Echte Jobs in der virtuellen Welt
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Echte Jobs in der virtuellen Welt
_BERUF Echte Jobs in der virtuellen Welt Foto: Duncan Smith/Corbis Second Life. Unternehmen gehen seit einiger Zeit auch in der 3-D-Onlinesimulation Second Life auf Personalsuche. Hier erfahren Sie, was dahintersteckt und worauf sich Bewerber bei der virtuellen Jobsuche einlassen müssen. Das Schild, das da hoch über dem blauen Glasgebäude schwebt, ist schon von Weitem gut zu erkennen. In dicken Lettern steht darauf, welchem Zweck der futuristische Bau dient: „IBM Germany Recruitment Center“. Hier, angesiedelt auf einer künstlichen „Insel“ in der Multiplayer-Online-Welt von Second Life, will die deutsche Niederlassung des amerikanischen IT-Konzerns Leute anwerben. Wohlgemerkt: echte Menschen aus Fleisch und Blut, die draußen in der Originalwelt an realen Arbeitsplätzen ihrem Broterwerb nachgehen sollen. „Real Life“-Jobs werden solche Angebote in Second Life genannt, um sie von den vielen anderen Jobs zu unterscheiden, denen die Nutzer mit ihrem virtuellen Stellvertreter („Avatar“) innerhalb des geschlossenen Mikrokosmos der Online-Community nachgehen können. Im Frühjahr dieses Jahres eröffnet, ist das IBM-Zentrum zur Personalbeschaffung nur eine von mehreren Dependancen des Unternehmens in Second Life. Mehr als zehn Millionen US-Dollar hat der weltweit agierende Elektronik- und Softwareriese in seine virtuellen Niederlassungen investiert. Einige davon sind für normale Second-Life-User gesperrt, weil das Unternehmen verschiedene innerbetriebliche Kommunikationsprozesse dorthin ausgelagert hat: Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen halten in den Pixelbauten 3-DOnline-Konferenzen ab, finden sich zur Teamarbeit oder Weiterbildungen zusammen. Sprechstunden und Events Wer sich mit so viel Aufwand in der Kunstwelt von Second Life engagiert, so darf man annehmen, meint es dann auch in Sachen virtuelles Personal-Recruiting ernst. „IBM arbeitet in Deutschland intensiv an den Themen virtuelle Welten und 3-D-Internet“, sagt Christoph Grandpierre, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor bei der IBM Deutschland GmbH. „Auch für den Personalbereich bietet die nächste Evolution des Internets eine hervorragende Kommunikationsplattform, um mit Interessenten in Kontakt zu kommen und zu informieren.“ Im von IBM-Studenten im Rahmen ihrer Ausbildung programmierten RecruitmentCenter finden dementsprechend regelmäßig Sprechstunden und Events statt, auf denen der Konzern über Praktika, Diplomarbeiten und sonstige Karrieremöglichkeiten innerhalb des Unternehmens informiert. Wer bei einer solchen Gelegenheit lieber ungestört von Avatar zu Avatar mit einem IBM-Personalreferenten plaudern möchte, erhält eine Einladung in eine für andere Besucher gesperrte Gesprächsplattform hoch über dem Center, in der man dann unter sich ist. An Informationspulten und über interaktive Schaltflächen können Jobinteressierte zudem auch außerhalb der Veranstaltungszeiten Informationen abfragen oder sich in die Mailingliste des „IBM Career Club Germany“ eintragen, die über Veranstaltungen und Vorträge über Personalthemen im virtuellen Center wie auch in den echten IBMNiederlassungen in Deutschland informiert. Technikkundige Kandidaten gesucht Jens Poppe, Recruiting-Koordinator im IBMEntwicklungszentrum in Böblingen, ist sich sicher, dass sich das Engagement des Unternehmens in Second Life auszahlen wird: „Der größte Nutzen, den wir aus dem Recruitmententer in Second Life ziehen, ist, dass wir hier sehr direkt auf unsere Zielgruppe zugreifen können. Das heißt, Avatare oder Personen, die Sparbuch Magazin 119 in Second Life aktiv sind, sind für Internet und Technik aufgeschlossen. Das sind genau die Leute, die wir suchen.