Gesamtausgabe als PDF - Schweizerische Ärztezeitung

Transcrição

Gesamtausgabe als PDF - Schweizerische Ärztezeitung
Schweizerisc he Ärz tezeitung
Bollet tino dei medici svizzeri
6
9. 2. 2011
Bulletin des médecins suisses
Editorial
187
Neue Praxen braucht das Land
Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum STIZ
19 0
Schweizerisches Antidot-Sortiment für die Präklinik:
«Swiss ToxBox»
Qualitätssicherung
208
Differenzierte Organisationen –
die Zukunft für Spitäler
Medizingeschichte
212
Wohl und Weh – eine Ausstellung zur Geschichte
des Basler Kinderspitals
«Zu guter Let z t» von Jean Mar tin
Ethische Fragen ohne einfache Antworten
Editores Medicorum Helveticorum
Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch
Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch
Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services
218
I N H A LT
FMH
FMH Services
Editorial
187 Neue Praxen braucht das Land
Remo Osterwalder
197 Praxisvermittlung
FMH Consulting Services
Überlegungen zur Notwendigkeit neuer Praxisformen. Dies
können Einzelpraxen, Gruppenpraxen oder aber auch Ärz­
198 Assurances du personnel attractives
FMH Insurance Services
tezentren oder Gesundheitszentren sein. Eine Zwangs­
lösung führt nicht zum Ziel, aber die Kantone müssen die
199 Stellen und Praxen
nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen.
189 Personalien
Weitere Organisationen und Institutionen
Tribüne
Qualitätssicherung
208 Differenzierte Organisationen –
die Zukunft für Spitäler
Christof Schmitz, Peter Berchtold
Mit diesem Beitrag endet die Artikelserie, in der wesent­
liche Aspekte der Einführung von Fallpauschalen im Jahr
2012 erörtert wurden. Zum Abschluss zeigen die Autoren,
dass in den Entwicklungen der Medizin selbst Möglich­
keiten der Prozessoptimierung angelegt sind.
Medizingeschichte
212 Wohl und Weh
Sabine Braunschweig
Eine Ausstellung zur Geschichte des Basler Kinderspitals
STIZ
190 Schweizerisches Antidot-Sortiment
für die Präklinik: «Swiss ToxBox»
H. Kupferschmidt, R. Albrecht, A. S. Feiner,
F. Neff, S. Müller, M. Zürcher et al.
beleuchtet die Entwicklung der Kindermedizin und Kinder­
krankenpflege. Das Rahmenprogramm bietet auch Fach­
kolloquien zu kinderpharmakologischen und pflegerischen
Aspekten.
Vorgestellt werden die Empfehlungen einer nationalen
Expertengruppe der Notfall­ und Rettungsmedizin für ein
einheitliches schweizerisches Antidotsortiment. Damit soll
die Verfügbarkeit von Antidoten für Vergiftungen, die eine
rasche Therapie erfordern, optimiert werden. Der Beitrag
informiert detailliert über Zusammenstellung, Anwen­
dung und Wirkung der Antidote des Sortiments.
Briefe / Mitteilungen
193 Briefe an die SÄZ
196 Mitteilungen
214 Spectrum
I N H A LT
Horizonte
Zu guter Letzt
218 Ethische Fragen ohne einfache Antworten
Jean Martin
Darf es einen Kaiserschnitt auf Wunsch geben? Darf ein
Kaiserschnitt gegen den Wunsch der Frau angeordnet wer­
den? Das sind die Fragen ohne einfache Antworten. Fest
steht, dass sich immer mehr Frauen eine Entbindung durch
Kaiserschnitt wünschen.
Streiflicht
215 Das Spital am Nil
Erhard Taverna
Bericht über Markus Knoblauch, Internist und Gastro­
enterologe im «Un­Ruhestand». Der Besuch eines Kon­
gresses über die Lage der Kopten in Ägypten endete
damit, dass er nun im Spital der ägyptischen Stadt Naqada
Anna
regelmässig Konsultationswochen abhält.
217 Das schmucke Nanophon
Bernhard Gurtner
Es fehlt auf nahezu keinem Bild einer Ärztin oder eines Arztes:
das Stethoskop. Lesen Sie Unterhaltsames und Informatives
über seinen Siegeszug durch die Medizin und warum es ei­
gentlich den falschen Namen hat.
IMPRESSUM
Redaktion
Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli
(Chefredaktor)
Dr. med. Werner Bauer
Dr. med. Jacques de Haller (FMH)
PD Dr. med. Jean Martin
Anna Sax, lic. oec. publ., MHA
Prof. Dr. med. Hans Stalder
Dr. med. Erhard Taverna
lic. phil. Jacqueline Wettstein (FMH)
Redaktion Ethik
PD Dr. theol. Christina Aus der Au
Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo
Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz
Redaktion Medizingeschichte
PD Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann
PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff
Redaktion Ökonomie
Anna Sax, lic. oec. publ., MHA
Redaktionssekretariat
Margrit Neff
Redaktion und Verlag
EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG
Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz
Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56
E-Mail: [email protected]
Internet: www.saez.ch, www.emh.ch
Herausgeber
FMH, Verbindung der Schweizer
Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18,
Postfach 170, 3000 Bern 15
Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12
E-Mail: [email protected]
Internet: www.fmh.ch
Herstellung
Schwabe AG, Muttenz
Managing Editor
Annette Eichholtz M.A.
Marketing EMH
Thomas Gierl M.A.
Leiter Marketing und Kommunikation
Tel. 061 467 85 49, Fax 061 467 85 56
E-Mail: [email protected]
Delegierte der Fachgesellschaften
Allergologie und Immunologie:
Prof. Dr. A. Bircher
Allgemeinmedizin: Dr. B. Kissling
Anästhesiologie und Reanimation:
Prof. P. Ravussin
Angiologie: Prof. B. Amann­Vesti
Arbeitsmedizin: Dr. C. Pletscher
Chirurgie: Prof. Dr. M. Decurtins
Dermatologie und Venerologie:
PD Dr. S. Lautenschlager
Endokrinologie und Diabetologie:
Prof. Dr. G.A. Spinas
Gastroenterologie: Prof. Dr. W. Inauen
Geriatrie: Dr. M. Conzelmann
Gynäkologie und Geburtshilfe:
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. W. Holzgreve
Hämatologie: Dr. M. Zoppi
Handchirurgie: PD Dr. L. Nagy
Infektologie: Prof. Dr. W. Zimmerli
Innere Medizin: Dr. W. Bauer
Intensivmedizin: Dr. C. Jenni
Kardiologie: Prof. Dr. C. Seiler
Kiefer­ und Gesichtschirurgie:
Dr. C. Schotland
Kinder­ und Jugendpsychiatrie: Dr. R. Hotz
Kinderchirurgie: Dr. M. Bittel
Medizinische Genetik: Dr. D. Niedrist
Neonatologie: Prof. Dr. H.­U. Bucher
Nephrologie: Prof. Dr. J.­P. Guignard
Neurochirurgie: Prof. Dr. H. Landolt
Neurologie: Prof. Dr. H. Mattle
Neuropädiatrie: Prof. Dr. J. Lütschg
Neuroradiologie: Prof. Dr. W. Wichmann
Redaktion Recht
Fürsprecher Hanspeter Kuhn (FMH)
Inserate
Werbung
Ariane Furrer, Assistentin Inserateregie
Tel. 061 467 85 88, Fax 061 467 85 56
E-Mail: [email protected]
EMH Abonnemente
EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG
Abonnemente, Postfach, 4010 Basel
Tel. 061 467 85 75, Fax 061 467 85 76
E-Mail: [email protected]
«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»
Gisela Wagner, Inserateannahme
Stellenmarkt
Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56
E-Mail: [email protected]
Jahresabonnement: CHF 320.–,
zuzüglich Porto
«Stellenvermittlung»
FMH Consulting Services
Stellenvermittlung
Postfach 246, 6208 Oberkirch
Tel. 041 925 00 77, Fax 041 921 05 86
E-Mail: [email protected]
Internet: www.fmhjob.ch
Abonnemente
FMH-Mitglieder
FMH Verbindung der Schweizer
Ärztinnen und Ärzte
Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15
Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12
Nuklearmedizin: Prof. Dr. J. Müller
Onkologie: Prof. Dr. B. Pestalozzi
Ophthalmologie: Dr. A. Franceschetti
ORL, Hals­ und Gesichtschirurgie:
Prof. Dr. J.­P. Guyot
Orthopädie: Dr. T. Böni
Pädiatrie: Dr. R. Tabin
Pathologie: Prof. Dr. G. Cathomas
Pharmakologie und Toxikologie:
Dr. M. Kondo­Oestreicher
Pharmazeutische Medizin: Dr. P. Kleist
Physikalische Medizin und Rehabilitation:
Dr. M. Weber
Plast.­Rekonstrukt. u. Ästhetische Chirurgie:
Prof. Dr. P. Giovanoli
Pneumologie: Prof. Dr. E. Russi
© 2011 by EMH Schweizerischer
Ärzteverlag AG, Basel. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, elektronische
Wiedergabe und Übersetzung, auch
auszugsweise, nur mit schriftlicher
Genehmigung des Verlages gestattet.
Erscheint jeden Mittwoch
ISSN 0036-7486
ISSN 1424-4004 (Elektronische Ausg.)
Titelbild/Bild Inhalt:
Büro für Sozialgeschichte Basel
Prävention und Gesundheitswesen:
Dr. C. Junker
Psychiatrie und Psychotherapie:
Dr. G. Ebner
Radiologie: Prof. Dr. B. Marincek
Radioonkologie: Prof. Dr. D. M. Aebersold
Rechtsmedizin: Prof. T. Krompecher
Rheumatologie: Prof. Dr. M. Seitz
Thorax­, Herz­ und Gefässchirurgie:
Prof. Dr. T. Carrel
Tropen­ und Reisemedizin: PD Dr. C. Hatz
Urologie: PD Dr. T. Zellweger
FMH
Editorial
Neue Praxen braucht das Land
In der aktuellen Diskussion
über die Grundversorgung
und deren regionale Aus­
prägungen benötigen wir in
naher Zukunft unterschied­
liche Praxisformen. Oder
besser gesagt neue Praxis­
modelle. Dies können Einzel­
praxen, Gruppenpraxen oder
aber auch Ärztezentren sein.
Eine weitere Form der Zusam­
menarbeit unterschiedlicher
Berufe im Gesundheitswesen findet in Gesundheitszentren
statt, die neben ärztlichen Leistungen auch eine breite
Palette von Therapien anbieten.
Eine Universallösung gibt es sicher nicht, aber die ver­
schiedenen Regionen müssen sich ihrer Bedürfnisse bewusst
werden und sich für die eine oder andere Praxisform ent­
scheiden. Sicher ist, dass eine Zwangslösung nicht zum Ziel
führt. Falls eine Randregion sich eine Einzelpraxis wünscht,
muss klar sein, ob man sich diese Form überhaupt noch leis­
ten kann. Denn wenn eine Praxisübergabe wegen mangeln­
der Interessenten nicht möglich ist, muss man sich fragen,
ob das Angebot nicht genügend attraktiv ist oder ob einfach
nicht genügend Personal zur Verfügung steht. Einzelpraxen
haben den Vorteil, dass der Inhaber eine relativ grosse
Unabhängigkeit geniesst. Organisationsentscheide sind
unkonventionell umsetzbar und es muss nicht darüber
Rechenschaft abgelegt werden. Das unternehmerische Risiko
liegt jedoch allein beim Praxisinhaber und die Frage nach
Praxisvertretung bei Abwesenheit ist oft schwierig zu regeln.
Ebenso sind die Präsenzzeiten zum Teil beträchtlich.
Neue Praxisformen sind gefragt.
Diesen Umständen kommt die Gruppenpraxis wesent­
lich entgegen: Durch die Aufteilung der Aufgaben wie
Dienste, Notfallkonsultationen und Hausbesuche kann man
die Arbeitsbelastung deutlich senken. Einen Schritt weiter
geht das Ärztezentrum, welches oft auch die Weiter­ und
Fortbildung innerhalb des Zentrums selbst organisiert und
sicherstellt. Fallbesprechungen lassen sich durch eine multi­
disziplinäre Beurteilung relativ rasch und effizient durchfüh­
ren. Gerade in Ärztezentren ist oft eine enge Zusammen­
arbeit zwischen den Grundversorgern und Spezialisten in
den verschiedensten Formen möglich. Besonders Aktenkon­
silien können dadurch gefördert und unnötige Unter­
suchungen vermieden werden.
In vereinzelten Kantonen ist aber aufgrund der Gesetz­
gebung die Voraussetzung für unterschiedliche juristische
Formen der Praxen noch nicht gegeben; diese lassen zum
Beispiel Aktiengesellschaften nicht zu, was aber oft eine
Voraussetzung ist, damit flexiblere Anstellungsbedingungen
Kantone müssen die entsprechenden
gesetzlichen Rahmenbedingungen
schaffen.
erst möglich sind. Aktiengesellschaften erlauben es, Ärzte
mit abgeschlossener Fachausbildung für eine definierte Zeit
oder zeitlich unbeschränkt anzustellen. Dies wiederum
käme dem oft gehörten Bedarf nach mehr sozialer Absiche­
rung und weniger administrativer Belastung entgegen. Die
ärztliche Behandlungsentscheidung würde so auch nicht
beeinflusst.* Eine unkontrollierte Ausweitung der Anzahl
Ärzte ist nicht zu erwarten, weil es erstens schon heute ohne
Zulassungsstopp nicht so ist und weil zweitens die Kantone
auch weiterhin eine Zulassungsbewilligung pro Arbeitsplatz
für die Gesundheitszentren vorsehen können. Praxisüber­
gaben und der Gang in den Ruhestand sind in solchen Fäl­
len für den Einzelnen sicher einfacher und ohne zusätz­
lichen Stress durchführbar. Es ist darum höchste Zeit, dass
die gesetzlichen Rahmenbedingungen für neue Praxis­
formen kantonal angepasst werden.
Die verschiedensten Akteure im Gesundheitswesen wie
Gesundheitsdirektoren, Kantonsärzte, die FMH sowie wei­
tere Player wurden im Rahmen der Gesundheitsdirektoren­
konferenz in letzter Zeit auf die eine oder andere Art aktiv,
um die medizinische Versorgung aus ihrer Region vorzustel­
len und Erfahrungen auszutauschen. Es geht nun an die
Präsentation und Umsetzung der Ideen und Schaffung ent­
sprechender Rahmenbedingungen für die optimale Gesund­
heitsversorgung in der Schweiz. Die Zeit drängt, wenn die
medizinische Versorgung in der Schweiz gesichert bleiben
soll. Und die Grundversorgung steht zur Zeit an erster Stelle!
