Klinische und Forensische Toxikologie, Toxikogenetik für Chemiker
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Klinische und Forensische Toxikologie, Toxikogenetik für Chemiker
Institut für Rechtsmedizin Forensische Toxikologie und Drogenkunde Klinische Toxikologie (Pharmako-/Toxikogenetik) Dr. Cornelius Heß Funktionsbereich forensische Toxikologie Institut für Rechtsmedizin Was ist Toxikologie ? Toxikologie Lehre von Giften und Vergiftungen (Erforschung der Wirkungsweise von Giften zur Diagnostik und Therapie) Forensische Toxikologie Vergiftungslehre in Beziehung zur Rechtsprechung (Straf-, Zivil-, Verwaltungs- o. Versicherungsrecht) Fachgebiet zwischen Chemie und Medizin, unterstützt mithilfe toxikologischer und chemischer Verfahren die Untersuchung von unnatürlichen Todesfällen, Vergiftungen und Drogen- sowie Medikamentenmissbrauch 24.11.2014 Seite 2 Toxikologie in der Rechtsmedizin: Was ? Forensische Toxikologie bei Toten: ¾Ziel: waren Fremdstoffe direkt oder indirekt ursächlich für den Tod oder für die Einschränkung des Bewusstseins? ¾kaum charakteristische Leichenschaubefunde für Intoxikation ¾ wichtig für Verdachtsdiagnose einer Vergiftung sind auch Berücksichtigung anamnestischer Daten sowie der Umstände des Todeseintrittes 24.11.2014 Seite 3 Leichenschaubefunde bei Vergifteten ¾Auffindesituation ¾Antragungen am Mund (blau = E605; gelb-orange = Metasystox; weissliche Klumpen = Tablettenschlamm) ¾Injektionsstellen (i.v.: Betäubungsmittel; s.c.: Insulin) ¾Geruch (aromatisch bei Alkohol; Bittermandel bei Cyanid; lauchartig bei Insektiziden) ¾Verätzungen ¾Dunkler Saum am Zahnfleisch (Blei, Quecksilber) ¾Schaumpilz (Opiate) ¾Exsikkose (Arsen, Knollenblätterpilz) 24.11.2014 ¾Totenflecke (hellrot bei CO; graurot bei Cyanid; bräunlich bei Seifen) ¾Haarausfall (Thallium, Quecksilber) ¾Mees‘sche Nagelbänder (Arsen, Thallium) ¾prallvolle Harnblase (Anzeichen für mehrstündige Agonie) ¾hämorrhagisches Lungenödem (Hinweis auf zentrales Atemversagen Æ Opiate) ¾Hirnödem (bei protrahiertem Todeseintritt Symptome des Hirndruckes mit Einklemmungszeichen) Seite 4 Sektionsbefunde Mees`sche Nagelbänder Kirschrote Färbung bei CO-Intoxikation Intrazerebrale Blutung nach Cocain Drogenbedingte Virushepatitis 24.11.2014 Zerebraler Infarkt nach Cocain Seite 5 Nachweisdauer: Matrizes im Lebenden 24.11.2014 Seite 6 Toxikologie in der Rechtsmedizin: Proben 1. Urinproben: - Information über das Spektrum aufgenommener Substanzen über längere Zeiträume als bei Blutproben - erlauben keine Aussage über akute Beeinträchtigung - enthalten in der Regel Metabolite der Wirksubstanzen, weniger Wirkstoffe selbst - Interpretation bezüglich Konsumverhalten möglich Urin: Screeninguntersuchungen 24.11.2014 Seite 7 Toxikologie in der Rechtsmedizin: Proben 2. Blutproben: - Information über aktuelle Wirkstoffkonzentration - über Rückrechnung (Pharmakokinetik) Rückschlüsse auf zurückliegende Wirkstoffkonzentration - Interpretation bezüglich Konsumverhalten möglich Asservate Herzblut: Screeninguntersuchung: (quantitativer Wert durch Redistribution möglicherweise beeinflusst) 24.11.2014 Femoralblut: Quantitative Bestimmung: (spiegeln am ehesten Verhältnisse zum Zeitpunkt des Todes wieder) Seite 8 Toxikologie in der Rechtsmedizin: Proben 3. Haarproben: - Information über das Spektrum aufgenommener Substanzen über längere Zeiträume (Wachstum etwa 1 cm pro Monat) - enthalten häufig Wirkstoffe, weniger Metabolite - Interpretation bezüglich Langzeitkonsumverhalten möglich 4. weitere Proben: - Mageninhalt: Verdacht auf orale Aufnahme - Leber: Körperbestand, Verteilung, postmortale Effekte - Niere: Körperbestand, Verteilung, Screening, wenn kein Urin - Gehirn / Finger- und Zehennägel / Fettgewebe / Lunge / Injektionsbereiche / Knochen/Glaskörperflüssigkeit 24.11.2014 Seite 9 Drogen: § 24 a StVG Forensische Toxikologie im Lebenden: Nachweis von Drogen im Blut und keine Auffälligkeiten § 24a StVG Absatz 2 Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser in der Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. Æ Forderungen der gesetzlichen Unfallversicherung, der Haftpflichtversicherung oder der Kaskoversicherung 24.11.2014 Seite 10 Drogen: „Positivliste“ im Gegensatz zu Alkohol existieren für Drogen im Straßenverkehr keine Grenzwerte berauschendes Mittel im Blut nachzuweisende Substanz Cannabis Tetrahydrocannabinol (THC) (Wirksubstanz, kein Metabolit) Heroin Morphin Morphin Morphin Cocain Cocain / Metabolit Benzoylecgonin Amphetamin /Methamph. Amphetamin/Methamphetamin Designer-Amphetamin Methylendioxymethamphetamin (MDMA) Designer-Amphetamin Methylendioxyethylamphetamin (MDE) 24.11.2014 Seite 11 Straftatbestand Nachweis von Drogen im Blut und Auffälligkeiten § 316 StGB Trunkenheit im Verkehr (1) Wer im Verkehr... ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.... § 315c StGB Gefährdung des Straßenverkehrs (1) Wer im Straßenverkehr 1. ein Fahrzeug führt, obwohl er (a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder (b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen;... und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.... 24.11.2014 Seite 12 Polizeilicher Bericht Straßenverkehr 24.11.2014 Seite 13 Untersuchungsmethoden Systematische Toxikologische Analyse (STA) Gruppenvorteste Spezialanalysen • Immunoassays • Farbreaktionen • Cyanid • CO-Hb 24.11.2014 Alkohol, Lösungsmittel Metalle • Headspace-GC • AAS • Voltammetrie • HeadspaceSPME-GC/MS • ICP-UVEmmision • ICP-MS Organische Gifte • • • • GC/MS LC/MS SPME-GC/MS HPLC-DAD Seite 14 24.11.2014 Seite 15 Cannabis (Haschisch, Marihuana) » Tetrahydrocannabinol (THC) als Inhaltsstoff von Cannnabis sativa » bräunliches, süßlich riechendes Harz der Blütenstände, meist zu Platten gepresst (Haschisch) bzw. tabakartig aufbereitete Blätter der weiblichen Spitzentriebe (Marihuana) » THC entsteht in geringeren Mengen beim Trocknen, besonders aber erst bei Erhitzen aus Precursor Tetrahydrocannabinolsäure (THCA) » Rauschwirkung ab ca. 10 mg (10 % „THC“-Gehalt Æ entspricht ca. 100-200 mg im “Joint”) » Rauscheintritt nach Rauchen innerhalb weniger min; max. Peakplasmakonzentration nach 15-20 min; max. Rausch nach 20-30 min; Rauschdauer 3-4 h » Nachweisbarkeit von THC im Blut ca. 4 h; nicht aktiver Metabolit THC-COOH 12-24 h; im Urin nach einmaliger Aufnahme Tage, bei starkem Konsum sogar bis zu 2-3 Monaten 24.11.2014 Seite 16 Cannabinoide - Strukturen CH3 COOH CH2OH OH OH OH CH3 CH3 CH3 CH3 O C 5H11 THC Tetrahydrocannabinol Hauptwirkstoff des Cannabis CH3 O C 5H11 CH3 O C5H11 11-OH-THC THC-COOH aktiver Metabolit inaktiver Metabolit (Ausscheidung vornehmlich als Glucuronid) THC-Carbonsäure charakt. Substanz bei Eignungsuntersuchungen 24.11.2014 Seite 17 Cannabis - Pharmakokinetik 160 THC 3.55% Plasmakonzentrationen [µg/l] 140 THC 1.75% THC rauchen 0 - 4 Std. 120 THC-COOH 3.55% THC-COOH 1.75% 100 11-Hydroxy-THC 3.55% 11-Hydroxy-THC 1.75% 80 60 40 20 0 0 24.11.2014 1 2 Zeit [Std.] 3 4 Seite 18 Cannabis - Rauschphasen »Akute Phase (1-2 h): zentral dämpfende Wirkungsweise mit Störungen der Motorik/Aussprache (Gangunsicherheiten, Sprache); gerötete glasige Augen; weite, lichtstarre Pupillen; Verlangsamung; Begriffsstutzigkeit »Subakute Phase (4-6 h): Trägheit vorbei, jetzt eher ausgelassen, unbekümmert und euphorisch; herabgesetzte Kritikfähigkeit; Selbstüberschätzung »Postakute Phase (ca. 12-24 h): verminderter Antrieb; Passivität; nicht völlig „klar im Kopf“ 24.11.2014 Seite 19 Hysterese: Plasmakonzentrations-Wirkungsbeziehung bei Selbsteinschätzung des „High“-Gefühls von 6 Konsumenten nach Rauchen einer Marihuanazigarette mit einem THC-Gehalt von 2,5%. 24.11.2014 Seite 20 Synthetische Cannabinoide - Spice 24.11.2014 Seite 21 Substanz CB1-Rezeptoraffinität Ki [nM] CB2-Rezeptoraffinität Ki [nM] 40,70 36,40 n.b. n.b. AM-679 13,50 49,50 AM-694 0,08 1,44 AM-1220 3,88 73,40 AM-2232 0,28 1,48 AM-2233 2,80 n.b. APICA 9,00 2,94 CP-47,497 4,70 n.b. CP-55,940 0,58 0,69 EAM-2201 n.b. n.b. HU-331 n.b. n.b. JWH-007 9,50 2,90 JWH-011 48,00 4,02 JWH-015 383,00 13,80 JWH-016 22,00 4,29 JWH-018 9,00 2,94 JWH-081 1,20 12,40 MAM-2201 n.b. n.b. n.b. n.b. RCS-4 n.b. n.b. RCS-8 n.b. n.b. STS-135 n.b. n.b. 150,00 1,80 THC 5F-AKB48 MAM-2201 (4-fluorpentyl)-isomer 24.11.2014 UR-144 N- Seite 22 Spice - Strukturen Aus: Auwärter et al.: CME-Beitrag 2011 Zeitschrift Rechtsmedizin 24.11.2014 Seite 23 Spice - Problem Aus: Auwärter et al.: CME-Beitrag 2011 Zeitschrift Rechtsmedizin 24.11.2014 Seite 24 Spice - Intoxikationen 24.11.2014 Seite 25 Betäubungsmittelgesetz § 1 BtMG (1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen „Enumerationsprinzip“ Anlage I Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel; z.B. MDMA, LSD, Desormorphin Anlage II Verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel z.B. Cathinone, Benzylpiperazin, Metamphetamin, JWH-018, Oxymorphon, Ausgangsstoffe wir Cocablätter Anlage III Verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel z.B. Opioide, Benzodiazepine 24.11.2014 Seite 26 Betäubungsmittelgesetz §1 BtMG Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies 1. Nach wissenschaftlicher Erkenntnis vor allem auf das Hervorrufen von Abhängigkeit […] 2. Zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln […] Wegen des Ausmaßes der missbräuchlichen Anwendung und wegen der Unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist […]. Æ SEHR ZEITAUFWENDIG 24.11.2014 Seite 27 Betäubungsmittelgesetz §1 BtMG - Eilverordnung (3) Die Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, in dringenden Fällen zur Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen […] in die Anlage I bis III aufzunehmen […]. Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft. Æ MÖGLICHKEIT DER SCHNELLEN REAKTION, ABER BEFRISTET 24.11.2014 Seite 28 24.11.2014 Seite 29 Gutachten zur Regelung einer Stoffgruppenregelung (Rössner/Voit) Vorteile: „Präventive Unterstellung von Strukturvarianten Hase-Igel-Spiel würde umgekehrt Probleme: 1. Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG): Strafbarkeit muss erkennbar sein Definition von Stoffgruppen müsste eindeutig sein 2. Verhältnismäßigkeit Möglicherweise auch pharmakologisch unwirksame Substanzen betroffen Möglicherweise auch Forschungssubstanzen betroffen Forschungshindernis insbesondere für Pharmaindustrie 24.11.2014 Seite 30 Arzneimittelbegriff 24.11.2014 Seite 31 24.11.2014 Seite 32 24.11.2014 Seite 33 24.11.2014 Seite 34 Heroin (Opiate) ¾Diacetylmorphin halbsynthetisch durch Acetylierung von Morphin (gewonnen aus Papaver somniferum) ¾bräunliches Pulver, das geraucht oder injiziert wird; von 5-10%igem Straßenheroin werden 50-250 mg für einen „Schuß“ verwendet, aber auch Rauchen (Rauchopium) oder Inhalieren (Erhitzen) » Rauscheintritt innerhalb kürzester Zeit („flash“); Wirkdauer 1-4 h, dann unmittelbarer Übergang in Entzug, ¾HWZ 2-9 min, HWZ 6-Monoacetylmorphin (6-MAM) 38 min, daher Nachweis über Hauptabbauprodukt und eigentliche Wirksubstanz Morphin im Blut ca. 8-24 h, im Urin 2-3 d (Hydrolyse, da Glucuronidierung) ¾auch Codein und Dihydrocodein von Bedeutung, auch opioidhaltige Schmerzmittel (Fentanyl, Methadon, Buprenorphin, Tramadol, Tildin etc.) 24.11.2014 Seite 35 Opiate: Strukturen AcO HO O O N N H H AcO AcO Heroin 6-M onoacetylm orphin HO HO weitere Verstoffwechselung zu: Morphin-3-Glucoronid O O N NH H H Morphin-6-Glucuronid HO HO M orphin Norm orphin M eO Morphin-3,6-Glucuronid M eO O weitere Verstoffwechselung zu: Codein-6-Glucuronid O NH N H HO H HO 24.11.2014 Norcodein Codein Seite 36 Opiate: Rausch Zwei typische Rauschphasen: 1. Phase: Akute Phase: zentral dämpfende Wirkung steht im Vordergrund Auffälligkeiten: Gang schleppend und unsicher; undeutliche Sprache; insgesamt verlangsamt; begriffsstutzig; Pupillen auch bei schlechten Lichtverhältnissen sehr stark verengt, Sedierung, reduzierte geistige Aktivität, Gleichgültigkeit gegenüber äußeren Reizen, verlängerte Reaktionszeit, Stimmungsveränderungen mit Steigerung des Selbstbewußtseins, Euphorie, später auch Dysphorie sowie Angstgefühle, Hemmung des Hustenzentrums, Atemdepression, Miosis 2. Phase: nachlassende Wirkung: erste Entzugserscheinungen treten auf Auffälligkeiten: Nervosität; Unruhe; Zittern, Konzentrationsschwäche; Pupillen nicht mehr eng, sondern eher weit gestellt 24.11.2014 Seite 37 Mohnkuchenproblematik 24.11.2014 Seite 38 Heroinprojekt - Vergleich zweier Chromatogramme Heroinkonsument 1.19e6 1.10e6 M6G 1.00e6 9.00e5 Heroinkonsument Æ nur Heroinmetabolite! 8.00e5 7.00e5 6.00e5 5.00e5 4.00e5 M3G MOR 3.00e5 MAM 2.00e5 1.00e5 0.00 1 1.6e6 2 3 4 5 6 7 8 Time [min] 9 10 11 12 Straßenheroinkonsument 1.5e6 1.4e6 13 14 15 NOS 1.3e6 1.2e6 Straßenheroinkonsument Æ auch Begleitstoffe! 1.1e6 1.0e6 9.0e5 8.0e5 7.0e5 M6G 6.0e5 M3G 5.0e5 MAM C6G MOR 4.0e5 3.0e5 COD AC PAP 2.0e5 1.0e5 0.0 24.11.2014 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Seite 39 Mohnkuchen-, Heroinkonsument Chromatogramme 1.16e4 1.10e4 1.00e4 Mohnkuchenkonsument M3G 9000.00 Mohnkuchenesser ÆMorphin-, Codein und deren Glucuronide 8000.00 7000.00 M6G 6000.00 5000.00 C6G COD 4000.00 MOR 3000.00 2000.00 1000.00 0.00 1 1.6e6 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Straßenheroinkonsument 1.5e6 1.4e6 13 14 15 NOS 1.3e6 1.2e6 Straßenheroinkonsument Æ Begleitstoffe und acetylierte Opiate 1.1e6 1.0e6 9.0e5 8.0e5 7.0e5 M6G 6.0e5 M3G 5.0e5 MAM C6G MOR 4.0e5 3.0e5 COD AC PAP 2.0e5 1.0e5 0.0 24.11.2014 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Seite 