Biketest - PDF

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Canyon Aeroad CF SLX
Die
nächste
Generation
Aerodynamische Straßenräder sind die Zukunft,
wie Katusha-Profi Alexander Kristoff bei der
diesjährigen Tour unterstrich. Marcel Wüst hat
das neue Canyon Aeroad in der Eifel getestet.
Text Marcel Wüst
Fotografie Kai Dudenhöfer
D
ie meisten Rennräder
werden mir in einer
Kiste geschickt. Nicht
dieses – das nagelneue
Canyon Aeroad CF SLX
wurde persönlich an die
Location für das Fotoshooting am Nürburgring gebracht, bereits zusammengeschraubt und startklar.
Der Mann im schwarzen Canyon-Auto
stellte es ab und sagte mir, ich könne es
so lange behalten, wie ich es bräuchte,
wünschte mir und dem Fotografen einen
schönen Tag und dann – wusch! – verschwand er wieder so schnell, wie er gekommen war.
Ich brauchte gerade mal 45 Sekunden, um
meine Radschuhe anzuziehen und loszufahren. Und da man nie eine zweite Chance hat, einen ersten Eindruck zu gewinnen, achtete ich genau auf das Feedback,
das mir das Rad lieferte. Ich machte in den
ersten Minuten meine üblichen harten Beschleunigungen, und das reichte schon,
um zu wissen, dass sich das Fahrverhalten gegenüber dem Vorgängermodell weiter verbessert hat.
Meine Bedenken vor der Testfahrt mit
dem Aeroad waren, dass mir das Tretlager
und das aerodynamische Steuerrohr nicht
steif genug sein könnten. Zugegeben – als
ich mich im Sattel hin und her bewegte
Canyon Aeroad CF SLX
Wenn Sie es bunt mögen,
ist dieses Aeroad nichts
für Sie – es kombiniert
„Asphaltgrau“ mit glänzendem Schwarz.
Das Canyon hat ein elegant geformtes
Tretlagergehäuse, auffällig ist aber vor
allem, dass es sehr massiv ist.
und am Lenker zerrte, gab es etwas mehr
Bewegung im Bike als bei einem typischen
nicht aerodynamischen System mit einem
größeren, runderen Steuerrohr.
Aber Canyon hat nachgebessert und
versichert, dass das Aeroad 2015 gegenüber dem Vorgängermodell 15 bis 20 Prozent steifer ist. Und wenn Sie einen Beweis wollen, dass es auf allerhöchstem
Niveau funktioniert, brauchen Sie nur auf
die diesjährige Tour de France zurückzuschauen. Bis Juli war der norwegische Katusha-Sprinter Alexander Kristoff auf dem
normalen Canyon SLX-Straßenrad gefahren, weil er das alte Aeroad nicht steif genug fand. Nachdem er auf das neue Aeroad
umgestiegen war, sprangen zwei Etappensiege für ihn heraus. Und wenn es für ihn
gut genug ist …
Als ich meine dreistündige Fahrt durch
die landschaftlich schöne Gegend rund
um den Nürburgring – wo im Jahr 1927
die erste Straßenweltmeisterschaft ausgetragen wurde – begann, wusste ich, dass
dies kein Spaziergang würde. Sobald man
auf die Nebenstraßen kommt, wird die
Landschaft sehr hügelig. In den Tälern
wächst Wein, die Reben schmiegen sich
an die steilen Schieferhänge. Die Straßen
sind dazu sehr ruhig, sodass dies ein toller
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Procycling
Dezember 2014
Marcel war beeindruckt von den
Mavic-Reifen, mit
denen er schön
schräg in die Kurven gehen konnte.
Marcels Aeroad
kam mit einem
Carbon-Cockpit.
Das Standard-Bike
hat ein AluminiumCockpit.
Ort ist, um ein Bike wie das Caynon auf
Herz und Nieren zu prüfen.
Die neue Lenker-Vorbau-Einheit sah
toll aus und fühlte sich komfortabel an.
Die flache Oberseite des Lenkers lag gut in
der Hand und der Unterlenker hatte den
perfekten Winkel für mich – umso besser,
weil ein Cockpit aus einem Stück nicht
verstellbar ist. Das Standard-Bike hat einen Aluminium-Lenker und -Vorbau, für
mich hatte Canyon das Rad allerdings mit
einem Carbon-Cockpit versehen.
