Kein Erlass von Antidumpingzoll aufgrund der

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Kein Erlass von Antidumpingzoll aufgrund der
FG München, Urteil v. 25.06.2014 – 14 K 2171/12
Titel:
(Kein Erlass von Antidumpingzoll aufgrund der Wiederausfuhr der Ware)
Normenketten:
Art 239 Abs 2 ZK
Art 239 Abs 2 EWGV 2913/92
Art 236 ZK
Art 236 EWGV 2913/92
Art 203 ZK
Art 203 EWGV 2913/92
Art 204 ZK
Art 204 EWGV 2913/92
Art 899 Abs 1 ZKDV
Art 899 Abs 1 EWGV 2454/93
Art 899 Abs 2 ZKDV
Art 899 Abs 2 EWGV 2454/93
Art 900 ZKDV
Art 900 EWGV 2454/93
Art 905 ZKDV
Art 905 EWGV 2454/93
Art 4 Nr 10 ZK
Art 4 Nr 10 EWGV 2913/92
Art 1 Abs 1 EGV 384/96
Art 20 Abs 3 Buchst g ZK
Art 20 Abs 3 Buchst g EWGV 2913/92
Orientierungsätze:
1. Aus Art. 905 ZK-DVO ergibt sich, dass die Erstattung von Einfuhrabgaben von der Erfüllung
zweier kumulativer Voraussetzungen abhängt, nämlich erstens vom Vorliegen eines besonderen
Falls und zweitens vom Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit und betrügerischer Absicht des
Beteiligten. Die Generalklausel findet insbesondere Anwendung, wenn es angesichts des
Verhältnisses zwischen Wirtschaftsteilnehmer und Verwaltung unbillig wäre, den
Wirtschaftsbeteiligten einen Schaden tragen zu lassen, den er bei rechtem Gang der Dinge nicht
erlitten hätte.
2. Bei den Vorschriften, die nach Art. 203 bzw. Art. 204 ZK zur Entstehung einer Zollschuld führen,
handelt es sich um vom Wirtschaftsgedanken losgelöste Sanktionstatbestände, die durchaus auch
auf Waren erhoben werden können, die das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen haben, was in
gleicher Weise für die nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK als sonstige zolltarifliche Maßnahmen zu
erhebenden Antidumpingzölle gilt, die nach Art. 1 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 384/96 auf jede Ware
erhoben werden können, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den
zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft eine Schädigung verursacht.
3. Die Wiederausfuhr einer bei der Einfuhr mit Antidumpingzoll belegten Ware, die bei der Ausfuhr
als Gemeinschaftsware deklariert wird, führt genauso wie beim Zoll nicht zum Erlöschen der
Zollschuld bzw. begründet im Streitfall keinen Anspruch auf Erlass aus Billigkeitsgründen.
4. Revision eingelegt (Az. des BFH: VII R 36/14).
5. Das Revisionsverfahren wurde nach Rücknahme der Revision eingestellt (BFH-Beschluss vom
30.3.2015 VII R 36/14, nicht dokumentiert).
Schlagworte:
Abgabe, Antidumping, Antidumpingzoll, Antrag, Ausfuhr, Besondere Verwendung, Billigkeit, China,
Drittland, Einfuhr, Einfuhrabgabe, Erlass, Erstattung, Fahrradteil, Gemeinschaftsware,
Nichtgemeinschaftsware, Sanktion, Straf, T1, T2, Versandverfahren, Ware, Wiederausfuhr, Zoll, Zollschuld
Fundstelle:
BeckRS 2014, 95845
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
I. Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht einen Anspruch auf Erstattung von Antidumpingzoll für die von ihr
eingeführten und später ins Drittland weitergelieferten chinesischen Fahrradteile geltend gemacht hat.
2
Die Klägerin wurde durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der Fa. A GmbH (A), der die
zollbegünstigte Verwendung von Fahrradteilen mit Ursprung in China oder aus China versandt – in Mengen
unter 300 Stück pro Monat oder zur Lieferung an eine Partei in Mengen unter 300 Stück pro Monat
bestimmt oder – zur Lieferung an einen anderen Inhaber einer Bewilligung „Besondere Verwendung“ oder
an befreite Parteien bestimmt, bewilligt worden war.
3
Bis zum 1. Januar 2004 gehörte die A, neben der B GmbH (B) und der Fa. C zur Firmengruppe D. C war
Inhaber der Fa. C und gleichzeitig Geschäftsführer der A und der B und hielt jeweils auch 100 % der
Gesellschaftsanteile. Alle drei Firmen handelten mit Fahrradteilen.
