Aqua-Camp mit Christof Wandratsch in Burghausen
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Aqua-Camp mit Christof Wandratsch in Burghausen
Aqua-Camp mit Christof Wandratsch in Burghausen ein Bericht von Ulrich Vormbrock 4. bis 6. Juli 2014 in Burghausen (Oberbayern) Preis: 300 Euro pro Person Vorgeschichte: Ich bin erst seit ca. anderthalb Jahren Langstrecken-Schwimmer und möchte am 11. August 2014 den Bodensee von Friedrichshafen nach Romanshorn (12 km) überqueren. Vor wenigen Monaten habe ich bereits an einem Intensiv-Camp auf Mallorca teilgenommen, um meine Kraftausdauer zu testen und auszubauen. Die auch im Camp durchgeführte 6-stündige Kaltwasser-Schwimm-Einheit (welche ich allerdings im Gegensatz zu manchen Channel-Aspiranten im Neo absolviert hatte) klappte sehr gut. Insofern war ich mir sicher, Distanzen von 12 km problemlos bewältigen zu können. Oliver Halder, der bislang meine Beiträge auf Facebook verfolgt und kommentiert hatte und zudem meine bevorstehende Bodensee-Überquerung betreuen wird, empfahl mir wärmstens, mich für ein AquaCamp bei Christof Wandratsch anzumelden, um noch weitere wertvolle Tipps in Bezug auf Technik, aber auch in punkto Organisation und Ernährung bei Wettkämpfen zu erhalten. Und Oliver sollte Recht behalten, wie wir später noch sehen werden! 1. Tag im Camp: Ich reiste am Freitagnachmittag von München nach Burghausen - vereinbarter Treffpunkt war um 18h am Eingang vom Wöhrseebad. Christof schrieb mir am Tag zuvor, dass außer mir noch ein gewisser Peter aus Walldorf mit von der Partie sein würde: kurz nachdem Christof und ich uns begrüßt hatten, kam ein freudestrahlender Herr hinzu und wirkte auf uns beide gleich sehr sympathisch - genauso wie Yvonne, die ihren Mann begleitete und für uns beide eine Art moralische Unterstützung war. Obwohl Yvonne nicht mit uns schwamm, interessierte sie sich dennoch sehr für unsere Fortschritte und für unsere Visionen in punkto Schwimmen, was mir persönlich außerordentlich gut gefiel! Da wir nur zwei Teilnehmer waren, genossen wir bei Christof einen regelrechten Premium-Service. Die Chemie zwischen uns stimmte vom ersten Augenblick an, und somit war der Weg für ein intensives, erlebnisreiches und erfolgreiches Wochenende geebnet! ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 1 Peter ist übrigens nicht nur ein guter Schwimmer, sondern hat bereits 40 Jahre aktive Mitgliedschaft bei der DLRG hinter sich, und zwar vom einfachen Schwimmer über Rettungsschwimmer bis hin zum Rettungstaucher und wieder zurück zum Freitauchen mit ABC-Ausrüstung und Apnoetauchen. Wie wir später sehen werden, tut sich Peter wesentlich leichter mit technisch anspruchsvollen SchwimmÜbungen als ich. Am Wöhrsee gibt es neben einer Liegewiese auch mehrere größere Holzpontons mit Kabinen und Flächen zum Sonnenbaden - daher hat das Seebad einen eher nostalgischen Charakter. Außerdem hat das Seebad auch einen Bootsverleih: Christoph mietete sich ein Tretboot, und zusammen mit Peters Frau Yvonne fuhr er über den See, während Peter und ich neben dem Boot herschwammen. Und da kam für mich bereits die erste Hürde: Christof bestand darauf, Kraulschwimmen mit 3-er Atmung zu vollziehen. Da ich diese bislang kaum geübt hatte, bekam ich Atemnot und fluchte zwischendurch auch etwas. Auf meinen Einwand hin, dass ich zu wenig Lungenvolumen habe, um bilateral zu atmen, entgegnete mir Christof, dass dies nichts mit meiner Lunge zu tun haben kann, sondern dass meine Atemnot eher von psychologischer Natur sei. Und da kam auch schon die erste Kritik an meinem Schwimmstil: mein Kopf sei während des Kraulschwimmens viel zu unruhig, was eine unruhige Körperbewegung nach sich