Hochzeit - Christian-Albrechts
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Hochzeit - Christian-Albrechts
Hochzeit von Bernd-Michael Haese, Kiel ei keiner anderen Feier des Lebens stoßen weltliche und sakrale Bereiche so unmittelbar aufeinander wie in der Hochzeit. Keine andere Feier ist so uneindeutig kirchlich oder „zivil“, und das, obwohl seit langer Zeit der formelle Teil einer Eheschließung deutlich von der anschließenden rituellen, in der Regel religiösen Begehung getrennt ist. Dabei spielt sicher eine Rolle, daß mit der Hochzeit lange Jahrhunderte lang nicht zwei Individuen, sondern vor allem zwei Familien oder Sippen eine verwandtschaftliche und vor allem ökonomische Verbindung eingingen. Politische Reiche wie Handelsreiche wurden unter Umständen durch Heirat zum Blühen oder zum Untergang gebracht. Es gibt keinen direkten Hinweis, keine biblische Aufforderung zur Hochzeit wie bei der Taufe: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie ...“ (Mt 28,19) oder beim Abendmahl: „Solches tut zu meinem Gedächtnis.“ (1. Kor 11,24+25 und ebenso Lk 22,19) Konsequenterweise war die kirchliche Trauung im protestantischen Glauben nie als Sakrament verankert. Daher ist jede Trauung ein Gottesdienst aus dem Anlaß, daß zwei Menschen eine Ehe eingegangen sind. Keine Pastorin darf eine Trauung vollziehen, wenn sie sich nicht davon überzeugt hat, „daß die Ehe rechtsgültig geschlossen wurde“ – so lautet die rechtliche Grundlage für die Trauung. ie Hochzeit gehört dennoch zu den Feiern des Lebens, die in allen Kulturen im religiösen Rahmen begangen werden. In der Überzeugung, daß der christliche Glaube eine orientierende und befreiende Wirkung insbesondere an den „existentiellen Punkten“ des Lebens hat, feiern Christinnen und Christen an diesen Übergangspunkten Gottesdienste. An zwei Punkten wird diese existentielle Bedeutung der Hochzeit unmittelbar deutlich: Beide Partner geloben, sich ein Leben lang zu lieben und zu achten – wo sonst trifft man Entscheidungen nur einmal im Leben? Außerdem hat Hochzeit selbstverständlich etwas mit Sexualität und Fortpflanzung zu tun und berührt damit einen Bereich unseres Erlebens, der ungeachtet vieler Veränderungen und „Revolutionen“ von radikalen Gefühlslagen geprägt ist. Beides, Ausschließlichkeit der Beziehung und langfristig erfüllte Sexualität sind nur als Ausgestaltung der Liebe zu verstehen. Damit ist dann auch der Rahmen gegeben, innerhalb dessen säkulare Hochzeitsgedanken und Glaubenssätze zur Lebensführung sinnvoll zusammen gestaltet und erlebt werden können. Liebe zwischen Menschen, konkret in ihrer schwierigsten und gleichzeitig erfüllendsten Form der exklusiven Geschlechterbeziehung der beiden Brautleute im Lichte der Liebe Gottes zu den Menschen – so lautet das Thema jeder Traupredigt. In fast allen Traugottesdiensten wird der Bibeltext verlesen, der den Menschen durch seinen Schöpfer zum Dialog und zur Partnerschaft bestimmt: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, ich will ihm ein Gegenüber machen, das um ihn sei.