Dr. med. Remo Osterwalder, stv. Verantwortlicher Ressorts
Tarife und Verträge sowie Daten, Demographie und Qualität
* Der Kanton kann sich bei den Zulassungskriterien für Arztpraxen
als AG an den Kriterien orientieren, die für die Anwaltskanzleien als
AG entwickelt wurden; diese stellen die fachliche Unabhängigkeit
sicher.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
187
FMH
Personalien
Todesfälle / Décès / Decessi
Bruno Maier-Hess (1924), † 17. 6. 2010,
Facharzt für Allgemeinmedizin,
8953 Dietikon
Augustin Besson (1940), † 23. 11. 2010,
Spécialiste en chirurgie et Spécialiste en
chirurgie cardiaque et vasculaire thoracique,
1004 Lausanne
Beat von Felten (1947), † 18. 1. 2011,
Facharzt für Innere Medizin, 6010 Kriens
Willy Taillard (1924), † 22. 1. 2011,
Spécialiste en chirurgie et Spécialiste en chirurgie orthopédique et traumatologie de l’appareil locomoteur, 1245 Collonge-Bellerive
Praxiseröffnung /
Nouveaux cabinets médicaux /
Nuovi studi medici
AG
René Geissberger,
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin,
Hauptstrasse 77, 5070 Frick
BS
Niccolò Pellanda,
Facharzt für Ophthalmologie, Gerbergasse 1,
4001 Basel
GR
Svjetlana Vinkovic Glodjajic,
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Poststrasse 36, 7000 Chur
Fabian Schellenberg Schnyder,
Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt
für Innere Medizin, Hauptstrasse 17 B,
7240 Küblis
LU
Ulrich Bleicher,
Praktischer Arzt, Kapfstrasse 1,
6020 Emmenbrücke
ZH
Eveline Chassé,
Fachärztin für Innere Medizin,
Klosbachstrasse 123, 8032 Zürich
Christina Weber-Chrysochoou,
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
und Fachärztin für Allergologie und
klinische Immunologie,
Hirschwiesenstrasse 9, 8057 Zürich
Wolfgang Kiess,
Praktischer Arzt, Bodenstrasse 9,
8623 Wetzikon ZH
Aargauischer Ärzteverband
Zur Aufnahme in den Aargauischen Ärzteverband als ordentliche praktizierende Mitglieder haben sich angemeldet:
Dr. med. Stefan Armance, Rudolfstetten, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Praxisübernahme von Dr. Rudolf Hunziker in Bremgarten seit 10. Januar 2011
Dr. med. Antje Burkamp, Zürich, Fachärztin
für Kinder- und Jugendmedizin, Praxiseröffnung in Berikon per 1. Februar 2011
Dr. med. Gregor Müller, Rudolfstetten, Facharzt für Innere Medizin, Praxis in Rudolfstetten seit 1. Januar 2011
Diese Kandidaturen werden in Anwendung
von Art. 5 der Statuten des Aargauischen Ärzteverbandes veröffentlicht. Einsprachen müssen innert 14 Tagen seit der Bekanntmachung
schriftlich und begründet der Geschäftsleitung des Aargauischen Ärzteverbandes eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet die Geschäftsleitung über
Gesuche und allfällige Einsprachen.
Ärztegesellschaft des Kantons Zug
Zur Aufnahme in die Ärzte-Gesellschaft des
Kantons Zug als ordentliche Mitglieder haben
sich angemeldet:
Dr. med. Appelt Markus, Facharzt Chirurgie
FMH, spez. Viszeralchirurgie FMH, Leit. Arzt,
Zuger Kantonsspital, Landhausstrasse 11,
6340 Baar
Dr. med. Schwerzmann-Hediger Annette, Fachärztin Ophthalmologie FMH, Artherstrasse 18c,
6300 Zug
Mpairaktaridou Berger Salome, prakt. Ärztin
FMH, Seestrasse 3, 6300 Zug
Einsprachen gegen diese Kandidaturen müssen innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung schriftlich und begründet beim
Sekretariat der Ärzte-Gesellschaft des Kantons
Zug eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet der Vorstand über
Gesuche und allfällige Einsprachen.
Preise / Prix
Prix Louis-Jeantet 2011
Le biologiste allemand Stefan Jentsch et les
neurobiologistes norvégiens Edvard et MayBritt Moser reçoivent le Prix Louis-Jeantet
2011, le premier pour ses travaux sur certaines modifications de protéines du noyau
de la cellule, qui permettent de comprendre
les mécanismes de réparation de l’ADN, et les
seconds pour leurs travaux sur des neurones
spécialisés dans la représentation spatiale.
Basée à Genève, la Fondation Louis-Jeantet a
pour vocation de faire avancer la médecine.
Dans ce but, elle soutient la recherche biomédicale, qu’elle soit fondamentale ou clinique.
Elle encourage la poursuite de travaux innovants, et ce à tous les niveaux de la carrière du
chercheur.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
189
W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N
STIZ
Empfehlung der nationalen Expertengruppe für ein präklinisches
Antidot-Sortiment 2010
Schweizerisches Antidot-Sortiment
für die Präklinik: «Swiss ToxBox»
Da die Verfügbarkeit von Antidoten für Vergiftungen, die eine rasche Therapie erfordern, bei den Rettungsorganisationen in der Schweiz ungenügend und sehr heterogen organisiert ist, hat eine nationale Expertengruppe aus der Notall- und Rettungsmedizin eine Empfehlung für ein einheitliches schweizerisches Antidotsortiment für
die Präklinik erarbeitet («Swiss ToxBox»), das den Rettungsdiensten zur Verfügung
gestellt werden soll.
H. Kupferschmidt a,
R. Albrecht b, A. S. Feiner c,
F. Neff d, S. Müller e,
M. Zürcher f, U. Bürgi c
a Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum
(STIZ), Zürich
b REGA Schweizerische
Rettungsflugwacht
c Schweizerische Gesellschaft
für Notfall- und Rettungsmedizin SGNOR
d Sanitätspolizei Bern
e Schutz und Rettung, Zürich
f Sanitätsdienstliche Führung
Grossereignis (CEFOCA-SFG)
Korrespondenz:
Dr. med. H. Kupferschmidt
Direktor Schweizerisches
Toxikologisches Informationszentrum (STIZ)
Freiestrasse 16
CH-8032 Zürich
Tel. 044 251 66 66
Fax 044 252 88 33
[email protected]
Bei den meisten Fällen akuter Vergiftungen ist die
Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen mit den standardisierten notfallmedizinischen Massnahmen ausreichend. Bei einem Teil dieser akuten Intoxikationen
können zur Therapie spezifische Antidote eingesetzt
werden. In vielen Fällen besteht für die Anwendung
dieser Antidote ein zeitlicher Spielraum, währenddessen sich der Zustand, der die Indikation zum Einsatz
eines Antidots darstellt, entwickelt. Dieser Zeitraum
lässt meistens auch genügend Raum, das Antidot zu
beschaffen. Ein typisches Beispiel für diese Situation
sind die Antivenine gegen Bisse giftiger Schlangen.
In gewissen Vergiftungssituationen aber ist die
Verabreichung eines Antidots zeitkritisch. Dies ist
dann der Fall, wenn bei einer Vergiftung sehr schnell
lebensbedrohliche Störungen des Zentralen Nervensystems, der Atmung und des Kreislaufes auftreten. In
diesen Fällen sind die Beatmung und die Kreislauftherapie mit Flüssigkeit und kreislaufaktiven Medikamenten unzureichend, um gravierende Organschäden oder den Tod zu verhindern. Diese Intoxikationen können nur mit der raschen Applikation eines
Antidots sicher behandelt werden. Wenn eines dieser
Antidote ohne weitere Laborabklärungen, allein auf
der Grundlage der klinischen Beurteilung, angewandt
werden kann, sollte dieses Antidot den Rettungsdiensten zur Verfügung stehen. Vergiftungen, auf die
diese Voraussetzungen zutreffen, sind in Tabelle 1
aufgeführt.
Da die Verfügbarkeit von Antidoten für diese Art
Vergiftungen bei den Rettungsorganisationen in der
Schweiz ungenügend und sehr heterogen organisiert
ist, hat eine nationale Expertengruppe aus der Notfallund Rettungsmedizin eine Empfehlung für ein schweizerisches Antidotsortiment für die Präklinik erarbeitet,
das den Rettungsdiensten zur Verfügung stehen soll
(Tab. 2). Es enthält zusätzlich Aktivkohle zur gastrointestinalen Dekontamination, die bei potentiell schwe-
Tabelle 1
Schwere Vergiftungen, bei denen eine Antidottherapie
zeitkritisch ist und von den Rettungsdiensten verabreicht
werden können sollte.
Vergiftung
Antidot
Kohlenmonoxidvergiftung
Sauerstoff
Vergiftung mit Zyaniden (Blausäure) Hydroxocobalamin,
Amylnitrit, 4-DMAP,
Natriumthiosulfat
Rauchgasvergiftung
Sauerstoff,
Hydroxocobalamin
Vergiftung mit Flusssäure
(Fluorwasserstoff)
Calcium
Vergiftungen mit chinidinartigem
Effekt auf das Myokard
(z.B. trizyklischen Antidepressiva,
Neuroleptika, Kokain u. a.)
Natriumbikarbonat
Vergiftungen mit Methanol
und Ethylenglykol
Fomepizol, Ethanol
Vergiftungen mit
Cholinesterasehemmern
Atropin, Obidoxim
Tabelle 2
Das Sortiment für Rettungsdienste («Swiss ToxBox»).
Sauerstoff
wird ausserhalb der «Swiss
ToxBox» mitgeführt
Aktivkohle
100 g
Atropin
5–10 mg
Natriumbikarbonat (8,4%)
100 mL
Calciumglubionat (13,75%) 5–10 Amp. à 10 mL
Hydroxocobalamin
5–10 g
Fomepizol oder Ethanol
96%
1,5 g Fomepizol bzw.
100 mL Ethanol 96%
Naloxon (0,4 mg/mL)
5 Amp. à 1 mL
Flumazenil (0,1 mg/mL)
5 Amp. à 5 oder 10 mL
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
190
W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N
STIZ
Die «Swiss ToxBox» mit dem vollständigen präklinischen Sortiment für Rettungsdienste (Prototyp).
Die Tasche wird ohne Inhalt geliefert und muss selbst bestückt werden.
ren Intoxikationen möglichst früh erfolgen soll, sowie
Naloxon und Flumazenil, die in Notfallsituationen bei
der Therapie mit Opiaten und Benzodiazepinen zur
Verfügung stehen müssen. Es wird eine spezielle Tasche angeboten, in der das ganze Sortiment Platz findet (Abb.). Die Tasche «Swiss ToxBox» kann (ohne
Inhalt) bei der Schweizerischen Rettungsflugwacht
REGA bestellt werden.* Die Anwendung der Antidote
wird in der Tabelle 3 auf der nächsten Seite erklärt.
Die Expertengruppe verzichtet auf genaue logistische Vorgaben, insbesondere auf die geographische
Festlegung der Lagerungsorte. Sie empfiehlt aufgrund
der zeitkritischen Applikation mehrerer Antidote ein
nationales Netz, in dem die Distanzen zwischen den
Lagerungsorten 50 km nicht überschreiten. Die
Rettungsdienste der Städte Bern, Zürich, Basel und
Lausanne sowie sämtliche 12 Flachland- und Gebirgsbasen der REGA verfügen zur Zeit über ein Sortiment
von «Swiss ToxBox», das bei Bedarf von jedem Rettungsdienst über die Notrufnummer 1414 angefordert werden kann. Das STIZ führt eine Liste mit gemeldeten Lagerorten von «Swiss ToxBox», was den
Sanitätsnotrufzentralen (SNZ 144) und Rettungsdiensten den Zugang zur nächstgelegenen «SwissToxBox» erleichtert.
of organophosphate poisoning. Toxicol Lett. 1999;
107:233–9.
–
Baud FJ. Akute Vergiftungen mit Kohlenmonoxid
und Zyaniden. Ther Umschau. 2009;66:387–97.
–
Weaver LK. Carbon monoxide poisoning.
N Engl J Med. 2009;360:1217–25.
–
Hall AH, Saiers J, Baud F. Which cyanide antidote?
Crit Rev Toxicol. 2009;39:541–52.
–
Shepherd G, Velez LI. Role of hydroxocobalamin in
acute cyanide poisoning. Ann Pharmacother.
2008;42:661–9.
–
Baud FJ. Cyanide: critical issues in diagnosis and
treatment. Hum Exp Toxicol. 2007;26:191–201.
–
DesLauriers CA, Burda AM, Wahl M. Hydroxocobalamin as a cyanide antidote. Am J Ther. 2006;13:161–5.
–
Alcorta R. Smoke inhalation & acute cyanide
poisoning. Hydrogen cyanide poisoning proves
increasingly common in smoke-inhalation victims.
JEMS. 2004;29:suppl 6–15.
–
Alarie Y. Toxicity of fire smoke. Crit Rev Toxicol.
2002;32:259–89.
–
STIZ Merkblatt «Vergiftungen durch Flusssäure».
www.toxi.ch
–
STIZ Antidot-Monographie «Natriumhydrogenkarbonat A. Anwendung als Antidot bei Vergiftungen
mit trizyklischen Antidepressiva». www.toxi.ch
–
Kerr GW, McGuffie AC, Wilkie S. Tricyclic
antidepressant overdose: a review. Emerg Med J.
2001;18:236–41.
–
Bodmer M. Intoxikationen mit Antidepressiva.
Ther Umschau. 2009;66:335–41.
–
Brent J. Fomepizole for ethylene glycol and methanol poisoning. N Engl J Med. 2009;360:2216–22.
Literatur zum Thema
* Bestellung bei
Frau Marlis Planzer,
Rega-Center, Postfach 1414,
CH-8058 Zürich-Flughafen,
Tel. 044 654 36 01, E-Mail:
[email protected]
–
Eddleston M, Buckley NA, Eyer P, Dawson AH.
Management of acute organophosphorus insecticide
poisoning. Lancet. 2008;371:597–607.
–
Thiermann H, Szinicz L, Eyer F, Worek F, Eyer P,
Felgenhauer N, Zilker T. Modern strategies in therapy
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
191
W E I T E R E O R G A N I S AT I O N E N U N D I N S T I T U T I O N E N
STIZ
Tabelle 3
Anwendung der Antidote im Sortiment für Rettungsdienste («Swiss ToxBox»).
