses Mal mit
Jugendstilornamenten, ca. 100 m weiter
südlich ins Auge. Er gehört zum BeyoğluKrankenhaus (Beyoğlu Hastanesi).
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lange noch? Ihre Altbauwohnungen
sind begehrt, v. a. die oberen Etagen
mit ihrem Traumblick über die Stadt
sind kaum mehr erschwinglich.
Weiter führt der Weg entlang der Lüleci
Hendek Caddesi, an welcher ergraute
Zweckbauten zerfressenen oder erst
jüngst restaurierten Jugendstilfassaden
die Hand geben. Bis vor wenigen Jahren
dominierten hier noch kleine Hand-
Südwestlich des Galataturms führt die
gewundene Galata Kulesi Sokak steil
hinab zum Goldenen Horn. An ihr liegt
linker Hand das alte englische Gefängnis (Eski İngiliz Karakolu, Hausnr. 15).
In spätosmanischer Zeit besaßen manche Kolonien europäischer Nationen in
İstanbul das Privileg eines eigenen
Strafvollzugs. Heute ist hier das charmante Restaurant Galata Evi untergebracht (→ Essen und Trinken). Schräg
gegenüber wurde im 15. Jh. ein Dominikanerkloster gegründet. Dessen Gotteshaus, die hinter Hausnr. 28 verborgene
Peter-und-Paul-Kirche (Sen Piyer Kilisesi), stammt jedoch aus der Mitte des
19. Jh. Sie wird heute von der italienischen Gemeinde genutzt.
An der Kartçınar Sokak stößt man auf
den einst wichtigsten genuesischen Palastbau Konstantinopels, den Palazzo del
Comune, auch „Podestat“ genannt.
1316 wurde er errichtet, im frühen
20. Jh. umgebaut, heute verfällt der
grau-rosafarbene Bau. Der Palast war
der Sitz des genuesischen Gouverneurs.
Vorbei am österreichischen St.-GeorgsKolleg, einem angesehenen Gymnasium, erreicht man die Kamondo-Stufen,
eine eigenartige, fast kubistisch anmutende Treppe. Ihr Name erinnert an
Galata und Karaköy → Karte S. 208/209
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Galata und Karaköy
jene jüdische Bankiersfamilie, die sie
einst als Abkürzung zu ihrem Wohnhaus bauen ließ. Die Stufen führen hinab zur Bankalar Caddesi (auch: Voyvoda Caddesi), der İstanbuler Wallstreet des 19. Jh. Zu jener Zeit arbeiteten vorrangig Armenier und Griechen
hier, für Muslime war das zinsträchtige
Geldwesen verboten. Die feudalen
Bankgebäude werden nach und nach
restauriert und zweckentfremdet. Im
Gebäude der ehemaligen Osmanischen
Bank (Hausnr. 11) unterhält die Garanti
Bankası ein kleines Museum zur Historie des türkischen Bankwesens und mit
der SALT Galata eine der spannendsten
Galerien der Stadt (→ Galerien, S. 74).
Durch ein Gassenwirrwarr, mal links,
mal rechts, geht es zur → Arabischen
Moschee (Arap Camii). Unterwegs stapelt sich vor kleinen Läden das vereinte
Sortiment aller Baumärkte der Welt.
Halten Sie dazwischen nach einem roten Backsteinbau mit Holzdach Ausschau – die Moschee gehört zu den außergewöhnlichsten der Stadt.
Bevor man über die Tersane Caddesi
den Verkehrsknotenpunkt nördlich der
Galatabrücke erreicht, heißt es aufpassen. Linker Hand, in der schmalen Perçemli Sokak, versteckt sich das → Museum der türkischen Juden (Türk Musevileri Müzesi). Es ist untergebracht in
der schön restaurierten Zülfaris-Synagoge, deren Ursprünge bis ins 17. Jh.
zurückreichen.