ziehe. Und dies bremst natürlich aus ... Christof war in punkto Schwimmtraining sehr kreativ und sorgte bei unserem ersten Training im Wöhrsee für viel Abwechslung: so sollten wir uns hinten an das Tretboot dranhängen und dieses nur mit kräftigem Beinschlag schieben. Da kamen wir ganz schön aus der Puste. Dann war Sichten angesagt, und so wurden wir dazu aufgefordert, Badeinseln (Holzpontons) anzuvisieren und dort hin zu schwimmen. Dann kamen Tempowechsel (also Wechsel zwischen GA1 und Sprints) an die Reihe. Dann wiederum Spiele mit den Laubfängern - dies waren Bretter, welche den Innenbereich des Wöhrsees vor Laub und Treibgut schützten: einmal sollten wir darunter tauchen, ein anderes Mal sollten wir darüber klettern und wieder ins Wasser springen. So wurde es uns nicht langweilig und hatten uns zudem das Abendessen redlich verdient, welches wir zusammen mit Christof im Hotel einnahmen. Da hinterher noch Nachtschwimmen auf dem Programm stand, gab es an diesem Abend nur alkoholfreies Bier. Abgesehen vom guten Essen profitierten wir von den intensiven Gesprächen mit Christof: der Extremschwimmer machte uns gleich am Anfang deutlich, dass er ein Mensch aus der Praxis ist und uns daher keine Powerpoint-Präsentationen oder theoretische Vorträge bieten wird. Stattdessen können wir ihn alles fragen, was uns auf der Seele liegt, sei es Dinge über Technik, Verpflegung, Wettkampf-Organisation, und so weiter. Auch Yvonne hörte die ganze Zeit über aufmerksam zu und gab immer mal wieder wertvolles Feedback aus der sog. Beobachter-Perspektive. ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 2 Gegen 22h machten wir uns erneut auf den Weg zum Wöhrsee. Rechts über dem See thronte die mit 1051 Metern längste Burg der Welt, welche majestätisch im gelb-golden Licht erstrahlte und uns daher mit ausreichend viel Licht versorgte, so dass wir zum Schwimmen keine Leuchtstäbe benötigten. Yvonne leistete uns Gesellschaft und machte zudem einige Fotos, wofür ich persönlich sehr dankbar war! Wir schwammen ca. 20 Minuten lang und eroberten den durch die Laubfänger abgetrennten Außenbereich des Sees, wo es dann doch etwas dunkler wurde. Aus Sicherheitsgründen schwammen wir mit Christof in einer Dreier-Gruppe und fühlten uns dabei sehr sicher. Zum Abschluss schwammen wir ca. 10 Meter lang unter einem Holzponton durch, wo es mir doch ein wenig unheimlich zumute wurde, zumal man den Kopf sehr tief halten musste, um nicht anzustoßen. Für den Folgetag stellte Christof uns zwei Optionen zur Auswahl: entweder Schwimmen in einem sehr kalten See zwecks Kaltwasser-Tauglichkeits-Bescheinigung oder aber Langstreckenschwimmen in gemäßigten Temperaturen mit anschließendem Abstecher zu einem 8°C kalten Gebirgssee, wo man quasi als Mutprobe kurz hineinspringen durfte (aber nicht musste). Peter und ich entschieden uns für die letztere Variante, und somit vereinbarten wir mit Christof, dass er uns am nächsten Morgen um 10h vom Hotel abholen würde. 2. Tag im Camp: Als ich um 8h aufwachte, regnete es recht stark. Außerdem merkte ich, dass mein Immunsystem etwas angeschlagen war, und ich mich nicht so super fit fühlte. Gott-sei-Dank hatte ich Mittelchen dabei, um das Immunsystem zu stärken. Zudem nahm ich mir fest vor, auf längere Distanzen nur mit Neo zu schwimmen, auch wenn Christof von diesen Hilfsmitteln wenig hält. Er ist Extremschwimmer und hat bereits mehrmals Wettkämpfe eiskalten Wasser (nahe dem Gefrierpunkt) nicht nur bestritten, sondern auch gewonnen. Andererseits hat uns Christof gleich am Anfang deutlich gemacht, dass wir in seinem Aqua-Camp keinen falschen Ehrgeiz an den Tag legen sollten und daher jederzeit das Schwimmen abbrechen können, wenn