“ Dass nach dem virtuellen Kennenlernen dennoch der persönliche Kontakt stehen muss, steht für ihn dabei außer Frage. Echte Bewerbungsgespräche oder gar Gehaltsverhandlungen führt man letztlich auch bei IBM nicht mit Avataren, sondern nur im richtigen Leben. Ohne echte Welt geht nichts Ähnliches gilt auch für die wenigen anderen Firmen, die ihr Informationsangebot im „zweiten Leben“ ebenfalls um Jobofferten ergänzt haben. So bietet etwa die Unternehmensberatung PA Consulting in einer eigenen Second-Life-Dependance gleichermaßen Informationen und Events zum Thema Karrieremöglichkeiten an. Während der Veranstaltungen zu einem Vorstellungsgespräch antreten kann jedoch nur, wer bereits zuvor mit dem Unternehmen auf andere Weise, etwa per EMail, in Kontakt getreten ist. Die Personalmarketingagentur TMP Worldwide wiederum ging noch einen Schritt weiter, als das Unternehmen jüngst zwei Karrieremessen in Second Life organisierte. Neun namhafte Unternehmen, darunter Ebay, EMC, Hewlett-Packard, Microsoft, T-Mobile und Verizon, beteiligten sich mit eigenen Pavillons an den Veranstaltungen, die auf der TMP-eigenen virtuellen Insel stattfanden. Als Avatar dabei sein durfte nur, wer im echten Leben bereits Bewerbungsunterlagen eingereicht und erfolgreich eine Vorauswahl überstanden hatte. Das Treffen im virtuellen Raum diente dementsprechend nur einem ersten Kennenlernen, wie Udo A. Völke, Deutschland-Geschäftsführer von TMP, betont: „Bewerbung und erste Vorauswahl finden außerhalb von Second Life statt. Wir nutzen die Messe dann, um ein erstes Treffen zwi- schen dem Kunden und dem Kandidaten zu ermöglichen. Insofern fallen Bewerbungen nur im Rahmen der Veranstaltungen an.“ Die Fokussierung auf einzelne RecruitingTermine ist ein Merkmal, das die Bemühungen fast aller Firmen kennzeichnet, die in Second Life Personalsuche betreiben. Zugleich ist damit auch die Schwachstelle des Konzeptes benannt. Denn noch ist es so, dass sich außerhalb der Veranstaltungszeiten in den meisten virtuellen Firmenniederlassungen so gut wie nichts abspielt. Wer mit seinem Avatar nicht zufällig in ein Info-Event oder eine Personalmesse stolpert, trifft bei IBM beispielsweise am Empfangsdesk des Recruitment-Centers im besten Fall einen Roboter („HelpBot“) an, der dem Jobinteressierten ein paar elektronische Infokärtchen von eher dürftigem Informationswert zusteckt. Ansonsten ist der vorherrschende Eindruck: gähnende Leere. Hier und da stehen ein paar Infoterminals herum, Tipps für die Jobsuche Leben im zweiten Leben So funktioniert Second Life Wer in Second Life auf Jobsuche gehen will, kann dafür die eingebaute Suchmaske des Programms zu Hilfe nehmen. Wichtig dabei: Die Sucheingabe sollte sich aus mehreren Wörtern zusammensetzen, also nicht einfach nur einen einzelnen Begriff wie „Job“ oder „Jobs“ umfassen. Die Trefferliste fällt sonst sehr umfangreich aus und enthält darüber hinaus eine Vielzahl an unbrauchbaren Ergebnissen. Bedacht werden sollte zudem, dass die „Amtssprache“ in Second Life Englisch ist. Als Suchbegriffe sollten deshalb auch