Jahresrückblick 2009 - Schulbauernhof Ummeln

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Jahresrückblick 2009 - Schulbauernhof Ummeln
JAHRESRÜCKBLICK SCHULBAUERNHOF UMMELN 2009
Abend im Schein eines Halogenscheinwerfers. Stressig wird die Verkürzung der
Zivildienstzeit werden. Kaum dass jemand richtig eingearbeitet sein wird, denn die
Bereiche Haus, Garten und Werkstatt sind schon komplex, wird er auch schon wieder entlassen werden. Man könnte natürlich auch sagen, dass wir so den Durchgang von uns qualifizierter junger Menschen erhöhen, aber das ist eigentlich nicht
unser primäres Ziel. Anderer Nebeneffekt: Wir Älteren müssen uns immer schneller
an neue Namen gewöhnen, aber vielleicht hält das den Geist ja jung.
Einige etwas hektische Tage hatten wir kurz vor Weihnachten. Es war uns doch
noch gelungen, die Etiketten auszudrucken, so dass die Kalender verschickt werden
konnten. Wer die postalischen Bestimmungen erfüllen musste (Büchersendung
ohne Beilagen, Info-Brief mit einer Beilage oder einer anderen Beilage – oder beiden Beilage – alles schön getrennt, immer mindestens 50, bitte waagerecht so hinlegen, dass die Adresse auf der geriffelten Seite der Postbox ist), weiß die sinnstiftende Arbeit auf dem Schulbauernhof anschließend um so mehr zu schätzen.
Danken möchte ich an dieser Stelle aber Ulrike Weber und Frank Wellenbrink, die
sich wie selbstverständlich (ist es aber nicht) um den Kalender kümmern, immer
neue Ideen entwickeln und umsetzen. Wenn wir fremde Texte in den Kalender aufnehmen, müssen wir Freunde moderner Lyrik enttäuschen, denn da gälte es das
Urheberrecht zu berücksichtigen.
Mein eigenes Gedicht:
»Am Baum hängt noch ein letztes Blatt,
Ich hab' den Winter jetzt schon satt.«
fand jedenfalls keine Berücksichtigung,
weil zu negativ. Zu Recht: Denn jetzt
ist der Hof verschneit, alle Laute sind
gedämpft und es sind erstaunlich viele
Tierspuren zu sehen. Nur die Trecker
drehen durch.
In diesem Sinne, Ihr
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2009
SCHULBAUERNHOF
UMMELN
Bielefeld, im Januar 2010
Michael Helling auf dem Hoffest 2009
Liebe Mitglieder,
liebe Freunde und Förderer des Schulbauernhofs Ummeln,
dies wird ein zwiespältiger Jahresrückblick werden, denn all das, was an Positivem
zu berichten ist, ist überschattet durch den Tod Michael Hellings am 20. November
2009. Am Vormittag, in der ersten grossen Pause, fragte er mich noch, ob ich eine
Idee habe, wie wir den freien Platz auf den Überweisungsträgern, der einem Teil der
Kalender beigelegt wird, gestalten könnten. Ich versprach ihm, mir Gedanken zu
machen. Das war unser letztes Gespräch.
Michael hat in seiner bescheidenen, zurück genommenen Art mehr für den Hof
getan, als nach außen sichtbar sein konnte. Wenn jemand im Vorstand eines Vereins wirklich Arbeit hat, und zwar kontinuierlich, dann ist es der Kassenführer. Und
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wenn aus einem etwas alternativem Verein in über 26 Jahren fast so etwas wie ein
mittelständisches Unternehmen mit einem Umsatz über 200.000 EUR wird, dann
war das viel Arbeit für den Kassenführer. Und es war ja nicht nur das: Die Einladungen zur Mitgliederversammlung, verbunden mit den Spendenbescheinigungen, das
Ausdrucken der Helfer-Ansteck-Namensschilder für das Hoffest und der Wahlzettel
für die Mitgliederversammlung, das machte Michael eben auch, auch wenn dies
mit Kassenführung eigentlich nichts
zu tun hatte. Und wer kann schon,
als ursprünglicher Laie, eine Bilanz
vorlegen?
