Thema Plastik - Werner Boote

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Thema Plastik - Werner Boote
Südwind Pdf-Edition
MAGAZIN FÜR INTERNATIONALE POLITIK, KULTUR UND ENTWICKLUNG
Foto: Fotolia
thema
11/2008
PLASTIK
THEMA: PLASTIK
Liebe Leserin, lieber Leser!
2
6
8
10
Leben im Gifteintopf: Petrochemikalien
sind aus dem modernen Leben nicht
wegzudenken. Aber den Preis für die
Freisetzung dieser gefährlichen Stoffe
zahlen wir alle.
Wayne Ellwood
Zahlen und Fakten
Der Müllstrudel: MitarbeiterInnen der
Algalita Marine Research Foundation
in Kalifornien segelten einen Monat
lang mit dem Forschungsschiff Alguita
von Hawaii nach Los Angeles, auf den
Spuren eines gigantischen Strudels von
Plastikmüll mitten im Pazifik.
Anna Cummins
Falsche Versprechen: Dow, DuPont
und andere Chemiekonzerne träumen von einer „grünen“ Zukunft.
Doch Biokunststoff ist nicht die ÖkoLösung, zu der er hochstilisiert wird.
Jim Thomas
üdwind, das Magazin für Internationale Politik, Kultur und Entwicklung,
bringt seiner Leserschaft näher, was Globalisierung für die Regionen des Südens tatsächlich bedeutet, wie sie das Leben der Menschen in Nord und Süd
prägt und welche politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Fort- und
Rückschritte zu verzeichnen sind.
Über die aktuelle Berichterstattung hinaus gibt Südwind Monat für Monat ein
„Thema“ vor. Unter diesem Titel wird auf zehn Magazinseiten komplexen relevanten globalen Fragestellungen in verständlicher Sprache und in einer Vielfalt
journalistischer Formen nachgegangen. Im Laufe der Jahre ist dadurch eine Art
entwicklungspolitisches Nachschlagewerk entstanden, auf das auch lange nach
dem ersten Erscheinen gerne zurückgegriffen wird.
S
Ausgewählte Südwind-Beiträge zum -„Thema“ veröffentlichen wir in einer
Sonderausgabe als pdf-file, um sie möglichst vielen Leserinnen und Lesern zugänglich zu machen.
Falls wir Ihr Interesse geweckt haben und Sie Lust auf
mehr Südwind-Lesestoff verspüren, schicken wir Ihnen gerne ein Probeexemplar zu. Natürlich können Sie auch gleich
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der letzten Seite dieser Ausgabe.
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen
Dr. Irmgard Kirchner
Chefredakteurin Südwind-Magazin
Leben im Gifteintopf
D
Foto: Archiv
Unsere Welt ist voll von Petrochemikalien.
Angefangen vom Plastik bis hin zu Pestiziden
sind sie aus dem modernen Leben nicht
wegzudenken. Aber den Preis für die Freisetzung aller dieser gefährlichen Stoffe zahlen
wir alle, wie New Internationalist-Redakteur
Wayne Ellwood zeigt.
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er Friedhof der Chippewa First
Nation of Aamjiwnaang liegt am
Rande von Sarnia, einer kleinen
Stadt im Süden des kanadischen
Bundesstaats Ontario. Ron
Plain, der mich hierher geführt hat, zeigt
mir die Gräber seiner Eltern, Großeltern
und Urgroßeltern, seiner Tanten und
Onkeln. Ron ist 46, glaubt aber nicht,
dass er älter als 60 wird. Radiokohlenstoffdatierungen zeigen, dass seine Vorfahren seit 6.000 Jahren in diesem Gebiet
gelebt haben. Es ist Frühlingsbeginn, ein
warmer Tag, die Bäume beginnen auszuschlagen. Nichts jedoch kann die petrochemische Fabrik verbergen, die sich
drohend neben dem Friedhof erhebt.
Das Aamjiwnaang-Reservat ist von dutzenden Chemiewerken buchstäblich umzingelt.
Südwind-Magazin PDF-Edition
Rons Gemeinschaft mit ihren 900 Angehörigen lebt im Herzen des „Chemical
Valley“, der stärksten Konzentration der
petrochemischen Industrie in ganz Kanada. In einem Umkreis von 25 Kilometern
befinden sich 62 Werke, 40 Prozent aller
petrochemischen Fabriken des Landes.
Zu ihren Eigentümern gehören die größten und mächtigsten Konzerne der Welt
– Dow, Shell, Nova, Bayer und Imperial
Oil (Exxon) produzieren in einem Umkreis von fünf Kilometern, die meisten
rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.