wir erschöpft sind. Seine Hauptparole war: jeder soll sich im Aqua-Camp wohlfühlen. Gegen 10h änderte sich das Wetter zu unseren Gunsten, und die Sonne kam mehrmals hervor. Wir fuhren mit Christof zunächst in einen Supermarkt, um Getränke, Gels und Fruchtriegel zu kaufen. Danach ging es weiter zum Waginger See (übrigens der wärmste Badesee Oberbayerns), welcher mit dem Auto in 30 Minuten von Burghausen zu erreichen ist. Während der Fahrt erklärte uns Christof einiges über Verpflegung bei See-Überquerungen. Entgegen meiner ursprünglichen Annahme sollte man sogar alle 20 Minuten Getränke zu sich nehmen sowie feste Nahrung zu jeder vollen Stunde. Er empfahl uns zudem, Getränke während einer Überquerung nicht aus Plastikbechern (wegen der Verletzungsgefahr bei Bruch) sondern ausschließlich aus Pappbechern zu sich zu nehmen. Außerdem sollten wir darauf achten, dass der Betreuer auf dem Begleitboot uns Mut zuspricht und nicht gelangweilt dreinschaut. Fragen an den Schwimmer wie z.B. "wie geht es dir?" oder sogar "du siehst schon richtig erschöpft aus!" sollten unbedingt vermieden werden, um den Schwimmer nicht noch weiter zu demoralisieren oder ihn zum Nachdenken über die eigene Müdigkeit zu animieren. Christof gab uns noch viele weitere Tipps - diese hier aufzuzählen würde sicherlich den Rahmen meines ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 3 Erlebnisberichts sprengen. Ich persönlich kann jedem ambitionierten Schwimmer nur empfehlen, selber an solch einem Aqua-Camp teilzunehmen und Christof gezielt zu fragen! Am nördlichen Ufer des Waginger Sees (Ortschaft Tettenhausen) gibt es einen Bootsverleih, welcher Gott-seiDank und trotz des durchwachsenen Wetters geöffnet war. Während Peter und ich uns umzogen, organsierte Christof ein Ruderboot. Ich selber hatte etwas Mühe, mich in meine zweite schwarze Haut zu zwängen Peter hatte es leichter, da er ohne Neo schwamm. Zwar hatte der See eine Temperatur von ca. 23°C, aber da die Sonne nur gelegentlich durchkam und mein Immunsystem ja etwas angegriffen war, wollte ich auf Nummer sicher gehen. Da man ja mit Neo einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil hat, gab mir Christof zunächst eine Bremshose, die ich drüber zog. Allerdings war ich auch mit Bremshose etwas schneller als Peter. Also musste ich diese Hose wieder ausziehen und bekam stattdessen eine Seil-Schlinge um die Hüfte gebunden, mit welcher ich nunmehr das Boot von Christof ziehen sollte. Christof achtete darauf, dass Peter und ich ungefähr auf gleicher Höhe blieben, und so dosierte er den Widerstand, gegen den ich anzuschwimmen hatte: mal ließ er locker oder ruderte etwas in meine Richtung, ein anderes Mal bewegte er das Boot in die entgegengesetzte Richtung, als wollte er mir sagen "halt, du bleibst jetzt hier!". Christof erklärte mir hinterher, dass man auch diese Art von Widerständen trainieren müsse: im offenen Meer (z.B. Straße von Gibraltar, welche ich nächstes Jahr durchschwimmen möchte) kommt es immer wieder zu Gegenströmungen, bei denen man als Schwimmer zwischendurch mal richtig "Gas geben" muss. Wie bereits auf der Hinfahrt angesprochen, bekamen Peter und ich alle 20 Minuten isotonische Getränke und alle 60 Minuten entweder Gels oder Fruchtriegel. Christof wies uns darauf hin, während der Verpflegung nicht das Begleitboot zu berühren: im realen Wettkampf (z.B. bei der Ärmelkanal-Überquerung) wird man sofort disqualifiziert, sobald man das Begleitboot nur berührt oder sich daran festhält. Ein weiteres Highlight bei der See-Überquerung war die Schwimm-Brille von Aquasphere, die uns Christof zwischendurch auslieh: diese Brille ist deutlich größer als die sonst üblichen Chlorbrillen und bedecken einen großen Teil des Gesichts sowie die Nebenhöhlen. Da man beim Freiwasserschwimmen sehr viel Wärme über den Kopf verliert, sollte man zusehen, dass ein Großteil des Gesichts geschützt ist. Außerdem hat man durch die Größe der Schwimm-Brille ein deutlich weiteres Blickfeld, was die Orientierung im Freiwasser erleichtert. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt ist, dass durch das Luftpolster der Schwimmbrille der Kopf einen leichten Auftrieb erfährt, so dass man entspannter im Wasser liegt. Ich persönlich habe mich über diese neue Erfahrung sehr gefreut! ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 4 Natürlich war Christof auch bei dieser See-Überquerung kreativ und forderte uns daher auf, Tempowechsel zu vollziehen, wie z.B. 200 Armzüge im GA1-Bereich und 50 Armzüge Sprint, und dann das Ganze wieder von vorne - dies 20 Minuten lang. Oder auch zwischendurch andere Lagen (wie z.B. Rücken) zu schwimmen. Christof begründete diese Variationen mit der Tatsache, dass man bei nur gleichmäßigem Schwimmen auf lange Distanzen innerlich abstumpft und somit in einen schläfrigen Trott verfällt. Alleine schon das Zählen der Armzüge bewirken eine Wachsamkeit, die bei längeren Überquerungen durchaus willkommen ist. Mir persönlich empfahl Christof, bei meiner bevorstehenden Bodensee-Überquerung ebenfalls Tempo-Variationen einzubauen. Christof gab uns während der Überquerung schon mal Feedback über etwaige Technik-Fehler und rief uns zudem immer wieder die aktuelle Armzug-Frequenz zu: bei mir blieb diese während der gesamten Schwimm-Zeit über konstant zwischen 30 und 32 Armzügen pro Minute - bei Sprints schnellte der Wert mal auf 40 hoch. Sehr schön war auch der atemberaubende Ausblick auf die Chiemgauer Alpen mit Hochstaufen und Zwiesel, welche wir insbesondere bei den kurzen Verpflegungs-Einheiten genießen konnten. Und immer wieder kam die Sonne durch, was die Stimmung durchaus anhob. Nach über 6 km und ca. 3 Stunden erreichten wir die Moränen-Landschaft des südlichen Seeufers. Peter entschied sich für das Aufhören, während ich genug Energie hatte, um zumindest noch bis zur nächsten oder übernächsten Verpflegungspause weiter zu schwimmen. Ich hielt mir selber offen, wie lange ich überhaupt noch schwimmen würde. Ich machte mich daher schwimmend (diesmal aber ohne Seil-Schlinge um die Hüfte) auf den Rückweg, während Peter und Christof mich alle 20 Minuten vom Begleitboot aus verpflegten und mir durch positive Gesten Mut machten. Ursprünglich dachte ich, dass ich einen Schnitt von gut 3,5 km/h hinlegen würde - aber weit gefehlt: es kam recht unangenehmer Gegenwind auf, und die ca. 30 cm hohen Kabbelwellen und die OberflächenGegenströmung machten mir arg zu schaffen. Egal, dachte ich mir im Vergleich zur Straße von Gibraltar ist dieses Pensum sicherlich homöopathisch verdünnt, und so sagte ich mir "Augen zu und durch". Und ich musste unweigerlich an die Schwimm-Ikone Bruno Baumgartner denken, der einmal den Neuenburger See in seiner vollen Länge (38 km) durchschwommen und ebenfalls mit derartigen Gegenströmungen zu kämpfen hatte. Diese Art von Identifikation (auch wenn ich Bruno bei weitem nicht das Wasser reichen kann) half mir sehr, einfach weiter zu schwimmen und nicht zu sehr mit den Gegebenheiten zu hadern! Den letzten Kilometer schwamm auch Peter wieder mit, was mir persönlich moralische Unterstützung bescherte. Christof zeigte sich kurz vor Schluss der über 13 km langen Schwimm-Passage von seiner harten Seite, und so ließ er mich die letzten 5 Minuten vor dem Ziel nochmals richtig sprinten. Natürlich nicht, um mich zu quälen - er sagte mir, dass bei der Straße von Gibraltar