Antidot (Präparat, Hersteller)
Indikation: Vergiftungen mit …
Sauerstoff
Kohlenmonoxid, Zyanide, Blausäure,
Bei CO-Intoxikationen 100% Sauerstoff
Rauchgase und alle Intoxikationen
(immer mit Reservoir-Maske!),
mit Beeinträchtigung der Vitalfunktionen in den übrigen Fällen nach Bedarf
Anwendung und Dosierung
Verbesserung der Sauerstoffversorgung im Gewebe,
Beschleunigung der COElimination
Wirkungsmechanismus
Aktivkohle
(z.B. Kolsuspension Abigo)
bei potentiell schweren Vergiftungen
mit allen Noxen (mit Ausnahme von
Alkoholen, Lösungsmitteln, Säuren
und Laugen sowie Eisen, Lithium und
anderen Metallen), innerhalb der ersten
1–2 Stunden nach Ingestion
Erw.: 60–100 g,
Kinder: 1 g/kg einmalig
als Suspension per os
gastrointestinale
Dekontamination durch
Giftadsorption in der
Frühphase der Intoxikation
(d.h. vor der enteralen
Resorption)
Atropin
(0,5 mg/mL)
Cholinesterasehemmer
(Organophosphate,
Carbamate)
Erw.: 2–5 mg,
Kinder: 0,05 mg/kg i.v.,
danach Verdoppelung der
Dosis alle 5 bis 10 Min. bis zum
Verschwinden der muskarinischen
Symptome (Hypersekretion)
Blockierung der
muskarinartigen Wirkungen
an den parasympathischen
Nervenendungen
Nikotin,
Digitalisglykoside
Erw.: 0,5 mg i.v.,
Kinder: 0,02–0,04 mg/kg i.v.;
bei Bedarf mehr
Antagonismus an den
Muskarinrezeptoren,
Bekämpfung der Bradykardie und der AVÜberleitungsstörungen
Natriumbikarbonat
(8,4% = 1000 mM)
trizyklische Antidepressiva,
alle Vergiftungen mit
Hemmung der schnellen
Natriumkanäle am Myokard
Erw. 50–100 mmol,
Kinder 1–2 mmol/kg i.v.
als Bolus (über <5 min.)
unter engmaschiger Kontrolle
der ABGA, kann wiederholt werden,
solange der art. pH <7,55 ist
antagonisiert die kardiotoxischen Wirkungen der
trizyklischen Antidepressiva
durch die Alkalinisierung
und den Natrium-Load
Calciumglubionat
(13,75% Injektionslösung)
Flusssäure
Haut: Wenn kein CalciumglukonatHydrogel vorhanden ist, Gaze mit einer
Injektionslösung tränken und auflegen;
Auge: Injektionslösung 1:10 verdünnen
und wiederholt ins Auge träufeln
Bindung der Fluorid-Ionen
systemische Therapie (Erw.):
10 mL Calciumglubionat
13,75% (2.2 mmol) i.v. über 5 Minuten
zusammen mit Magnesium;
in schweren Fällen ohne vorherige
Diagnostik (lebensrettend!)
Korrektur der Hypokalzämie,
Therapie der dadurch
bedingten Herzrhythmusstörung
Hydroxocobalamin
(Cyanokit®)
Zyanide, Blausäure,
Rauchgase
5 g in Kurzinfusion;
Infusion vor Licht schützen!
Bildung eines stabilen
Cobalt-Komplexes
Fomepizol
(Fomepizole®
100 mg/20 mL)
Methanol, Ethylenglykol
Erw./Kinder: 15 mg/kg i.v. initial;
Erhaltungsdosis: 10 mg/kg alle
12 Stunden, verdünnt applizieren
Verhinderung der Bildung
toxischer Metabolite durch
kompetitive Hemmung
der Alkoholdehydrogenase
Ethanol 96% (v/v)
(Infusionskonzentrat*)
Methanol, Ethylenglykol
0,7 g/kg* initial als
verdünnte 10-%-Lösung i.v. =
(oder entsprechende Menge p.o.),
dann 0,15 g/kg/h; auf etwa 1‰
Alkoholblutspiegel einstellen
Verhinderung der Bildung
toxischer Metabolite durch
kompetitive Hemmung
der Alkoholdehydrogenase
Naloxon
(Naloxon®)
Opiate, Opioide
Erw.: 0,4–2,0 mg/kg i.v.,
Kinder: 0,01–0,1 mg/kg i.v.,
evtl. alle 2–3 Min. mehrmals wiederholen
Antagonist an allen Subtypen
von Opiatrezeptoren
Flumazenil
(Anexate®)
Benzodiazepine; Zolpidem,
Zopiclon, Zaleplon
Erw.: 0,3 mg i.v. initial,
dann frakt. in 60-Sek.-Intervallen
bis max. 10 mg; Erhaltungsdosis:
0,1–0,4 mg/h als Infusion
Kinder: 0,01 mg/kg,
Erhaltungsdosis 0,01 mg/kg/h
Kompetitive Hemmung
der Wirkung am
Benzodiazepinrezeptor
* 10,5 mL 96%-Lösung, gemischt mit 90 mL Aqua ad inject., ergibt 100,5 mL 10%-Lösung. 0,7 g Ethanol sind in 8,9 mL 10%-Lösung oder in 0,92 mL 96%-Lösung enthalten.
Dichte von Ethanol = ca. 0,79 g/mL.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
192
BRIEFE
[email protected]
Briefe an die SÄZ
ebenfalls Veränderungen zugunsten der Grundversorger blockiert haben.
Ricardo Torriani, Winterthur
Zum Artikel: «Vertragsloser Zustand –
Ausstand» [1]
Sehr geehrter Herr Meier
In Ihrem Artikel schreiben Sie: «Der Ausstandsarzt bewegt sich vollständig ausserhalb
des Krankenversicherungsgesetzes. Deshalb
muss er mit dem Patienten direkt abrechnen
(Tiers garant).»
Diese Aussage ist ein Widerspruch. «Tiers
garant» heisst «garantierender Dritter». Da
hier der Dritte, nämlich die Krankenkasse,
eben gerade nichts garantiert, ist sie natürlich
kein «Tiers garant», sondern ein «Tiers non
garant».
Dr. med. Giovanni Bass, Zürich
1
Meier P. Vertragsloser Zustand – Ausstand.
Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(3):57–61.
Gedanken zum Artikel: «Vertragsloser
Zustand – Ausstand» [1]
Sehr geehrter Herr Meier
Ich fühle mich als betroffener Grundversorger von Ihnen vollständig missverstanden.
Eine Kündigung des TARMEDs ist eine absolute Notwendigkeit, damit wir Grundversorger überhaupt ernst genommen werden. Es
geht in keiner Weise darum, paradiesische
Zustände zu erreichen.
Als Akademiker mit hoher sozialer Verantwortung und hohen Belastungen bin ich
der Meinung, dass ein Bruttoverdienst – nicht
ein Umsatz, wie aktuell im TARMED – von
200 Franken pro Stunde weniger als angemessen ist. Um dies zu erreichen, müsste der Taxpunkt-Wert um ein Drittel erhöht werden. In
Ihrem Artikel finden Sie schon eine Erhöhung von 5 Rappen paradiesisch.
Sie sehen, dass es unmöglich ist, auf der Basis
des TARMEDs zu verhandeln, da wir in diesem Rahmen nie ernst genommen werden. Es
liegt dies nicht nur an der santésuisse, sondern auch daran, dass die Spitaldirektoren
1
Meier P. Vertragsloser Zustand – Ausstand.
Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(3):57–61.
Vertragsloser Zustand – Ausstand
Kommentar zum Beitrag von Peter Meier [1]
Besten Dank für den Abdruck der juristischen
Ausführungen von Herrn Peter Meier, Rechtsberater der Hausärzte Schweiz, zum vertragslosen Zustand und Ausstand vom KVG. Dies
gibt uns Gelegenheit, Anmerkungen und Berichtigungen zu den Ausstandsabsichten des
Vereins der freiberuflichen medizinischen
Grundversorgerinnen und Grundversorger
Schweiz FMGS zu machen.
Während sich Herr Meier seit Jahren wörtlich
wiederholt, machen wir uns ernsthafte Sorgen um die gefährdete medizinische Grundversorgung. Wir fühlen uns verantwortlich
für den bedrohten Grundversorgerberuf. Wir
sind weder in Unkenntnis der Gesetze und
Verträge, noch wollen wir Kolleginnen und
Kollegen in «paradiesische Zustände einer
freien Ärzteschaft locken».
Eine Argumentation «nach Buchstabe» des
KVG bringt uns nicht aus der verfahrenen
Situation. Es braucht nun rasche politische
Entscheide, und dafür müssen wir entsprechenden Druck aufbauen.
Wir wissen sehr wohl, dass wir einen steinigen Weg begehen werden. Wir wissen aber
auch, wie die Zukunft der Grundversorger
aussieht, wenn wir santésuisse, Politikern
und deren Juristen zunehmend das Primat
überlassen: Unser Einkommen wird weiterhin sinken, und die unnötige Bürokratie noch
mehr zunehmen. Der Notstand in der Grundversorgung ist bereits heute Realität! Illusion
ist, weiterhin auf die bis heute ergebnislosen
Verhandlungen zu hoffen. Solange wir schweigen und kooperieren, wird nichts geschehen.
Daher brauchte es den Verein FMGS, Freiberufliche medizinische Grundversorger Schweiz
(fmgs.ch), der mit Hilfe genügender unzufrie-
dener Ärztinnen und Ärzte die Bereitschaft
signalisiert, ganz banal NEIN zu sagen. Wir
verhalten uns in jeder Hinsicht gesetzeskonform. Müsste der Ausstand wirklich umgesetzt werden, würde es keine medizinischen
Unterversorgungen geben, weil normal
weitergearbeitet würde.
Die aktuellen Probleme lassen sich mit Managed Care und ähnlichen Konstruktionen in
keiner Weise lösen. In Wirklichkeit braucht es
mehr Leute und mehr Geld. Politikerinnen
und Politiker, die nicht bereit sind, diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen, überlassen
unsere medizinische Versorgung dem Zerfall.
Wenn Sie, Herr Meier, am Schluss Ihrer Ausführungen meinen, dass der Arzt mit seinem
aktuellen Einkommen gut leben könne, wird
das von den Grundversorgern nicht goutiert.
Es stimmt nicht! Insbesondere, wenn der Arzt
keine Medikamente abgeben darf.
Sehr geehrter Herr Meier, statt wiederholte
Warnungen auszustossen an die mit ihrem
Einkommen und ihrer zunehmend bürokratisch definierten Arbeit unzufriedenen
Grundversorger, erwarten wir von Ihnen eher
einen konstruktiven Vorschlag eines (juristisch) gangbaren Weges, wenn möglich ohne
den von Ihnen sehr häufig benützten, aber
wenig überzeugenden Ausdruck «meines Erachtens»!
Allen Kolleginnen und Kollegen empfehle
ich deshalb, in unserem neuen Verein FMGS
(www.fmgs.ch) Mitglied zu werden. Mit vereinten Kräften haben wir eine Chance, uns
aus der hoffnungslosen Situation zu retten.
Lukas Guidon, Winterthur
1
Meier P. Vertragsloser Zustand – Ausstand.
Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(3):57–61.
Antwort auf die vorangegangenen
Briefe zu meinem Artikel [1]
1. Sie haben recht, Herr Bass. Die Klammer
mit dem Tiers-garant-Hinweis ist unnötig
und verwirrt, weil es im Ausstand keinen
Tiers gibt! Vielmehr gilt das Auftragsrecht
(OR Art. 394 ff). Danach hat der Auftraggeber (Patient) die Honorarforde–
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
193
BRIEFE
[email protected]
den Wortlaut des Gesetzes, an die Lehre
und an die Rechtsprechung zu halten.
Und das habe ich in meinem Artikel
versucht.
rungen des Beauftragten (Arzt) nach den
üblichen kaufmännischen Regeln zu
bezahlen.
2. Sie, Herr Torriani, möchte ich darauf
hinweisen, dass ich mich in meinem
Beitrag nicht mit der Kündigung von
TARMED durch die FMH oder die kantonalen Ärztegesellschaften befasst habe,
sondern mit dem Rücktritt einzelner
Ärzte (Seite 58, linke Spalte). Ob die FMH
den TARMED-Rahmenvertrag kündigen
sollte, ist eine andere Diskussion, und die
Konsequenzen sind auch anders. Was ich
geschrieben habe, gilt für den Rücktritt
einzelner Ärztinnen oder Ärzte.
Zu einer Erhöhung des Taxpunktwertes
habe ich mich nie geäussert und möchte
dies auch nicht tun. Ich habe ein
mögliches Beispiel von Verhandlungen
eines Ausstandsarztes über einen höheren
Taxpunktwert erwähnt.
Viel wichtiger scheint mir – wie auch
Ihnen – eine Anpassung der Tarifstruktur,
und darüber wird ja zur Zeit verhandelt.
Heikel, wie immer, ist die Diskussion über
Umsatz, Bruttoverdienst, Nettoverdienst
der frei erwerbenden Ärzte. Richtigerweise
sollte – wie Sie schreiben – von einem
Referenzmindesthonorar ausgegangen
werden, und dieses liegt zum Beispiel
bei den amtlichen Verteidigern bei
CHF 200.– pro Stunde. Davon müssen
dann die zu einem Mittelwert errechneten
Selbstkosten (inkl. Beiträge für die berufliche Vorsorge, die Sozialversicherung und
die Krankentaggeldversicherung) abgezogen werden (bei Anwälten CHF 150.–).
Was verbleibt, ist der Verdienst pro
Stunde, der dem Arzt bzw. Anwalt übrigbleibt.
Würde bei einem Stundensatz von
CHF 200.– nach den erwähnten Abzügen
dem Arzt z. B. noch ein Stundensatz von
CHF 30.– übrigbleiben, wäre dies wohl
verfassungswidrig!
3. Sie haben insofern recht, Herr Guidon,
wenn Sie schreiben, es brauche nun
rasche politische Entscheide. Es ist der
Gesetzgeber (Legislative) der das KVG
geschaffen und auch revidiert hat bzw.
zur Zeit revidiert. Und genau hier muss
die Ärzteschaft Einfluss nehmen, durch
ein gutorganisiertes politisches Netzwerk,
wie es zum Beispiel bei der Revision der
Managed-Care-Vorlage oder mit der
Eidgenössischen Volksinitiative «Ja zur
Hausarztmedizin» geschieht oder wie es
der AGZ mit der MedikamentenabgabeInitiative gelungen ist.
Als Jurist habe ich eine andere Rolle als
ein Politiker. Ich habe mich primär an
Ob Sie und Ihr Verein FMGS mit Ihrer
«ganz banalen Neinsagerrolle» politisch
und juristisch weiterkommen, wage ich
zu bezweifeln.