2005 bliesen diese Fabriken mehr als
131.000 Tonnen an Schadstoffen in die
Atmosphäre – 1.800 kg Gift pro Einwohner. (1) Diese Belastung mit giftigen Chemikalien dürfte für eine ganze Reihe
ernsthafter Gesundheitsprobleme der 2
menschlichem Leben und natürlicher
Umwelt einführte.
Ihre Warnungen vor der Giftigkeit der
Industriegesellschaft waren prophetisch.
Immer mehr Indizien weisen darauf hin,
dass die Millionen Tonnen chemischer
Substanzen, die in die Umwelt freigesetzt
werden, in die Grundlagen des Lebens
eingreifen. Die männliche Fruchtbarkeit
in den reichen Ländern ist seit 1940 um
geschätzte 50 Prozent zurückgegangen;
Brustkrebs, Hodenkrebs und Prostatakrebs haben um 200 bis 300 Prozent zugenommen. Immer mehr männliche Babys kommen mit Missbildungen der Genitalien zur Welt. (3)
Aamjiwnaang und der Menschen in Sar-
s gehört zur Alltagserfahrung von
Reisenden, egal, ob sie den angeblich schönsten Strand weit und breit,
die Stille der Wüste oder die Einsamkeit der Berge suchen: Plastik war
schon vor ihnen da. Und wird, da
praktisch unverrottbar, dort uns alle
auch noch lange überleben, wenn es
nicht von Tourismusverantwortlichen
oder Freiwilligen weggeräumt, also an
einen anderen Ort gebracht wird.
1862, vor fast 150 Jahren, wurde in
London erstmals eine plastikartige
Substanz – Parkesine, benannt nach
ihrem Erfinder Alexander Parkes –,
vorgestellt. Es folgten Zelluloid (1869),
Bakelit (1909), Rayon und Cellophan
(1920), Vinyl (1926), Nylon und Neopren (1935) und Polyethylen (1936).
Mit dem Boom der petrochemischen Industrie nach dem Zweiten
Weltkrieg setzte das Kunststoffzeitalter ein. Plastik hat unser Alltagsleben
erobert, wie ein kurzer Panoramablick
fast an jedem beliebigen Ort zeigt:
vom Trinkwasser, das ohne Abfüllung
in Plastikflaschen scheinbar nicht
mehr vorstellbar ist, über Computergehäuse, Autos, Inneneinrichtung,
Kosmetika, Verpackungen, Alltagsgebrauchsgegenstände …
thema
plastik
Um nur ein Beispiel zu nennen: Jeder
Mensch verbraucht pro Jahr bis zu
150 Plastiksackerln. Weltweit. Wen
wundert es, wenn dann auch in einem
so genannten Entwicklungsland an jedem Halm auch in von Menschen unbesiedelter Landschaft ein Plastikfetzen hängt. Im Nordpazifik haben die
Strömungen einen Plastik-Müllstrudel
in der Größe von mehreren Millionen
Quadratkilometern zusammengetrieben. Plastik tötet nicht nur unmittelbar unzählige Meereslebewesen.
Kunststoffe gelange in die Nahrungskette und schleichend in unsere Körper. Das Wissen um die Gefährlichkeit
synthetischer Chemikalien ist allerdings wesentlich jünger als die Plastikindustrie. Seit den 1990er Jahren weiß
man, dass sie teilweise natürliche Hormone imitieren, die sexuelle und neurologische Entwicklung beeinflussen
und die Fruchtbarkeit schädigen. Und
vorerst ist keine Lösung in Sicht, auch
nicht in Gestalt von (angeblich) biologisch abbaubarem Kunststoff aus
nachwachsenden Rohstoffen (siehe
Beitrag S. 35).
Die folgenden Thema-Seiten, die
wir von unserer Partnerzeitschrift
New Internationalist übernommen
haben, so unerfreulich und unappetitlich sie sind, rütteln auf jeden Fall auf.
Irmgard Kirchner
3
In der Europäischen Union wurden schätzungsweise zwei Drittel der
30.000 am häufigsten verwendeten Chemikalien nie geprüft.
ne signifikante Verschiebung des Geschlechterverhältnisses bei Lebendgeburten. Seit Ende der 1990er Jahre begann
der Anteil der im Reservat geborenen
Buben zu fallen – auf weniger als 35 Prozent anstatt der üblichen 50 Prozent.
Niemand weiß genau, warum. Der
Hauptverdacht konzentriert sich jedoch
auf Schadstoffe, die eine Geschlechtsveränderung bewirken können.
