Wer Modellflug betreiben will, sollte lernen, wie man sein Modell
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Wer Modellflug betreiben will, sollte lernen, wie man sein Modell
Prof. Dr. G. Busse 20.1.2014 Bericht über die Modellflug-AG am JKG Der Hintergrund für die Modellflug AG ist das Thema „Faszination Technik“: Wir benötigen langfristig mehr und gute Ingenieure. Das Interesse an Technik entsteht fast von selbst in der Kindheit, es braucht nur gezielte und frühe Förderung, die in der 5. Klasse beginnen kann. Neugiergesteuert ist die Lernbereitschaft groß. Das gilt besonders für die Luftfahrt, weil sie emotional anspricht und weil hier ganz unterschiedliche Technikbereiche zusammenfließen, z.B. Werkstoffe, Elektronik, Fügetechnik, Mechanik. Daher wird bei Bau und Betrieb von Flugmodellen sehr breites Wissen und Verstehen entwickelt. Die Besonderheit „Fliegen nach Stundenplan“ erfordert Wetterunabhängigkeit, also Fliegen in einer Sporthalle. Das bedingt wiederum langsame Flugmodelle mit geringer Masse, die bei Kollisionen mit Wänden oder Personen keinen Schaden anrichten und selber auch nur wenig Schaden nehmen. Unsere funkferngelenkten Flugmodelle mit Elektroantrieb haben daher eine Masse im Bereich von nur 20-60 g bei Spannweiten unter 70 cm. Um die Fluglage trotzdem schnell und sicher erfassen zu können, sind gerade unsere Kunstflugmodelle sehr auffallend farbig lackiert. Unsere Modellflug AG hat drei Ziele: - verstehen, wie Flugzeuge funktionieren, - ferngelenkte Flugzeuge selber gut fliegen und - Flugzeuge selber bauen. Wir lernen möglichst anschaulich, und zwar zunächst an käuflichem Fluggerät. Aber dann wollen wir unsere Flieger selber bauen, denn man "begreift" vor allem das gut, was man selber machen, also vom Gedanken ausgehend umsetzen kann. Das Wort „begreifen“ hat nämlich was mit „anfassen“ zu tun und nicht nur mit „zuhören“ oder „an der Tafel ansehen“. Unsere gemeinsamen Ziele lassen sich besonders gut in Teamarbeit erreichen, also wenn man einander hilft. In der Technik ist das ganz wichtig, darum wollen wir schon in dieser frühen Phase Teamarbeit trainieren. Für alles das gilt: Learning by doing. Denn reden kann man viel, tun ist besser. Hier ist der rote Faden für unsere Lernschritte im Bereich Flugzeugbau/Luftfahrttechnik: Der Stoff, aus dem die Träume sind: Werkstoffe für unsere Flieger. Wann verwende ich Sperrholz, Balsaholz, Stahldraht, Depron, Carbonfasern? Wie werden Flugzeuge gesteuert? Ruder und ihre Auswirkung auf die Flugbahn untersuchen: Eigenbau eines Seglers aus Depron mit einstellbarem Seiten- und Höhenruder. Wie werden unsere Flugzeuge angetrieben? Elektromotor, Polarität, Spannung, Getriebe (einfache Untersetzung), Propeller. Drehzahlund Standschubmessung. Wie Tank und Benzin im Auto: Der Akku Lithium-Polymer-Akkus: Spannung, Kapazität, Lade- und Entladestrom. Strom- und Spannungsmessung bei laufendem Motor. Das Gehirn unseres Fliegers: Die Fernsteuerung Zusammenhang zwischen Steuerhebelbewegung am Sender und Flugzeugbewegung. Binden, Einschaltreihenfolge von Sender und Empfänger. Einstellungsoptionen. Wir steuern unseren Flieger in der Luft Mit Heli und Starrflüglereigenbau: Richtung, Geschwindigkeit, Flughöhe koordinieren. Erfahrung: Ohne Spielregeln gibt es auch in der Sporthalle ein Chaos. Geht es besser? Flugbetrieb: Wie machen es die großen Flugzeuge? Fliegen nach Luftverkehrsregeln Kurse, Flugplatz, Platzrichtung, Platzrunde, Flugzeugkennungen, Flieger-Alphabet, Sprechfunkbasics, Positionslichter, Cockpitinstrumente und ihre Einheiten Wie baut man einen guten Flieger? Gewicht, Fläche, Schub, Schwerpunkt, Winkel, Anlenkungen, Fahrwerk, Verstärkung, Klebetechnik. Kunst