Lic. iur. Peter Meier,
Rechtsanwalt und Notar, Olten
1
Meier P. Vertragsloser Zustand – Ausstand.
Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(3):57–61.
Un NON décomplexé pour ne pas passer
l’arme à gauche…
La violence est le propre de l’humain. La pensée de gauche, et de la «droite courbe» infantilisante, moralisatrice et légiférante en diable
prétend vouloir l’éradiquer par des mesures
bureaucratiques et étatiques. Sous le prétexte
de bons sentiments, elle oublie le fait qu’elle
est largement responsable de la déconstruction des valeurs de responsabilité, de respect,
de morale, de civisme et des valeurs religieuses
et spirituelles. La violence ne s’éradique pas
par des mesures légales mais s’affronte et se
gère par un apprentissage, une éducation responsable à l’autocontrôle, à la retenue, au respect d’autrui (protéger les plus faibles) et à la
sublimation par des activités sportives ou
socialement cadrées (jeux, activités culturelles, concurrence). Malgré des statistiques qui
démontrent une large diminution des suicides par armes à feu (dont seulement 9 % par
armes d’ordonnance!) et une compensation
de cette diminution par d’autres moyens
comme l’empoisonnement, certains milieux
veulent encore réduire le nombre d’armes en
circulation. Et compliquer le fonctionnement
de l’armée de milice dont le citoyen soldat
disposant d’une arme personnelle est le fondement. Posséder une arme, pour le citoyen
d’un Etat de démocratie directe est un droit,
avec beaucoup de devoirs et de responsabilités. Ce droit ne doit pas être remplacé par un
privilège exclusif ou arbitraire de l’Etat, et
bien sûr des criminels. Infantiliser le citoyen,
alors que les criminels, ou certains migrants
qui ont un rapport culturel décomplexé et
impulsif avec les armes (couteaux et pistolets)
ne seront pas concernés par les conséquences
de cette «défiance» représente une évolution
redoutable et négative. La loi actuelle, déjà
très cadrée, doit être simplement appliquée.
Prévenir le suicide est une mission noble mais
les initiants confondent volontairement les
causes et les moyens. Le suicide par armes à
feu, meurtre de soi et culturellement significatif, est lié à des pathologies psychiques, des
maladies incurables, humiliantes et douloureuses, des détresses morales, économiques
ou sociales. Soigner la dépression, combattre
les pressions de la société de consommation
ou se protéger de la délocalisation des entreprises ou du dumping salarial des migrants ou
frontaliers, réapprendre dans les familles et
les entreprises à être attentif à la souffrance et
la solitude de parents, voisins, collègues sera
plus efficace qu’éloigner les armes. Doit-on
pénaliser tout un groupe d’usagers pour quelques cas individuels tragiques de dimension
exceptionnelle?
Disposer de droits démocratiques et en faire
usage, avoir le droit et la responsabilité
d’accéder libéralement aux armes sont des
spécificités de la culture politique suisse.
L’obsession sécuritaire, infantilisante, bureaucratique, de méfiance systématique et généralisée de la gauche aboutit à une société de
plus en plus répressive, régressive et totalitaire
(Big Mother se méfie toujours plus de vous!).
L’armée de milice comme l’arme à domicile
sont prévues pour ne pas devoir servir, mais
être fonctionnelle au cas où. La défense nationale, spirituelle, de l’indépendance et des libertés est trop importante pour être laissée
exclusivement à l’Etat, à des professionnels
ou déléguée à l’Otan.
Ne mélangeons pas tout: gardons nos libertés
et nos responsabilités, ne nous laissons pas
désarmer civiquement et spirituellement.
Non le 13 février à la progression de
l’idéologie totalitaire de la nurserie gentille et
bien-pensante.
Dr Dominique Baettig, psychiatre, chasseur,
pratiquant la culture du tir, ex-soldat de milice,
Conseiller national, Delémont
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
194
BRIEFE
[email protected]
Schon wieder ein sozialistisches
Eigengoal
Peitsche und Rübe können mit den modernen Kommunikationsmitteln nicht ausgeteilt
werden; Zynismus und Korruption sichern
aber weiterhin die Weltherrschaft der neoliberalen Sechssilbenideologie. Auf der ganzen
Welt verarmt der Mittelstand und wird die
Not der Armen grösser. In der Schweiz ebenso.
Dennoch, uns geht es etwas besser. Wir allein
können das Referendum ergreifen und wir
haben das Sturmgewehr im Schrank. Das
erste ist den Politikern aller Parteien bewusst,
das zweite ist aber im Unterbewussten verborgen: wird allenfalls den schlimmsten Financiers bewusst.
«Jetzt erst begreifen wir, was die Sowjetarmee
uns genützt hat; was die sich jetzt erlauben,
wagten sie bisher nicht!» Sagte ein ehemaliger Studienfreund Anfang der Neunzigerjahre zu mir. Er war forschender Abteilungsleiter bei einem Basler Pharmaunternehmen
gewesen. Die Frauen haben grundsätzlich
recht, weil sie gebären und damit dem Schöpfer näher stehen. Wir Männer aber müssen
das Ganze schützen.
Eidgenossen! Gebt Euere Waffen um Gottes
willen nicht aus der Hand! Stimmt Nein zur
sozialistischen Mädcheninitiative. Auch wenn
es regnen oder schneien sollte.
Dr. med. Holger Gelpke, Kippel
Zum Brief von Max Geiser:
«Kritische Bemerkungen zum NFP53»
Sehr geehrter Herr Professor Geiser
In Ihren kritischen Bemerkungen[1] Anfang
Januar zum NFP53 (Nationalen Forschungsprogramm «Muskuloskelettale Gesundheit –
chronische Schmerzen) rechnen Sie zu den
«Chiropraktoren und zahlreichen anderen
Gesundheitspraktikern wie Homöopathen,
Akupunkteuren, Neuraltherapeuten und
Handauflegern» neuerdings auch die «besonders spirituell anmutende Spiraldynamik»
hinzu.
Herzlichen Dank dafür, dass Sie die Spiraldynamik bemerkt haben. Das spricht für Sie.
Aber Max Geiser wäre nicht Max Geiser, würde
er nicht alles in einen Topf werfen und den
Einheitsbrei gleich mit wenig schmeichelhaften Attributen versehen wie z.B.: «…selbsternannte Experten, die gutgläubige Patienten
davon überzeugen, … behandlungsbedürftig,
arbeitsunfähig oder gar invalid zu sein.»
Die Spiraldynamik Med Center AG betreibt in
Basel, Bern und Zürich je ein diagnostischtherapeutisches Zentrum mit dem Schwerpunkt der konservativen Orthopädie. Jedes
Zentrum steht unter orthopädisch fachärztlicher Leitung. Das Med Center Zürich hat im
letzten Jahr 3602 Arztkonsultationen durchgeführt, davon 1544 neue Patienten. Über
200 Ärzte haben uns im letzten Jahr Patienten zugewiesen. Schulthessklinik und Uniklinik Balgrist gehören übrigens zu den regelmässigen Zuweisern. Unsere Standards:
– Codierung der Diagnosen gemäss ICD;
Funktionsstörungen gemäss ICF
– Erfassung des Thurgauer-Morbiditätsindikators [2] bei allen Patienten seit 2005.
92% der Patienten leiden an chronischen
orthopädischen Leiden, lediglich 8% sind
nicht-chronisch kranke Patienten
– Outcome-Messung aller behandelten Patienten mittels Activity Index [3]
– Direkte Arztkosten CHF 151.– pro Patient
und Jahr; Annova Index 79%
– So können wir jährlich rund 200 unnötige
Operationen vermeiden – dank «restriktiver Indikation», «Regression to the mean»
und unserem «spezifischen Know-how» –
publiziert 2009 in der SÄZ [4]
Im ambulanten Bereich verfügt m. W. derzeit
niemand über einen vergleichbaren Qualitätsstandard, obschon Artikel 58 KVG und
Artikel 77 KVV seit Jahren eine systematische
wissenschaftliche Kontrolle zur Sicherung der
Outcome-Qualität vorschreiben.
Der BAG-Bericht [5] vom 9. Oktober 2009
«Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen» fordert neben
einem datenbasierten Qualitätsmanagement
«mehr Fokus auf den Patienten» – in den Spiraldynamik Med Centern seit einer Dekade
tagtäglich gelebte Wirklichkeit. Übrigens ganz
in Ihrem Sinne [6] von «wirksam helfende Zuwendung für ernsthaft kranke Patienten
durch motivierte, der Vernunft verpflichtete
Heilkundige und überprüfte Ergebnisse».
Wie Sie in Zusammenhang mit Spiraldynamik auf «spirituell» kommen, bleibt unklar.
Beleidigend wäre es durchaus nicht, da das
Wort neben vielen anderen positiven Eigenschaften auch Empathie gegenüber anderen
beinhaltet. Allerdings vermute ich, dass Sie
den Begriff spirituell mit esoterisch verwechselt
haben, denn in diese Ecke wollen Sie uns
doch der Bequemlichkeit halber bugsieren –
ein Lapsus, der Ihrem Ruf als scharfzüngiger
rhetorisch-differenzierter Dauerkritiker der
CAM-Szene nachhaltig schaden würde. Bleiben Sie à jour, Herr Kollege!
Dr. med. Christian Larsen, Fachleiter Qualität
und Innovation Spiraldynamik, Zürich
1
Geiser M. Kritische Bemerkungen zum
Nationalen Forschungsprogramm NFP53.
Schweiz Ärztezeitung. 2011;92(1/2):34–6.
2
Bührer A, Zaugg PY. Der Thurgauer Morbiditätsindikator (TMI). Schweiz Ärztezeitung. 2003;
84(6):264–7.
3
Activity Index Information unter
www.qualitouch.ch/html/index.html.
4
Larsen C. Trainieren statt operieren? Nichtoperative Orthopädie und Physiopädagogik.
Schweiz Ärztezeitung. 2009;90(38):1476–9.
5
BAG-Bericht vom 9. Oktober 2009 «Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen» www.swiss-q.admin.ch/pdf/
Qualitaetsstrategie.pdf.
6
Geiser M. 50 Jahre Randomised Controlled
Clinical Trial RCT . Schweiz Ärztezeitung.
2003;84(13):598–601.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
195
MITTEILUNGEN
Mitteilungen
Schweizerische Gesellschaft
für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie (SGAP)
Jean Wertheimer-Preis 2012
Prof. Dr. med. Jean Wertheimer (1933–1999)
war ein Pionier in der Alterspsychiatrie. Er
wurde 1971 als der erste Lehrstuhlinhaber für
Alterspsychiatrie in der Schweiz an die Universität Lausanne berufen, wo er eine weltweit anerkannte Alterspsychiatrie aufbaute.
Später war er auch Präsident der Geriatric
Psychiatry Section der WHO. Zu seinen Ehren
hat die Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie einen
Förderpreis geschaffen, um herausragende
Arbeiten, wichtige innovative Projekte oder
ethische Zielsetzungen auszuzeichnen. Dieser wird alle zwei Jahre vergeben. Die Preissumme beträgt 5000 Franken.
Geeignete Arbeiten oder Projekte können bis
Ende November 2011 bei Prof. Dr. med. Urs
P. Mosimann, Universitäre Psychiatrische
Dienste Bern, Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie, Murtenstr. 21, 3010 Bern,
eingereicht werden. Die eingereichten Arbeiten müssen vorwiegend in der Schweiz entstanden sein.
Weitere Informationen und das Reglement
der Vergabe finden Sie auf der Website der
Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie: www.sgapsppa.ch
Schweizerische Gesellschaft für
Endokrinologie und Diabetologie
Neues Ehrenmitglied
Die Mitgliederversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und
Diabetologie hat im November Herrn Prof.
Dr. Rolf Gaillard zum neuen Ehrenmitglied
erkoren und dankt ihm damit für sein jahrelanges, intensives Engagement für die Fachgesellschaft, für die Nachwuchsförderung
und für die Betroffenen. Er war massgeblich
am Zusammengehen der Endokrinologen
und Diabetologen beteiligt und hat damit unserer noch jungen Disziplin ein Gesicht gegeben. Ebenso war ihm die Förderung des Nachwuchses stets ein grosses Anliegen, unzählige
Assistenz- und Oberärzte durften von seinem
breiten Wissen profitieren.
Schweizer Gesellschaft
für Neuroradiologie (SGNR)
Neue Zusammensetzung des Vorstands
Die Schweizer Gesellschaft für Neuroradiologie arbeitet seit dem 30. Oktober 2010
unter der Leitung des neuen Präsidenten PD
Dr. med. Luca Remonda, Kantonsspital Aarau.
SGNR-Mitbegründer Prof. Dr. med. Anton
Valavanis, UniversitätsSpital Zürich, unterstützt weiterhin als Past-Präsident den Vorstand in der neuen Zusammensetzung:
Vizepräsident PD Dr. med. Eberhard Kirsch,
Klinik Hirslanden Aarau; Sekretär Prof. Dr.
med. Karl Olof Lövblad, HUG, Genf; Kassier
Dr. med. Jan Gralla, Inselspital Bern, sowie
die beiden Beiräte Prof. Dr. med. W. Wichmann, Klinik im Park, Zürich, und Prof. Dr.
med. C. Stippich, Universitätsspital Basel.
Weitere Informationen:
www.swissneuroradiology.ch
Schweizer IBD-Kohorten-Studie
Nationale Studie untersucht Darmerkrankungen
Immer mehr Menschen in der Schweiz leiden
an chronischen Darmerkrankungen. Die
Schweizer IBD-Kohorten-Studie untersucht
die Gründe dafür und ihre Auswirkungen auf
das Schweizer Gesundheitssystem.
Anhaltender Durchfall, Bauchschmerzen und
völlige Kraftlosigkeit sind die wesentlichen
Symptome, wenn sich der menschliche Darm
entzündet hat. Treten diese Beschwerden innerhalb kurzer Zeit immer wieder auf, liegt
die Diagnose einer chronischen Darmerkrankung nahe. In der Schweiz sind derzeit rund
15 000 Menschen von den chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten «Morbus Crohn»
und «Colitis ulcerosa» betroffen. Die Schweizer IBD-Kohorten-Studie erforscht die Faktoren, die diese Krankheiten auslösen oder
beeinflussen. Untersucht werden zudem die
Konsequenzen der Erkrankungen auf die körperliche, geistige und soziale Verfassung des
Patienten sowie die Auswirkungen auf das
Schweizer Gesundheitssystem. Mit den gewonnenen Erkenntnissen sollen die Versorgung und die Therapie von Betroffenen sowie
das Verständnis für Darmerkrankungen in
der Öffentlichkeit verbessert werden.