40 24.11.2014 Seite 41 Cocain ¾Alkaloid aus Cocablättern; weißes, bitter schmeckendes Pulver, das geschnupft, als Lsg. injiziert o. geraucht wird ¾Einzeldosis 10-100 mg, bei Gewöhnung z.T. Tagesdosen von mehreren g ¾Wirkungseintritt innerhalb von Sekunden (i.v.) bzw. 1-2 Minuten (nasal); Rauschdauer 10-45 min ¾Cocain selbst selten nachweisbar, in der Regel Benzoylecgonin: Blut 12-24 h, Urin 2-3 d Strukturen Cocain N COOCH3 O O Cocain N COOH COOCH3 HN N O OH O Benzoylecgonin N Ecgoninmethylester COOH OH Ecgonin 24.11.2014 COOCH3 N O COOCH2CH3 O O Norcocain O Cocaethylene HN N COOCH3 OH Anhydroecgoninmethylester COOCH2CH3 O O Norcocaethylene Seite 43 Cocain – Plasmakonzentrations-Zeit-Verlauf Cocain und Benzoylecgonin nach intranasaler (i.n.) Applikation von 106 mg Cocain-HCl 24.11.2014 Seite 44 Cocain - Rauschstadien ¾Euphorisches Stadium: Euphorie, Enthemmung, Antriebssteigerung, Kontaktfreudigkeit, Selbstüberschätzung, Einschränkung der Kritikfähigkeit ¾Rauschstadium: oft negative und angsterfüllte Verkennung der Umwelt (paranoidhalluzinatorisch mit Verfolgungswahn) ¾Depressive Phase: Antriebsverlust; Müdigkeit; Erschöpfung; Reizbarkeit; Depression Nach außen hin feststellbare Wirkungsweisen: ¾Pupillenerweiterung ¾Redseligkeit ¾Ideenflucht ¾Rastlosigkeit, Bewegungsdrang ¾Euphorie (auffälliges selbstüberzeugtes und selbstsicheres Verhalten z.T. mit Aggressivität) ¾Risikobereitschaft, Doping-Wirkung ¾Schmerzunempfindlichkeit Strukturen Amphetamine CH3 NH2 Amphetamin CH3 O O 24.11.2014 R CH3 NH CH3 Methamphetamin • R = NH2 MDA = 3,4-Methylendioxyamphetamin • R = NH(CH3) MDMA = 3,4-Methylendioxymethamphetamin • R = NH(CH2CH3) MDEA = MDE = 3,4-Methylendioxyethylamphetamin Seite 46 Amphetamin und Designer-Amphetamine Rauschdosen ca. 10-50 mg Amphetamin bzw. Methamphetamin und ca. 10 – 100 mg MDMA/MDEA/MDA Halbwertzeit 4-12 (34) h für Amphetamin, ca. 9 h für Methamphetamin und ca. 7 – 25 h für MDMA/MDA/MDEA Nachweisbarkeitsdauer im Blut jeweils 6 – 24 h, im Urin 1-3 Tage; Alkalisierung des Urins führt zur Rückresorption 24.11.2014 Seite 47 Amphetamine und DesignerAmphetamine: Rausch Zwei Phasen 1. Phase: Dauer: 1-3 Stunden Auffälligkeiten: Enthemmung; Steigerung des Selbstwertgefühls; Abbau von Kommunikationsbarrieren; Euphorie; Rauschzustand mit gesteigerter Sinneswahrnehmung; erweiterte Pupillen, Blendempfindlichkeit; Unruhe; Nervosität; gewisse Reizbarkeit 2. Phase: bis 6-8 Stunden nach Einnahme Auffälligkeiten: starke Erschöpfung, Erschöpfungszustände bis zu 2 Tagen 24.11.2014 Seite 48 Badesalzdrogen / Legal Highs 24.11.2014 Seite 49 Besonders relevante Wirkstoffklassen legal Highs/Neue Psychoaktive Substanzen z z z Cathinon-Derivate („Badesalze“) Piperazin-Derivate Tryptamin-Derivate z Pyrrolidionphenone Phencyclidine Phenethylamine (2C`s) Ketamin-Analoga z Viele weitere z z z Cathinon-Derivate z z z z Cathinon: psychoaktiver Hauptwirkstoff von Khat (β-keto-Amphetamin) Wirkung ähnlich dem Kokain und Amphetamin sympathimometisch: kreislaufanregend, Körpertemperaturerhöhung psychisch stimulierend bzw. euphorisierend z High von kurzer Dauer z meist geschluckt Piperazin-Derivate z z z z z z z Benzyl/ -Phenylpiperazine Piperazin: früher Anti-Wurmmittel Stimulans, schwächer als Amphetamin häufig als Beimischung in EcstasyTabletten Puls/ -Blutdruckerhöhung Schlafstörungen, anormale Gedanken, Kopfschmerzen, Erbrechen meist geschluckt, manchmal auch geschnieft 24.11.2014 Seite 53 Produktauswahl www.land-der-traeume.de www.eve-rave.ch www.drugs-forum.com www.legal-highs.info www.drogen-forum.info Fazit Legal Highs ¾ Substanzen gelten oft fälschlicherweise als harmlos ¾ unkalkulierbare gesundheitliche Schäden ¾ Fälle mit teilweise schweren Intoxikationen bekannt ¾ Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstellungen ¾ Probleme der fehlenden Deklarierung ¾ ¾ ¾ Veränderung der Wirkstoffzusammensetzung im Laufe der Zeit Legal Highs dafür gedacht, missbraucht zu werde Verkäufer sichern sich ab mit: Toxikologie in der Rechtsmedizin: Was ? Klinische Toxikologie: ¾ Chemisch-toxikologische Analysen bei Notfällen mit Intoxikationsverdacht bzw. Verdacht des Einflusses schädlicher Umweltstoffe (Diagnosesicherung) ¾ Effizienzkontrolle klinischer Entgiftungsverfahren ¾ Therapiekontrolle bei Langzeitmedikation ¾ Differentialdiagnostische Beratungen bei Vergiftungsfällen ¾ Hirntoddiagnostik 24.11.2014 Seite 56 International Classification of Disease (ICD 10) Akute Vergiftung = Vorübergehender