Broschüre Werkfeuerwehren - IG BCE

Transcrição

Broschüre Werkfeuerwehren - IG BCE
Informationen für
Beschäftigte
Werkfeuerwehren
in der Industriegewerkschaft
Bergbau, Chemie, Energie
Die IG BCE informiert über tarifliche Regelungen,
demografische Aspekte, Aus- und Weiterbildung.
Informationen für Beschäftigte
Einleitung
Während des 4. Ordentlichen Gewerkschaftskongresses der IG BCE im Oktober 2009 sind verschiedene
Anträge, die die besonderen Arbeits- und Belastungssituationen der Werkfeuerwehren betreffen, diskutiert
und verabschiedet worden. Insbesondere die Frage des
Rentenzugangs und der Ungleichbehandlung mit den
Berufsfeuerwehren sowie die 24-Stunden-Dienste sind
dort ausgiebig erörtert worden.
Um diese Fragen in ihrer gesamten Dimension zu erfassen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, ist auf
der Bundesebene eine temporäre Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Die AG hat in einem ersten Workshop
zentrale Ansatzpunkte erarbeitet und Maßnahmen für
mehr öffentliches Bewusstsein entwickelt und teilweise bereits umgesetzt.
Dieser Flyer beschreibt zentrale Ansatzpunkte und
zeigt Handlungsoptionen auf.
Tarifvertragliche
Regelungen
Der Manteltarifvertrag der chemischen Industrie enthält folgende Sachverhalte für Beschäftigte im 24-Stunden-Dienst.
• Arbeitszeit
§5 Abs. 2 regelt speziell die Arbeitszeit im 24-StundenDienst. Die Arbeitszeit beträgt nicht 37,5 Stunden, sondern ergibt sich aus der Aufteilung 24 Stunden Dienst,
24 Stunden frei. Dazukommen 35 zusätzliche freie Tage,
die nach den tariflichen Vorschriften gleichmäßig über
das Jahr verteilt werden sollten.
Die 24 Stunden werden in jeweils 8 Stunden Arbeitszeit, Arbeitsbereitschaftszeit und Bereitschaftsruhezeit
unterteilt. Während der Arbeitsbereitschaft können die
Arbeitnehmer bis zu drei Stunden zu Arbeitsleistungen
herangezogen werden, die in ihren betrieblichen Aufgabenbereich fallen oder arbeitsvertraglich verabredet
sind.
Diese Arbeitszeitregelung ist im Jahr 2010 vom Bundesarbeitsgericht (BAG) überprüft worden (10 AZR 544/09).
Das Gericht hat dabei geprüft, ob eine über die 48 Stunden hinausgehende durchschnittliche Wochenarbeitszeit, die durch die Regelungen zum 24-Stunden-Dienst
bedingt sind, einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz
und die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG beinhalten.
Das BAG hat festgestellt, dass die tariflichen Regelungen zum 24-Stunden-Dienst (§5 Abs. II MTV Chemie)
eine eigenständige Arbeitszeitregelung enthalten. Die
Regelung ist also sowohl mit dem Arbeitszeitgesetz
als auch mit EU-Recht vereinbar. Eine Überschreitung
der 48 Wochenstunden ist nach §7 Arbeitszeitgesetz
zulässig, wenn der Tarifvertrag besondere Regelungen,
die den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sicherstellen, enthält.
• Vergütung
Das tarifliche Entgelt ermittelt sich nach der Eingruppierung. Die Anzahl der zu bezahlenden Arbeitsstunden
ist tariflich nicht festgelegt, sondern muss betrieblich
vereinbart werden.
Arbeitnehmer im 24-Stunden-Dienst haben keinen tariflichen Anspruch auf Nacht- und Sonntagsarbeit. Anspruch besteht dagegen auf die Feiertagszuschläge.
Der 24-Stunden-Dienst wird tariflich nicht als voll- oder
teilkontinuierliche Arbeitsweise gewertet. Auf die entsprechenden tariflichen Zulagen in Höhe von 6% oder
10% besteht deshalb kein Anspruch.