Für die Langzeitstudie konnten bisher über
2000 Betroffene gewonnen werden, davon
150 Kinder. Mehr als 10 000 Proben wurden
entnommen und weit über 70 wissenschaftliche Publikationen sind aus der Studie hervorgegangen. Diese Leistungsausweise und die
aufgezeigten Perspektiven zur künftigen Entwicklung der Studie haben den Forschungsrat
des Schweizerischen Nationalfonds SNF überzeugt, weitere Mittel für die Schweizer IBDKohorten-Studie zu bewilligen, und er stellt
der Studie für weitere drei Jahre rund 4,7 Millionen Franken zur Verfügung.
Weitere Informationen unter www.ibdcohort.ch
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
196
Praxisvermittlung
FMH Consulting Services führt die Praxisanbieter und Praxissucher zur richtigen Zeit zusammen
Nachfolgesuche
Der Schritt, sich zur Ruhe zu setzen und seine Praxis zu verkaufen fällt
nicht leicht und die Umsetzung ist komplex. Eine frühzeitig, gewissenhafte Planung dieses aufwendigen Vorhabens ist deshalb besonders
wichtig. Ein Erfolg bedingt eine professionelle Abwicklung.
“FMH Consulting Services hilft bei der Planung und
Realisierung Ihres Vorhabens.”
„Wie finde ich einen geeigneten Käufer für meine Praxis?“
Entscheidend für die erfolgreiche Nachfolgesuche sind die genauen
Kenntnisse des Marktes, eine professionelle Dokumentation der
Praxis, die Ermittlung des Unternehmenswertes, eine gezielte
Bearbeitung des Marktes, die vertragliche Abwicklung und
die Regelung der Finanzierung mit dem Nachfolger.
FMH Consulting Services verfügt über ein breit abgestütztes Beziehungsnetz und über aktuelle, umfassende Datenbanken. Mit unserer
langjährigen Erfahrung unterstützen wir Sie in allen Schritten einer
gezielten Suche und Auswahl Ihres Nachfolgers.
Praxissuche
Fortsetzung der Tätigkeit als Spitalarzt oder Selbständigkeit mit eigener Praxis? Jede Ärztin und jeder Arzt steht irgendwann in der Laufbahnplanung vor dieser grundlegenden Entscheidung. Eine Praxisübernahme stellt Käufer und Verkäufer vor grosse Herausforderungen. Die
Erarbeitung und Definition der eigenen Ziele, die aufwendige Marktanalyse, die Prüfung von möglichen Objekten – die Praxissuche ist ein
sehr kosten- und zeitintensives Projekt und parallel zur 100%igen
Berufsausübung nicht machbar.
Praxisbewertung
Sie benötigen eine professionelle Bewertung und Dokumentation für
die Vorbereitung des Verkaufes Ihrer Praxis? Kein Problem! Mit unseren Praxiswertberechnungen verfügen Sie über anerkannte, umfassende und marktgerechte Dokumentationen zur Unterstützung Ihrer
Aktivitäten.
“FMH Consulting Services bietet Praxisanbietern und Praxissuchern eine anerkannte und professionelle Unterstützung.”
Zur erfolgreichen Suche der Praxisnachfolge, des Praxisobjekts und
der Durchführung von Praxisbewertungen bietet die FMH Consulting
Services:
• Nachfolgesuche mit Praxisbewertung
(Inventar- und Goodwillbewertung)
• Nachfolgesuche mit Goodwill- oder Inventarbewertung
• Nachfolgesuche
• Praxissuche
• Praxisbewertung (Inventar- und / oder Goodwillbewertung)
Rufen Sie uns an, gerne offerieren wir Ihnen unsere Dienstleistungen.
www.fmhprax.ch –
der führende Praxenmarkt
Auf unserer Website finden Sie aktuelle Angebote von Praxen und
Interessenten.
“FMH Consulting Services als erfahrener Partner unterstützt
und entlastet Sie in der Suche nach Ihrer Wunschpraxis.”
FMH Consulting Services
Burghöhe 1 • Postfach 246 • 6208 Oberkirch
Telefon 041 925 00 77 • Fax 041 921 05 86
[email protected] • www.fmhconsulting.ch
FMH SERVICES
Die grösste standeseigene Dienstleistungsorganisation
R e d a k t i o n e l l e Ve r a n t w o r t u n g : F M H S E R V I C E S
Assurances du personnel attractives
Afin que vous et vos collaborateurs payiez moins de primes
Un rôle important des FMH Insurance Services est de négocier des conditions spéciales auprès des assurances pour le compte
de l’association des médecins. Votre statut d’employeur vous oblige à assurer votre personnel. Ayant analysé un grand nombre
d’offres, nous avons réussi à négocier un contrat-cadre attractif avec la Visana.
Assurance-accidents obligatoire (LAA)
Depuis bien deux ans déjà, les primes LAA ne se basent plus sur le tarif unique de l’Association Suisse d’Assurances mais sont fixées
par les diverses sociétés elles-mêmes. Nombre d’assureurs n’ont à ce jour pas encore adapté leur taux de primes, ainsi une comparaison avec notre offre s’impose:
Notre prime en % du salaire
Répartition
Accident prof.
0,088 %
100 % employeur
Accident non-prof.
1,132 %
100 % employé (en règle générale)
IJM – Assurance collective d’indemnités journalières en cas de maladie
Selon le code des obligations, vous êtes dans l’obligation de continuer à verser le salaire à vos employés en cas d’incapacité de
gain durant une période déterminée (selon la durée du contrat de travail). L’assurance d’indemnités journalières en cas de maladie vous permettrait de transférer ce risque sur un assureur. De plus, vos employés profiteraient ainsi d’une meilleure solution de
prévoyance que celle fournie par les prestations légales minimales. Ce cas de figure peut parfois également présenter de grandes
variations dans les taux de primes des différentes sociétés d’assurance:
Notre prime en % du salaire
14 jours
1,21 %
30 jours
0,74 %
60 jours
0,43 %
Talon réponse
Répartition
en règle générale 50 % employeur
et 50 % employé
Prière d’envoyer ou de faxer au: 031 959 50 10
Prénom / Nom
Adresse
NPA / Lieu
Date de naissance
Téléphone privé / cabinet
Atteignable le plus facilement (heure)
Adresse e-mail
m
Veuillez vérifier mes assurances et me faire parvenir une offre comparative.
(Merci de nous annexer une copie de vos polices d’assurance actuelles.)
m
Je désire un conseil personnalisé.
Prière de m’appeler.
m
Je m’intéresse à:
m 3e pilier lié a
m Planification financière
m Planification de la retraite
m
m Caisse de pension LPP
m Responsabilité civile prof.
m Assurance protection juridique
Roth Gygax & Partner AG n Service de coordination
Moosstrasse 2 n 3073 Gümligen
Téléphone 031 959 50 00 n Fax 031 959 50 10
[email protected] n www.fmhinsurance.ch
Talon-Code: IN0611 / Personalversicherungen
"
Délai d’attente
TRIBÜNE
Qualitätssicherung
Teil 4 der Reihe «DRG H60Z – aber bitte mit Differenzierung»
Differenzierte Organisationen –
die Zukunft für Spitäler
Dies ist der abschliessende Teil einer Artikelserie, in der wesentliche Aspekte der
Einführung von Fallpauschalen im Jahr 2012 beleuchtet wurden. Es zeigte sich, dass
innovative Lösungen, auf den Druck des neuen Vergütungssystems zu reagieren,
weiter an der Polarität zwischen Medizin und Management auflaufen. Die «Black
Box» der Medizin und die «Tool Box» des Managements finden nicht zueinander.
In diesem Beitrag wird gezeigt, dass in den Entwicklungen der Medizin selbst Optimierungen angelegt sind, die sich in differenzierten Organisierungen erschliessen.
Darin liegt der Schlüssel.
Christof Schmitz,
Peter Berchtold
Korrespondenz:
Dr. med. C. Schmitz
college M
Freiburgstrasse 41
CH­3010 Bern
Tel. 031 632 30 26
Fax 031 632 30 25
[email protected]
Der Entscheid zur Lebertransplantation war für Alfred
Koller dann doch eine grössere Belastung, als er
anfänglich angenommen hatte. Nicht die Transplan­
tation selber lag ihm auf dem Magen, sondern das
Warten, die Ungewissheit und natürlich die wie­
derkehrenden Fieberschübe. Als ob das nicht schon
genug wäre, meldeten sich zwei ältere Geschichten
zurück, die er schon fast vergessen hatte. Vor rund
5 bis 6 Jahren war er mit einer depressiven Störung
und später wegen erhöhter Blutdruckwerte in Be­
handlung. Nach einigem Hin und Her und vor allem
vielen Gesprächen liess sich Alfred Koller für eines
dieser neuen Betreuungsprogramme für Patienten
wie ihn motivieren. Sein Hausarzt überzeugte ihn
damit, dass dieses Programm spezifisch auf seine
Situation zugeschnitten sei, trotzdem war er anfäng­
lich eher skeptisch: alle 3 Wochen einen Termin bei
der speziell ausgebildeten Pflegefachperson in der
Praxis des Hausarztes und viel Gewicht auf Selbst­
behandlung und Selbstkontrolle. Aber schon nach
den ersten paar Wochen war er mehr als zufrieden
und fühlte sich gut betreut. Die Pflegefachperson
war auch ausserhalb der sonst sehr strukturierten
Besuche für ihn da, sie und sein Hausarzt, der bei
einigen Terminen zugegen war, sprachen sich offen­
sichtlich laufend mit der Hepatologin oder den Chir­
urgen ab, und immer wieder wurde in den Gesprä­
chen klar, dass Anpassungen in seinem Behand­
lungsplan aufgrund von Guidelines und Checklisten
erfolgten. Gerade kürzlich, an einem gemütlichen
Nachtessen mit Freunden, hatte er vertreten, dass
dieses differenzierte Miteinander der Behandelnden
für ihn ein wesentlicher Faktor für Qualität und
Sicherheit sei.
Organisations différenciées:
l’avenir des hôpitaux
Alors que le système SwissDRG va être introduit dans
le but d’optimiser les processus et d’améliorer
l’efficience – avec le risque que cet objectif ne se
réalise pas –, l’avancée des connaissances en médecine
offre de véritables moyens d’optimisation. Les multiples possibilités diagnostiques et thérapeutiques de
la médecine moderne nécessitent des modes d’organisation différenciée. Seule une médecine qui en tiendra
sérieusement compte sera véritablement efficace. La
clé est un alignement des systèmes thérapeutiques.
Kongruenz
Das in Begleitforschungen nachgewiesene Unter­
bleiben von Prozessoptimierungen unter DRG­Ver­
gütung ist so bemerkenswert wie problematisch. Be­
merkenswert ist, dass eine zentrale, zur Einführung
des Systems motivierende Annahme nicht zutrifft –
und das folgenlos bleibt. Problematisch ist, dass Kos­
tendämpfungen wesentlich mit Verdichtung von
Arbeit und erhöhter Belastung des medizinischen
Personals erreicht werden. Soll mit der Einführung
des DRG­Systems in der Schweiz das Gleiche gesche­
hen? Wir haben in den vorherigen drei Artikeln
dieser Serie gezeigt, dass Optimierungsversuche in
Spitälern nach wie vor an der Polarität zwischen
Medizin und Management «kranken». Abgekürzt for­
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
208
TRIBÜNE
Qualitätssicherung
muliert, die «Black Box» der Medizin und die «Tool­
Box» des Managements finden nicht zueinander und
produzieren wechselseitig unangemessene Simplifi­
zierungen [1]. Das frustriert und führt zu Abwehr­
schlachten statt zu innovativen Lösungen. Erst ein
Vorgehen, das der Komplexität und der Natur der
Medizin gerecht wird, kann chancenreich sein.
Den Anlass für diesbezügliche Innovationen – um
den Terminus «Prozessoptimierung» angemessen zu
transzendieren – stellt übrigens nur in zweiter Linie
die Einführung eines neuen Vergütungssystems dar.
Den primären Anlass bildet der enorme Zuwachs an
Wissen in der Medizin. Dieses Wachstum ermöglicht
heute, mehr als 14 000 Krankheiten zu erkennen und
viele von ihnen zu behandeln. Zur Behandlung all
dieser Krankheiten stehen ein paar tausend medizi­
nische Interventionen und Medikamente zur Ver­
Es braucht eine kongruente Konfiguration der ver­
schiedenen Elemente, die zur wirksamen Behandlung
spezifischer Krankheiten nötig sind. Darum geht es.
Kongruente Konfiguration meint differenzierte
Systeme. Offensichtlich macht es einen gravierenden
Unterschied, ob es um einen einfachen Harnwegsin­
fekt geht oder eine komplexe Krebserkrankung. Das
eine wie das andere benötigt unterschiedliche Orga­
nisierungen des erforderlichen Wissens: Grundver­
sorgung im einen, idealerweise ein Comprehensive
Cancer Center an einem Universitätsspital im ande­
ren Fall. Die Offensichtlichkeit dieses Unterschieds
verstellt den Blick auf die Bedeutung der wirksamen
Ausgestaltung kongruenter Organisierungen. Zu viel
ist hier dem historisch Gewachsenen, den üblichen
(Spital­)Strukturen mit ihren disziplinären, hierarchi­
schen und kulturellen Differenzlinien überlassen. Mit
Weitverbreitet ist immer noch, möglichst alles mit einem Angebot zu
versorgen.
fügung. Das hat nicht nur ökonomische Folgen, son­
dern wesentlich auch Konsequenzen für die Organi­
sierungen der Krankenbehandlungen. Das vielfältige
medizinische Wissen erfordert vielfältige Prozesse des
Organisierens, nur dann kann es in adäquater Weise
zur Anwendung kommen. Alles Wissen nützt nichts,
wenn nicht Patienten, Kompetenzen, Technologie,
adäquate Abläufe usw. aufeinander abgestimmt sind.
Richard Bohmer zu sprechen: «Without deliberate
design, healthcare delivery organisations will conti­
nue to disappoint [2].»
Spitäler als Ganzes wie auch ihre Ärzte haben sich
darauf einzustellen. Weitverbreitet ist immer noch,
möglichst alles mit einem Angebot zu versorgen, so
wie das traditionell der Fall war. Beispielhaft stehen
dafür die Universitätsspitäler, die sich – mit Aufnah­
Abbildung 1
Elemente eines Behandlungssystems.
Strategie
Versorgungssegmente
Therapie-Schwerpunkte
Patientenkollektive
HR, Personalressourcen
Leistungsprozesse
Professionelle Qualifikationen
Skill-Mix
Fortbildungsprogramme
traditionell
systematisch
kollaborativ
Funktionen, Rollen
Alignment
Organisation, Führung
Organisationsstruktur
Entscheidprozesse
Anreizsysteme
Staff und Teams
Zuständigkeiten
Verantwortlichkeiten
Infrastruktur
Lage, Funktionalität
Medizintechnologie
Informationstechnologie
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
209
TRIBÜNE
Qualitätssicherung
mepflicht argumentierend – für alles vom Schnupfen
bis zur komplexesten Transplantation als zuständig
verstehen. Bei solcher Bandbreite käme es einem
Wunder gleich, würde jede Behandlung effizient ge­
schehen. Viel zu mannigfaltig sind die Organisations­
erfordernisse der vielen verschiedenen Krankheiten
und Patientenprobleme. Das Ergebnis ist ein Ausein­
anderfallen von Patientenbedürfnissen und Leis­
tungsprozessen. Diese Kluft birgt – der Punkt ist nicht
zu unterschätzen – ein gehöriges Frustrationspoten­
tial für das Personal. Gleichzeitig hält die hohe Band­
breite des Angebots strategische Unklarheiten darü­
ber aufrecht, wohin die Reise des Spitals gehen soll.
Strategische Klarheit wäre aber wichtig, um sich mit
der speziell von den Ärzten geforderten Autonomie
und Selbstbestimmtheit einbringen zu können. Hier
beisst sich die Katze gleich mehrfach in den Schwanz.
dieser Abstimmung, in diesem Alignment liegt der
Schlüssel zum Erfolg [2].
Die einleitende Sequenz aus der Krankenge­
schichte von Alfred Koller illustriert ein solches, erfolg­
reiches Alignment. Für die komplexe Erscheinungs­
form seines Leidens werden sowohl systematische,
wie traditionelle wie kollaborative Formen ins Spiel
gebracht. Vorhandenes Wissen wird interdisziplinär
und systematisch eingebracht und im Netzwerk der
Behandelnden genutzt und immer wieder neu abge­
stimmt. Das Netzwerk passt sich den Entwicklungen
an. Es lernt. All das ist zu organisieren – und es ist so
zu organisieren, dass es nicht nur wirksam, sondern
auch wirtschaftlich ist. Nicht alles muss das Spital
machen, nicht alles muss der Hausarzt selber machen.
Unterschiedliche Aufgaben können von unterschied­
lichen Akteuren mit unterschiedlichen Qualifikatio­
nen und Honorarsätzen wahrgenommen werden.
Es geht um die kritische Prüfung dessen, was ist, und die differenzierte
Neuausrichtung auf die Möglichkeiten, die die Medizin heute bietet.
Alignment als Schlüssel
Nimmt man diese Erkenntnis – differenzierte medizi­
nische Diagnose­ und Therapie­Ansätze benötigen
differenzierte Formen des Organisierens – ernst, ist
die entscheidende Frage nicht mehr so sehr, wie Ärzte
durch finanzielle und andere Anreize dazu gebracht
werden können, effizienter zu sein und «einen bes­
seren Job zu machen». Es geht vielmehr um die Frage,
wie medizinische Leistungsprozesse so unterschieden
und gestaltet werden können, dass die verschiedenen
Elemente eines Behandlungssystems, also alle jene
für die Behandlung eines Patienten(­kollektivs) nöti­
gen klinischen Leistungen und Entscheidungen, auf­
einander abgestimmt und optimiert sind (Abb. 1). In
Wird jeder Akteur zum richtigen Zeitpunkt, gut vor­
bereitet und eingebunden ins Spiel gebracht, dann
hat das Qualität und dann ist das ökonomisch. Das ist
Prozessoptimierung (ohne dass man sie als solche
ausschildern müsste). Dass solches in mehr Qualität
und Patientenzufriedenheit mündet, ist in der letzten
Nummer des New England Journal of Medicine 2010
an einem eindrücklichen Beispiel – «Collaborative
Care» – nachzulesen [3].
Differenzierungen auf mehreren Ebenen
Die Medizin auf den Punkt bringen – das vorhandene
Wissen adäquat, also differenziert zu organisieren –
verlangt, die Elemente eines Behandlungssystems zu
Tabelle 1
Leitfragen an ein Behandlungssystem.
Element
Leitfrage
Strategie
Auf welche Patientenkollektive, Therapieschwerpunkte und Versorgungssegmente zielen wir als
Gesamtspital, als Klinik oder sonstige Einheit? In welcher Kooperation mit wem?
Leistungsprozesse
Welche Formen (traditioneller Professionalismus, systematisierte und kollaborative Medizin)
in welcher Mischung betreiben wir in welchen Patientenprozessen? Was wäre besser zu nutzen?
Organisation
Welche Organisationsstrukturen, welche (klinischen) Entscheidprozesse und welche Führungssysteme unterstützen? Wie beobachten wir Abweichungen wie Erfolge? Wie sorgen wir für
Lernen und Verbesserung? Wie messen wir uns?
Personalressourcen
Welche (fachlichen) Qualifikationen, welcher Skill-Mix und welche Entwicklungsmöglichkeiten
sind nötig?
Funktionen, Rollen
Welches klinische und Support-Staff, welche Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten braucht es?
Infrastruktur
Welche Medizintechnologie braucht es? Wie steht es mit unserer Informationstechnologie?
Welche anderen Geräte, Einrichtungen, räumliche Ressourcen in welcher Ausgestaltung sind
nötig?
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
210
TRIBÜNE
Qualitätssicherung
identifizieren und aufeinander abzustimmen. Nicht
mehr und nicht weniger. Es sind Entscheidungen
darüber zu treffen, welche Patienten(­kollektive),
mit welchen Leistungsprozessen, in welcher Organi­
sation, mit welchen Funktionen und Rollen, Staff
und Infrastruktur behandelt werden sollen. Das ist,
für sich alleine genommen, nichts Revolutionäres. Im
Gegenteil zutiefst plausibel ist es, dass z. B. Kompe­
tenzen, Infrastruktur und Steuerungsformen aufein­
ander bezogen sein müssen, will man erfolgreich
Patienten behandeln. Resümiert man etwa die ernst­
haften Versuche der letzten Jahre, Zentren zu bilden,
kann man an ihrem Gelingen wie Scheitern ablesen,
wie Alignment erfolgreich Platz greifen konnte oder
eben nicht. Und jeder ernsthafte Beteiligte kann
konstatieren, wie anspruchsvoll solche Organisie­
rungen waren und wie viele Lernschritte zu gewärti­
gen waren. Klinische Wissensflüsse und Entscheid­
prozesse zu organisieren, liegt rasch quer zu den übli­
chen und herkömmlichen Funktionen, Territorien,
professionellen Selbstverständnissen usw. Nochmals:
Keine Revolutionen sind nötig, auch keine völligen
Neuerfindungen, sondern konzise, um Kongruenz
bemühte Gestaltungsprozesse. Das ist anspruchsvoll
genug. Anspruchsvoll darum, weil Alignment bedeu­
tet, selektiver zu werden, bewusster zu entscheiden,
differenzierter zu beobachten und intensiv für Ver­
bindlichkeiten zu sorgen.
Essentiell ist, dass dieses Abstimmen alle Ele­
mente des Behandlungssystems umfasst. Nötig ist
dabei die Differenzierung von sechs Dimensionen
(Tab. 1), die übrigens die im letzten Artikel beschrie­
bene Black­Box der Medizin und Tool­Box des Manage­
ments miteinander verknüpfen. Der Unterschied, der
dadurch entsteht, kann am einfachsten im Vergleich
mit den berühmt­berüchtigten «Behandlungspfaden»
verdeutlicht werden. Behandlungspfade versuchen
im wesentlichen bereits existierende Abläufe aufzu­
zeichnen und zu «begradigen». Die «eigentlichen Pro­
zesse» sollen abgebildet, anschliessend verbindlich
erklärt und eventuell mit ökonomischen Werten unter­
legt werden. Das kann ein sinnvolles Vorgehen sein,
aber nur dort, wo es sich um stark standardisierbare
Behandlungen handelt. Alignment orientiert sich
anders. Auch hier spielen Abläufe, Störungen und
Effizienz eine Rolle. Aber diese Thematik ist viel stär­
ker im Kontext des Behandlungssystems zu sehen
und zu entscheiden, also eingebettet in die Fragen,
welche Patienten mit welchen Formen der Medizin,
mit welcher Organisation, welchem Personal, in wel­
chen Funktionen und Rollen sowie welcher Infra­
struktur behandelt werden sollen. Klar, das ist auf­
wendiger – aber der Natur der Medizin angemessener.
Was ist zu tun?
Differenzierung spielt sich, das macht das Thema
nochmals anspruchsvoll, auf verschiedenen (Versor­
gungs­)Ebenen ab. Entsprechende Beispiele reichen
daher von ganzen Spitälern, etwa dem Istituto Cli­
nico Humanitas in Mailand, das auf seinem Campus
drei verschiedene Spitäler, nämlich je eines für Not­
fall, elektive Eingriffe und Rehabilitation errichtete,
weil man der Vermischung der drei unterschiedlichen
Anforderungen an Organisation wie Personal begeg­
nen wollte, bis hin zu Beispielen der Behandlung
bestimmter Patientensegmente, z. B. chronisch Kran­
ker wie im zitierten Artikel zu «Collaborative Care».
Typischerweise geht es beim Letzteren um das kon­
zertierte Zusammenspiel verschiedener Akteure über
Organisationsgrenzen hinaus. Ein nächstes, für An­
spruch sorgendes Thema. Bereits diese wenigen Hin­
weise machen klar, dass die Erweiterung der Per­
spektive von der einfachen (betriebswirtschaftlich
orientierten) Optimierung hin zum Alignment einen
Komplexitätssprung bedeutet. Einfacher ist das nicht
zu haben, denn viel mehr Entscheidungen sind zu
treffen. Und genau das ist der Punkt, Entscheidungen
sind zu treffen: Welche Patienten(­Kollektive) meinen
wir? Mit welchen Prozessen wollen wir diese
behandeln? Mit welchen Ressourcen? Mit welcher
Steuerung? Mit welchem Staff? Natürlich ergeben
sich Einschränkungen der Entscheidungen durch
existierende finanzielle, räumliche, personelle und
andere Gegebenheiten, die zu berücksichtigen sind.
Aber genau darum geht es: kritische Prüfung dessen,
was ist, und differenzierte Neuausrichtung auf die
Möglichkeiten, die die Medizin heute bietet. Sind die
Behandlungssysteme, die wir meinen, kongruent
konfiguriert? Mit dieser Frage beginnt die Reise. Rich­
tung Alignment.
Literatur
1 Berchtold P, Schmitz C. Anatomie der (stationären)
Behandlungsprozesse. Schweiz Ärztezeitung.
2010;92(3):84–6.
2 Bohmer R. Designing Care. Harvard Business Press;
2009.
3 Keaton WJ, Lin EHB, Von Korff M et al. Collaborative
Care for Patients with Depression and Chronic
Illnesses. New Engl J Med. 2010;363(27):2611–20.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
211
TRIBÜNE
Medizingeschichte
Wohl und Weh
Eine Ausstellung zur Geschichte des Basler Kinderspitals beleuchtet die Entwicklung
der Kindermedizin und Kinderkrankenpflege.
Sabine Braunschweig
Historikerin, Projektleiterin
Korrespondenz:
Sabine Braunschweig
Büro für Sozialgeschichte
Dornacherstrasse 192
CH-4053 Basel
Tel. 061 331 18 00
braunschweig@
sozialgeschichte-bs.ch
Im Jahr 1862 wurde in Basel das Kinderspital am
Rhein als «Musteranstalt» eröffnet. Nun ist es Ende
Januar in einen mustergültigen Neubau umgezogen.
Bevor das alte Gebäude neuen Wohnblöcken weichen
muss, öffnet es nochmals seine Tore und zeigt die
Ausstellung «Wohl und Weh. Vom Kinderspitäli zum
UKBB (Universitäts-Kinderspital beider Basel)». Auf
vielfältige Weise wird die fast 150-jährige Geschichte
dieses für die Region Nordwestschweiz bedeutsamen
Areals illustriert.
Viele Jahrzehnte war das auf Privatinitiative
gegründete Kinderspital ein familiär geführter Betrieb,
der von Hauseltern verwaltet und von einem Arzt
medizinisch geleitet wurde. Zunächst waren Diakonissen aus Riehen in der Pflege tätig, die dann all-
Seit den 1940er Jahren arbeiteten Ärztinnen und Ärzte
aus dem Ausland am Kinderspital in Basel und trugen zu
einem regen wissenschaftlichen Austausch bei. Hier ein
Arzt aus dem Kongo 1963 (Fotoabteilung UKBB).
Während der Polioepidemie 1954 in Basel waren zahlreiche Kinder hospitalisiert (Privat).
mählich von freien Kinderkrankenschwestern abgelöst wurden. Mit den Veränderungen in der Medizin,
Chirurgie und Orthopädie sowie neuen pflegerischen
und pädagogischen Erkenntnissen in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich das
Kinderspital zu einer professionell geführten staatlichen Institution. Immer wieder waren Kinderärzte
und -ärztinnen aus Basel an wichtigen Forschungen
beteiligt. So erwies sich für Basel 1939 die Wahl von
Ernst Freudenberg (1884–1967), Professor für Kinderheilkunde an der Universität Marburg an der Lahn,
der wegen der jüdischen Abstammung seiner Frau
zwangsweise in den Ruhestand versetzt worden war,
als grosse Chance. Seine Forschungen über Rachitis
und Tetanie, über die Ernährung des Kindes oder über
Stoffwechselkrankheiten verliehen ihm einen internationalen Ruf und brachten ihm zahlreiche Ehrungen ein. Er leitete die Redaktion des «Jahrbuchs für
Kinderheilkunde», der ältesten kinderärztlichen Zeitschrift, die er zu den international anerkannten
«Annales Paediatrici» umgestaltete.
Eine Pionierrolle nahm das Basler Kinderspital bei
der Öffnung der Besuchszeiten ein. 1968 wurden sie
von zweimal wöchentlich einer Stunde auf täglich
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
212
TRIBÜNE
Medizingeschichte
«Wohl und Weh»
Die Ausstellung findet vom 17. Februar bis 17. April 2011 in der Poliklinik des alten
Kinderspitals an der Römergasse 8 in Basel statt. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag,
13.00 Uhr–17.00 Uhr, Samstag und Sonntag, 10.00–17.00 Uhr. Freier Eintritt.
Öffentliche Führungen werden jeden Sonntag um 11.00 Uhr angeboten. Private
Führungen und Stadtrundgänge vom alten zum neuen Kinderspital können auch
ausserhalb der Öffnungszeiten gebucht werden.
Das Begleitprogramm bietet pädiatrische, kinderpharmakologische und pflegerische
Fachkolloquien an. Sie finden alle in der Aula des neuen UKBB, Spitalstrasse 33, statt:
3. 3. 2011, 16.00 Uhr–18.00 Uhr
Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen im Spital
1. Kolloquium des Fachbereichs Pflegeentwicklung
Was für ein Spital brauchen Kinder? – Die Entwicklung der Kinderrechte im Gesundheitswesen
Netty Fabian, Pflegeexpertin BScN, UKBB
Kinder gestalten ihr Spital: Partizipative Projekte im UKBB
Zeno Steuri, Geschäftsleiter Kinderbüro Basel
Kinderhospiz – ein Baustein in der Versorgungskette kranker Kinder in der Schweiz
Sabine Kraft, Geschäftsführerin Stiftung Kinderhospiz Basel
Patienten- und Familienedukation: Modischer Trend oder Notwendigkeit?
Ulrike Emmenegger, Pflegeexpertin BScN, UKBB
22. 3. 2011 18.30 Uhr–20.00 Uhr
Kinder – Medikamente – Gift: Neues und Altes zum Thema
Kolloquium zur Kinderpharmakologie
Medikamente und Kinder: eine Geschichte mit zwei Gesichtern
Markus Lampert, Dr. phil. II, Spitalapotheker Bruderholz
Vergiftungsfälle in der Geschichte der Kinderpharmakologie
Michael Kessler, Dr. phil. II, Leiter des Pharmazie-Historischen Museums
der Universität Basel
29. 3. 2011, 18.30–20.00 Uhr
Medizinische Entwicklungen – früher und heute
Kolloquium des Fachbereichs Pädiatrie
Wohl und Weh in der Geschichte der Kindermedizin
Iris Ritzmann, PD Dr. med., lic. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin
des Medizinhistorischen Instituts der Universität Zürich
Infektionskrankheiten 2011 – von banal bis fatal
Ulrich Heininger, Prof. Dr. med., leitender Arzt des UKBB
Hasenscharte – Wolfsrachen? Die moderne ganzheitliche Behandlung angeborener
Spaltbildungen des Gesichts
Katja Schwenzer-Zimmerer, PD Dr. med., Dr. dent., leitende Ärztin des Universitätsspitals Basel
Magenspiegelungen im aktuellen Spiegelbild
Raoul I. Furlano, Dr. med., Leiter der Pädiatrischen Gastroenterologie des UKBB
5. 4. 2011, 16.00–18.00
Kinderkrankenpflege – ein Berufsbild im Wandel
2. Kolloquium des Fachbereichs Pflegeentwicklung
Vom Mutterersatz zur professionellen Kinderkrankenpflege
Sabine Braunschweig, Historikerin, Büro für Sozialgeschichte
Netzwerkkinder – ein Generationenvergleich
Miriam Engelhardt, Dr. phil., USB
Gesundheits- und berufspolitische Perspektiven
Isabel Kym, dipl. Pflegefachfrau – Intensivpflege, UKBB, Präsidentin der IG KJFF des SBK
Ärzte unterrichteten die Schwesternschülerinnen an der
eigenen Schule für Kinderkrankenpflege. Hier ein Arzt im
Unterricht um 1965 (Fotograf: Peter Hemann).
vier Stunden ausgeweitet, und 1975 wurde die
24-stündige Besuchszeit eingeführt. Möglich machten diese Änderungen einerseits Erkenntnisse über
das geringere Infektionsrisiko als angenommen, andererseits das Wissen um psychologische Bindungstheorien, die Anfang 1960er Jahre bekannt wurden. Auch
Eine Pionierrolle nahm das Basler
Kinderspital bei der Öffnung der
Besuchszeiten ein.
die Rolle der Kinderkrankenschwestern hatte sich
verändert. So wurde nun die Behandlung und Pflege
der kranken Kinder eine gemeinsame Aufgabe und
ein gemeinsames Ziel des ärztlichen, pflegerischen
und therapeutischen Personals sowie der Familienangehörigen.
Diese und zahlreiche weitere Themen greift die
Ausstellung «Wohl und Weh» auf. Grundlage sind
historische und aktuelle Objekte und Fotos aus der
bedeutenden Sammlung von Vreni Kuhfuss, pensionierter Kinderkrankenschwester und Berufsschullehrerin. Bereichert wird die Ausstellung durch Hörstationen mit ehemaligen Patienten und Familienangehörigen, Pflegepersonen, Ärzten und Forscherinnen
sowie historischen Filmsequenzen. Ein Begleitprogramm während der Ausstellung umfasst Führungen
und Stadtrundgänge, Fachkolloquien und Aktivitäten
für Kinder.
Weitere Informationen beim Verein Geschichte Kinderspital Basel,
Dornacherstrasse 192, 4053 Basel, Tel. 061 331 18 00,
[email protected], www.sozialgeschichte-bs.ch
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
213
TRIBÜNE
Spectrum
Eulen-Award 2011:
une qualité de vie
meilleure pour les seniors
La troisième édition du Eulen-Award
2011 récompensera avec des prix
d’un montant total de 25 000 francs
des projets novateurs fondés sur la
pratique et promouvant le bien-être
physique, social et mental des seniors. Les thèmes principaux sont la
mobilité des seniors, la promotion
de la santé pour les personnes âgées,
l’approche créative concernant l’encadrement et les soins, les concepts
pour
une
nouvelle
orientation
professionnelle à partir de 50 ans,
les formes de communication et de
rencontre appropriées à l’âge avancé
ainsi que la sécurité. La participation est ouverte aux organisations
et aux personnes individuelles. Plus
d’informations:
http://stiftung-
generationplus.ch
(Promotion Santé Suisse)
Neuer Fragebogen zu prämenstruellen Beschwerden
Vier von fünf Frauen leiden in den
Tagen vor ihrer Monatsblutung an
Beschwerden. Die meisten sind dadurch kaum eingeschränkt, doch
Raucherkinder:
zu hoher Blutdruck
Mitrauchen erhöht bereits bei Kindergärtlern den
Blutdruck. Dies weist eine neue Studie nach. Studien-Leiter Giacomo Simonetti von der Universitätsklinik für Kinderheilkunde des Inselspitals
Bern: «Die Vorsorge gegen Hirn- und Herzschlag
beginnt beim Kind.» Nieren- und Bluthochdruckspezialist Simonetti und sein Team massen im
deutschen Landkreis Heidelberg bei 4236 Buben
und Mädchen im Durchschnittsalter von 5,7 Jahren den Blutdruck. Gleichzeitig wurden weitere
Risikofaktoren erhoben, darunter auch das Rauchverhalten der Eltern. Nach Auswertung aller Daten
steht fest: Kinder mit rauchenden Eltern haben ein
um 21 Prozent höheres Risiko zu Blutdruck im oberen Bereich (15 Prozent über dem Normwert) als
Nichtraucherkinder. Und vom kindlichen Blutdruck führt laut Giacomo Simonetti eine direkte
Linie zum Herz- und Hirnschlag-Risiko beim Er-
wachsenen. Das Fazit ist für Simonetti klar: «Jedes
vermeidbare Risiko sollte vom Kind ferngehalten
und auf das Rauchen zu Hause verzichtet werden.»
(Universitätsspital Bern)
Für die Kinder wäre es am besten, wenn Eltern im
Beisein der Kinder nicht rauchen würden.
Marianne Sommer reçoit le Prix Latsis national 2010
Marianne Sommer a reçu le Prix
Latsis national 2010. Professeure
boursière du FNS au Centre de
recherche en sciences sociales et
économiques de l’Université de
Zurich, la lauréate se voit récompensée pour sa recherche interdisciplinaire dans le domaine des sciences de la vie.
Dans sa thèse de doctorat, Marianne Sommer a
démontré comment le singe est passé, selon l’air
du temps, du statut de bête sauvage à celui d’ami
et de parent proche dans le magazine populaire
«National Geographic». Dans son habilitation, elle
s’est notamment penchée sur la manière dont le
monopole d’interprétation de la religion a subi la
concurrence de l’anthropologie et de l’archéologie.
Doté de 100 000 francs, le Prix Latsis national est
décerné par le Fonds national suisse (FNS), sur
mandat de la Fondation Latsis. Il est considéré
comme l’une des distinctions scientifiques les plus
renommées de Suisse.
(FNS)
Organspende-Bereitschaft besser dokumentieren
Zur Kampagne «Pro Organspende» der Stiftung
«Pro Gesellschaft» erklärt der Vizepräsident der
Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery:
«Wir müssen die Menschen abholen, die sich für
die Organspende aussprechen, aber ihre Bereitschaft noch nicht dokumentiert haben. Denn fast
70 Prozent der Menschen in unserem Land sind
bereit, nach ihrem Tod Organe oder Gewebe zu
spenden. Aber nur 17 Prozent haben ihre Entschei-
dung in einem Organspendeausweis dokumentiert. So versterben von den 12 000 Patienten, die
auf ein Spenderorgan warten, jedes Jahr etwa 3000
Menschen.» Gemäss der vorgeschlagenen Lösung
solle die Information so intensiviert werden, dass
möglichst jeder Bürger die Pflicht erkenne, sich zur
Organspende bereit zu erklären.
(BÄK)
wäre bei rund jeder zehnten Frau
eine Therapie angezeigt. Forscher
der Universität Basel haben nun mit
Kollegen aus Kanada einen Fragebogen entwickelt, mit dem sich diese
Frauen schneller erkennen und früher behandeln lassen. Ein Bericht
zum neuen Screening-Instrument
für prämenstruelle Symptome (SIPS)
ist im Fachmagazin «Der Nervenarzt» erschienen.
(Universität Basel)
Wer nach seinem Tod Organe spenden will, sollte dies in Deutschland auch in einem Ausweis dokumentieren.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
214
Horizonte
Streiflicht
Das Spital am nil
Die ägyptische Stadt Naqada, 60 Kilometer nördlich von Luxor.
Erhard Taverna
Viele Schweizer sind in den 20er und 30er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts nach Ägypten ausgewandert. Eine blühende Baumwollindustrie im Deltagebiet
des Nils machte Alexandrien zum Zentrum eines internationalen Textilhandels. Markus Knoblauch kam hier
1935 zur Welt und verbrachte die ersten 13 Lebensjahre in der Metropole am Mittelmeer. Wie für alle
Ausländer war damals für ihn Französisch die Hauptsprache. Das «Küchenarabisch» der Kinderjahre ist
ihm heute eine nützliche Grundlage beim Erlernen
der Hochsprache. Ende der 40er Jahre fuhr die ganze
Der erste Besuch 2006, der bloss als eine Kontaktnahme gedacht war, dauerte zwei Wochen, weil bereits
60 ambulante Patienten eingeschrieben waren.
[email protected]
Familie mit einem Truppentransporter nach Neapel
und von dort aus mit einem Bus des Roten Kreuzes zu
seinem ersten Urlaub in die Schweiz.
Den Jahren am Nil folgten die Zeit am Gymnasium und das Medizinstudium in Bern. Da die Eltern
im Ausland blieben, mussten alle vier Söhne schon
sehr früh selbständig werden. Markus Knoblauch war
als Internist und Gastroenterologe Chefarzt am Spital
Männedorf und wurde Titularprofessor an der Universität Zürich. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000
beschäftigte ihn zusätzlich das Amt des Vizepräsiden-
ten im Vorstand der Kantonalen Zürcher Ärztegesellschaft. Mit dem Rücktritt aus diesen Funktionen begann keineswegs der vielzitierte Ruhestand. Denn
kaum war er seine Kaderposten los, beschäftigen ihn
bis zum heutigen Tag Vertretungen in Spitälern und
Privatpraxen.
Dabei wäre es vermutlich geblieben, hätte Markus
Knoblauch nicht als Präsident der Kirchgemeinde
Jona-Rapperswil an einem Kongress über die Lage der
Kopten in Ägypten teilgenommen. Nicht ganz zufällig erzählte ihm der Tischnachbar von einer christlichen Organisation mit Schulen, Spitälern und landwirtschaftlichen Einrichtungen entlang des Nils. Ein
Landspital mit 24 Betten in Naqada, 60 Kilometer
nördlich von Luxor, stehe kurz vor der Vollendung,
ob er da nicht einmal …? Der erste Besuch 2006, der
bloss als eine Kontaktnahme gedacht war, dauerte
zwei Wochen, weil bereits 60 ambulante Patienten
eingeschrieben waren. Mit einer langen Wunschliste
ist der Gastroenterologe zurückgekehrt. Seither sind
jährliche Konsultationswochen ausgeschrieben, die
unter den Kopten und Muslimen der Nachbardörfer
einen grossen Zulauf finden. Der Leiter des Spitals, ein
Neonatologe, ist wie das übrige Personal ein Ägypter,
unter ihnen auch ein Kollege, der alle drei Monate
vom Konsiliararzt aus der Schweiz im Endoskopieren
unterrichtet wird.
Kopten haben es im Lande nicht leicht, wie die
jüngsten Ereignisse auf tragische Weise in Erinnerung
gerufen haben. Politisch ist es heikel, als christliches
Unternehmen aufzutreten. Die Organisation mit Sitz
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
215
Horizonte
Streiflicht
in der Schweiz nennt sich im Lande «Services along
the Nile» und finanziert ihre Einrichtungen über eine
Finanzgesellschaft an Ort und Stelle. Das Angebot geniesst im Einzugsgebiet der rund 100 000 Einwohner
einen sehr guten Ruf. Zur Zeit werden jährlich 500 Patienten aufgenommen und vielseitig versorgt. Seit das
Gesundheitsministerium Operationen in Privatpraxen
etwa 20 % der Bevölkerung infiziert. Markus Knoblauch sah in den ersten zwei Wochen mehr Patienten
in einem Praecoma hepaticum als in seiner ganzen Spitalzeit in Männedorf. Doch trotz verbesserter Hygiene
bleibt die Infektionshäufigkeit auch unter den 20bis 30-Jährigen hoch. Die Gründe sind unklar, meist
fehlt ganz einfach das Geld für eine ausreichende Be-
zu den häufigsten täglichen Problemen zählen die weitverbreitete
Bilharziose und die Hepatitis C.
untersagt hat, sind einheimische Belegärzte an einer
vermehrten Zusammenarbeit interessiert. Mittlerweile
finanziert sich das Spital zu 50 % selbst, am Restbetrag
ist auch das Schweizer Departement für Entwicklung
und Zusammenarbeit beteiligt.