“ (Gen 2,18) Die Beziehung, die dem Menschen in seine paradiesische Wiege gelegt wird, bewährt sich dann auch nach dem Verlust der träumenden Unschuld in der Welt vor den Pforten Edens: Adam erkennt sein Weib Eva – auch umgekehrt wird es so sein – nicht nur im sexuellen Akt, der dann auch Kinder hervorbringt –, sondern als Individuum, das der eigenen Person Partner bzw. Partnerin sein kann, widerständig und ergänzend zugleich. B D V erfolgt man die Verbindungen von Mann und Frau durch die Geschichte, erkennt man, wie stark sie von den Veränderungen der sozialen Welt geprägt sind. Bemerkenswerterweise ändern sich genauso auch die theologischen Bewertungen. Die Seite 2 Ehe läßt sich als Gottes Stiftung (so bezeichnet sie Martin Luther in Artikel 23 des Augsburger Bekenntnis zu Fragen der Ehe von Priestern) nicht einfach durch alle Zeiten formal festlegen, auch nicht durch den Verweis auf die idealtypische Darstellung in der Schöpfungsgeschichte. Noah und seine Frau haben ihre Beziehung nach biblischem Zeugnis nach unseren Maßstäben untadelig geführt, aber spätere biblische Generationen bereiten Erklärungsschwierigkeiten: Was ist mit der Leihmutterschaft von Hagar, der Magd Saras und Abrahams? Was ist mit den Frauen Esaus, was mit der Doppel-„Ehe“ von Jakob? Unabhängig von der Historizität der Lebensläufe der biblischen Urväter sprechen die biblischen Texte davon, daß sie in den Lebensformen ihrer Zeit offensichtlich Gottes gesegnete Menschen gewesen sind. Auch König David erntet den Zorn Jahwes nicht dafür, daß er seine unzweifelhaften erotischen Qualitäten auslebt, sondern daß er dafür andere ans Messer liefert. ie Aufgabenverteilung von weltlicher und kirchlicher Ordnung bei der Hochzeit war wechselhaft. Grundsätzlich waren der formelle Akt und die rituelle Feier voneinander unterschieden. Bald jedoch unternahm die Kirche Anstrengungen, die Eheschließung in ihren Einflußbereich zu bekommen. In frühkirchlicher Zeit sollte der Bischof informiert werden und sein Einverständnis geben, wenn eine Ehe geschlossen wurde, „damit die Ehe dem Herrn gemäß sei und nicht der Begierde.“ (Brief des Ignatius von Antiochien an Polykarp von Smyrna, vermutlich um 120.) Dabei dachte man auch daran, daß mit Eheschließungen Politik gemacht werden kann, in diesem Fall Missionspolitik. Die Regelung bezog sich wohl vor allem auf die Frage der Eheschließung von Gemeindegliedern mit nicht-christlichen Partnern und deren ausdrückliche Billigung durch den Bischof. Die kirchliche Feier, damals in der Hauptsache die Eucharistiefeier, wurde als Bestätigung des Ehestandes und nicht als Eheschließung verstanden. Ein bemerkenswert aktueller Aspekt jener Zeit: Schon die christlichen Gemeinden der ersten Jahrhunderte mußten sich mit manchen Unebenheiten der weltlichen Gesetzgebung herumschlagen. Neben der vollgültigen Ehe gab es andere Formen des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau (heute würde man von Lebensformen sprechen), die in irgendeiner Weise im Leben der christlichen Gemeinden berücksichtigt werden mußten: Standesunterschiedliche Partner lebten nach dem römischen Recht gültig im Konkubinat, was von den Theologen sehr unterschiedlich bewertet wurde. Die Zusammensetzung der frühen Gemeinden legte deren Leitern eine gewisse Sensibilität im Umgang vor allem mit den Frauen höherer Schichten nahe. Neigte Kallixt (römischer Bischof 217–222) dazu, diese Verbindungen in den Augen der Kirche als reguläre Verbindung zu sehen, sofern sie monogam und unwiderruflich waren, verunglimpfte sein Gegenkandidat Hippolyt diese Sichtweise als Verstoß gegen das römische Eherecht und offenen Aufruf zum Ehebruch. och es blieb dabei: Nach römischem Eherecht begründete allein das Einverständnis der Ehepartner die Ehe (consensus facit nuptias), nach