Michael war mehr als ein Kassenführer. Er hatte eine klare Position in
Finanzfragen, war aber immer kompromissfähig, wenn unterschiedliche Interessen zu Tage traten. Nie hat er jeMichael Helling mit Christiane Fackler auf dem
manden verletzt und immer war er
freundlich. Vielleicht – und das fragen
Hoffest 2009
wir uns jetzt – ist er zu wenig freundlich
zu sich selbst gewesen, hat körperliche Anzeichen für seine Grenzen sich selbst
nicht und uns schon gar nicht eingestanden?
Es ist klar, dass wir trotz unserer Trauer handlungsfähig bleiben müssen. Der
Vorstand hat Monika
Wäschle, die bisherige
stellvertretende Kassenführerin, zur Kassenführerin bestimmt, denn der
Verein muss laut Satzung
einen geschäftsführenden
Vorstand haben. Wir
haben weiterhin beschlossen, eine weitere Dienstleistung des DPWV in
Anspruch zu nehmen:
Liefen unsere Personalabrechnungen außer den
Soldauszahlungen bereits Monika Wäschle
fen hat, ist unser Mitglied und Malermeister Achim Brockelt. Als nämlich die Betten
abgebaut wurden, zeigte sich, dass die Wände eben doch nicht mehr so gut waren
wie gedacht. Die Folge: Achim hat, obwohl er eigentlich bei sich zu Hause renovieren wollte, sein privates Vorhaben zurückgestellt und mit einem Kollegen alle drei
Räume neu tapeziert mit einer sonnenfarbigen Tapete. Es sieht wirklich gut aus.
Und als wenn das noch nicht genug wäre, hat er sich auch den neuen Arbeitsraum
im Erdgeschoss (ehemaliges Praktikantinnenzimmer) vorgenommen, ihn mit Raufaser tapeziert und ihn gestrichen (obwohl Raufaser nicht gerade Achims Lieblingstapete ist). Das ist ehrenamtliche Arbeit. Sie hat den Schulbauernhof schon immer
geprägt und ohne sie ginge es auch nicht. Sie ist aber in unserem Fall nicht nur
eine handwerkliche Arbeit (obwohl das ja schon genug wäre), sondern verbessert
die Rahmenbedingungen unsere eigentlichen pädagogischen Arbeit. Der »Wohlfühlfaktor« ist für die Kinder und ihre Lehrer eben auch wichtig, und wenn in
Zukunft auch das untere Begleiterzimmer eine eigene Nasszelle (schreckliches
Wort) bekommt, werden mögliche Neidgefühle (wenn sie denn vorhanden gewesen
sein könnten) ein Ende haben.
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Wenn Sie dieses Rundschreiben erreicht, und das kann schnell gehen oder auch
noch etwas dauern, weil wir es ja, um Porto zu sparen, mit der Einladung zur Mitgliederversammlung und mit der Spendenbescheinigung verschicken, werden wir mit der Schule auch die
Frage gelöst haben, wie die durch Michael Hellings
Tod freigewordenen sechs Stunden verteilt werden.
Und wir müssen überlegen, wie die halbe Stelle, die
im Sommer durch Gerd Wesselmanns Pensionierung
frei wird, zu besetzen ist, denn die Arbeit muss ja
weitergehen.
Erfreulich ist jedenfalls der Zulauf an jungen Leuten
(Zivis, FÖJlerinnen, Praktikantinnen), die den Hof mit
ihrer Art immer wieder neu beleben. Ich hoffe keinen
der namentlich nicht Erwähnten zu verprellen, wenn
ich schreibe, dass unser Zivi Basti als gelernter Dachdecker die Dächer des ehemaligen Putenstalls und des
Abdachs über den Kaninchenställen komplett neu mit
der diesmal richtigen Dachpappe verschweißt hat und
das – witterungsbedingt – oft genug bis zum späten
Bastian auf dem Hoffest
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und Sanitärräume. Das
Ganze ist wunderschön
geworden. Frau Oetker
war am Erntedanksonntag leider verhindert, und
darum möchte ich unseren Dank an dieser Stelle
formulieren, denn dieser
Ausbau, seit zwei Jahrzehnten angedacht und
immer wieder gescheitert, war nur möglich
Neues Büro
durch die komplette
Finanzierung durch die
Ida und Richard Kaselowski Stiftung, deren Kuratoriumsvorsitzende Maja Oetker
ist. Schon im letzten Jahr hatte ich den engagierten Einsatz von Herrn Krause
erwähnt, der uns als Bauleiter so unterstützt, wie man sich das nur wünschen
kann, und unseren Architekten Ralf Kirchhoff. Wer mit dem Gedanken spielt, ein
altes Haus so auszubauen, dass die bauliche Substanz des Alten nicht nur erhalten
bleibt, sondern betont wird, und zugleich die Räume hell, freundlich, lebens-und
liebenswert werden, modern ohne Schnickschnack, der sollte uns ansprechen: Wir
stellen die nötigen Kontakte gerne her.