Zustand nach Aufnahme von Substanzen oder Alkohol mit Beeinträchtigung oder Veränderung der körperlichen und/oder psychischen Verhaltensfunktionen und Reaktionen Klinische Zeichen: Störung der Bewusstseinslage (Somnolenz bis Koma) Störung der Atemfunktion (Hypo-/Hyperventilation; Atemdepression) Störung des Elektrolyt- u. Säure-Basen-Haushaltes Störung der Herz-Kreislauffunktion (Arrhythmien, Hypo-/Hypertonie, Schock) Störung vegetativer Funktionen Klinische Symptomatik abhängig von: Dosis, Einwirkungsdauer, Einwirkungshäufigkeit, toxikoddynamischen und toxikokinetischen Eigenschaften 24.11.2014 Seite 57 Exkurs: Pharmakogenetik d 24.11.2014 Institut für Rechtsmedizin Seite 58 Stoffwechsel von Fremdstoffen Phase I: oxidative Reaktionen zur Bildung oder Freilegung funktioneller Gruppen z.B. CP-450: Phase II: Konjugierungsreaktionen, die die Metaboliten i.A. hydrophiler und dadurch leichter ausscheidbar machen UDP-Glucoronosyltransferase 24.11.2014 Institut für Rechtsmedizin Sulfotransferase Seite 59 Stoffwechsel von Fremdstoffen Genetische Variation Chemische Kanzerogenese! (SoSe) 24.11.2014 Institut für Rechtsmedizin Seite 60 Phase-I-Enzyme: CP-450 Cytochrom-P450-abhängige Monooxygenasen; ca. 60 Gene mit zahlreichen Unterfamilien beim Menschen CYP1 Familie: CYP1A1; CYP1A2; CYP1B1 CYP2 Familie: CYP2A6; CYP2A13; CYP2B6; CYP2C8; CYP2C9; CYP2C19; CYP2D6; CYP2E1; CYP2F1; CYP2J2; CYP2R1; CYP2S1; CYP2W1 CYP3 Familie: CYP3A4; CYP3A5; CYP3A7; CYP3A43 CYP4 Familie: CYP4A11; CYP4A22; CYP4B1; CYP4F2 CYP>4 families: CYP5A1; CYP8A1; CYP19A1; CYP21A2; CYP26A1 CYP1A2 Nomenklatur: http://www.cypalleles.ki.se/ 24.11.2014 Institut für Rechtsmedizin Seite 61 Phase-I-Enzyme: CP-450 Reaktionstyp 24.11.2014 Beispielverbindungen Institut für Rechtsmedizin Seite 62 Cytochrom P450 Phänotypen • Ultra-rapid-Metabolizer (UM): mehr als zwei funktionelle Kopien eines bestimmten Cytochrom P450-Gens (Duplikation) • Extensive Metabolizer (EM): zwei funktionelle Kopien eines bestimmten Cytochrom P450-Gens • Intermediate Metabolizer (IM): eine funktionelle Kopie eines bestimmten Cytochrom P450-Gens • Poor Metabolizer (PM): keine funktionelle Kopie eines bestimmten Cytochrom P450-Gens (Gendeletion) 24.11.2014 Institut für Rechtsmedizin Seite 63 Cytochrom P450 Phänotypen Aktive Droge UM Effekt EM Effekt PM Effekt UM Inaktives Prodrug EM PM 24.11.2014 CYP450 CYP450 CYP450 CYP450 CYP450 CYP450 Metabolit 1 (inaktiv) Metabolit 1 (inaktiv) kein Metabolismus (Überdosis!) Metabolit 1 (aktiv) erhöhter Effekt Metabolit 1 (aktiv) Metabolit 1 (inaktiv) kein Metabolit 1 kein Effekt Institut für Rechtsmedizin Seite 64 Cytochrom P450 Polymorphie Beispiele CP-450 Substrat (Wirkstoffe) Beispiele für Auswirkungen genetischer Variation CYP2C9 NSAI, Warfarin, Tolbutamid, Phenytoin Erhöhte Antikoagulation von Warfarin CYP2C19 Omeprazol, Mephenytoin Peptischer Ulcus nach Omeprazol CYP2D6 Antidepressiva (z.B. Erhöhte AD-Toxizität, verringerte Notriptylin), Codein, β-Blocker Kodein-Analgesie CYP3A4 /3A5/ 3A7 Cyclosporin, Tacrolimus, Calciumkanalblocker, Terfenadin, Etoposid, Lovastatin, Tamoxifen, Steroide 24.11.2014 Institut für Rechtsmedizin Reduzierte Wirsamkeit von Tacrolimus nach Organtransplantationen Seite 65 Cytochrom P450 Phänotypen Beispiel CYP2D6 PM IM EM UM UM Gabe von Notriptylin mögliche Toxizität mögliche therapeutische Schwelle Stunden 24.11.2014 Institut für Rechtsmedizin Seite 66 Mögliche Toxidrome » M-cholinerges Syndrom (muscarinerge Cholinorezeptoren) mit Stuhl- und Harnabgang, Miosis, Bradykardie, Erbrechen, erhöhtem Tränen- und Speichelfluss (z.B. Alkylphosphate) » N-cholinerges Syndrom (nikotinerge Cholinorezeptoren) mit Tachykardie, Hypertonie, fibrillären Zuckungen, Paralyse, gastrointestinale Krämpfe, Bronchokonstriktion, Faszikulation und Schwäche, Emesis (z.B. Organophosphate oder Carbamat-Insektizide, Physostigmin, Nicotin, Muskelrelaxantien) » Anticholinerges Syndrom mit trockener Haut, Hyperthermie, Durst, Schluckbeschwerden, red. Magen-Darm-Motilität und Darmgeräusche, Mydriasis, Tachykardie, Hypertonie, Arrrythmien, Harnverhaltung, zerebralen Krampfanfällen, Halluzinationen, Atembeschwerden, Patienten sind oft agitiert und wach mit murmelnder Sprache, Hyperkinesien v.a. Arme, Beine und Gesichtsmuskulatur. (z. B. Atropin, Antidepressiva, Neuroleptika, Antiparkinsonmittel, Antihistaminika) 24.11.2014 Seite 67 Mögliche Toxidrome » Adrenerges Syndrom mit zentraler Stimulation, Schwitzen, Tremor, Hyperthermie, Krämpfen, Hypertonie, Tachykardie, Verwirrtheit