germanischer Eheschließungspraxis war der Brautvater sowohl für das Arrangement als auch für die gültige Eheschließung zuständig. Für ein eigenes kirchliches Eheschließungsrecht war eigentlich keine Notwendigkeit. Die kirchliche Feier, die teilweise in Anlehnung an heidnische Riten vollzogen wurde (Brautmesse in Parallele zur römisch-heidnischen Ehefeier der Patrizier) beschränkte sich auf die Begleitung und gottesdienstliche Bestätigung des Ehebündnisses mit Bibelverlesung, Gebet und Segen, meistens mit der Eucharistiefeier verbunden, deren Opfergaben durch die Eheleute gebracht wurden. In diese Messen wurden zwanglos auch heidnische Symbole und Riten, z.B. die Bekränzung, der Ringwechsel und die Verbindung der (rechten) Hände aufgenommen, Gebräuche, die sich in mannigfaltigen Abwandlungen bis zum heutigen Tag erhalten haben. Andererseits wurde die Ehe theologisch überhöht als Abbild der Beziehung Christi zur Kirche. D D Seite 3 Die entsprechenden Verse aus dem Epheserbrief (Kap 5,21ff.) wurden bis in die Neuzeit hinein als „Eheperikope“ bei Trauungen gelesen. rst nachdem die Familiensippe an Bedeutung verlor und die Aufgabe der „Brautzuführung“, das heißt der öffentlichen Bekundung der Ehe, teilweise an öffentliche Beauftragte („Vögte“, Treuhänder) übertragen wurde, übernahmen auch Priester dieses treuhänderische Mandat. Im Laufe des Mittelalters konnte die Kirche diesen, von der Brautmesse deutlich abgesetzten Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten (der Priester trug dabei keine Stola, die Handlung fand vor dem Kirchenportal statt), mehr und mehr in ihren Einflußbereich integrieren. Sie unterstützte nachdrücklich den Wandel von der weltlichen zur kirchlichen Eheschließung, gegen die Tendenzen zu einer heimlichen, klandestinen – allerdings nach kanonischem Recht gültigen – Ehe. Auch die theologische Ausarbeitung der Eheschließung als Sakrament, das sich die beiden Eheleute mit ihrem gegenseitigen Willen zur Ehe spenden, erhöhte zwar die Dignität der Ehe, schwächte aber die Bedeutung der kirchlichen Beteiligung an ihr. Auf dem Konzil von Trient 1563 gelang eine geschickte Verbindung der beiden Grundsätze für eine katholische Trauung: Um nicht zwischen „einfachen“ und „sakramentalen“ Ehen unterscheiden zu müssen, verständigte man sich auf den Grundsatz, daß „wesentlich, erforderlich, aber auch genügend für eine gültige – und bei Getauften auch sakramentale – Ehe die Bekundung des freien Ehewillens der beiden Partner sei.“ Damit war dem kanonischen Recht und der Sakramentstheologie Genüge getan. Allerdings – und damit wurde die kirchliche Trauung dann doch zur Norm – sei kein Katholik imstande, eine gültige Ehe einzugehen, der sich nicht der Formpflicht unterwerfe, die Ehe vor dem Priester und zwei oder drei hinzugezogenen Zeugen zu schließen. Durch die Reformation wurde vor allem der sakramentale Anspruch der Ehe verneint. Die kirchliche Feier war nicht zwingend, jedoch sollte dem Wunsch der Eheleute nach einer Segnung nachgekommen werden. Die Trauung wurde wieder „zweigeteilt“: Einerseits ist sie „ein welltlich geschefft“ und fand dementsprechend traditionell vor der Kirchentür statt: „Hans, wiltu Greten zum ehelichen gemalh haben? Dicat: Ja. Greta, wiltu Hansen zum ehelichen gemalh haben? Dicat: Ja.