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Sozialistische Tageszeitung 65. Jahrgang/Nr. 142 ● Berlin-Ausgabe ● 1,40 € Dienstag, 22. Juni 2010 * * Schwarz-gelbe Baustellen Nebenkläger Kurt Gutmann Über den richtigen Ton Egal, was die Bundesregierung anpackt, nichts klappt so, wie sie sich es vorstellt: Ob Gesundheitsreform, Kandidatenauswahl für die Bundespräsidentenwahl oder Sparpaket. Seiten 2 und 4 Er konnte deutschen Antisemiten mit einem Kindertransport nach Schottland entfliehen, seine Mutter und ein Bruder wurden ermordet. Kurt Gutmann ist Nebenkläger im Demjanjuk-Prozess. Seite 3 Friedrich Schorlemmer bietet einen Exkurs über Schwierigkeit und Gelingen der Kunst, den richtigen Ton zu treffen. Sein Nachdenken geht von der persönlichen zur politischen Welt. Seite 15 Standpunkt Milch macht umstürzlerisch Spione, Terroristen, Extremisten Verfassungsschutz ordnet im Jahresbericht Gefahren neu / LINKE bleibt unter Beobachtung Von René Heilig Von René Heilig Die Beweise gegen die Linkspartei sind erdrückend. Und das ND hat einen unwiderlegbaren, weil gedruckten geliefert. Man lese nach im neuen Verfassungsschutzbericht, Seite 156, Fußnote 103. Da wird das antidemokratische, ja geradezu umstürzlerische Konzept dieser Linksextremisten enthüllt. Die Fußnote bezieht sich auf eine Anzeige auf einer ND-Reise-Seite. Darin wirbt die Linkspartei-Arbeitsgemeinschaft Cuba Si für eine Karibik-Tour. Angepriesen wird die Teilnahme an den Cuba-SiAgrarprojekten »Milch für Kuba« und angesprochen werden »Menschen, denen das Schicksal der sozialistischen Insel nicht gleichgültig ist«. Von dieser Qualität sind auch andere Belege dafür, dass die Linkspartei zwar »in ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit« als »reformierte, neue linke Kraft« wahrgenommen werden will, jedoch im Innern sogar »offen extremistische Zusammenschlüsse« duldet. So wie die Milch-Propagandisten von Cuba Si. Verdächtig sind auch die Sozialistische Linke, der Geraer Dialog oder das Marxistische Forum. Oh Horror, auch die Kommunistische Plattform gibt es noch. Man merkt, dass es Mühe machte, sieben Seiten LINKE Gefahr zusammenzukratzen. Bedauernswerte Agenten. Doch wenn sie schön durchhalten und weiter ND lesen, werden sie beim nächsten Bericht belohnt. Denn: Die linke Gefahr wächst. Cuba Si sammelt, um einen Bulldozer nach Kuba zu schaffen. Die linksextremistische Gewalt in Deutschland ist 2009 stark gestiegen. Die Anzahl der rechtsextremen Gewalttaten ging zurück. So steht es im Verfassungsschutzbericht 2009, der am Montag veröffentlicht wurde. Doch das Bundesinnenministerium setzt neue Schwerpunkte für die Arbeit der Verfassungsschützer. Unten links Während 31 Mannschaften um die Fußball-Weltmeisterschaft spielen, tritt ein Team in einer Spezialdisziplin an: in der Selbstdemontage. Die Franzosen beharken sich, der Trainer schmeißt einen Stürmer raus, Spieler verweigern das Training ... Die Welt staunt. Nur Deutschland nicht, denn das haben wir seit einem halben Jahr. »Mitleid erregend«, »skandalös«, »eine Schande« – das trifft auf Frankreichs Fußballer ebenso zu wie auf die Bundesregierung. Dass die Kontrahenten »vor laufender Kamera aufeinander losgehen«, wie aus Südafrika berichtet wird, das kennen wir: in ruhigeren Jahren vom Politischen Aschermittwoch, derzeit als Dauerkrise. »Dieser Mummenschanz muss aufhören!« fordert ein französischer Minister. Die Streithähne seien unausstehlich und grotesk, befindet ein Philosoph. Und die Kommunisten sprechen von einer »allgemeinen Bankrotterklärung«. Alles richtig. Aber in Deutschland geht das Theater auch nach der WM weiter. So wahr uns Schwarz und Gelb helfen. wh www.neues-deutschland.de Postvertriebsstück / Entgelt bezahlt Einzelpreise Ausland: Dänemark Mo-Fr 11,50 DKK/Sa 13,50 DKK; Österreich 1,60/1,80 EUR; Slowakei 1,70/1,90 EUR; Tschechien 61/66 CZK; Ungarn 470/550 Ft; Polen 6,60/7,00 PLN ISSN 0323-4940 Die Spionagebemühungen fremder Mächte erfassen neben Bereichen der Politik und des Militärs zunehmend Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und das ihm unterstellte Bundesamt für Verfassungsschutz halten elektronische Angriffe auf Netzwerke und Computersysteme deutscher Unternehmen und öffentlicher Stellen für besonders gefährlich. Die Wirtschaft müsse Schutzmaßnahmen treffen, die Regierung setze bei der Abwehr von Wirtschaftsspionage auf ein breites Netzwerk aller Sicherheitsbehörden und der für den Wirtschaftsschutz relevanten Ministerien. Neben der Spionageabwehr als neuem Schwerpunkt für die Arbeit des Verfassungsschutzes bleiben die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und des politischen Extremismus wesentliche Aufgaben. Gerade zur Bundestagswahl sei die Propaganda sogenannter islamistisch-terroristischer Gruppierungen in bisher nie gekannter Weise betrieben worden. Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist zunehmend Motiv für Attacken. Rein formal und in der Gliederung seiner gut 300 Seiten gleicht der aktuelle Verfassungsschutzbericht denen vergangener Jahre. Man hat – basierend auf Zahlen des Bundeskriminalamtes – 18 750 Straftaten mit rechtsextremistischen Hintergrund aufgelistet (2008: 19 894), darunter 891 Gewalttaten. Bei den Gewalttaten hat man einen Rückgang um 14,5 Pro- Meuterer aus Frankreich heute gegen Südafrika Bundesinnenminister: Verfassungsschutz muss Frühwarnsystem gegen Linksextremismus sein. ND-Foto: Burkhard Lange zent vermeldet. Interessant sind – trotz der Unschärfe bei der Registrierung solcher Vorfälle – territoriale Schwerpunkte rechtsextremistischer Gewalt. Spitzenreiter ist Nordrhein-Westfalen (163), gefolgt von Niedersachsen (113), Sachsen (84) und Brandenburg (69). Der deutsche Inlandsgeheimdienst sieht die Gefahr aber am linken Rand heraufziehen. Die Anzahl der als linksextremistisch bezeichneten Straftaten liegt bei 4734 (2008: 3124). 1115 davon gelten als Gewalttaten (2008: 701). Wer nachrechnet, erkennt, dass die Anzahl der registrierten rechtsextremistischen Straftaten das Vierfache der linkensextremistischen ausmacht. Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm unterstrich zwar, dass keine Verbindungen zwischen Mitgliedern der Linkspartei und der militanten linken Szene festgestellt wurden, doch mit Routine ordnen seine Mitarbeiter im Abschnitt »Linksextremismus« auch die LINKE ein. Man sehe »zahlreiche Indikatoren für linksextremistische Bestrebungen« in der Partei. Doch die Beweise fallen dürftig aus. So hat man eine »uneinheitliche Haltung gegenüber der linksextremistischen Gewalt und die vollumfängliche Akzeptanz von offenen extremistischen Zusammenschlüssen in ihren Reihen« entdeckt. De Maizière betreibe »gezielt Panikmache« gegen die Linkspartei, sagt deren Fraktionsinnenexperte Jan Korte. Die Bundesge- schäftsführerin der Linkspartei Caren Lay sieht in dem Geheimdienst einen »verlängerte Arm von CDU/CSU und FDP. Offensichtlich sollen Menschen, die mit der LINKEN sympathisieren, stigmatisiert und weiter ausgegrenzt werden.« Diese Kritik lässt de Maizière nicht gelten. Nur Gruppierungen der Partei wie die Kommunistische Plattform, die Sozialistische Linke und das Marxistische Forum habe man im Blick. »Diese Beobachtung wird so lange stattfinden, so lange es Anlass dafür gibt.« Im Übrigen wünscht sich der CDU-Mann, dass das 2011 per Urabstimmung zu beschließende Grundsatzprogramm der LINKEN »so ausfällt, dass es danach keinen Anlass mehr zur Beobachtung gibt«. Geheimakte offenbart Mixas dunkle Seiten Ehemaliger Augsburger Bischof soll alkoholkrank sein und Mitarbeiter sexuell belästigt haben Alkoholmissbrauch und sexuelle Übergriffe auf jüngere Priester: Gegen den zurückgetretenen Augsburger Bischof Walter Mixa werden erneut schwere Vorwürfe erhoben. Augsburg (Agenturen/ND). Die Akte über den Fall des zurückgetretenen Augsburger Bischofs Walter Mixa, die Papst Benedikt XVI. vorliegt, enthält nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« und der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« eine Reihe bislang nicht veröffentlichter, schwerer Vorwürfe. Die Akte umfasst mehrere Dutzend Seiten. Sie soll am 27. April offiziell an den Nuntius, den Papstbotschafter in Berlin, gegangen sein. Das Dossier enthalte unter anderem Aussagen engster Mitarbeiter und Bekannter, die belegen sollen, dass der Bischof ein Alkohol- und Wahrnehmungsproblem habe. So schilderten Zeugen homosexuelle Übergriffe des Bischofs in seiner Zeit als Stadtpfarrer. Zudem gebe es Mitarbeiter, die Mixa »als schwer alkoholkranken Mann« beschrieben. Ein »Spiegel- Portugal spielt sich warm: 7:0 Soll sein Bistum verlassen: Ex-Bischof Mixa trinker«, der seinen Alkoholpegel über den Tag hinweg halten müsse. Der Rechtsanwalt von Mixa, Gerhard Decker, hält es hingegen für unwahrscheinlich, »dass Teile der Presse Zugang zum Archiv des Vatikan oder des päpstlichen Nun- Foto: dpa tius haben«. Damit bleibe die Quelle ebenso nebulös wie das berichtete Geschehen. »Das war schon bei der Missbrauchsanzeige gegen meinen Mandanten so, die zur eindeutigen Verfahrenseinstellung führte: Einer beruft sich auf den anderen und am Schluss war alles ein Missverständnis«, erklärte der Anwalt. Trotz des Konflikts mit Mixa, der nach einer »Auszeit« wieder die Rückkehr in sein Amt fordert, will sich der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, mit ihm aussöhnen. Mixa hatte Zollitsch und dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx einen Mangel an Brüderlichkeit vorgeworfen: Er sei am 21. April letztlich nur deshalb als Augsburger Bischof zurückgetreten, weil er auch von Zollitsch und Marx extrem unter Druck gesetzt worden sei. Mixa war vorgeworfen worden, dass er in seiner Zeit als Schrobenhausener Stadtpfarrer Heimkinder geschlagen und zudem Stiftungsgelder für Waisenkinder zweckentfremdet haben soll. Die nun bekannt gewordenen Vorwürfe haben das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. So forderte der Augsburger Diözesanrat Mixa auf, das Bistum zu verlassen und sich einen anderen Wohnsitz zu suchen. Seite 6 Kapstadt (ND). Portugals Fußballer haben eindrucksvoll Kurs auf das Achtelfinale der WM in Südafrika genommen. In seinem zweiten Vorrundenspiel der Gruppe G gewann der WMVierte von 2006 klar mit 7:0 (1:0) gegen Nordkorea. Hinter den bereits für die K.o.-Runde qualifizierten Brasilianern hat Portugal nun beste Karten im Kampf ums Weiterkommen. Die Elfenbeinküste hat noch theoretische Chancen, Nordkorea ist ausgeschieden. In der Gruppe H besiegte Chile die Schweiz mit 1:0 (0:0), nachdem der Schweizer Behrami wegen einer Tätlichkeit bereits in der 31. Minute die Rote Karte gesehen hatte und vom Platz musste. Heute starten die Gruppenspiele mit den jeweils dritten Partien in ihre entscheidende Phase. Dabei machen die Gruppen A und B den Anfang. Unter anderem haben die zerstrittenen Franzosen nach ihrem Trainingsstreik nun ihre letzte Chance auf den Achtelfinaleinzug. Dazu müssen sie gegen Südafrika gewinnen und darauf hoffen, dass Uruguay und Mexiko nicht Unentschieden spielen. Außerdem wollen Südkorea, Nigeria und Griechenland neben den fast schon sicher qualifizierten Argentiniern in die nächste Runde einzuziehen. Seiten 18 und 19 Kurz Stichwahl in Polen Warschau (AFP). Der neue polnische Staatspräsident wird in einer Stichwahl am 4. Juli zwischen Jaroslaw Kaczynski und dem Übergangspräsidenten Bronislaw Komorowski bestimmt. Im ersten Durchgang der Abstimmung erhielt am Sonntag kein Kandidat die absolute Mehrheit. Seiten 3 und 4 47 Kumpel getötet Peking (dpa). Bei einer Explosion in einem Kohlebergwerk in Zentralchina sind am Montag 47 Bergleute ums Leben gekommen. Ein Sprengstofflager sei in der Grube im Bezirk Weidong der Stadt Pingdingshan (Provinz Henan) hochgegangen, berichtete die staatliche Werkschutzbehörde laut Nachrichtenagentur Xinhua. Chinesen empört Paris (AFP). Mehr als 8000 Chinesen protestierten in Paris bei der bisher größten Demonstration dieser Einwanderergruppe gegen zunehmende Angriffe und Überfälle. Stromausfall beklagt Nassirija (dpa). In der südirakischen Stadt Nassirija ist es am Montag zu gewalttätigen Protesten gegen die andauernden Stromausfälle gekommen. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Steine werfende Demonstranten vor. 13 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.