Die Koblenzer haben sich auch eine
saubere Lösung für die Unterbringung der
Di2-Junction-Box einfallen lassen, die
windgeschützt in einer Aussparung unter
dem Lenker sitzen würde. Das Testmodell
indes war mit einer mechanischen Ultegra-Schaltung ausgestattet, was bedeutet,
dass nirgendwo Gummistöpsel verbaut
sind. Canyon bietet den Aeroad-Rahmen
in zwei Versionen an – ein ästhetischer
und aerodynamischer Vorteil, der zeigt,
wie viel Aufmerksamkeit die Konstrukteure den kleinen Details schenken.
Das Bike wog 7,15 Kilogramm, was
beeindruckend ist, wenn man bedenkt,
dass es mit der Ultegra „nur“ die zweitbeste Shimano-Gruppe hat. Mit leichteren
nachdem alexander kristoff
auf das neue Aeroad umgestiegen war, sprangen zwei
Etappensiege für ihn heraus.
Technische Daten
die Form des Lenkers war
ideal – so bequem hatten meine
schultern in der Aero-HalTung
schon lange nicht mehr geruht.
Komponenten und Laufrädern könnte
man es ohne Weiteres unter das UCI-Min­­
destgewicht von 6,8 Kilogramm bringen.
Zwei der mit Dura-Ace Di2 ausgestatteten
Aeroads wiegen in der Standardausführung tatsächlich unter sieben Kilo. Ich
persönlich war froh über die kleine Übersetzung, die die semikompakte Kurbel mit
36er-Kettenblatt und 28er-Ritzel hergab.
Mein Aeroad kam in Canyons „Stealth“Optik, und die Kombination von „Asphaltgrau“ und schimmerndem Schwarz wurde
diesem Prädikat sicherlich gerecht. Es gibt
auch eine Version in „Meteor-Grau“ mit
gelben Glanzlichtern – aber schauen Sie
da besser erst, ob Sie passende Sachen im
Schrank haben. Auch andere Aeroads sind
vorwiegend schwarz mit bunten Tupfern;
bei zwei weiteren Modellen, darunter dem
Marcel war
überzeugt von
den AbfahrerQualitäten des
Aeroad, obwohl
er nicht auf einen
Schoppen Riesling anhalten
konnte.
Team Kat, überwiegt die Farbe Rot – falls
Sie es etwas farbenfroher mögen.
Aber das Wichtigste ist natürlich das
Fahrverhalten. Je länger ich auf dem Bike
unterwegs war, umso mehr hatte ich das
Gefühl, dass die „Mängel“ der ersten Generation aerodynamischer Räder abgestellt
wurden. Als ich an der ersten Steigung aus
dem Sattel ging und hart antrat, fühlte es
sich, trotz der aerodynamischen Form des
Rahmens, sehr dynamisch an – das fette
Tretlagergehäuse trägt sehr zu einer superben Treteffizienz bei.
Ich schoss nach vorn, so schnell es
meine Beine erlaubten, und als ich über
die Kuppen der Hügel sprintete, nahm
ich meinen ganzen Schwung mit, sodass
ich in meine bevorzugte Aero-Haltung
gehen konnte. Die Schultern auf dem Lenker und die Gabel zwischen die Knie geklemmt, hockte ich auf dem Oberrohr und
hielt den Unterlenker fest. Es vermittelte
ein tolles Gefühl von Geschwindigkeit
und ich konnte die Beschleunigung spüren. Auch die Form des Lenkers war ideal
für diese Position – so bequem hatten
Rahmen Canyon Aeroad CF SLX 7.0
Gabel Canyon Aeroblade SLX
Gruppe Shimano Ultegra
Bremsen Shimano Ultegra Directm.
Laufräder Mavic Cosmic SLE
Bereifung Mavic Yksion Pro Power
Link
Steuersatz Acros
Lenker/Vorbau Canyon Aero
Integrated
Sattel Fizik Arione
Stütze Canyon S 27 Aero VCLS
Gewicht 7,15 kg
Preis 3.199 € (mit Alu-Lenker/
-Vorbau)
www.canyon.com
Procycling
Dezember 2014
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Insider-Info
Wolfgang Kohl
Konstrukteur
Canyon Aeroad
meine Schultern in dieser Haltung noch
nie geruht.
Als ich über 60 km/h kam, machten
die Mavic-Laufräder ein pfeifendes Geräusch, was beim Anbremsen engerer
Kurven eine Beleidung für meine Ohren
wurde. Was das Notbremsen anging – was
ich zu Testzwecken ausprobierte –, so hinterließ das Quietschen der Bremsgummis
auf den Cosmic-Exalith-Alufelgen noch
Stunden später ein Klingeln in meinen
Ohren. Die Performance der Mavic-Laufräder selbst war jedoch einwandfrei.