“ Dann wurde der Ringtausch vorgenommen und die beiden Eheleute wurden über den zusammengelegten Händen im Namen des dreieinigen Gottes zusammengesprochen. Andererseits ist sie Anlaß für gottesdienstliches Handeln: Danach erst wurde in der Kirche über Braut und Bräutigam Gottes Wort verlesen und um den Segen für das Brautpaar gebetet. Weil die Ehe ein äußerliches Ding wie Kleider und Speise ist, ließ Luther auch die verschiedensten Feierbräuche zu, „sie gehen ihn nichts an.“ Die Geistlichen sollten hier in keiner Weise ordnend oder regelnd eingreifen, „sie sollen lassen einer iglichen stad und land hierynn yhren brauch und gewonheit.“ (So Luther 1529 in seiner bekannten Schrift „ein Traubüchlein für die einfältigen Pfarrherr“.) n der Folgezeit wurde jedoch die von Luther erneuerte Trennung von weltlichem und geistlichem Amt durch deren faktische Zusammenlegung unterlaufen: Der Fürst war gleichzeitig summus episcopus, die Geistlichen Ausführende der staatlichen Ordnungen. Dementsprechend wurde bald nach der Reformation die Eheschließung in der Kirchentür durch die örtlichen Trauordnungen untersagt, genauso wurde festgelegt, daß nur die durch einen Priester bzw. Pfarrer öffentlich vollzogene Trauhandlung eine rechtlich gültige Ehe begründet (z.B. Allgemeines Preußisches Landrecht, 1794). Erst die Auswirkungen der Aufklärung auf die Verfassung der modernen Staaten stellten die Ehe in den Zusammenhang des staatsbürgerlichen Rechts, durch den code civil von 1804 wurde der Standesbeamte als Träger der zivilen Ordnung zur alleinigen ehebestätigenden Instanz. In Deutschland wurde die Ehe 1876 als vertragliche Verpflichtung in der Zivilstandsgesetzgebung verankert. Dadurch wurden die Kirchen formal in E I Seite 4 die zweite Reihe verbannt. Sie gewannen im Gegenzug den unschätzbaren Vorteil, daß sie sich in ihren pastoralen Bemühungen um die Trauung (der Begriff blieb bestehen, auch wenn er formal nicht mehr auf den Gottesdienst anläßlich der Eheschließung zutraf) auf den Bereich der geistlichen Sinngebung konzentrieren konnte. Die Traufragen, die nach wie vor in den Hochzeits-Agenden zu finden sind, tragen nunmehr den Charakter eines Bekenntnisses. Mit ihrem Ja stellen sich die Eheleute für ihr gemeinsames Lebensprojekt auf den Boden des Evangeliums – sie wiederholen nicht ihr Einverständnis vom Standesamt. Dementsprechend bestätigt der Pastor seitdem die zusammengelegten Hände mit dem Vers Mt 19,6 („Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“) oder einem anderen Bekräftigungswort theologisch, aber er verwendet keine Trauformel mehr. it der Darstellung der kirchlichen Trauformulare bzw. deren Entwicklung und Veränderung gerät leicht aus dem Blick, was eingangs angedeutet wurde. Hochzeitsfeiern sind immer ein regional sehr unterschiedliches, komplexes Geschehen aus kirchlichen und weltlichen Gebräuchen geblieben. Allgemein verbreitet ist der schon angesprochene Ringwechsel bzw. generell der Ring als Hochzeitssymbol. Der gegenseitige Ringwechsel hat sich erst spät, meistens nur in den höheren Kreisen und abhängig von den lokalen Gepflogenheiten durchgesetzt. Oft bekam nur die Braut einen Verlobungsring (anulus pronubus), so wie es auch aus dem alten Rom überliefert ist. Es ist naheliegend, den Verlobungs- bzw. Ehering als Übertragung des antiken Ringgeldes beim Brautkauf zu sehen. Er wurde schnell in die christliche Ehesymbolik übernommen und z.B. auch zur Kennzeichnung der Gottesbrautschaft der Heiligen Agnes in Legenden und in Kunstwerken verwendet. Der Ring galt