kurz vor der marokkanischen Küste mit sehr starken Strömungen zu rechnen sei, und man daher trotz Erschöpfung alles geben muss, um nicht vom Ziel abzudriften. Eine harte Schule, aber sinnvoll, wie ich finde! Übrigens schwamm ich die gesamte Strecke über (bis auf die zwischendurch eingebauten Sprints) mit der neu-erlernten 3-er Atmung. Auch hier hat der positive Druck von Christof fast schon Wunder bewirkt: während ich mich früher im Training stets um die 3-er Atmung gedrückt hatte, konnte ich dieses Mal die neue Atem-Technik ausführlich üben und damit mehr Sicherheit gewinnen. Christof erklärte uns, dass uns das bilaterale Atmen bei allen Überquerungen die Freiheit gibt, links oder ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 5 rechts vom Begleitboot aus zu schwimmen: bei Gegenlicht oder auch bei Boots-Abgasen können wir somit jederzeit die Seite wechseln, ohne überhaupt etwas an der Atmung ändern zu müssen. Wer hingegen beispielsweise nur links einatmet, bekommt spätestens dann Probleme, wenn die Sonne ebenfalls von links kommt und sich das Begleitboot und die Crew dem Schwimmer nur noch schemenhaft präsentiert - ein typischer Fall übrigens bei der Überquerung der Straße von Gibraltar: man startet meist früh morgens von Tarifa aus in südliche Richtung und hat daher mit der links aufgehenden Sonne zu tun. Glück für denjenigen, der links vom Begleitboot aus schwimmt und auf der rechten Seite alles und jeden prima und mühelos erkennen kann, ohne blinzeln zu müssen insofern ist für mich persönlich die neu-erlernte 3-er Atmung Gold wert! Christof gab mir übrigens hinterher das positive Feedback, dass mein Kopf im Gegensatz zum Vorabend nunmehr deutlich ruhiger im Wasser liege. Lediglich mein linker Arm tauche noch zu weit links ein, woran ich noch ein wenig arbeiten soll. Ein anderer interessanter Aspekt war die Erschöpfung, und ich hatte vorher bereits viel darüber gelesen: bei den meisten Athleten (egal, welche Sportart) setzt diese nach ziemlich genau 3 Stunden ein. Christof meinte zu einem späteren Zeitpunkt, dass man auch mir persönlich die Erschöpfung angemerkt habe - und zwar deshalb, weil ich immer wieder nachfragte, wann endlich wieder Verpflegungszeit sei. Außerdem habe ich den Dialog mit der Boots-Crew gesucht und öfters nachgefragt, ob jemand ein Foto von mir machen könne. Christof sagte mir, dass dies ein deutliches Indiz für ein Leistungstief sei. Gott-sei-Dank konnte ich dieses Tief überwinden und daher problemlos weiterschwimmen. Im entgegengesetzten Fall hätte mich Christof aus dem Wasser gezogen. Nach dem Schwimmen im Waginger See fuhren wir weiter nach Ruhpolding, und zwar zum 720 m hoch gelegen Förchensee, ein sehr klarer und wunderschön gelegener Quellsee, welcher das ganze Jahr über eine nahezu konstante Wassertemperatur von ca. 8 °C aufweist. Christof stellte uns frei, ob und wie lange wir uns in diesem eisigen Gewässer aufhalten möchten, während er (mit Badekappe und Ohrstöpseln) in die kalten Fluten sprang und sich ca. 5 Minuten lang dem Kraul- und Delphinschwimmen widmete. Peter und ich waren nicht ganz so mutig, und so blieb es bei einer kurzen Einheit Brustschwimmen, wobei ich selber den Kopf nicht ins Wasser tauchte. Durch das kalte Wasser fühlte ich mich hinterher wieder wach und munter, und dies trotz der längeren SchwimmEinheit vorher. ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 6 Zum Abschluss des Tages fuhren wir noch ins Freibad von Burghausen zwecks Video-Analyse. Aber zunächst gab uns Christof sog. AntiPaddles - wegen der Keilform reduzieren diese auf Hand-Ebene deutlich den Wasserwiderstand, stärker noch als beim Faustschwimmen. Christof fragte mich, ob ich wegen dieser Anti-Paddles etwas an meinem Schwimm-Stil bemerkt habe, was ich durchaus bejahen konnte: da der Wasserwiderstand deutlich reduziert war, musste ich diesen durch hohen Ellbogen ausgleichen und sauber schwimmen, um überhaupt Vortrieb zu generieren. Ich kaufte daraufhin ein Paar dieser Anti-Paddles und benutze sie seitdem hauptsächlich zum Einschwimmen, um mich gleich am Anfang an den hohen Ellbogen zu gewöhnen. Wenn man dann hinterher ohne Anti-Paddles weiterschwimmt, spürt man plötzlich sehr stark den Wasserwiderstand, der von den Händen ausgeht - so, als ob man mit herkömmlichen Paddles schwimmen würde! Nach dieser Art Testlauf schwammen Peter und ich sämtliche Lagen, und Christof filmte uns vom Beckenrand aus. Auch machte er von uns beiden Unterwasser-Videos während des Kraulschwimmens, so dass wir später selber überprüfen konnten, ob wir z.B. mit hohem Ellbogen schwimmen. Übrigens erklärte uns Christof, dass er ganz bewusst die Videoanalyse zum Schluss durchgeführt hat: bei Müdigkeit und nach längeren Schwimm-Passagen treten typische Technik-Fehler (wie z.B. Absenken des Ellbogens während der Zugphase) deutlich sichtbarer hervor, als wenn man noch vor Kraft strotzt. Nach dem Abendessen kam Christof zu uns ins Hotel und führte auf seinem Notebook die zuvor aufgenommenen Schwimm-Videos vor, gab Feedback und beantwortete unsere Fragen. Übrigens erklärte mir Christof, dass ich bei der heutigen See-Überquerung meinen anvisierten Schnitt von ca. 3,5 km/h auch deshalb nicht erreicht hatte, weil meine Armzugfrequenz trotz der widrigen Umstände konstant blieb. Bei Wellen und Strömungen könne man nicht nur dahingleiten, sondern müsse die Armzugfrequenz den äußeren Gegebenheiten anpassen, so die Aussage von Christof. Auch daher seien Tempo-Variationen im Training so wichtig! 3. Tag im Camp: Am letzten Tag war früh aufstehen angesagt, denn morgens um 6h30 und vor dem Frühstück holte uns Christof wieder mit dem Auto ab, um an die Salzach zu fahren - ein Fluss, welcher durch Burghausen fließt und Deutschland von Österreich trennt. Dort angekommen, äußerte ich persönlich meine Bedenken wegen der spitzen Steine am Untergrund. Christof hatte dafür Verständnis, und so wichen wir an eine andere Stelle aus, an welcher sich Kiesbänke befanden und daher die Verletzungsgefahr deutlich geringer war. Da die Salzach recht kalt war, schwamm ich wieder im Neo. Peter bekam aus Sicherheitsgründen den Gurt eines gelben und ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 7 aufblasbaren Auftriebskörper (der Marke Restube) um die Hüfte geschnallt, an welchem er sich im Notfall hätte festhalten können, um nicht unter zu gehen. Ich selber hatte ja durch den Neo ohnehin genug Auftrieb, so dass ich dieses Hilfsmittel nicht brauchte. Wir schwammen ca. 20 Minuten lang gegen die Strömung und kamen recht langsam vorwärts, so ungefähr 50 Meter in 5 Minuten. Es war ein sehr interessantes Erlebnis, obgleich auch recht anstrengend: wegen der Gegenströmung waren wir gezwungen, mit einer ausreichend hohen Armzugfrequenz und mit hohem Ellbogen zu schwimmen. Christof erklärte uns, dass solch ein Training im natürlichen Strömungskanal sehr effektiv sei, um Gegen-Strömungen und Gezeiten (die man ja im offenen Meer immer wieder vorfindet) zu trainieren und zu simulieren. Nach dem Frühstück kam unsere letzte Trainingseinheit, und zwar wieder am Wöhrsee bei strahlendem Sonnenschein. Obgleich Peter und ich durch den Vortag recht müde waren, holte Christof nochmal alles aus uns heraus. Zunächst gab Christof vom Ufer aus sämtliche Technik-Übungen durch, wie z.B. Abschlag-Schwimmen, Kraulen mit Delphin-Beinschlag, Delphin mit Kraulbeinschlag