Durch eine von Elektrohändlern in Beschlag genommene Unterführung gelangt man zum Hafen Karaköys. Die
Uferpromenade wird von Fischlokalen
gesäumt. Ein ständiges An- und Ablegen der Fähren bestimmt das Bild. Etwas weiter den Bosporus hinauf machen für gewöhnlich Kreuzfahrtschiffe
fest. Früher lagen dort Handelsschiffe
vor Anker. Von den Zeiten, als Matrosen aus aller Herren Länder hier das
Vergnügen suchten, zeugen noch heute
Bordelle in den landeinwärts gelegenen,
engen Gassen. Das türkische Gesetz,
nach dem Freudenhäuser mindestens
200 m von religiösen Stätten, Schulen
und Fußballplätzen entfernt sein müssen,
wird in Karaköy schlichtweg ignoriert.
Gleich in der ersten Parallelstraße hinter der Uferfront stößt man auf die
→ Unterirdische Moschee (Yeraltı Camii), einen düsteren, fast unheimlichen
Ort. Und nochmals einen Block weiter
landeinwärts verläuft die Mumhane
Caddesi (hinter dem Parkhaus rechts
halten). Die Straße führt durch ein
Viertel, das noch bei den Recherchearbeiten zur vorigen Auflage dieses Reiseführers abweisend und unattraktiv war,
nun aber zum Hot Shit der Stadt gehört.
Prostitution – das geduldete Tabu
Prostitution ist in der Türkei in staatlich genehmigten Bordellen legal. Landesweite Berühmtheit haben bzw. hatten die Bordelle von Karaköy – nicht wenige
männliche İstanbuler lernten dort die „Liebe“ erstmals kennen. In Karaköy
gehen die Prostituierten nicht hinter diskreten Eingängen ihrem Gewerbe
nach, sondern in engen Gassen, ähnlich wie in Amsterdam. Der Zugang zu
solchen Gassen wird von der Polizei kontrolliert. Wer keinen Personalausweis
vorweisen kann oder als Schüler in Uniform erscheint, wird abgewiesen.
Doch die Zahl der Bordelle von Karaköy ist stark am Abnehmen. Von den
einst rund 50 Bordellen sind nur noch etwa zehn erhalten. Sie mussten
schließen, um den bei Investoren und Touristen immer angesagteren Stadtteil zu „entschmuddeln“. Für die Prostituierten bedeutete dies den Weg in
den illegalen Straßenstrich.
Sehenswertes in
Galata und
Karaköy
Sehenswertes in Galata und Karaköy
211
Wie auf Kommando eröffneten hier
Cafés und Kneipen.
Die so genannten Kamondo-Stufen
passiert man beim Spaziergang
durch Galata und Karaköy
Die Mumhane Caddesi endet beim
jüngst restaurierten Hamam der KılıçAli-Pascha-Moschee (Kılıç Ali Paşa
Camii), einem eher zweitklassigen
Werk Sinans. Ihr gegenüber, auf der anderen Seite der Straßenbahngleise,
thront die alte osmanische Kanonengießerei (Tophane), ein unübersehbarer, großer Backsteinbau. Heute f inden
darin gelegentlich Ausstellungen statt.
Alte Lagerhallen säumen hinter der
Nusretiye-Moschee das Ufer des Bosporus. Ladungen von Frachtern wurden
hier einst gelöscht, heute wird hier u. a.
Kunst gezeigt: Eine Lagerhalle belegt
das → Museum für Malerei und Skulptur (Resim Heykel Müzesi) der MimarSinan-Universität, eine andere das
→ İstanbul Modern, eines der besten
Kunstmuseen des Landes.
Der elegante marmorne TophaneBrunnen (Tophane Çeşmesi) mit einem
weit überhängenden Dach im Rücken
der Kılıç-Ali-Pascha-Moschee zählt zu
den schönsten Barockbrunnen İstanbuls. Zwischen dem Brunnen und der
Nusretiye-Moschee (Nusretiye Camii),
einer zierlich-verschnörkelten Barockmoschee aus dem 19. Jh., laden gemütliche
Wasserpfeifencafés auf eine Pause ein.