daher als Zeichen der Treue und der Zusammengehörigkeit. Auch die antike „Blutaderlehre“ kennzeichnet den Ring als Liebes- und Treuesymbol, vor allem wenn er am vierten Finger der linken Hand getragen wird, von dem eine Ader direkt zum Herzen fließt. Isidor von Sevilla verbreitete diese Deutung im 7. Jahrhundert. Vom absolut schmucklosen Eisenring des frühen römischen Ehebrauchs veränderte sich die Form des Rings zu einer reich ausgestalteten und oft wertvollen Kunstschmiedearbeit, oft mit Symbolen verziert, z.B. mit dem „Liebesknoten“ wie das Ausstellungsstück aus dem 14. Jahrhundert, oder mit dem Motiv der verschlungenen Hände. Seit dem 17./18. Jahrhundert zeichnen sich Eheringe wiederum durch Schlichtheit in der Gestaltung – nicht des Materials – aus. Wie sehr der Ring mit der kirchlichen Feier verbunden war, bewies auch der Brauch, den Ring oder die Ringe bei Bedarf beim Pastor auszuleihen (gegen eine Gebühr, versteht sich) und sie direkt im Anschluss an die Feierlichkeit wieder vom Finger zu streifen und zurückzugeben. Sehr ähnlich verfuhr man mit der sogenannten Brautkrone, die als aufwendigstes Stück des Hochzeitsschmuckes nicht individuell zu besorgen war. Weniger die Leihgebühr war für die Kirchen interessant, als vielmehr die Möglichkeit, mit diesem begehrten Stück über die Tugend der Bräute zu wachen – die Verleihung der Brautkrone galt als Zeichen der Unberührtheit der Braut. Die Rendsburger Marienkirche besaß gleich mehrere dieser Kronen, die je nach Zustand und Ausführung unterschiedlich teuer verliehen wurden. Abwandlungen der Brautkrone waren Kränze aus Blumen oder das sog. Schappel (aus dem franz. chapel, Kranz, Reif), das beachtlich groß und prachtvoll gestaltet werden konnte mit Metallen, Steinen, Perlen, Goldschnüren und Borten. Auch die staatliche Obrigkeit versuchte, mit genauen Verordnungen über das Tragen von jungfräulichem Schmuck bei der Hochzeit Einfluß auf das sittliche Verhalten zu nehmen. Die Brautkleidung richtete sich stets nach den modischen Linien der jeweiligen Zeit oder aber – vor allem in weniger gut betuchten Kreisen – nach der jeweiligen Landestracht. Praktische Gesichtspunkte spielten dabei durchaus eine Rolle. Das weiße Hochzeitskleid ist erst eine recht M Seite 5 späte Mode, ausgehend vom Trend in den Fürstenhäusern im 16. Jahrhundert und endgültig geprägt von der allgemeinen Bevorzugung heller Stoffe am Ende des 18. Jahrhunderts. emerkenswerterweise werden bestimmte Hochzeitsbräuche in kirchlichen Darstellungen nur selten erwähnt, obwohl sie ebenfalls über einen langen Zeitraum von den Kirchen mitgetragen wurden: die sogenannte Bettleite, Bettsetzung oder das rituelle Beilager. Sie haben sehr lange ihren wichtigen Platz im Ablauf der Hochzeitsfeierlichkeiten behalten. Auf Bildern segnet der Bischof das Paar, über das die Decke des Ehebettes geschlagen wurde (daher der Ausdruck unter einer Decke stecken) und das damit nach alter Tradition rechtsgültig verheiratet war. Nach diesem Zeremoniell konnte die Frau materielle Ansprüche an den Mann stellen. Auch nachdem das kanonische Recht das Einverständnis der Eheleute und die Anwesenheit des Priesters zur verbindlichen Eheschließungsnorm erklärte, behielt die öffentliche rituelle – nicht faktische – copula carnalis, symbolisiert im Beilager, ihren Stellenwert als Vollzug der Ehe bei und wurde von den beiden Kirchen nicht abgeschafft. Die Chronisten berichten, daß