Jetzt, in der belegungsfreien Zeit, ist der Fußboden im Obergeschoss neu
gemacht worden. Das inzwischen unansehnliche Linoleum wurde ersetzt durch
Eichenplanken, die gleiche Art wie im Dachgeschoss, nur in hell. Auch hier: Danke
an die Stiftung! Und Dank an Rudolf Weber, der den Ab- und Wiederaufbau der
Schränke und Betten organisiert hat. Die Tücke lag wie immer im Detail: Wenn es
vor über 20 Jahren gut gemeint war, einige Betten nicht nur zu verschrauben, sondern auch zu verleimen, so war das eben zu gut gemeint. Und natürlich sind die
neuen Fußleisten etwas dicker als die alten und natürlich vergrößert das den
Abstand der Betten zur Wand, was natürlich zur Folge hat, dass auch die Abstandsleisten zwischen Bett und Wand erneuert werden müssen, damit nicht alles Mögliche dahinter fällt und nicht zu säubernde »Rödelecken« entstehen. Die Zivis, die
sich der planerischen Weitsicht Rudolfs unterwerfen mussten, waren gestern jedenfalls zufrieden mit der Arbeit und sich selbst und meinten, sie seien »gut in der
Zeit«. Einer, den die in diesem Fall fehlende Weitsicht unserer Planung voll getrof-
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jetzt schon über den »Pari-Dienst«, so wird »Der Paritätische« zukünftig für eine
sehr vertretbare Summe (Dank an den DPWV) das Überweisen von Rechnungen,
das Ausstellen der Spendenbescheinigungen, das Erstellen der Bilanz und das Einholen der finanzamtlichen Bescheinigungen übernehmen. Es sind Profis, und wir
wollen ja in erster Linie mit Kindern praktisch arbeiten (da sind wir inzwischen
Profis) und wir denken nicht, dass es die richtige Schlussfolgerung aus dem Tod
Michaels gewesen wäre, uns über die Maßen zusätzlich zu belasten.
Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass wir, obwohl wir ja nicht die Familie
Michaels sind, viel Mitgefühl und solidarische Anteilnahme erfahren haben: Aus
dem Kollegium, der Schulleitung, Frau Manschmidt als Geschäftsführerin Schulen
des Stiftungsbereichs Schulen von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, von
vielen (Ex)-Zivis und -PraktikantInnen, von Freunden eben. Wir sind dankbar dafür.
Am 4. Oktober haben wir unser Herbstfest gefeiert. Wir hatten Glück mit dem
Wetter und es kamen sehr viele Besucherinnen und Besucher. Schon gegen
Mittag war es voll auf dem Hof und der
Besucherandrang ließ bis zum Abend
nicht nach. In der Zeitung war von
6.000 Besuchern die Rede, aber wir
müssen natürlich zugeben, dass weder
wir noch die Journalisten wirklich
gezählt haben. Trotz der Fülle hatte auch
dieses Herbstfest wieder seinen eigenen
Charme, es herrschte eine entspannte
Atmosphäre, ein Tag, der nicht nur vom
Essen und Trinken geprägt war, sondern
auch vom Wiedersehen und von unzähligen Gesprächen. Einige Helfer waren
kurzfristig verhindert, was leider zur
Folge hatte, dass die Helferinnen am
Kuchenbuffet einen fulltime-job ohne
Ablösung hatten. Beim nächsten Mal werden wir auch darauf achten, versprochen!