• Altersfreizeiten
Ein Anspruch besteht ab dem 57. Lebensjahr auf 2,5
Stunden Altersfreizeit pro Woche. Da der 24-StundenDienst nicht als Schichtarbeit gewertet wird, ist eine
Gewährung ab dem 55. Lebensjahr derzeit nicht vorgesehen.
• Urlaub
Nach Absprache der Tarifvertragsparteien beträgt der
Urlaubsanspruch für den 24-Stunden-Dienst 21 Urlaubstage. Dies entspricht einem zeitlich gleichwertigen Urlaubsanspruch. Der Maßstab des Vergleichs sind
die 30 Urlaubstage, die als tariflicher „Normalurlaub“
vorgesehen sind.
Handlungsbedarf
Die betriebliche Umsetzung der tariflichen Regelungen
zum 24-Stunden-Dienst fallen sehr unterschiedlich aus.
Mittlerweile gibt es viele Mischformen, die nur noch
zum Teil auf der Basis des Tarifvertrages erfolgen. Hinzu
kommt, dass auch die Vergütungsregelungen sehr stark
variieren.
Nicht ohne Kritik ist die Tatsache, dass die Beschäftigten
im 24-Stunden-Dienst nicht als Schichtmitarbeiter gewertet werden und die dafür vorgesehenen tariflichen
Zulagen und verkürzten Arbeitszeiten von dieser Beschäftigtengruppe nicht eingefordert werden können.
Über eine tarifliche Neuregelung und Veränderung ist
mit der Tarifkommission bereits diskutiert worden. Dabei wurde festgestellt, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Informationen für Beschäftigte
Demografische Aspekte
Arbeiten im 24-Stunden-Dienst geht mit einer Vielzahl
von besonderen Belastungen einher. Die überlange
Verweildauer im Unternehmen bedeutet für die Beschäftigten, dass beispielsweise Familienaufgaben sehr
schwer mit diesen Arbeitszeiten in Einklang zu bringen
sind. Darüber hinaus sind ehrenamtliches Engagement,
regelmäßige Treffen in Vereinen und Verbänden und
alle anderen Formen der Übernahme gesellschaftlicher
Aufgaben kaum zu realisieren.
Hinzukommen körperliche Belastungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die im 24-StundenDienst im besonderen Maße auftreten. Das sind
beispielweise ein unregelmäßiger Schlafrhythmus, veränderte Ernährungsgewohnheiten, begrenzte Möglichkeiten der körperlichen Betätigung und vieles mehr.
Eine weitere Besonderheit sind die regelmäßigen Untersuchungen und Überprüfungen der „Tauglichkeit“.
Mehrmals pro Jahr werden Werkfeuerwehrleute auf
ihre körperliche und psychische Belastbarkeit getestet.
Diese Tests werden offiziell abgenommen und dokumentiert. Für den Fall, dass die Überprüfungen auch
nach einer Wiederholung nicht bestanden werden, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Alle drei Jahre und ab dem 50. Lebensjahr jährlich muss
darüber hinaus eine sogenannte G 26.3-Untersuchung
absolviert werden. Diese Untersuchung wird von Ärzten
(z. B. Werksärzten), die von den Berufsgenossenschaften zugelassen sind, abgenommen und dokumentiert.
Hierbei wird getestet, ob die Person die nötige körperliche Verfassung zum Tragen von schwerem Atemschutz
mitbringt. Der Test setzt sich zusammen aus Lungenfunktionstest, Belastungs-EKG, Urinuntersuchung und
Röntgen-Thorax. Wird eine der genannten Bedingun-
gen nicht erfüllt, verliert der Atemschutzträger seine
Einsatzfähigkeit. Das bedeutet, ohne eine bestandene
G26.3-Untersuchung ist der Werkfeuerwehrmann vermindert oder gar nicht einsetzbar.
Derzeit gibt es keinerlei Überbrückungsregelungen für
unsere Kollegen, um ab dem 60. Lebensjahr abschlagsfrei in die Altersrente gehen zu können. Der öffentliche
Dienst hat hier Regelungen gefunden mit denen die
Kollegen der Berufsfeuerwehr im Alter von 60 Jahren in
die Regelaltersrente gehen können.