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Im Rahmen einer bei der A ab 13. November 2000 durchgeführten Außenprüfung der Einfuhrgeschäfte
wurden verschiedene Feststellungen getroffen, die bereits Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens
waren und auf die insoweit Bezug genommen wird. Mit Urteil vom 14. Oktober 2010 (14 K 188/10) gab der
Senat im 2. Rechtsgang letztlich der Klägerin überwiegend Recht und entschied, dass das HZA ihr
gegenüber zu Unrecht Antidumpingzoll für Einfuhrvorgänge in den Jahren 1998 und 1999 in Höhe von … €
festgesetzt hat. Gegenstand dieser Klage war die Festsetzung von Antidumpingzoll für Fahrradteile, die von
dem aus den Firmen A, B und C bestehenden Firmenverbund (D-Verbund) an Kunden ohne
Montagebetrieb geliefert worden waren. Hinsichtlich einer Antidumpingzollschuld in Höhe von … € für
Fahrradteile, die wieder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft an Kunden in Drittländern ausgeführt worden
waren, hielt die Klägerin ihre Klage gegen die Festsetzung eines Antidumpingzolls nicht weiter aufrecht; sie
verfolgt ihr dahingehendes Begehren nunmehr im Rahmen des vorliegenden Erstattungsverfahrens weiter.
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Bei diesen Wiederausfuhrfällen sind Fahrradteile aus China als Gemeinschaftswaren mit Versandverfahren
T2 im Rahmen ihrer Bewilligung „Zugelassener Versender“ angemeldet worden, wobei in den
Ausfuhranmeldungen in Feld 37 jeweils der Verfahrenscode 10 40 0 eingetragen war. Das HZA kam daher
zu der Schlussfolgerung, dass die von der Klägerin bei der Einfuhr aus China zur besonderen Verwendung
abgefertigten Fahrradteile ohne Bewilligung in Drittländer ausgeführt worden seien. Die Waren hätten nach
Art. 303 ZK-DVO a.F. als Nichtgemeinschaftswaren im externen Versandverfahren T1 befördert und in den
Ausfuhranmeldungen mit dem Verfahrenscode 1094/0 unter Vorlage der Bewilligung zur Ausfuhr
angemeldet werden müssen.
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Für die so entstandene Antidumpingzollschuld begehrte die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. November
2002 einen Erlass bzw. eine Erstattung nach Art. 239 Abs. 1 - 1. Anstrich des Zollkodex (ZK) in Verbindung
mit Art. 900 Abs. 1 Buchst. e, l oder o sowie Art. 901 ZK-Durchführungsverordnung (ZKDVO) oder Art. 239
Abs. 1 – 2. Anstrich ZK wegen besonderer Umstände, die nicht auf betrügerische Absicht oder
offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen seien.
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Den Antrag auf Erstattung oder Erlass nach Art. 239 ZK lehnte das HZA mit Bescheid vom 10. November
2011 ab, weil keine besonderen Umstände oder eine außergewöhnliche Situation vorgelegen haben. Der
hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2012).
8
Mit ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:
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Es stelle sich die Frage, ob nicht die undifferenzierte Anwendung der Art. 82 ZK und Art. 291 bis 304 ZKDVO a.F. hinsichtlich der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr unter Berücksichtigung
ihrer Verwendung zu besonderen Zwecken und die damit verbundene zollamtliche Überwachung zur
Erreichung des Ziels der Verordnung - VO - (EG) Nr. 71/97 ungeeignet gewesen ist. Diese VO habe im
Kern verhindern sollen, dass der 1993 eingeführte Antidumpingzoll auf die Einfuhren von Fahrrädern mit
Ursprung in der Volksrepublik China umgangen werde. Zugleich habe die Verwendung wesentlicher
Fahrradteile in geringen Mengen von den Antidumpingregeln befreit werden sollen. Im Vordergrund habe
dabei jedoch gestanden, dass eine Schädigung der Gemeinschaft durch die Überführung von Waren, die
Gegenstand eines Dumpings seien, in den zollrechtlich freien Verkehr verhindert werde. Daher könne es
nicht Sinn einer Antidumpingregelung sein, Antidumpingzölle auf Waren zu erheben, die nachweislich aus
dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden seien. Es komme daher auch nicht darauf an, ob bei
der Ausfuhr zollrechtliche Pflichten verletzt worden seien, die zu einer Zollschuldentstehung nach Art. 203
ZK oder Art. 204 ZK geführt hätten, weil es bei Antidumpingzöllen darauf ankomme, ob tatsächlich eine
Schädigung der Gemeinschaft erfolgt sei. Dies sei jedenfalls bei der Wiederausfuhr der Waren nicht der
Fall.