kommt von Können: Kunstflug Anforderung an Kunstflug. Mit selbst gebautem Kunstflugmodell: Looping, Rolle, Auf- und Abschwung, Turn. Ziellandung mit und ohne Motorhilfe. Entwurf, Bau und Betrieb außergewöhnlicher Flugzeuge Fliegendes Auto, Fledermaus, fliegende Hexe, fliegender Fisch… Zum Ablauf unserer Arbeit in der Modellflug AG Wir bauen zunächst einen Depron-Segler, um schneiden und kleben zu lernen, auch das Einstellen der richtigen Schwerpunktlage (Schrauben auswiegen und in die Bugplatte drehen). Höhen- und Seitenruder sind manuell verstellbar, um den Einfluss der Ruderstellung auf die Flugbahn zu lernen. Beim ersten Wettbewerb geht es um die größte Flugweite und um die beste Ziellandung mit diesen Seglern, die die Teilnehmer der AG behalten dürfen. Schablonen für die Einzelteile des Seglers. Fertiger Segler. Tragflächen abnehmbar. Ferngesteuertes Fliegen beginnen wir mit kleinen Koaxial-Hubschraubern, die zuverlässig fliegen und die auch leicht zu reparieren sind. An diesen fertig gekauften Modellen lernen wir den Zusammenhang zwischen Steuerhebelbewegung und Flugverhalten, vor allem die schnelle und sichere Rechts-Links-Entscheidung sowie den sensiblen Umgang mit dem Gashebel, um eine feste Flughöhe einzuhalten. Notfalls halten wir den Heli in der Luft an (Schwebeflug) und denken nach. In der anschließenden Flugprüfung geht es um diese Koordination mitsamt der Feinmotorik beim punktgenauen Landen. An diesen Modellen lässt sich auch schon der Formationsflug trainieren. Hierzu lackieren wir unsere unterschiedlichen Farben. Ein Teil unserer umlackierten Heli-Flotte. Helis in Ismael und Fabian bei Heli-Reparatur. Spannender ist das Fliegen mit Starrflüglern, die wir aus unseren selber gebauten DepronSeglern durch Hinzufügen von Antrieb und Steuerung erhalten. Hier trainieren wir manuelle Fähigkeiten wie Schneiden, Sägen, Bohren, Schleifen und Kleben. Die Modelle fliegen eigenstabil mit Seiten- und Höhenruder, die Tragflächen sind abnehmbar. In der Flugprüfung geht es um die sichere Beherrschung dieser kleinen Flieger beim Fliegen der Platzrunde, Durchfliegen eines Tores und Ziellandung. Anschließend fliegen wir auch Eigenbauten, die gewichtsmäßig durch Verwendung von sehr dünnem Depron und Carbonstäben ausgereizt sind. Unser Leichtgewicht-Eigenbau mit nur 23 g Fluggewicht. Einbau von Elektronik und Motor. Mit diesen Kenntnissen und Fähigkeiten bauen wir (eventuell erst im zweiten Jahr, also üblicherweise in der 6. Klasse) unsere Kunstflugmodelle, die mehr Schub als Gewicht haben und eine so hohe Beweglichkeit, dass alle Kunstflugfiguren in der Sporthalle möglich sind. Beim Bau streben wir hohe Stabilität bei wenig Masse an, aber auch eine saubere Bauausführung, damit die Kunstflugfiguren nicht schief ausfallen. Diese Perfektion ist eine Herausforderung, die viel Engagement erfordert und die zum Bestehen der anspruchsvollen Kunstflugprüfung führt. In dieser Phase werden unsere Flugmodelle allerdings besonders häufig repariert… Einige selber gebaute Kunstflugmodelle. Bugbereich eines 40 cm-Modells. Interne Wettbewerbe, z.B. beim Vorfliegen vor den Eltern, spornen an, zumal es anschließend Preise gibt, unter anderem einen Rundflug in einem Sportflugzeug, so dass sich das erworbene Wissen „am richtigen Flugzeug“ erproben lässt. Was haben wir bisher erreicht? Auch am jährlichen Projekttag bauen die Teilnehmer die oben gezeigten Segler, die anschließend bei einem Wettfliegen erprobt werden. Jeder Teilnehmer darf seinen Segler behalten. Massenstart der Segler am Projekttag. Unsere aktuellen Anfänger nach ihrem ersten Wettbewerb. Im Schuljahr 2013/14 haben