eher die unteren Schichten dem familiären Brauch treu geblieben sind, weil sich die ausgelassene Stimmung der Bettleite und des Beilagers schlecht mit den kirchlich propagierten Idealen einer festlichen Begehung der Hochzeit vertrugen. Dennoch scheint gerade bei Hochzeiten der Fürsten- und Königshäuser am Brauch festgehalten worden zu sein, wie es zum Beispiel für die sogenannte „Torgauer Hochzeit“ zwischen Prinzessin Maria und Herzog Phillip I. von Pommern-Wolgast 1536 dokumentiert ist. Kein Geringerer als Martin Luther persönlich nahm die Trauung vor, die mit der Heimführung der Braut begann, am zweiten Tag mit Aufgebot, Trauung und Beilager fortgesetzt wurde und am dritten Tage (also nach der Hochzeitsnacht) mit der Segnung der Eheleute in der Kirche zu Ende ging. Von der Hochzeit des dänischen Herzogs Johannes mit Christina von Sachsen 1478 berichtet man, daß der Bräutigam „in blosszer Joppe vnnd hoszenn“ zur Braut in das Bett stieg (um natürlich nach erfolgtem Bettdeckenritual und Brautumarmung wieder herauszusteigen und weiterzufeiern). Noch in der Lübecker Hochzeitsordnung von 1566 waren Bettleite und Bettsetzung verankert. Vor allem, wenn die güterrechtlichen Folgen auffällig dokumentiert werden sollten, wurde an der Sitte der öffentlichen Bettsetzung festgehalten, wie bei der Hochzeit Karl X. Gustavs mit Eleonora von Holstein-Gottorf im Reichssaal zu Stockholm im Jahr 1654. B s verwundert nicht, wenn maritime Gegebenheiten in Schleswig-Holstein auch auf das Hochzeitsbrauchtum eingewirkt haben. Im Sprachgebrauch der heiratslustigen Männer fanden sich die beruflichen Bezüge wieder: Man hatte „Fracht“, wenn man nicht alleine nach Hause gegangen war, und man hatte „gekoffert“, wenn man auf der Familienkiste im Hausflur noch mit der Auserwählten klönen konnte. Die saisonale Tätigkeit der Fischer, z.B. auf den Inseln, schränkte die Hochzeitstermine erheblich ein. Geheiratet wurde im Spätherbst und Winter, wenn die Männer von ihren Fangtouren zurückgekehrt waren und die Frauen die Feldarbeit beendet hatten oder als Mägde „zu Martini“ entlassen wurden. Teilweise gab es festgelegte Hochzeitstage, etwa in der Woche vor dem Advent, an denen sich dementsprechend viele Hochzeitspaare in der Keitumer Kirche drängten. Die lange Abwesenheit der Männer führte auch dazu, daß bestimmte Aufgaben während der Brautwerbung und bei der Vorbereitung der Hochzeit anders verteilt werden mußten, als es den üblichen Gepflogenheiten entsprach. Eine auf dem Dach des Hauses der (nun nicht mehr) heimlichen Geliebten befestigte Strohpuppe war zwar einerseits ein Streich der Freunde, andererseits markierte sie doch die Ansprüche des abwesenden Seemanns. Das auf den Halligen und auf Föhr bekannte Verlobungsboot, das mit Blumen und Laternen geschmückt vor das Haus der auf der Insel E Seite 6 ansässigen Familie geschleppt wurde, symbolisierte vor allem die Aufnahme des oder der Inselfremden in das „große Boot der Inselgemeinschaft“. Für alle Bräuche gilt, daß deren Reglementierung in zahlreichenErlassen der Obrigkeit („Hochzeitsordnungen“) auch zum Schutz der weniger wohlhabenden Bevölkerung gedacht war. Gerade weil sich in der Ausgestaltung der Feier die gesellschaftliche Reputation spiegelte, übernahmen sich manche Familien finanziell. Eine Begrenzung der Gänge bei den Mahlzeiten und der Höhe der Brautgeschenke, genauso wie das teilweise Verbot, Brautgaben bei den