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Im Wege einer teleologischen Reduktion der maßgebenden Antidumpingverordnungen sei auch zu
beachten, dass nach dem Sinn und Zweck von Antidumpingmaßnahmen diese nicht auf Waren angewandt
werden dürften, bei denen es sich wegen der Ausfuhr vor dem Eingang in den Wirtschaftskreislauf der
Gemeinschaft gar nicht um gedumpte Ware handeln könne. Dass eine Antidumpingregelung auch
teleologisch ausgelegt werden könne, belege das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
vom 12. Juli 2012 (Rs. C-595/11, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2013, 244), denn wenn die
nationalen Zollbehörden in jedem Einzelfall prüfen sollen, ob die konkrete Einfuhrware nach dem Sinn und
Zweck unter die Antidumpingregelung fallen, habe diese Prüfung erst recht für Waren stattzufinden, die aus
dem Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden seien und keine Schädigung verursachen könnten.
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Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Bescheids vom 10. November 2011 und der
Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2012, das HZA zu verpflichten, ihr … € Antidumpingzoll zu erstatten.
Sie regt an, die Revision zuzulassen bzw. eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
12
Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen.
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Es verweist in seiner Klageerwiderung auf die Begründung der Einspruchsentscheidung.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten
des HZA, die von den Beteiligten in beiden Verfahren eingereichten Schriftsätze sowie die Urteile des
Senats vom 10. April 2008 - 14 K 1020/04 und des BFH vom 27. Oktober 2009 VII R 26/08 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
15
II. Die Klage ist unbegründet.
16
Das HZA hat zu Recht mit Bescheid vom 10. November 2011 und der Einspruchsentscheidung vom 20.
Juni 2012 die Erstattung des Antidumpingzolls in Höhe von … € abgelehnt. Die Voraussetzungen für einen
Anspruch nach Art. 236 ZK bzw. Art. 239 ZK liegen nicht vor.
17
Nach Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird,
dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war. Unstreitig sind die Fahrradteile
aus der Volksrepublik China unter Verwendung eines falschen Verfahrenscodes ohne Bewilligung in
Drittländer ausgeführt worden, so dass eine Antidumpingzollschuld entweder nach Art. 203 ZK, weil die
Ware der zollamtlichen Überwachung durch Falschdeklarierung entzogen wurde, oder nach Art. 204 Abs. 1
Buchst. a) ZK entstanden ist, weil die Pflichten nicht erfüllt wurden, die sich bei einer
einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der Inanspruchnahme eines Zollverfahrens, in das sie überführt
worden sind, ergeben, nicht eingehalten wurden. Für eine Antidumpingzollschuldentstehung nach Art. 203
ZK spricht der der Art. 865 ZKDVO, der anordnet, dass ein Entziehen einer Ware aus der zollamtlichen
Überwachung vorliegt, wenn einer Ware - wie vorliegend - fälschlicherweise der Status einer
Gemeinschaftsware zuerkannt wird. Unabhängig davon, ob die Antidumpingzollschuld nach Art. 203 ZK
oder (wie die Klägerin meint) nach Art. 204 ZK entstanden ist, ist gegenüber der Klägerin zu Recht
Antidumpingzoll festgesetzt worden; eine Erstattung des Antidumpingzolls nach Art. 236 Abs. 1 ZK scheidet
daher aus.
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Auch die Voraussetzungen für einen Erlassanspruch nach Art. 239 ZK hat das HZA zu Recht verneint. Nach
Art. 239 Abs. 1 ZK i.V.m. Art. 899 Abs. 1, 1. Anstrich und Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum
Zollkodex (ZK-DVO) können Einfuhrabgaben erstatten werden, wenn ein Fall der Art. 900 bis 903 ZK-DVO
vorliegt oder in besonderen Fällen, in denen die Kommission gemäß Art. 905 ZK-DVO zu befassen wäre –
wenn Umständen vorliegen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des
Beteiligten zurückzuführen sind. Einer der Fälle des Art. 900 bis 903 ZK-DVO liegt hier jedoch nicht vor, so
dass der Art. 239 Abs. 2 ZK in Verbindung mit Art. 905 ZKDVO vom HZA zu Recht als maßgebliche
Erstattungsvorschrift angesehen worden ist.
19
Die Vorschrift stellt nach der Rechtsprechung des EuGH eine auf Billigkeitserwägungen beruhende
Generalklausel dar, die andere als die praktisch am häufigsten vorkommenden Fälle nach Art. 900 bis 903
ZK-DVO erfassen soll.
20
Aus Art. 905 ZK-DVO ergibt sich, dass die Erstattung von Einfuhrabgaben von der Erfüllung zweier
kumulativer Voraussetzungen abhängt, nämlich erstens vom Vorliegen eines besonderen Falls und
zweitens vom Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit und betrügerischer Absicht des Beteiligten (EuGHUrteile vom 27. September 2001 Rs. C-253/99, Slg 2001, I-6493; vom 25. Februar 1999 Rs. C-86/97,Slg.
1999, I-1041). Liegt ein solcher Fall vor, hat der entscheidungsbefugte Mitgliedstaat den Fall der
Kommission zur Entscheidung gem. Art. 905 Abs. 1 Satz 1 zweiter Anstrich ZK-DVO zu übermitteln (vgl.
Beschluss des FG München vom 25. Oktober 2012 14 K 3072/10).
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Die Generalklausel findet insbesondere Anwendung, wenn es angesichts des Verhältnisses zwischen
Wirtschaftsteilnehmer und Verwaltung unbillig wäre, den Wirtschaftsbeteiligten einen Schaden tragen zu
lassen, den er bei rechtem Gang der Dinge nicht erlitten hätte (zur inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 13 der
Verordnung – EWG- Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben:
Urteil des Gerichts erster Instanz – EuG – vom 19. Februar 1998 Rs. T-42/96, Slg. 1998, II-401). Weiterhin
soll eine Nachentrichtung von Einfuhrabgaben auf Fälle beschränkt sein, in denen eine solche Zahlung
gerechtfertigt und mit einem elementaren Grundsatz wie dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar
ist (vgl. EuG-Urteil vom 10. Mai 2001 Rs. T-186/97 u. a., Slg. 2001, II-1337; EuG-Urteil vom 19. März 2013
Rs. T-324/10, EU-UStB 2013, 47).
22
Ein besonderer Fall, der zur begehrten Erstattung des Antidumpingzolls führen könnte, liegt vorliegend nicht
darin, dass die Klägerin die Fahrradteile im Anschluss an die Einfuhr ins Drittland ausgeführt hat. Die
Fahrradteile sind im Zeitpunkt der Annahme der jeweiligen Anmeldung nach Art. 14 der Verordnung (EG)
Nr. 88/97 (ABl. EG Nr. L 17/17 vom 21. Januar 1997) in Verbindung mit Art. 82 ZK aufgrund ihrer
Verwendung zu besonderen Zwecken zu einem ermäßigten Einfuhrabgabensatz in den zollrechtlich freien
Verkehr übergeführt worden. Die Überwachung sollte dabei sicherstellen, dass die Fahrräder der
festgelegten Verwendung zugeführt werden. Eine ordnungsgemäße Ausfuhr war dem Bewilligungsinhaber
nach Art. 303 ZK-DVO a.F. nur zu gewähren, wenn er nachgewiesen hat, dass die Waren aus bestimmten
Gründen nicht der vorgeschriebenen besonderen Verwendung zugeführt werden konnten. Im Fall der
Bewilligung der Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft, galten diese Waren vom Zeitpunkt der
Annahme der Ausfuhranmeldung als Nichtgemeinschaftswaren.
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Die Klägerin hat die Waren nicht der vorgeschriebenen Verwendung zugeführt, sondern sie als
Gemeinschaftsware mit dem Verfahrenscode 1040/0 (= endgültige Ausfuhr nach Überführung in den nicht
überwachten zollrechtlich freien Verkehr, vgl. Tz. 61.4 des Prüfungsberichts vom 16. August 2001) im
Rahmen ihrer Bewilligung als „Zugelassener Versender“ mit Versandschein T2 ausgeführt. Unabhängig
davon, ob für die als Gemeinschaftsware bei der Ausfuhr deklarierten Fahrradteile, die sich unter
zollamtlicher Überwachung wegen ihrer besonderen Verwendung befanden, eine Zollschuld nach Art. 203
oder Art. 204 ZK bzw. eine Antidumpingzollschuld entstanden ist, begründet die bloße Wiederausfuhr der
Fahrradteile entgegen der zollrechtlich vorgesehen Überwachungsmaßnahmen keinen besonderen Grund
im Sinne von Art. 239 ZK, sondern stellt vielmehr die Grundlage dafür dar, dass von der Klägerin überhaupt
Zoll bzw. Antidumpingzoll nacherhoben worden ist.
24
Die Klägerin hat sich insoweit im Vergleich zu anderen international tätigen Unternehmern, die in den
fraglichen Jahren gleichfalls Fahrradteile importiert haben, in keiner außergewöhnlichen Lage befunden.
Auch wenn bei ihr täglich eine größere Anzahl von Zollbelegen zusammen mit den Frachtpapieren
bearbeitet werden, entspricht es dem normalen Berufs- bzw. Geschäftsrisiko, dass einer Ware
fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt und dabei übersehen wird,
dass die Ware nicht der vorgeschriebenen besonderen Verwendung zugeführt worden ist.
25
Anders als die Klägerin meint, stellt die bloße Ausfuhr der Waren, mit der eine Schädigung der
Gemeinschaft im Ergebnis ausgeschlossen sei, keinen besonderen Grund im Sinne des Art. 239 ZK dar.
Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2004 (Rs. C-480/12) bezüglich der Entstehung von Zoll
und Einfuhrumsatzsteuer überzeugend dargelegt, dass es für die Entstehung von Einfuhrabgaben nach Art.
203 und Art. 204 ZK nicht ausschließlich darauf ankommt, ob eine Ware in den Wirtschaftskreislauf der EU
eingeht oder nicht und ist damit nicht den Schlussanträgen des Generalanwalts XY vom 13. Februar 2014
(Rs. C-480/12) gefolgt, der dies bei der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer für wesentlich hielt.
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Wie die Klägerin selbst zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den Vorschriften, die nach Art. 203
bzw. Art. 204 ZK zur Entstehung einer Zollschuld führen, um vom Wirtschaftsgedanken losgelöste
Sanktionstatbestände, die durchaus auch auf Waren erhoben werden können, die das Zollgebiet der
Gemeinschaft verlassen haben (vgl. EuGH-Urteil vom 6. September 2012 Rs. C-28/11, ZfZ 2012, 264), was
in gleicher Weise für die nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. g ZK als sonstige zolltarifliche Maßnahmen zu
erhebenden Antidumpingzölle gilt, die nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 2.
Dezember 1995 (ABl. Nr. L 56 vom 6. März 1996, S. 1) auf jede Ware erhoben werden kann, die
Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der
Gemeinschaft eine Schädigung verursacht.
27
Der Senat vermag der Klägerin auch nicht darin zu folgen, dass eine andere Beurteilung im Streitfall
deswegen geboten sei, weil ein Erlass des Antidumpingzolls begehrt werde und dies anders zu bewerten
sei als der Erlass von Zoll, wenn die Waren wieder ausgeführt würden. Nach Art. 4 Nr. 10 ZK fallen unter
die Einfuhrabgaben die Zölle und Abgaben gleicher Wirkung; eine Unterscheidung zwischen Zoll und
Antidumpingzoll hinsichtlich der Anwendung des Zollkodexes ist weder hieraus noch aus den weiteren
Regelungen im Zollkodex ablesbar (vgl. zur Problematik: BFH-Beschluss vom 15. Januar 2014 VII R 22/13,
BFH/NV 2014, 809, Rn. 22 und 23), so dass die Wiederausfuhr einer bei der Einfuhr mit Antidumpingzoll
belegten Ware, die bei der Ausfuhr als Gemeinschaftsware deklariert wird, genauso wie beim Zoll nicht zum
Erlöschen der Zollschuld führt bzw. einen Anspruch auf Erlass aus Billigkeitsgründen im Streitfall begründet.
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Schließlich vermag der Klägerin auch nicht die Entscheidung des EuGH vom 18. April 2013 (Rs. C-595/11,
ZfZ 2013, 244) zu einer speziellen Antidumpingregelung bei der Einfuhr von Energiesparlampen zum Erfolg
zu verhelfen. Denn der Umstand, dass der EuGH diese Antidumpingregelung hinsichtlich ihres
Anwendungsbereichs für Waren, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Regelung noch gar nicht hergestellt
waren, eingeschränkt hat, stellt die zollrechtlichen und mithin die antidumpingrechtlichen
Entstehungstatbestände gerade nicht in Frage und gibt auch kein Anlass dafür, in einer Wiederausfuhr einer
Ware ins Drittland grundsätzlich einen besonderen Grund im Sinne des Art. 239 ZK zu sehen.
29
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen.
30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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