und z.T. Paranoia (z.B. Amphetamine / Ecstasy, Badesalzdrogen, Cocain, Ephedrin, Theophyllin) » Narkotisches Syndrom mit zentraler Dämpfung, Atemdepression, Miosis Lungenödem, Bradykardie, Hypotonie, Harnverhaltung, Hyporeflexie (z. B. Opioide) » Entzugssyndrom mit Diarrhö, Mydriasis, Gänsehaut, Tachykardie, Tränenfluss, Gähnen, Krämpfen, Halluzinationen (z. B. Alkohol- oder Opiatabhängigkeit) 24.11.2014 Seite 68 Ursachenspektrum gem. Giftinformationszentrale nicht identifiziert sonstige Pflanzen/Pilze Tiere Chem. sonstige Drogen Kosmetika Pestizide Chem. Haushalt Chem. gewerblich Arzneimittel Fälle pro Jahr 0 24.11.2014 5000 10000 Seite 69 Erstversorgung: Fünf-Finger-Regel 1. lebensrettende Basismaßnahmen (Sicherung Atem- und Kreislauffunktion) 2. Giftelimination 3. Antidot-Therapie 4. Asservierung 5. Transport 24.11.2014 Seite 70 Therapie - Elementarhilfe • primäre Therapie ist symptomatisch • Sekundäre Therapie ist spezifisch • ABC Regeln: Atemwege freimachen Beatmung (Wiederherstellung der Atmung) Circulation: Reanimation bei Herzstillstand • DEF Regeln: Drugs: Behandlung mit Infusion, Adrenalin, Antidoten EKG: Asystolie/Herzflimmern (De)Fibrillation • Bei Krämpfen Diazepam i. v. • Wärmeschutz bei Gefahr der Unterkühlung (z. B. Alkohol) • Kliniktransport nur in stabiler Seitenlage 24.11.2014 Seite 71 Orale Giftaufnahme • keine Flüssigkeitsaufnahme, wenn Gefahr bestehen könnte (kein Erbrechen auslösen !) • Milch und Alkohol beschleunigen die Resorption • “Einflößen” in Rückenlage führt zu Erbrechen u. Aspiration • nach Verätzung kann reflektorischer Kehldeckelverschluß beeinträchtigt sein (Flüssigkeit kann im Oesophagus verharren) • stabile Seitenlage mit Kopftiefstellung; u.U. Reinigung der Mundhöhle • Mund-zu-Mund-Beatmung mit Verstand (Selbstvergiftung; Lungenüberblähung) 24.11.2014 Seite 72 Minderung der Giftresorption • Magenspülung nur innerhalb der ersten Stunde(n), bei Bewusstseinsstörung nur nach Intubation Kontrainduziert bei Säuren- und Laugenverletzung Ultima ratio bei nicht beherrschbaren Vergiftungen • Selten notwendig: Induziertes Erbrechen Kontrainduziert bei Bewusstseinsstörung, Krampfanfall, Vergiftungen mit Säuren, Laugen oder Schaumbildnern und org. Lösungsmitteln wegen Aspirationsgefahr • Obsolet: Trinken hypertoner Kochsalzlösung, Apomorphin (Nebenwirkungen: anhaltendes Erbrechen, Atemdepression, RR-Abfall und Schock, Kreislaufversagen, zentrale Erregung mit Euphorie und Krämpfen) 24.11.2014 Seite 73 Minderung der Giftresorption • evtl. Sirup Ipecacuanha zum induzierten Erbrechen - Reflex-Emetikum durch Irritation der Magenschleimhaut - Nebenwirkungen: anhaltendes Erbrechen, Diarrhoe, bei Resorption kardiovaskuläre Nebenwirkungen bis Schock • Aktivkohle als Mittel der Wahl - Adsorptionsfläche von 1000-2000 m2 pro Gramm - Bindet große Zahl von Giftstoffen: unwirksam bei Ethanol/Methanol/Ethylenglykol, Schwermetallen, org. Lösungsmitteln, starken Säuren/Laugen - Initial 1-2 g/kg KG - Laxantien dazu: 20-30 g = 2 Esslöffel Glaubersalz = Natriumsulfat - Vorteile: ohne spez. Infrastruktur einsetzbar, gute Wirksamkeit, risikoarm, repetitiv auch zur sek. Giftelimination - Ebenso wirksam wie Magenspülung oder induziertes Erbrechen 24.11.2014 Seite 74 Beschleunigung der Giftelimination • Giftelimination aus dem Gewebe schwer erfassbar, daher Messung im Blut; cave: Nachströmen aus dem Gewebe, daher Elimination schlecht bei Substanzen, die sich im Gewebe anreichern • Steigerung der Elimination über den Darm (Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufes) z.B. tricyclische Antidepressiva o. Digitoxin: werden über Galle ausgeschieden und im Darm rückresorbiert Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufes durch Gabe von Aktivkohle, Colestyramin 24.11.2014 Seite 75 Beschleunigung der Giftelimination • Steigerung der Elimination über die Niere (forcierte Diurese) - Vermehrte Harnproduktion: Ziel sind 8-12 L/Tag durch Infusion entsprechender Mengen an Elektrolytlösung, Flüssigkeit und Schleifendiuretika (Furosemid) - Normalerweise 180 L Primärharn/Tag, mehr als 99 % werden rückresorbiert - Anwendung bei Substanzen, die primär renal eliminiert werden (Salicylsäure, Ethylenglykol, Methanol) - Zusätzliche Alkalisierung bei sauren Giftstoffen (Salicylate, Phenobarbital) durch Natriumbicarbonat - Ansäuern bei basischen Giftstoffen (Opioide, Amphetamine) durch Gabe von NH4Cl, Arg-HCl, Lys-HCl • Steigerung der Elimination über die Lunge - Bei leicht flüchtigen Verbindungen (CO, Tetrachlorkohlenstoff, Dichlormethan) - Beatmung mit 5-8 % CO2, durch Ansäuerung (resp. Azidose) Steigerung des Atemminutenvolumens von 6-8 L auf 25 L/min 24.11.2014 Seite 76 Beschleunigung der Giftelimination Steigerung der Elimination über extrakorporalen Kreislauf Hämodialyse • Mittels Dialysator: Blut wird durch feines System aus Kunsstoffkapillaren geleitet, die von Dialysierflüssigkeit umspült wird • Beim Transport durch Kapillaren gibt Blut über semipermeable Membran Wasser und niedermolekulare Substanzen ab • Diese Bestandteile treten in Spülflüssigkeit über und werden aus Blut entfernt • Besser, je kleiner das Molekulargewicht, geringer die Eiweissbindung, geringer das Verteilungsvolumen: z.B. Methanol, Ethanol, Ethylenglykol, Isopropanol, Salicylaten, Lithium Hämoperfusion • Prinzip Adsorption: Blut durchströmt Kapsel mit beschichteter Aktivkohle oder Austauscherharz • geeignet auch für lipophile, nicht dialysable Gifte mit hoher Eiweissbindung • Um eine mögliche Hypoglykämie zu vermeiden, sollte vor der Hämoperfusion eine Vorspülung der Kartusche mit 5 %iger Glucoselösung erfolgen. Plasmapherese 24.11.2014 • Blutentnahme, Entfernung der Plasmaproteine, Retransfusion der Zellen • bei sehr großer Plasmaeiweissbindung > 90 % Seite 77 Antidottherapie • Dekorporierungsantidote - Gehen mit Giftstoff oder Metaboliten eine chem. Bindung ein - Entstehung eine Komplexes mit stark verminderter Toxizität - Chelatbildner, MetHb-Bildner (4-Dimethylaminophenol) • Funktionelle Antidote - Substanzen, die die Wirkung des Giftstoffes hemmen, z.B. durch Rezeptorblockade oder Verhinderung der Bioaktivierung - z.B. Vit. K, Ethanol bei Methanolvergiftung, Naloxon bei Opiaten, Atropin bei Organophosphaten 24.11.2014 Seite 78 Antidota 24.11.2014 Antidot Gift Atropin Alkylphosphate Toxogonin Alkylphosphate DMAP Cyanide Na-Sulfat Cyanide Diazepam Chloroquin Ethanol Methanol Haloperidol Cocain, Amphetamine Silibinin Amanitin Obidoxim Parathion etc. Digitalisantitoxin Digitalis Toluidinblau MetHb-Bildner Auxiloson Reizstoffe Kohle Metalle N-Acetylcystein Paracetamol, Acrylnitril Naloxon Opiate Seite 79 24.11.2014 Seite 80 Aber auch viele andere zentral wirksame Arzneimittel und Drogen 24.11.2014 Seite 81 Liquid Ecstasy (GHB) • bei 0,5-1,5 g dominiert stimulierender Effekt (anxiolytisch, leicht euphorisierend und sozial öffnend, allerdings mit motorischen Beeinträchtigungen) • bis ca. 2,5 g Stimmungs- und Antriebssteigerung, u.U. tritt eine aphrodisierende Wirkung hinzu • in höheren Dosen wirkt GHB stark einschläfernd, Überdosierungen können zu plötzlichem narkotischem Schlaf führen, aus dem die betreffende Person kaum zu wecken ist • GHB-Überdosen (d.h. Dosen, die zu einer unerwünschten Narkose führen) sind physiologisch verhältnismäßig unproblematisch, solange kein Mischkonsum mit anderen Drogen vorliegt • gefährlich ist Kombination mit Alkohol, atemdepressiv wirkenden Medikamenten oder Benzodiazepinen (Übelkeit und Erbrechen mit Aspiration und Erstickungstod; lebensbedrohliche Atemdepressionen und Herzrhythmusstörungen) 24.11.2014 Seite 82 GBL • Kein BtM • GBL wird nach oraler Aufnahme schneller resorbiert als GHB, so dass der Plasmaspiegel von GHB bei der Einnahme von GBL schneller ansteigt als bei Einnahme von GHB selbst (flash, Kick) • Plasmahalbwertszeit von GBL beträgt auf Grund rascher Metabolisierung zu GHB weniger als 60 sec., d.h. 5 min nach der Einnahme von GBL sind im Körper nur noch etwa 3 % GBL vorhanden • 1. 2. 3. Nachweis von GHB: Problem: endogene Substanz GC/MS oder LC/MS-MS in Blut oder Urin, Sondermethode: nur bei Verdacht Nachweis nur max. 12 h möglich Æ Opfer melden sich zu spät bei Polizei 24.11.2014 Seite 83 Für Kinder gefährliche Pflanzen Atropa Belladonna Tollkirsche Atropin/Scopolamin: M-cholino-Rezeptoragonist 24.11.2014 Seite 84 Für Kinder gefährliche Pflanzen Taxus baccata Europäische Eibe • älteste Pflanze in Europa • Samen und restliche Bestandteile sehr giftig • Samenhülle nicht giftig • Taxane: Zytostatika Wirkung: zuerst zentral erregende, später aber zentral lähmende Wirkung (Atmung) Herz: initiale Beschleunigung des Pulses, dann extreme Bradykardie 1 - 2 Stunden nach der Einnahme Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Leibschmerzen, Krämpfe, Absinken der Körpertemperatur und eine rote Färbung der Lippen, erweiterte Pupillen, Bewusstseinsstörungen bis zur Bewusstlosigkeit, oberflächliche Atemzüge, Tod innerhalb 1,5 und 24 