unsere fortgeschrittenen Modellflieger ihre Kunstflugprüfungen mit den selber gebauten Modellen erfolgreich abgeschlossen. Wir haben 2013 erstmals am Gymnasium während der Sommerferien ein Modellfluglager durchgeführt (eine Woche täglich in der Zeit 9-17 Uhr) und ungewöhnliche Modelle entworfen und geflogen (z.B. eine fliegende Hexe, zu der uns Robin Krüger angeregt hat). Wer geht sonst schon freiwillig in den Ferien zur Schule? So sah unser Physiksaal während des Modellfluglagers in den Sommerferien aus. Fliegende Hexe: Skizze an der Tafel und flugfertig. Sophia und Tim bauen im Modellfluglager einen Motorflieger. …und am letzten Tag beim Flug in der Sporthalle. Wir treffen uns auch außerhalb der Unterrichtszeit an Samstagen, um mehr Zeit zum Bauen und meistens auch zum Reparieren zu haben. David hat ein neues Kunstflugmodell entworfen, Robin hat ein Auto der Zukunft konstruiert und gebaut und geflogen. gebaut, das auch fliegen kann. Wir haben „richtige“ Flugzeuge auch aus der Nähe kennengelernt: Wir waren auch 2013 wieder Gast bei der Polizeihubschrauberstaffel am Stuttgarter Flughafen und wir sind auf dem Flugplatz in Speyer in einer zweisitzigen Cessna 152 geflogen. Dabei durften drei Preisträger unserer internen Modellflugwettbewerbe jeweils als Copiloten auf dem rechten Sitz mitsteuern. So konnten wir das Technikmuseum Speyer nicht nur von innen besichtigen, sondern auch von oben… Besichtigung eines Polizei-Hubschraubers. Mit den drei Preisträgern vor einer Cessna 152. In diesem Schuljahr haben wir 25 neue Anfänger, von denen schon 40% die Helikopterprüfung bestanden haben, so dass sie jetzt an den ferngesteuerten Starrflüglern trainieren. Wer zahlt das alles? Leisten wir uns teuren Luxus? Klar, dass wir für unsere Ausstattung mehr Geld brauchen als eine AG, die mit Kopien und Büchern funktionsfähig ist. Im vergangenen Jahr benötigten wir einige neue Sender und Empfänger. Der unerwartet hohe aktuelle Andrang im Schuljahr 2013/14 erfordert etliche neue Fluggeräte, Fernsteuerungsempfänger, Servos, Sender und Motoren, also wieder teure Beschaffungen, damit beim Betrieb der Modelle keine frustrierenden Warteschlangen entstehen. Neben diesen Neubeschaffungen haben wir auch laufende Kosten, denn unsere jungen Piloten fliegen wagemutig; mit den flinken Fliegern erproben sie gerne ihre Grenzen und lassen sich durch ihre Begeisterung manchmal auch zu Unachtsamkeiten verleiten. Die Modelle unterliegen deswegen im Flugbetrieb einem „natürlichen“ Verschleiß, den wir durch Reparaturen (an denen besonders viel gelernt wird) nach besten Kräften verzögern. Aber Akkus, Motoren und Getriebe haben auch bei unfallfreiem Fliegen eine begrenzte Lebensdauer. Öffentliche Mittel sind bekanntlich sehr knapp, obwohl die frühe Technikausbildung am allgemeinbildenden Gymnasium im staatlichen Interesse liegen sollte, um unerkannte Begabungen zu erschließen. Denn unsere Wirtschaft hängt ganz stark vom Können unserer Ingenieure ab. Die Kosten für die technische Ausstattung unserer Modellflug AG tragen teilweise die Eltern (derzeit 40 Euro pro AG-Teilnehmer und Schuljahr) oder andere Einzelpersonen, die den Wissenszuwachs der Schüler schätzen. Zu Spenden können wir bisher nur in Einzelfällen Firmen oder Institutionen bewegen, die auf die frühe Förderung unserer zukünftigen Ingenieure Wert legen. Leserinnen und Leser, die bis hierher gelesen haben und die ihr Interesse zu einer Unterstützung ausbauen wollen, ermutigen wir zu einer steuerbegünstigten Spende an Freundeskreis des JKG e.V. Kto Nr. 4124315, Kreissparkasse Böblingen, BLZ 60350130 Bitte unbedingt mit Vermerk: "Verwendungszweck: Spende für Modellflug AG"