einzuladenden Familien einzutreiben, sollten die schlimmsten Auswüchse verhindern. n der postmodernen Gesellschaft der Gegenwart hat die Ehe und die kirchliche Trauung eine schillernde Funktion auf der Grenze von Tradition und individueller Sinngebung. Sachargumente für eine Eheschließung wie z.B. die wirtschaftliche Absicherung der Frau oder die Einbettung der Sexualität in einen gesellschaftlich sanktionierten Rahmen sind hinfällig, genauso wie gesellschaftliche Verpflichtungen zu einer Ehe. Um so größer ist die Herausforderung, den Schritt zur Ehe individuell zu begründen. Die Kirche kann dabei Hilfestellung leisten und die Liebe als göttliche Kraft unter menschlichen Lebensbedingungen auch für eine exklusive lebenslange Beziehung proklamieren. Die Gestaltung eines würdigen Gottesdienstes an diesem biographischen Wendepunkt ist in diesem Prozeß ein Höhepunkt. Die allgegenwärt ige Macht der Medien ist hierbei eher hinderlich: die Klischees einer „Traumhochzeit“ passen zwar zum Leitbild der Hochzeit als Liebeshochzeit, das sich durchgesetzt hat, ihre Bewährung im Alltag und die Anbindung des „phantastischen Projekts Ehe“ an die Realität werden durch sie nicht leichter. Theologisch sach- und zeitgemäße Deutungen der Ehe sollten nicht blind gegenüber der Veränderbarkeit der Formen menschlichen Zusammenlebens sein und Gott einen weiten Rahmen seiner Schöpfungsordnungen zutrauen. Vielleicht hilft ja auch die reformatorische Einsicht weiter: Die Ehe ist ein „welltlich geschefft“ – trotz aller großen Gefühle, und gerade darin gestaltungsbedürftig. I Verwendete Literatur: [1] Bernward Deneke, Hochzeit, Prestel, München, 1971. [2] Hans Dombois, Art. "Trauung" II. Rechtlich, in Kurt Galling et. al., eds., RGG, J.C.B. Mohr, Tübingen, 1962, pp. 1007-1009. [3] Eilert Herms, Liebe, Sexualität, Ehe: Unerledigte Themen der Theologie und der christlichen Kultur, ZThK, 96 (1999), pp. 94-135. [4] Erich Hertzsch, Art. "Trauung" I. Liturgisch, in Kurt Galling et. al., eds., RGG, J.C.B. Mohr, Tübingen, 1962, pp. 1005-1007. [5] Rosemarie Nave-Herz, Warum noch Heirat? Vom Festhalten am Übergangsritus der Hochzeit, Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg, Oldenburg, 1994. [6] Susanne Prüß, Schleswig-holsteinische Hochzeitsgebräuche in der frühen Neuzeit, Philosophische Fakultät, Christian-Albrechts-Universität, Kiel, 1998, pp. 116. [7] Hans-Joachim Thilo, Art. "Trauung" 2. Praktisch-theologisch, in Erwin Fahlbusch, ed., EKL, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen, 1996, pp. 953-957. [8] Hermann J. Vogt, Die Eheschließung in der frühen Kirche, in K. Richter, ed., Eheschließung - mehr als ein rechtlich Ding?, Herder, Freiburg/Brsg., 1989, pp. 119-132. [9] Herbert Vorgrimler, Zur dogmatischen Einschätzung und Neueinschätzung der kirchlichen Trauung, in Klemens Richter, ed., Eheschließung - mehr als ein rechtlich Ding?, Herder, Freiburg/Brsg., 1989, pp. 42-61. Seite 7 [10] Jörg Wettlaufer, Beilager und die Bettleite im Ostseeraum (13. bis 19. Jahrhundert). Eine vergleichende Studie zur Wandlung des Eheschließungsrechts im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in Thomas Riis, ed., Tisch und Bett: die Hochzeit im Ostseeraum seit dem 13. Jahrhundert, Lang, Frankfurt, 1998, pp. 81-127. Copyright 1999 Bernd-Michael Haese, Mangoldtstr. 9, 24106 Kiel; Institut für Praktische Theologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel