55. Lepanto – Mit maritimen Geheimwaffen gegen die Türken
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55. Lepanto – Mit maritimen Geheimwaffen gegen die Türken
55. Lepanto – Mit maritimen Geheimwaffen gegen die Türken Das Mittelmeer ertönte seit den Tagen der Phönizier vom Kriegslärm Dutzender Seeschlachten. Doch was sich 1571 vor der Küste Westgriechenlands abspielte, war ohne Beispiel. 484 Schiffe standen einander gegenüber, europäische und türkische. Dieser Kampf Kreuz gegen Halbmond entschied endgültig über die maritime Vorherrschaft im Mittelmeer. Die Christen waren zahlenmäßig unterlegen, trotzdem ging ihr Oberbefehlshaber Juan d’Austria zuversichtlich in den Kampf. Denn er verfügte über eine Geheimwaffe. Das türkische Großreich umfasste Mitte des 16. Jahrhunderts sechs Millionen Quadratkilometer mit einer Bevölkerungszahl von 25 Millionen. Zum Herrschaftsbereich des Sultans zählten auch die „Barbareskenstaaten“ (heute Algerien, Libyen und Tunesien). Von Nordafrika aus fanden immer wieder Überfälle großer Piratenflotten auf die Küsten Spaniens und Italiens statt. Tausende Christen wurden geraubt und in die Sklaverei verschleppt, der Seehandel empfindlich gestört und Häfen ständig von Raubzügen bedroht. 1570 war auch noch der letzte christliche Stützpunkt im östlichen Mittelmeer bedroht, die Stadt Famagusta auf Zypern. Hier landete im September eine 56 000 Mann starke türkische Invasionsarmee, eroberte die Hauptstadt Nikosia und belagerte Famagusta. Zur Abwehr dieser Gefahr verbündete sich König Philipp II. von Spanien im Mai 1571 mit Venedig, Genua und dem Papst. Für Famagusta freilich kam jede Hilfe zu spät. Nach fast elf Monaten kapitulierte der Festungskommandant Marco Antonio Bragadino, ein Adliger aus Genua. Obwohl der türkische Oberbefehlshaber Ali Muezzinade Pascha versprach, das Leben der Einwohner zu schonen, begann ein erbarmungsloses Gemetzel, dem 20 000 Menschen zum Opfer fielen. Bragadino wurde grässlich gefoltert, seine Haut abgezogen, mit Kleie vollgestopft und im Triumphzug durch Istanbul getragen. Einen Monat später, am 16. September 1571, verließ eine große europäische Flotte den Hafen von Messina auf Sizilien. Ihr Befehlshaber war der deutschstämmige Halbbruder König Philipps, von den Spaniern „Don Juan d’Austria“ (Johann von Österreich) genannt. Er war erst 24 Jahre alt, besaß aber bereits Kampferfahrung zur See. Ältere Kommandeure, wie etwa der Venezianer Sebastiano Veniero, ordneten sich dem 142 charismatischen Juan schnell unter. Veniero hatte aus seiner Stadt eine Geheimwaffe mitgebracht – die Galeasse. Es handelte sich um einen gänzlich neuartigen Typ der Rudergaleere, wesentlich größer und viel schwerer bewaffnet. Während herkömmliche Galeeren nur in Fahrtrichtung feuern konnten, war die Galeasse imstande, Breitseiten abzuschießen. Von diesen schwimmenden Festungen waren aber nur sechs rechtzeitig in Venedig fertiggestellt worden. Dennoch entschloss sich Juan d’Austria zum Kampf. Vor dem Golf von Korinth, unterhalb der Stadt Lepanto (heute Naupaktos), stoßen die beiden Flotten am 7. Oktober 1571 aufeinander. Ali Muezzinade Pascha, der bei Famagusta so grausam gewütet hatte, befehligt 272 Schiffe, Juan nur 212. Er steht mit seinem Kapitän Alessandro Farnese am Bug des Flaggschiffes „La Real“. Als gegen 12 Uhr der türkische Admiral Uluch Ali, ein ehemaliger Pirat, zwischen Zentrum und rechtem Flügel durchbricht, greift Juan persönlich in das Geschehen ein und attackiert das gegnerische Admiralsschiff „Sultana“. Nach einer Stunde wilder Gefechte trifft eine spanische Gewehrkugel Ali Muezzinade Pascha in den Kopf. Als er tot umfällt, kapituliert seine Besatzung. Das grüne Banner des Propheten Mohammed wird niedergeholt und dafür die Kreuzesfahne gehisst. Alessandro Farnese entert wenig später die Galeere mit dem türkischen Kriegsschatz, während die sechs Galeassen Sebastiano Venieros einen Gegner nach dem anderen zusammenschießen. Gegen 14 Uhr bricht die türkische Schlachtordnung auseinander. 170 ihrer Schiffe gehen verloren, 30 000 Türken sind tot oder verwundet, 3 000 gefangen. Bis auf den listigen Uluch Ali, der rechtzeitig entflieht, sind alle türkischen Admirale gefallen. Juans Flotte hat zwölf Schiffe und 8 000 Mann verloren. Seine Soldaten befreien nach der Schlacht 15 000 christliche Rudersklaven von ihren Ketten. Der Triumph von Lepanto schwächte die Türken im Mittelmeer so nachhaltig, dass sie künftig nur noch defensiv auftreten konnten. Vor allem der Verlust von ausgebildeten Mannschaften war nur schwer zu ersetzen. Spaniens großer Nationaldichter Miguel de Cervantes nahm an der Seeschlacht bei Lepanto teil. Er nannte den 7. Oktober 1571 einen denkwürdigen Tag, „weil alle Nationen der Welt von dem Irrtum erlöst wurden, die Türken seien auf dem Meer unbesiegbar“. 143