Auch das Bremsverhalten war hervorragend (abgesehen von dem Geräusch), und
ich mochte die Directmount-Bremse, die
viele Hersteller heute verwenden.
Unten im Tal hatte ich jetzt mit ordentlich Gegenwind zu kämpfen, und als mich
ein junger Mann auf seinem Motorroller
mit Freundin auf dem Rücksitz überholte,
hängte ich mich sofort in seinen Windschatten. Die Geschwindigkeit und die
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Procycling
Dezember 2014
Die Gabel weist
das patentierte
„Rake Shift“ auf
– das heißt, man
kann die Vorbiegung um fünf Millimeter verstellen.
Das Aeroad war
mit Ultegra-Komponenten ausgestattet, ist aber
auch mit anderen
Gruppen und
Laufrädern erhältlich.
leicht bergauf führende Straße hätten meine Beine fast gekillt. Es war fast wie früher
im Training, als ich an eine fünfstündige
Fahrt noch eine Stunde Motorpacing dranhängte, um mir die Kante zu geben.
Aber ich blieb an ihm dran – was mich
mehr Kraft kostete als irgendetwas in den
letzten drei Monaten. Als der Roller den
Blinker setzte, um rechts abzubiegen, war
ich froh, endlich langsamer machen zu
können; ich bog von der windigen Hauptstraße links ab und nahm einen acht Kilometer langen Anstieg in Angriff.
Mit ein bisschen Blutgeschmack in der
Kehle, genau wie man es nach einem mit
Vollgas gefahrenen kurzen Prolog hat,
schaltete ich jetzt auf das kleine Kettenblatt. Sich beim Klettern zu erholen, ist
nicht leicht, aber ich war ganz alleine mitten in der Eifel und niemand konnte sehen, wie ich den Berg hochkroch.
Nach ein paar Minuten war ich wieder
im Normalzustand und kletterte in gleichmäßigem Tempo, wobei ich mit dem Hintern schön im Sattel blieb. Der kleine
Rahmen (53 Zentimeter) hat ein 54,9
Zentimeter langes Oberrohr, und da es das
Aeroad nur mit Profigeometrie gibt, ist die
Fahrhaltung ziemlich aggressiv. Mit ein
als mich ein junger Mann auf
seinem Motorroller überholte,
hängte ich mich sofort in
seinen Windschatten.
Welche Ziele standen bei der Entwicklung des
neuen Aeroad im Vordergrund?
Die Vorteile des Ultimate CF SLX mit denen des
Speedmax CF zu verbinden. Das heißt, es sollte
leichter, steifer und aerodynamischer sein.
Welche speziellen Wünsche hatten die Fahrer
der Profiteams, die Sie ausstatten?
Da sie das Ultimate CF SLX kannten, haben sie
uns gebeten, für mehr Seitensteifigkeit und ein
geringeres Gewicht zu sorgen.
Warum haben Sie die Bremsen in der normalen Position gelassen?
Im Windkanal hat sich gezeigt, dass das aerodynamisch am besten ist, dazu sind sie leicht zu
erreichen und einzustellen. Directmount-Bremsen sitzen näher am Rahmen und die Form von
Rahmen und Gabel entspricht der äußeren Form
der Bremse, sodass die Bremsen teilweise in das
Design integriert sind. Durch die DirectmountBremsen haben wir den zusätzlichen Luftwiderstand um 52 Prozent verringert – von 2,75 Watt
auf 1,3 Watt bei 45 km/h.
Wie schneidet die Rahmensteifigkeit im
Vergleich zum Ultimate CF SLX ab?
Die Seitensteifigkeit des Tretlagers ist ungefähr
gleich (70 N/mm), die Steifigkeit des Steuerrohrs
ist etwas geringer als beim Ultimate (100 Nm/°),
aber viel höher als beim alten Aeroad.
Wie viel schneller ist das neue Aeroad?
Das hängt von der Konfigurierung ab. Mit AeroLenker spart man bis zu 13,5 Watt (bei mittlerer
Größe und 45 km/h). Der Rahmen selbst bringt
eine Ersparnis von acht Watt.
Ist die Aerodynamik mehr für Seitenwind
oder für Gegenwind optimiert?
Entsprechend der Verteilung der Anströmwinkel
haben wir uns auf spitze Winkel konzentriert,
also Gegenwind, da dieser häufiger ist.
Ich sehe, dass es dank verschiedener Lenkerbreiten und Vorbaulängen acht Cockpit-Kombinationen gibt. Können die Kunden sich jedes davon mit jeder Rahmengröße bestellen?
Wir passen die Lenker-Kombination der Rahmengröße an. Kleinere Rahmen haben einen
kürzeren Vorbau und einen schmaleren Lenker.
Größere Rahmen sind mit einem längeren Vorbau und breiteren Lenker versehen, aber die
Kunden können wahlweise einen anderen
Lenker bestellen, wenn sie eine andere Größe
haben wollen.
Bieten Sie in Zukunft auch eine Lösung an, um
am Aero-Lenker einen Tacho anzubringen?
Daran arbeiten wir gerade. Das kommt im Sommer 2015 auf den Markt.
Was ist Ihr Lieblingsdetail an der Bauweise
des neuen Bikes?
Der Kabelausgang bei der Di2-Version. Wir haben einen kleinen Kanal direkt durch die Halterung des Umwerfers geführt, und dort kann das
Kabel aus dem Rahmen austreten. Das Ergebnis
ist eine Minimierung des Drahts im Wind und
eine sehr saubere Optik in diesem Bereich.
Der Fizik-Sattel klemmt auf
der Aero-Version
von Canyons
preisgekrönter
VCLS-Stütze.
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Reifen und Lauf­
räder von Mavic
funktionieren top,
nur die Geräuschentwicklung stört
ein wenig.
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paar Distanzstücken war der Lenker zwar ein
bisschen höher, aber das Aeroad ist definitiv eine
Maschine für Rennfahrer, ein auf Geschwindigkeit ausgelegtes Rad.
Die Sattelstreben sind um knapp ein Viertel
der Sitzrohrlänge nach unten versetzt – von der
elegant integrierten Sattelstützenklemme aus gemessen. Diese Konfiguration und ihr schmales,
im Verlauf unterschiedlich breites Profil machte
das Gantze etwas härter, als man es etwa vom
anderen Topmodell der Koblenzer, dem Ultimate
CF SLX, kennt. Insgesamt ist das Bike jedoch
nicht ungnädig. Die Aero-Version der innovativen
und preisgekrönten VCLS-Sattelstütze (Vertical
Comfort, Lateral Stiffness) von Canyon sorgte für
etwas Dämpfung und dafür, dass man exakt so
viel Feed­back bekommt, wie man möchte.
Das war definitiv der Fall in der letzten Abfahrt
ins Kesselinger Tal, wo man an Rennwochenenden die heulenden Motoren vom nahe gelegenen
Nürburgring hören kann. Der erste Teil der Abfahrt in den Ort ist ziemlich steil, und so nahm
ich schnell Fahrt auf. Das Bike fährt wie auf
Das Bike fährt wie auf
Schienen, obwohl es sich
trotz VCLS-Sattelstütze
vorne etwas komfortabler anfühlte als hinten.
Schienen, obwohl es sich trotz VCLS-Sattelstütze
vorne etwas komfortabler anfühlte als hinten.
Nichts auszusetzen gibt es an den Mavic-Yksium-Reifen, mit denen ich in den Kurven eine
schöne Schräglage erreichte. Die Beschleunigung
aus den Kurven heraus war ebenso beeindruckend, sodass ich den Rollerfahrer locker abgehängt hätte, wäre er noch dabei gewesen.
In der letzten halben Stunde gab es keine Hügel
mehr und ich war einfach froh, wieder auf meinem
alten Tummelplatz zu sein und über die Straßen
zu fahren, auf denen ich als Amateur trainiert
hatte. Damals bin ich übrigens nicht mit dem
Auto hierher gefahren, sondern habe alles mit
dem Rad gemacht.
In dem flachen Abschnitt gab ich noch einmal
Vollgas, um zu sehen, ob ich wirklich einen aerodynamischen Vorteil bemerke. Ohne StandardBike zu Vergleichszwecken ist es schwer, ein definitives Urteil zu fällen. Selbst mit Wattmessgerät
wäre es eine sehr schwierige Übung. Aber in
Wirklichkeit brauchte ich nur einen Vorwand, um
hart in die Pedale zu treten – etwas, was ich bedauerte, als ich die letzten paar Kilometer klettern
musste. Trotz des 28er-Ritzels sehnten sich meine Beine mittlerweile nach einer Kompaktkurbel.
Das kommt dabei raus, wenn man sich von den
alten Zeiten mitreißen lässt. Die Räder haben sich
entwickelt und sind viel besser geworden – aber
leider haben sich meine Beine noch schneller in
die andere Richtung entwickelt …
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