Dass aber ansonsten alles reibungslos verlief, haben wir den vielen freundlichen
Helfern zu verdanken und insbesondere Gabi Ankewitz, die seit Wochen alles
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gend gebrauchen, denn unser Konto schrumpft. Danke an Doris, ihre Mithelferinnen und an die Vielen, die dem Schulbauernhof Ummeln Gutes getan haben.
Zum schrumpfenden Konto: Bei gleichbleibenden Belegungspreisen (seit Jahren
mit 16,– EUR pro Tag und Person konstant, aber es gibt so etwas wie eine wenn
vielleicht auch nur imaginäre Schmerzgrenze für Eltern) und bei einer Auslastung,
die nicht erhöht werden kann, haben wir natürlich das Problem, dass die Kosten für
uns in allen Bereichen (Personal- und Sachkosten) kontinuierlich steigen. Zugleich
wollen wir durch eine Erhöhung der Aufenthaltskosten nicht die Nachfrage gefährden. Wirtschaftstheoretiker nennen so etwas einen Gleichgewichtspreis, aber wir
stecken da in einem wirklichen Dilemma. Außerdem haben wir längerfristige Verträge abgeschlossen, was ja gut ist für die Planungssicherheit aller Beteiligten. Was
helfen würde: Mehr Mitglieder, mehr Spender, mehr Sponsoren. Vielleicht hat ja
jemand eine Idee ...?
Beim Herbstfest musste eine Neuheit allerdings verborgen bleiben: Das neu
ausgebaute Dachgeschoss. Hier ist ein Büro, das seinen Namen auch verdient,
entstanden, zwei Zimmer für FÖJlerinnen/Praktikantinnen, ein Besprechungsraum
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Foto: NW, Heike Sommerkamp
geplant und organisiert hatte. Wir bekamen an diesem Tag gleich zweimal etwas
geschenkt. Auch wenn von vorweihnachtlicher Stimmung nicht die Rede sein konnte, war für Hans Lagerquist, der seit Jahren im Bielefelder Süden den Nikolaus
spielt und dafür Spenden für den Schulbauernhof sammelt, die Gelegenheit gekommen, uns diese Spenden zu überreichen. Eine nicht-materielle Ehre erfuhren wir
von Josef Jacobi. Herr Jacobi ist Biobauer, Gründer einer genossenschaftlichen Molkerei, die den Bauern faire Preise bietet (eigentlich eine gesellschaftliche Schande,
dass so etwas überhaupt erwähnenswert ist!) und Vorsitzender des Kuratoriums
der Schweisfurth-Stiftung. In dieser Funktion hat er uns den Preis »Pro Tier« überreicht, der unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler vom
BUND, Deutscher Tierschutzbund, Schweisfurth-Stiftung und Verbraucherzentrale
Bundesverband für eine artgerechte Nutztierhaltung verliehen wird. Dabei wurden
wir auch gelobt für die Zucht alter Haustierrassen. Deren Vielfalt steht nicht nur
gerade einem Hof für
Kinder gut zu Gesicht,
sondern birgt auch genetische Ressourcen, die
noch einmal wichtig werden könnten. Wir haben
uns über die Spende und
den Preis sehr gefreut.
Das war eben auch das
Schöne an dem Herbstfest: Dass unsere Besucher und wir selbst
gleichermaßen zufrieden
waren am Ende dieses
Manfred Hofmeister, Sigrid Kownatzki und Josef Jacobi
Tages.
Diesmal gab es wieder eine Tombola, die Doris Brockelt organisiert hat. Es war
nicht leicht, weil das Wohlwollen groß, die tatsächliche Spendenbereitschaft zu
wecken aber manchmal schwierig war – die Wirtschaftskrise eben. Ich habe doch
tatsächlich (»Willst Du nicht auch noch ein Los kaufen?«) eine Ausflugsfahrt
gewonnen. Das schöne Lipperland (ich bin Lipper) musste leider ohne mich auskommen, weil ich das zeitlich nicht hinbekommen habe. Schade eigentlich. Die
Tombola jedenfalls war ein großer Erfolg. Sie hat Geld eingebracht, das wir drin-
Doris Brockelt vor dem Aufbau der Tombola