und dann 9 Armzüge Kraulen, Purzelbaum unter Wasser, 3 Armzüge zurück, wieder Purzelbaum unter Wasser und das Ganze von vorne. Peter tat sich im Gegensatz zu mir sehr leicht mit diesen Übungen - eindeutig kam ihm das jahrzehntelange Training bei der DLRG zugute! Christof empfahl mir dringend, künftig im Training nicht nur meine Kilometer "herunterzuspulen", sondern vermehrt Technik-Übungen einzubauen, um mehr Leichtigkeit beim Schwimmen zu erlangen. Und dann kam die Krönung: wir sollten einmal versuchen, rückwärts zu kraulen: Peter gelang es recht gut, ich selber hatte große Mühe damit. Wie ich später auf Youtube sehen konnte, gibt es durchaus Schwimmer, die das RückwärtsKraulschwimmen in einem beeindruckendem Tempo beherrschen. Yvonne, die unsere TechnikÜbungen vom gegenüberliegenden Holzponton interessiert verfolgte, verriet uns hinterher, dass sich einige Badegäste köstlich über unsere Rückwärts-Kraulschwimm-Versuche amüsiert hatten! Danach waren wieder Sprints angesagt: vom Ufer aus sollten wir auf eine Badeinsel zuschwimmen, dort draufklettern, wieder ins Wasser springen und zurück ans Ufer sprinten, dort 5 Liegestütze machen dann das Ganze wieder von vorne, aber dann am Ufer Klimmzüge (statt Liegestütze) machen - und dies mehrmals hintereinander. Da kamen Peter und ich ganz schön aus der Puste. Zum Abschluss wurden Peter und ich dazu aufgefordert, wieder das Tretboot per Beinschlag schieben, und als wir endlich ausschwimmen durften, war zumindest ich sehr erleichtert, das sehr intensive Aqua-Camp gut überstanden zu haben. Zur Belohnung genossen Christof, Peter, Yvonne und ich einen köstlichen Eiscafé und ließen dabei unser Aqua-Camp Revue passieren. Christof zeigte sich zufrieden mit unserem Engagement und mit unseren Fortschritten beim Schwimmen, Peter und ich äußerten unsere Begeisterung über das intensive und variationsreiche Training. Danach trennten sich unsere Wege, aber mit der Gewissheit, nicht nur im persönlichen Schwimmtraining weitergekommen zu sein, sondern auch neue Freunde gefunden zu haben. ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 8 Nachbetrachtung: Ich persönlich habe von diesem Aqua-Camp sehr profitiert und kann es bedenkenlos allen Athleten wärmstens empfehlen, welche mehr vor haben als nur gelegentlich im Schwimmbad ihre Bahnen zu ziehen. Wer die Ambition hat, sich im Open-Water-Bereich sicher und leistungsfähig zu fühlen, sollte unbedingt an solch einem Aqua-Camp teilnehmen - erst recht, wenn Wettkämpfe oder Überquerungen von Seen und Meerengen (Bodensee, Gibraltar, Ärmelkanal, etc.) anstehen. Christof ist mit 30 Jahre langer Freiwasser-Erfahrung eine Schwimm-Ikone und zudem sehr souverän und gelassen. Er ist kein Theoretiker, sonder ein Praktiker durch und durch - und das Beste: seine bisherigen Schwimm-Erfolge geben ihm recht! Jeder, der die Auffassung "von den Besten lernen" vertritt, kann von Christofs Erfahrungs-Schatz enorm profitieren. Und nicht nur das: er vermag jeden Schwimmer in Bezug auf Technik, Ausdauer und mentaler Stärke einzuschätzen und gibt unverblümtes Feedback darüber, ob die selbst gesetzten Schwimm-Ziele realistisch sind oder nicht: mir persönlich hat Christof bestätigt, dass ich meine bevorstehende Bodensee-Überquerung entspannt angehen könne, ich aber andererseits noch nicht so weit sei, um die Straße von Gibraltar problemlos und in einer akzeptablen Zeit zu durchschwimmen. Das Aqua-Camp kostet 300 Euro pro Person - geboten werden Engagement, Trainingsvielfalt und jede Menge Tipps von einem Extrem-Schwimmer mit 30-jähriger Freiwasser-Erfahrung. Meiner Meinung nach ein fairer Preis! ©2014 Extremschwimmer Aqua-Camps und Ulrich Vormbrock Seite 9