englischsprachige Wörter zum Einsatz kommen. Darüber hinaus bietet auch eine normale Internetsuche, etwa über Google, die Möglichkeit, Firmen zu finden, die in Second Life Personalsuche betreiben. Auch hier sollten bei der Suche mehrere Begriffe (zum Beispiel „Second Life“ und „Real Life Jobs“) miteinander kombiniert werden. Bisweilen generiert eine solche Suche Treffer, die einen TeleportLink zu der jeweiligen Firma enthalten: Gibt man diese mit „slurl.com“ beginnende Internetadresse ein, öffnet sich ein Browserfenster, über das man sich – ein installiertes Second Life vorausgesetzt – an den jeweiligen Ort in Second Life „teleportieren“ lassen kann. Second Life ist eine von der amerikanischen Softwarefirma Linden Lab entwickelte 3-DWeltsimulation, in der Menschen mithilfe virtueller Stellvertreter, sogenannter Avatare, interagieren und miteinander kommunizieren können. Die seit 2003 über das Internet zugängliche Kunstwelt verfügt zudem über einen eigenen Handels- und Wirtschaftskreislauf mit eigener Währung (Linden-Dollar), die unter anderem über die Second-Life-Homepage (www.secondlife.com) in US-Dollar getauscht werden kann. Das Second-Life-Universum, kurz auch „Grid“ genannt“, besteht aus einer Vielzahl von Quadraten („Sims“), die von den Benutzern gekauft und mittels einer eigenen Programmiersprache den eigenen Vorstellungen entsprechend bebaut und ausgestattet werden können. Derzeit weist die Second-Life-Website knapp neuneinhalb Millionen Mitglieder aus. Selten jedoch sind mehr als 40.000 Nutzer gleichzeitig online. Ailin Gräf war bereits in der Startphase darunter. Ihr Avatar Anshe Chung machte die Internetunternehmerin auch im echten Leben zur Millionärin. Gräf gehören Schätzungen zufolge zehn Prozent des Territoriums in Second Life. Der Einstieg in Second Life gestaltet sich für den Anfänger nicht ganz unkompliziert, ausreichende Computerkenntnisse sollte man deshalb mitbringen. Der Zugang in die virtuelle Welt erfordert zunächst eine einmalige und für die Nutzung der Grundfunktionen kostenlose Registrierung unter www.secondlife. com. Verlangt werden neben einer gültigen E-Mail-Adresse auch diverse persönliche Daten. Zudem lässt sich bereits hier die Grundfigur („Avatar“) auswählen, mit der man sich fortan durch die 3-D-Welt von Second Life bewegen will – vom unscheinbaren „Boy Next Door“ über das „Cybergoth Girl“ bis zum Nightclub-Tänzer reicht hier die Palette. Nach Eingabe aller Daten muss das Anmeldekonto noch durch Anklicken eines Aktivierungslinks in einer an die angegebene Adresse verschickten E-Mail freigeschaltet werden. Danach gilt es, die für den Rechner – PC oder Mac – passende Software herunterzuladen und zu installieren. Anschließend steht dem Ausflug ins zweite Leben nichts mehr entgegen, allerdings erfordert auch die Bedienung des Avatars Einarbeitung, bevor man sich wirklich zielsicher durch die virtuelle Welt bewegen kann. 120 Sparbuch Magazin • 01_2008 _BERUF die auf Knopfdruck eine Powerpoint-Präsentation starten: etwa vier inhaltsleere Folien zum Thema Business Jobs, deren letzte auf die Website von IBM verweist – zurück in die alte, die echte Informationswelt also. Vieles dient eher der Imagepflege Vergleichbar die Erfahrungen, die der jobsuchende Avatar bei PA Consulting machen kann. Im Prinzip habe man 24 Stunden am Tag geöffnet, sagt Claus Nehmzow. „Der Empfang ist bei uns fast ständig besetzt, gelegentlich gibt es noch einige unbesetzte Stunden, wir versuchen das aber zu füllen.