In dieser Frage muss in erster Linie auf die Politik eingewirkt werden, denn nur hier können allgemeinverbind­
liche Regelungen geschaffen werden. Dazu wird mehr
öffentliches Bewusstsein für diese Ungleichbehandlung geweckt. Auch auf der Ebene der Sozialpartner
wird dieser Punkt diskutiert.
Aus- und Weiterbildung
Die bisherige Ausbildung zum/zur Werkfeuerwehr­
mann/-frau erfolgt in zwei Stufen. Einer geeigneten
industriellen Berufsausbildung im System des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) folgt eine Weiterbildung zum
Werkfeuerwehrmann in einem Kurssystem, das in der
Verantwortung der Bundesländer ausgestaltet wird (im
Rahmen einer klassischen Karriereentwicklung folgt einer Berufsausbildung eine Fortbildungsstufe z.B. zum
Meister).
Eine aktuelle Erprobungsverordnung zieht die Qualifizierung zum/zur Werkfeuerwehrmann/-frau auf die Ebene
der beruflichen Erstausbildung. Einer Phase der handwerklichen Qualifizierung (laut Feuerwehrpraktiker sind
dafür ca. 18 Monate notwendig, um die erforderlichen
Qualifikationen zu erlernen) folgt eine feuerwehrspezifische Phase. Auch in diesem Fall sind im Anschluss
verschiedene Weiter- und Fortbildungsabschlüsse zu
erwerben. Mit dem Erprobungsberuf wird dadurch ein
eigenständiger „Lehrberuf“ Werkfeuerwehrmann/-frau
definiert.
Diese Ausgestaltung macht es möglich, dass der Beruf
Werkfeuerwehrmann/-frau als eigenständiger beruflicher Aufstiegs- und Entwicklungsweg beschrieben
und damit auch als Rekrutierungsstrategie von den Unternehmen verfolgt werden kann. Das setzt allerdings
voraus, dass sowohl der Ausbildungsberuf selbst bundesweit Verbreitung und Anerkennung findet, als auch
die anschließende Verwertung am Arbeitsmarkt allgemein möglich ist. Um eine erfolgreiche Entwicklung
des Berufs über die Erprobungsphase hinaus möglich
zu machen, bedarf es daher einer Mindestquantität an
Ausbildungsverhältnissen und deutschlandweite Beschäftigungsmöglichkeiten.
Mittelfristig muss gewährleistet sein, dass sowohl der
bisherige Weg, den Beruf des Werkfeuerwehrmannes zu
erlernen, als auch die Ausbildung nach Erprobungsverordnung (später Verordnung) gleichwertig sind. Ob der
Weg der Berufsausbildung neben dem Kurs- und Lehrgangssystem Bestand haben kann, wird auch davon abhängen, ob es gelingt, ein System der Berufsausbildung
zum/zur Feuerwehrmann/-frau zu etablieren, das der
Logik des deutschen Berufsbildungssystems folgt.
Eine Besonderheit zeichnet das Tätigkeitsfeld der Feuerwehr im Allgemeinen aus. Im Gegensatz zu anderen
Berufen stellen die freiwilligen und die Jugendfeuer-
wehren ein Rekrutierungsreservoir dar, das die Berufsentwicklung flankiert. Langfristig wirft das Fragen der
Anerkennung außerberuflich erworbener Kompetenzen
für die berufliche Entwicklung auf. Damit verbunden ist
auch die Zuordnung solcher Kompetenzen zu den Niveaustufen des Deutschen Qualifikationsrahmens, mit
dem eine europaweite Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen angestrebt wird.
Impressum
Herausgeber:
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
Vorstandsbereich 3
Abteilung Zielgruppen
Königsworther Platz 6
30167 Hannover
E-Mail: [email protected]
Redaktion:
Petra Adolph, Karin Erhard, Gerald Proß
Layout:
Falk Frede, silberland medienprojekte GmbH
Bildquellen:
Peter Hiltmann, Michael Cintula, Wolfgang Walter
Druck:
BWH GmbH – Die Publishing Company
Stand: August 2011
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