Stunden auf. 24.11.2014 Seite 85 Verwechslungen Convallaria majalis Maiglöckchen Colchicum autumnale Herbstzeitlose • Colchicin • Mitose-Hemmstoff • Einsatz bei akutem Gichtanfall • Nephrotoxizität, Durchfall 24.11.2014 Convallatoxin herzwirksames Glykosid Übelkeit, Durchfall, Herzrhythmusstörungen, Schwindel und Brustbeklemmung Allium ursinum Bärlauch Seite 86 Verwechslungen alpha-Amanitin Amanita phalloides Grüner Knollenblätterpilz 24.11.2014 • hemmt Transkription (mRNA-Synthese) durch Hemmung der RNA-Polymerase II • Verlust von Enzymen, Strukturproteinen zur Lipoproteinsynthese • nicht leberspezifisch, aber gerade dort dramatisch, da bedeutende Proteinsynthese und Penetration in Hepatocyten • Durchfall, Leberversagen • 30 g Pilz können tödlich sein • Letalität bei 20 %, Latenz: 6-48 h • Antidot: Silibilin aus Mariendistel • Zellmembran-stabilisierenden Eigenschaften: Aufnahme der Amatoxine in die Leberzellen wird erschwert und ihr enterohepatischer Kreislauf unterbunden Seite 87 Atemgifte - CO • farb- und geruchlos • entsteht bei unvollständiger Verbrennung organischer Materialien, ist in Autoabgasen enthalten und kann auch bei unvollständiger Verbrennung von Erdgas oder Propangas entstehen, • kann bei vergleichsweise geringen Raumluftkonzentrationen (um 0,1 %) vor allem bei älteren oder herzkranken Personen zu letalen Intoxikationen kommen, wobei Raumluftkonzentration und Sauerstoffverbrauch (Schlaf oder Arbeit) die Dauer bis zum Eintreten bestimmen (Minuten- bis Stundenbereich). • Brandleichen: erhöhte COHb-Konzentration neben Rußeinatmungen wichtigstes Vitalzeichen. Fehlen einer Gaseinatmung spricht für ein Ableben vor der Brandentstehung Æ Leichenbeseitigung 24.11.2014 Seite 88 Atemgifte - CO 300fach höhere Affinität zum Hb als Sauerstoff Atemgifte - CO COHb Wirkungsbild 10-20 % leichter Kopfschmerz, Mattigkeit, Unwohlsein, Herzklopfen 20-30 % Schwindel, Bewusstseinseintrübung 30-40 % Bewusstseinschwund, Atemverflachung, Kreislaufkollaps 40-60 % tiefe Bewusstlosigkeit, Lähmung 60-70 % Tod 24.11.2014 Seite 90 Quellen von Blausäure • Tabakrauch: erhöhte Cyanidkonzentrationen im Blut des Rauchers (durchschn. 0,04 mg/l i Vgl. zu 0,015 mg/l bei Nichtrauchern) • cyanogene Glykoside oder Nitrile in Bittermandeln - Amygdalin mit 0,05-0,1 % an gebundenen HCN-Anteilen - Auch in geringeren Konzentrationen in Aprikosen-, Pfirsich-, Pflaumen- Kirsch-, Apfel- und Birnenkernen. - Freisetzung erfolgt durch Bakterien im Magen-Darm-Trakt oder durch Enzyme, die von den entsprechenden Pflanzen selbst gebildet werden. Da diese Enzyme nur extrazellulär vorkommen, werden sie durch mechanische oder chemische Zerstörung der Zellwände freigesetzt. - tödliche Dosis bei Kindern 5-10 Mandeln, bei Erwachsenen 60 Mandeln • synthetisches Amygdalin ("Laetril") wird im Internet zur Krebsbehandlung empfohlen • Peroral aus ihren Salzen KCN (Zyankali), Ca(CN)2 und NaCN - im Magen durch Einwirkung von Salzsäure freigesetzt. - in grossen Mengen in der metallverarbeitenden Industrie, chemischen Laboratorien und als Schädlingsbekämpfungsmittel verfügbar • Acetonitril: Freisetzung des Cyanid-Ions nach Inhalation oder perkutaner Aufnahme • Natriumnitroprussid: das Antihypertonikum enthält pro Molekül fünf Cyanid-Ionen, von denn im Körper vier frei werden. Toxische Cyanidspiegel können nach Überdosierung erreicht werden. 24.11.2014 Seite 91 Blausäure und Cyanide Wirkmechanismus • Angriff auf die Atmungskette: Blockade der Cytochromoxidase durch Bindung an dreiwertiges Eisen • Utilisation des Sauerstoffs aus Hämoglobin wird gehemmt • Weiterhin: Hemmung von Enzymen mit Metallionen Blausäure und Cyanide Wirkung: • bei bei inhalativer Aufnahme innerhalb weniger Sekunden, • bei niedrigerer Dosierung (grundsätzlich auch nach peroraler Aufnahme) Atemnot, Schwindel, Erbrechen, Tachykardie, Krämpfen und ggf. Atemstillstand und Tod nach 15-60 min • Bei genügend hoher Dosis (1-2 mg/kg Körpergewicht) nach Inhalation: Krämpfe, Atemstillstand nach Sekunden • Laktatazidose • Intrazellulärer Sauerstoffmangel und Erstickung auf zellulärer Ebene • Entgiftung: • intrazellulär zu 80 % durch Kopplung an Schwefel (langsam und begrenzt !) über das Enzym Rhodanase zum ungiftigen Thiocynanat Æ renale Ausscheidung • Grund für das Ausbleiben einer chronischen Vergiftung bei langfristiger Aufnahme geringer Dosen Therapie: • Schwefelsubstitution (Na2S2O3) • MetHb-Bildung, z.B. durch 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP) 24.11.2014 Seite 93