Von Tophane bzw. Fındıklı gelangen Sie
bequem mit der Straßenbahn nach Karaköy (und weiter mit der Tünel-Bahn
nach Beyoğlu) bzw. Eminönü/Sultanahmet. Man kann aber auch über die
bergauf führende Boğazkesen Caddesi
wieder hoch nach Beyoğlu spazieren
und dabei einen Blick in die eine oder
andere Galerie des Viertels Tophane
werfen (→ Galerien, S. 74).
Sehenswertes in Galata und Karaköy
Galata Mevlevihane Müzesi
(Mevlevi-Kloster)
Der Mewlewija-Orden gehörte einst zu
den bedeutendsten Derwischorden und
hat seine Ursprünge im 13. Jh. Ins Leben rief ihn Celaleddin Rumi, sein Ehrentitel war Mevlana („unser Meister“).
Lehren und Anschauungen der Derwische beruhen auf dem Suf ismus, der is-
Galata und Karaköy → Karte S. 208/209
Entlang der Mumhane Caddesi passiert
man auch, versteckt hinter dem Karaköy Galata Simitçisi (Hausnr. 47/A –
hier gibt’s die knusprigsten Simits
nördlich des Goldenen Horns), eine
kleine Marienkirche (Meryem Ana Kilisesi). Die Kirche ist im Besitz der türkisch-orthodoxen Gemeinde, die sich
1922 vom Griechisch-Orthodoxen Patriarchat abspaltete und von diesem bis
heute ignoriert wird. Keine 50 Mitglieder gehören ihr noch an. In diesem
Viertel lassen sich noch viele weitere
Kirchen entdecken, darunter auch
armenische. Leider sind sie allesamt
nicht der Öffentlichkeit oder nur zu
Messen zugänglich.
212
Galata und Karaköy
lamischen Mystik, die über die Auslöschung des Ichs die Vereinigung mit
Gott anstrebt – z. B. durch geistige Versenkung, asketische Übungen, Musik
und rituelle Tänze. Da sich die Derwischorden den sozial-politischen Reformen der neuen türkischen Republik
widersetzten, wurden sie 1925 verboten. Die Riten der Mönche leben z. T.
aber bis heute fort. Im achteckigen hölzernen Tanzhaus des ehemaligen Mevlevi-Klosters (1492 gegründet) f inden
regelmäßig eindrucksvolle Derwischzeremonien statt, bei denen sich ein Dutzend Sufi-Anhänger mit wirbelnden weiten
Röcken zu aufwühlender Musik drehen.
Darüber hinaus kann man eine ansprechende Ausstellung besichtigen, die über
den Sufismus informiert, über den Mevlana-Orden und über Mevlana selbst.
Zu sehen gibt es außerdem eine kleine Auswahl des Klosterbesitzes: Derwisch-Kleider,
antike Musikinstrumente, Gebetsketten,
Gebetsteppiche und Koran-Ausgaben.
Galipdede Cad. 9. Tägl. (außer Mo) 9–
16.30 Uhr. 3,70 €, Audioguide zusätzliche 2 €,
freier Eintritt mit dem 5-Tage-MuseumPass-İstanbul. Derwischzeremonien jeden So
um 17 Uhr, zuweilen auch Sa (Eintritt 15 €,
Stand 2014). Erkundigen Sie sich vorab nach
den aktuellen Terminen und besorgen Sie
sich die Tickets nicht erst in letzter Minute.
www.galatamevlevihanesimuzesi.gov.tr.
Derwischzeremonien finden des Weiteren
im Hocapaşa-Kulturzentrum, einem restaurierten Hamam, in Sirkeci statt (Hocapaşa
Hamamı Sok. 3/B, → Karte S. 113). Aufführungszeiten und Tickets (22 €) unter www.
galatamevlevihanesi.org, Infos zudem in
vielen Reisebüros in Sultanahmet.
Galata Kulesi (Galataturm)
1348 entstand der massive Rundbau als
höchster Turm der genuesischen Befestigung. Einen Verteidigungszweck erfüllte er jedoch nie. Genutzt wurde der
Turm als Gefängnis für Kriegsgefangene,
astronomisches Observatorium, Unterkunft für die Mitglieder der osmanischen Militärkapelle und Absprungstelle für den angeblich ersten fliegenden Menschen der Welt: Der Abenteurer Hezarfen Ahmet Çelebi soll im frü-
Die Synagogen von Galata
Das Gros der Synagogen Galatas wird von der jüdischen Gemeinde İstanbuls
noch heute genutzt. Man schätzt die Zahl ihrer Mitglieder auf rund 20.000.