Zu den häufigsten täglichen Problemen zählen die
weitverbreitete Bilharziose und die Hepatitis C, die
handlung, da nur Beamte krankenversichert sind. Mit
dem neulich von den Kirchgemeinden Jona-Rapperswil und der politischen Gemeinde finanzierten Colonoskop fand Markus Knoblauch bei den ersten vier
Untersuchungen zwei Rectumcarcinome, eine Colitis ulcerosa und ein solitäres Ulkus. Die Arbeit wird
nicht ausgehen. Neu hinzugekommen ist sein Bruder,
Andreas Knoblauch, Pulmonologe am Kantonsspital
St. Gallen, ferner zählt auch der Neurologe Dieter Ferrer aus Basel zum Team. Erwünscht wären noch Pädiater und Allgemeinchirurgen. Die Familie Knoblauch
sucht das Ungewöhnliche. So ist auch der älteste Sohn,
Gastroenterologe und Chefarzt in Stans, an einem Projekt in Malawi engagiert.
Erstaunlicherweise hat Markus Knoblauch immer
noch etwas Freizeit. Bereits hat ihn die Kirchgemeinde
für weitere vier Jahre im Amt bestätigt, und auch der
Zürcher Konzertchor mag nicht auf seinen Bass verzichten. Gerne würde der vitale Ägyptenreisende auch
noch musizieren, doch das überlässt er seiner professionell ausgebildeten Ehefrau. Dafür besucht der vielseitig Interessierte einen Arabischkurs für Fortgeschrittene an der Volkshochschule, wenn er nicht gerade
eine Museumsausstellung besucht, ein neues Buch
liest oder mit der Kirchenpflege ein Projekt für psychisch belastete Menschen auf die Beine stellt.
Für Spenden dankt herzlich: Mission am Nil, Postfach
52, 8934 Knonau / Konto 80-22156-1
Professor Markus Knoblauch (rechts) mit ägyptischen Kollegen bei der Untersuchung eines
Patienten.
Kontakt: Prof. Dr. med. Markus Knoblauch, Sonnenbergstrasse 11, 8645 Rapperswil-Jona
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
216
Horizonte
Streiflicht
Das schmucke nanophon
Bernhard Gurtner
Korrespondenz:
Dr. med. Bernhard Gurtner
Eggstrasse 76
CH-8620 Wetzikon
[email protected]
Das Stethoskop hat seit seiner Erfindung im 19. Jahrhundert einen falschen Namen. Das inzwischen als
Statussymbol glorifizierte Gerät wird neo-altgriechisch als «Brustglotze» bezeichnet, obwohl es keine
optischen, sondern akustische Wahrnehmungen vermittelt und nicht nur dem Brustkasten aufgesetzt
wird. Es erfasst auch sehr diskrete Schallphänomene
und könnte deshalb Nanophon heissen, seine sprachlichen Geschwister wären Mikrophon und Megaphon.
Seit dem Siegeszug der bildgebenden Verfahren
ist das Sehen viel wichtiger als das (Zu-)Hören geworden. Diesem Zeitgeist entsprechend sind die Stethoskope nur noch in flüchtigen Momenten dazu da,
einen Befund zu erheben. Ihre haupt- bzw. halssächliche Verwendung besteht nun darin, lässig um den
Hals geschlungen die Professionalität der Medizinalpersonen augenfällig zu bezeugen, sei es im realen
beruflichen Alltag oder in einer der herrgottweissen TV-Serien. Mit gerunzelter Stirne und andächtig
geschlossenen Augen setzen die Schauspieler ihre
akustischen Saugnäpfe auf wohlgeformte Busen und
diagnostizieren in Sekundenschnelle gar manches
Herzeleid. Dann hängen sie sich das Stethoskop wieder um den Hals, wie sie es den echten Medizinern
abgeguckt haben.
Wer genau hinschaut, wird bemerken, dass die
einen Schlauch und Schallkopf von hinten über die
linke Schulter werfen, die Ohrbügel baumeln rechts
unter dem Schlüsselbein; andere bevorzugen es seitenverkehrt. Das weist laut einer Feldstudie darauf
hin, ob jemand Rechts- oder Linkshänder ist oder
zu jenen Querköpfen gehört, die ihr Mobiltelefon
mit der rechten Hand an das linke Ohr halten, wenn
sie einhändig durch den dichten Morgenverkehr
steuern.
Bei Nichtgebrauch stopfte man einst das Stethoskop in eine der Seitentaschen der Arztschürzen oder
hatte es im Untersuchungszimmer irgendwo verlegt.
Allzeit bereite Kardiologen, die alle Finessen der Auskultation beherrschten, klemmten sich die beiden
Bügel mit den ohrenschmalzschmierigen Oliven in
den Nacken und liessen den Schallkopf vor dem Sternum pendeln. Bei Ärztinnen bot sich an gleicher
Stelle ein anatomisch vorgegebenes Versteck an, wo
der Trichter und die Membran patientenfreundlich
vorgewärmt wurden. Feinfühlige Kollegen pflegten
ihre eiskalten Instrumente vor dem Aufsetzen mehrmals anzuhauchen, bis diese Bio-Bedampfung von
der Hygienefachfrau in Frage gestellt wurde. Sie verteilte auch Feuchttüchlein, mit denen die Stethoskope wöchentlich einmal zu reinigen waren, so wie
die Telefonapparate und die vielbenützten PC-Tastaturen im Ärztebüro. Der offensichtliche Effekt dieser
nosokomialen Prophylaxe liess alle Spötter verstummen.
Mit seinem ursprünglich röhrenförmigen Stethoskop hat Laennec (1781–1826) das direkte Abhorchen
durch ein Instrument ergänzt, das zwischen Arzt
und Patientin einen zunächst nur sittlich erwünschten kleinen Abstand schuf [1,2]. Seither behindern
immer voluminösere und kompliziertere Apparate
die direkte Begegnung zwischen den Behandelnden
und den Behandelten. Manche diagnostischen oder
therapeutischen Eingriffe erfolgen sogar ferngesteuert
und werden auf Monitoren in eine virtuelle Welt ausgelagert.
Da bleibt das Stethoskop für die Patienten ein gut
vertrautes «Telefon», mit dem der Arzt ihr Inneres
abhorchen kann. Sie lieben diesen «Lauschangriff»
und merken nicht, dass die Ärztin gleichzeitig die
Bauchdecken-Abwehrspannung prüft, wenn sie das
Hörgerät intensiv auf den rechten unteren Quadranten presst. Rentner danken dem Doktor, wenn er ihnen bei der Prüfung der Fahrtüchtigkeit nach kurzem
Abhorchen eine robuste Gesundheit attestiert. Sie
notieren gewissenhaft, dass ihr Blutdruck auskultatorisch erfasst genau 152/94 mm betrage, obwohl die
Untersuchenden in Kenntnis der Ungenauigkeit der
unblutigen Messmethode auf- oder abrunden dürften, wie es die Franzosen vernünftigerweise seit jeher
tun. Das sei ungehörig, wird uns hierzulande von nanophilen Experten beschieden. Tant pis!
Literatur
1 Markel H. The stethoscope and the art of listening.
NJEM. 2006;354:551–3.
2 Gurtner B. Feinblasig klingend. Schweiz Ärztezeitung.
2003;84(17):839.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
217
ZU GUTER LETZT
Thema Kaiserschnitt
Ethische Fragen ohne einfache Antworten
Kaiserschnitt auf
Wunsch? Kaiserschnitt
auf Anordung? Beide
Positionen beinhalten
erhebliche ethische
Herausforderungen.
1 Martin J. Biomédecine et
procréation. Revue médicale
suisse. 2005; 1:453–8.
2 Les césariennes de la
discorde. 24 Heures
(Lausanne), 21 décembre
2010. p. 33.
3 Martin J. Können Patienten
auf ärztlichen Leistungen
bestehen? Schweiz
Ärztezeitung. 2010,
91(38):1504.
4 Minkoff H, Drapkin Lyerly A.
Samantha Burton and the
rights of pregnant women.
Hastings Center Report.
Nov./Dec. 2010; 40. No. 6.
p. 13–5.
5 Kolder VE, Gallagher J,
Parsons MT. Court-ordered
obstetrical interventions.
New England Journal of
Medicine. 1987; 316:1192–6.
6 Appel JM. Medical kidnapping: rogue obstetricians vs.
pregnant women. Huffington
Post. January 24; 2010.
7 Da mir diese Frage gelegentlich von Studierenden oder
Kollegen/-innen gestellt
wird, möchte ich bei dieser
Gelegenheit betonen, dass es
andererseits in unseren
Rechtsordnungen keine
Situation gibt, in der eine
Frau zu einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen
werden kann.
[email protected]
Jede dritte Schwangerschaft in der Schweiz wird
heute mit einem Kaiserschnitt beendet. Zu meiner
Studienzeit lag die Zahl bei unter 10 %. Die Zeiten
ändern sich, die Medizin entwickelt sich, und alle
Fortschritte sollen den Patientinnen und Patienten
zugute kommen, um bestmögliche Lebensqualität
und geringstmögliche Beschwerden zu gewähren. Dennoch stellt sich die Frage, wie weit sich die neuen
technisierten Methoden der Kinderzeugung ausdehnen werden [1].
Hebammen-Organisationen reagieren alarmiert
auf diese Abkehr von der natürlichen Geburt. Ich
erinnere mich an Plakate englischer Kliniken, auf
denen mit dem Slogan «Saving the love channel» für
den Kaiserschnitt geworben wurde. Kürzlich musste
ich zu meiner grossen Überraschung erfahren, dass in
einer deutschen Universitätsklinik dem Wunsch der
Patientin nach Kaiserschnitt stattgegeben wird, wenn
sie darauf besteht, auch wenn die medizinische Notwendigkeit fehlt. Dazu ein übersetzter Auszug aus einem Interview in 24 Heures: «Bevor ich schwanger
wurde, habe ich mich vergewissert, dass eine Geburt
per Kaiserschnitt möglich ist. Ausgeschlossen, dass
ich ein Kind vaginal auf die Welt bringen würde.» Einige vergleichen die vaginale Entbindung mit einer
Art grausamem Ritual [2]! Nun … ich muss gestehen,
dass ich merke, einer älteren Generation anzugehören. Zwar habe ich mich stets für die Anerkennung
und gesetzliche Verankerung der Patientenrechte
stark gemacht, aber es scheint sich immer mehr die
Frage aufzudrängen, ob die Patienten auch das Recht
haben, Leistungen von ihrem Arzt zu fordern [3].
Dieselbe Frage, nämlich Kaiserschnitt Ja oder
Nein, kann umgekehrt gestellt werden. Sie wird in der
jüngsten Ausgabe der Zeitung für Bioethik, dem
Hastings Center Report, diskutiert [4]. In diesem Fall
geht es darum, ob und wann es gerechtfertigt ist, dass
ein Gericht die Entbindung per Kaiserschnitt gegen
den Willen der Frau anordnet. Ich habe mich aus
meiner Sicht als Kantonsarzt mit dieser Frage befasst,
denn in einigen US-Staaten besteht die Möglichkeit,
z.B. bei drogenabhängigen Frauen, die kurz vor der
Entbindung stehen, einen Kaiserschnitt gerichtlich
anzuordnen, wenn eine schwere gesundheitliche
Gefährdung des Kindes zu befürchten ist [5]. Auf unserer Seite des Atlantiks gestattet allerdings kein Land
einen derartigen Eingriff in die körperliche Integrität,
wenn die betroffene Person dies ablehnt – auch zum
Wohle des ungeborenen Kindes nicht.
Dazu eine weitere Anmerkung: Kolder et al. haben
festgestellt, dass am häufigsten Frauen zu einem Kaiserschnitt gezwungen wurden, die aus armen Verhält-
nissen stammten, Minderheiten angehörten und
häufig kein Englisch sprachen. Dies ist ein weiteres
Beispiel für eine Konstante in Public Health: Die den
Menschen zugänglichen Gesundheitsleistungen hängen von ihrem Status ab und die sozio-ökonomischen
Disparitäten finden ihren Ausdruck in Ungleichbehandlung (dies gilt im übrigen ebenfalls für die
Wunsch-Schnittentbindung, die wahrscheinlich häufiger Frauen aus der mittleren oder gehobenen
Schicht gewährt wird).
Minkoff und Dryerly beschreiben, dass in Sachen
des «Zwangskaiserschnitts» in den USA derzeit eine
Gegenbewegung zu beobachten ist, und führen mehrere Berufungsfälle an, in denen höhere Gerichte der
Rechtfertigung eines angeordneten Kaiserschnitts
widersprachen. Ihre Sorge ist allerdings, dass, obgleich
die Geburtshelfer das Recht der Frauen auf Ablehnung medizinischer Massnahmen respektieren, diese
Rechte in den letzten zwei Jahrzehnten ausgehöhlt
worden sind. Dafür gebe es unter anderem zwei
Gründe: den unaufhörlichen Kampf um die Abtreibung und die Einstellung, dass Frau und Fötus in einem grundsätzlichen Konfliktverhältnis zueinander
stünden. Nach Ansicht der Autoren würden «die
Rechte schwangerer Frauen heutzutage häufig mehr
beschnitten als die Rechte von Eltern an ihren bereits
geborenen Kindern». Dies erinnert an einen Gedanken, der einst in den Debatten um die Fristenregelung
zu hören war. Man fragte sich, ob diejenigen, die sich
grundsätzlich gegen einen Schwangerschaftsabbruch
aussprachen, auch bereit wären, ebenso viel Energie
und Mittel aufzuwenden, um sich angemessen um
die in desolate Verhältnisse hineingeborenen Kinder
zu kümmern.
Zum Abschluss ein Rat eines anderen amerikanischen Autors an die Frauen: Sie sollten ihrem Gynäkologen einmal die Frage stellen, ob es Umstände geben
könnte, unter denen er ihnen verweigern würde, selbst
über eine mögliche Behandlung zu entscheiden [6]. Interessante Frage; ich vertrete die Ansicht – wie sicherlich alle, die sich mit ethischen Fragen befassen – dass
das Recht der Frau auf Ablehnung eines Kaiserschnitts
unteilbar und massgebend ist, unabhängig davon, wer
diesen Eingriff anordnen sollte [7]; dagegen bin ich im
Hinblick auf ihr Recht, einen Kaiserschnitt fordern zu
können, skeptisch und fühle mich bei dem Gedanken
unwohl. Sollte ich mich einmal selbst befragen, ob ich
in meiner Haltung von patriarchalischen oder chauvinistischen Tendenzen geleitet bin?
Jean Martin, Mitglied der Nationalen Ethikkommission
und Mitglied der Redaktion der SÄZ
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum
218
ANNA
www.annahartmann.net
Die letzte Seite der SÄZ wird von Anna frei gestaltet, unabhängig von der Redaktion.
Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 6
Editores Medicorum Helveticorum