“ Was nun der Reiz am Umherstreifen in menschen-, sorry: avatarleeren 3-D-Firmenräumlichkeiten sein soll, deren inhaltliches Angebot dem Informationswert der Unternehmenswebsite um Längen hinterherhinkt, erschließt sich dem potenziellen Bewerber auch bei Anwesenheit eines Portiers nicht wirklich. Echte Jobs in Second Life Technische Voraussetzungen Captum Personalberatung http://slurl.com/secondlife/ Apfelland%20Park/204/181/24 PC: mindestens 800-MHz-Pentium-III-Pro- IBM http://slurl.com/secondlife/ IBM%20Boeblingen%20Lab/70/230/22 Jobs.de http://slurl.com/secondlife/ Germania%20Prime/129/152/26 PA Consulting http://slurl.com/secondlife/ PAconsulting/119/145/26 Randstad http://slurl.com/secondlife/ randstad/50/100/50 Fotos: Coneyl Jay/Corbis Dass so manches, was in der bunten 3-DWelt aus Bits und Bytes als Personalrecruiting verkauft wird, denn auch eher der Imagepflege oder der Steigerung der Markenbekanntheit dienen soll, bestätigt ganz unumwunden Alexandra Schiekofer, PR-Managerin des Stellenvermittlers JobScout24 GmbH. Seit März dieses Jahres unterhält das Unternehmen mit seinem Ableger Jobs.de einen eigenen Glaskubus in Second Life. Neben Second-Life-Jobs für Anfänger und Fortgeschrittene hängen dort an einer Pinnwand auch echte Jobausschreibungen aus. Das Angebot allerdings umfasst nur einen Bruchteil der über die Website vermittelten Stellen. Was Wunder, dass auch hier der Klick auf einen der Pixelzettel wieder ins Internet und auf die Website der ausschreibenden Firma führt. Man könne mit der Präsenz in Second Life eine neue Zielgruppe erschließen und so eine höhere Reichweite für das eigentliche Stellensuchportal im Internet generieren, Softlab Group http://slurl.com/secondlife/ Softlab%20Group%2001/129/40/23 sagt dazu Schiekofer. Und: „Für uns als junge Marke ist Second Life die perfekte Plattform für gezieltes Branding. “ Zweite Welt nur zweite Wahl Nicht nur solche Aussagen legen am Ende nahe, dass zumindest nach dem derzeitigen Stand der Dinge die zweite Welt für die Stellensuche wohl eher nur zweite Wahl ist. Neben dem Aufwand, den potenzielle Jobkandidaten beim erstmaligen Einstieg in die virtuelle Welt betreiben müssen, sind auch die Aussichten, in der für den Einsteiger verwirrenden Kunstwelt wirklich fündig zu werden, eher gering. Wer eine Anstellung sucht und nicht bereits aus anderen Gründen in Second Life aktiv ist, sollte deshalb besser im Hier und Jetzt Ausschau halten. Zeitung und Internet bieten mit ihren klassischen Stellenmärkten den deutlich einfacheren und wohl auch kürzeren Weg zum nächsten Job in der echten Welt.쐍 zessor mit 256 MB Arbeitsspeicher und installiertem Windows XP (inkl. Service Pack 2) oder Windows 2000 (inkl. Service Pack 4); Windows Vista wird derzeit nicht unterstützt. Mac: mindestens 1-GHz-Rechner mit 512 MB Arbeitsspeicher und installiertem Mac OS X 10.3.9 Linux: Voraussetzungen wie für WindowsPC, die entsprechende Second-Life-Software befindet sich jedoch zurzeit noch in einem frühen Entwicklungsstadium (Alpha-Version). Grafikkarte: Nicht jede Grafikkarte genügt den Anforderungen von Second Life. Infos dazu, ob die eigene Karte geeignet ist, unter: www.secondlife.com/corporate/sysreqs.php Internetzugang: per DSL oder Kabel; Einwahlzugänge per Modem werden nicht unterstützt. TMP Worldwide http://slurl.com/secondlife/ TMP%20Worldwide/179/79/26 Sparbuch Magazin 121