Zu den sehenswertesten Synagogen gehören die Zülfaris-Synagoge (Zülfaris
Sinagogu), die heute das Museum der türkischen Juden beherbergt (s. u.),
und der sog. Schneidertempel (Schneidertempel Sanat Merkezi, www.
schneidertempel.com) in der Felek Sokak 5, der heute als Kunstgalerie
genutzt wird. Der Name der Synagoge erinnert daran, dass viele der in
Galata lebenden Juden dem Schneiderberuf nachgingen. Besichtigt werden
kann auch die Neve-Shalom-Synagoge (Neve Şalom Sinagogu, Büyük Hendek Sok. 43, geöffnet für Touristen Mo–Do 13–16 Uhr, Pass mitbringen) aus
der Mitte des 20. Jh. Sie ist die größte Synagoge der Türkei mit Platz für
2000 Besucher. 3-mal schon war sie das Ziel von Terroranschlägen radikaler
Muslime: 1986 (23 Tote), 1992 (nur Sachschaden) und 2003 (ähnlich hohe
Opferzahl wie 1986). Nur mit einer Genehmigung sind die Italienische Synagoge (İtalyan Sinagogu) am Şair Ziya Paşa Yokuşu 23 und die Aschkenasim-Synagoge (Aşkenaz Sinagogu) in der Yüksekkaldırım Caddesi 27 zu besichtigen. Beide entstanden Ende des 19 Jh.
Sämtliche Informationen zum Erhalt einer Besuchergenehmigung (das Verfahren
dauert ca. 4 Tage) unter www.turkyahudileri.com.
Sehenswertes in Galata und Karaköy
213
hen 17. Jh. mit angeschnallten Flügeln
vom Galataturm bis auf die asiatische
Seite gesegelt sein.
Büyük Hendek Sok. Tägl. 9–20.30 Uhr. Eintritt für den Panoramabalkon 6,50 €. Lange
Warteschlangen!
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(Arabische Moschee)
Die Moschee mit ihrem viereckigen
Glockenturmminarett sieht aus wie eine spätmittelalterliche Kirche. Genau
das war sie einst auch. Dominikanermönche ließen sie in der ersten Hälfte
des 14. Jh. errichten. Ihren heutigen
Namen erhielt sie im 16. Jh., als das
Gotteshaus aus Spanien vertriebenen
Mauren als Moschee zur Verfügung gestellt wurde. In ihrem Inneren bef inden
sich Renaissance-Fresken, die zusammen mit der letzten Sanierung der Moschee im Jahr 2008 zwar ebenfalls restauriert wurden, danach aber unter
einem Spezialputz verschwanden –
schließlich betet man hier zu Allah …
Galata Mahkeme Sok.
Türk Musevileri Müzesi (Museum der türkischen Juden)
Das sehenswerte Museum beschäftigt
sich mit der Geschichte der jüdischen
Bevölkerung auf dem Gebiet der heutigen Türkei von ihrer Flucht aus Spanien 1492 bis in die jüngste Vergangenheit. Es informiert über religiöse
Riten und Bräuche, dabei insbesondere über Geburt, Beschneidung und
Hochzeit, das türkisch-jüdische Pressewesen, aber auch über prominente Juden in der modernen türkischen Politik und Gesellschaft. Zudem werden
deutsch-jüdische Universitätsprofessoren vorgestellt, die aus dem Dritten
Reich an den Bosporus geflohen waren
und starken Einfluss auf die Entwicklung des türkischen Bildungssystems
nahmen (→ Kasten S. 97).
Perçemli Sok. 1. Mo–Do 10–16 Uhr, Fr/So
10–14 Uhr, Sa geschl. Eine Spende von ca.
4 € wird erwartet. www.muze500.com.
Galata und Karaköy → Karte S. 208/209
Der Galataturm ist die Attraktion des Viertels
214
Galata und Karaköy
İstanbul Modern
İstanbul Modern – Mekka der Kunst
Yeraltı Camii
(Unterirdische Moschee)
Die Moschee aus der Mitte des 18. Jh.
besteht aus einem Irrgarten enger,
dunkler Durchgänge und einem Wald
gedrungener Säulen. Untergebracht ist
sie in einem ehemaligen byzantinischen
Verlies, das einst, so vermutet man,
zum sog. Galatakastell gehörte. Von
hier wurde in Gefahrenzeiten jene Kette
über das Goldene Horn hinüber nach
Sarayburnu gespannt, die feindlichen
Schiffen die Einfahrt unmöglich machte.
Kemankeş Cad.
Resim Heykel Müzesi (Museum
für Malerei und Skulptur)
Die Lagerhalle 5 (Antrepo 5) wurde
z. Z. d. letzten Recherche von der Mimar-Sinan-Universität zu einem Museum für Malerei und Skulptur um- und
ausgebaut. Ende 2015 soll das Museum
in Gänze eröffnen, bis dahin werden in
bereits fertig gestellten Trakten temporäre Ausstellungen gezeigt. Im Gegensatz zum Gemäldemuseum in Beşiktaş
(→ S. 225), das Kunst der osmanischen
Epoche zum Schwerpunkt hat, wird man
sich hier auf die ersten Jahrzehnte nach
der Republiksgründung konzentrieren.
Meclis-i Mebusan Cad. Di–Fr 10–17 Uhr,
Sa/So 11–18 Uhr. 2014 betrug der Eintritt
3,70 €, erm. die Hälfte. www.msgsu.edu.tr.
Das in einer Lagerhalle aus dem 19. Jh.
untergebrachte Museum für moderne
Kunst braucht internationale Vergleiche nicht zu scheuen. Die permanente
Ausstellung trägt den Titel „Vergangenheit und Zukunft“ (Geçmiş ve Gelecek)
und rekrutiert sich vorrangig aus der
rund 1200 Werke umfassenden Sammlung des Unternehmers und Museumsgründers Bülent Ezcacıbaşı. Dabei steht
die türkische Kunst vom Anfang des
20. Jh. bis in die Gegenwart im Mittelpunkt. Die Werke spiegeln zugleich den
Selbstf indungsprozess der türkischen
Kunst wider, der auf die Jahrhunderte
lang dominierende Miniaturmalerei
folgte, bei der die Symbolik wichtiger
war als die Darstellung der Wirklichkeit. Erst im 19. Jh. begann man die
europäischen Stilrichtungen zu imitieren, anfangs noch recht unbeholfen,
weshalb die türkische Malerei des
19. Jh. auch als „Primitivmalerei“ bezeichnet wird. Die Auseinandersetzung
mit der europäischen Moderne forcierten in den 1930ern u. a. Exilprofessoren
aus Deutschland (→ Kasten S. 97). Die
Tendenzen zu einer eigenständigen bildenden Kunst kamen schließlich durch
die Verschmelzung der Ideen westlicher
Gegenwartskunst mit der Rückbesinnung auf althergebrachte Traditionen
wie z. B. der Vorliebe für das Ornament
oder der Liebe zum Detail. Auch bei der
jüngsten Generation türkischer Künstler kommt das orientalisch-okzidentalische Spannungsfeld zum Ausdruck.
Der Rest der 8000 m² großen Ausstellungsfläche wird für Wechselausstellungen internationaler Künstler genutzt.
Zudem bietet das Museum Galerien für
Fotograf ie und Neue Medien, eine Bibliothek, ein Restaurant und tolle Aussichten auf den Bosporus.
Meclis-i Mebusan Cad. Liman İşletmeleri
Sahası Antrepo No: 4. Tägl. (außer Mo) 10–
18 Uhr, Do bis 20 Uhr. 6,50 €, erm. 3,50 €.
www.istanbulmodern.org.
Sehenswertes
westlich
von Galata

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