Schon Anfang der 1990er Jahre hatten
Forschungsarbeiten von Pionieren wie
Theo Colborn gezeigt, dass synthetische
Chemikalien, die in den letzten 50 Jahren
in großen Mengen in die Umwelt gelangten, wie natürliche Hormone wirken, die
sexuelle und neurologische Entwicklung
beeinflussen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können. Dutzende Studien
haben die Auswirkung so genannter endokriner Disruptoren (endokrin-wirksame Substanzen, EDC) auf Tiere wie Frösche, Fische und Vögel mit missgebildeten Genitalien, Gehirnschäden, Krebs
und geschädigten Geschlechtsorganen
dokumentiert. EDC wurden auch mit
sinkenden Testosteronspiegeln bei Männern und einem Rückgang männlicher
Geburten in Gebieten mit einer hohen
Konzentration von Chemiefabriken in
Verbindung gebracht. Viele der Tierstudien wurden in der Region der Großen
Seen durchgeführt, wo sich die umweltschädliche Schwerindustrie von Anfang
an ansiedelte. Dort liegt auch das Aamjiwnaang-Reservat.
Wir leben in einem Eintopf giftiger Chemikalien, die es vor der Geburt der modernen synthetischen Chemie im
Schmelztiegel des Zweiten Weltkriegs
größtenteils noch gar nicht gab. Geschätzte 80.000 Substanzen werden heute industriell hergestellt, und jedes Jahr
kommen hunderte dazu. Wenige wurden auf ihre Auswirkungen auf die
menschliche Gesundheit oder die Um-
Raffinerie von
Imperial Oil in Sarnia,
Kanada.
Rachel Carson, deren 1962 erschienenes
Buch „Silent Spring“(2) als Ausgangspunkt der US-Umweltbewegung gilt,
wäre über die Entwicklungen in Aamjiwnaang empört gewesen, aber nicht überrascht. „So ist der chemische Krieg niemals gewonnen, und in seinem heftigen
Kreuzfeuer bleibt alles Leben auf der
Strecke“, schrieb sie damals. Carson war
es auch, die den Begriff „Ökologie“ für
die komplexe Vernetzung zwischen
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welt geprüft. Und vor allem gibt
es kaum Wissen darüber, wie
sich die Wechselwirkung der
Chemikalien untereinander auswirkt. In der Europäischen Union wurden schätzungsweise zwei Drittel der
30.000 am häufigsten verwendeten Chemikalien nie geprüft. (4)
Bei genauen Analysen in Europa, Kanada und den USA wurden hunderte gefährliche Chemikalien im Blut und Urin
von Menschen mit gewöhnlichem Belastungsrisiko gefunden. Der Worldwide
Fund for Nature (WWF) testete in Europa drei Generationen von Frauen und
fand alles Mögliche – von verbotenen
Pestiziden wie DDT bis zu tödlichen
PCB (polychlorierte Biphenyle). In den
Nabelschnüren von zehn Babys in den
USA, die die Environmental Working
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Fotos: Jason Kryk/APPhoto, China Photo/Reuters, Stephen Hird/Reuters
Bunte Pest
E
nia verantwortlich sein: Krebs, Nierenund Schilddrüsenbeschwerden sind weit
verbreitet, wie die Sarnia Occupation
Health Clinic 2004/2005 erhob. Asthma
ist allgegenwärtig (40 Prozent der Menschen im Reservat verwenden einen Inhalator), und 23 Prozent der Kinder zwischen 5 und 16 leiden an Lern- und Verhaltensstörungen.
Zwei Ergebnisse der Studie waren jedoch besonders beunruhigend und lösten weltweite Aufmerksamkeit aus: Eine
ungewöhnlich hohe Fehlgeburtenrate –
39 Prozent der Frauen im Reservat hatten eine Fehl- oder Totgeburt – sowie ei-
plastik
thema
Zuletzt galt die Sorge den Kunststoffen, dem vielleicht allgegenwärtigsten
Material der heutigen Zeit. Die Ausbreitung der Kunststoffe hat die Welt mit
potenziell tödlichen Chemikalien übersät. Eine der wirkungsstärksten ist Bisphenol A (BPA), das Lebenselixier der
Kunststoffindustrie. Fast drei Millionen
Tonnen davon werden jedes Jahr produziert. BPA wird bei der Herstellung von
Polycarbonat-Kunststoff eingesetzt, einem steifen, harten Plastik, das praktisch
für alles verwendet wird, von Babyfläschchen und Sporttrinkflaschen über CDs,
DVDs und Zahnfüllungen bis zu Beschichtungen von Nahrungsmittel- und
Getränkebehältern. Behälter aus –
durchsichtigem oder farbigem – Polycarbonat sind in der Regel am Boden mit
der Zahl „7“ gekennzeichnet. Das Problem mit BPA besteht in seiner Flüchtigkeit. Wenn der Kunststoff altert oder
Flüssigkeiten in BPA-Behältern aufbewahrt oder erhitzt werden, wandert BPA
in unsere Körper. 2005 fand die US-Gesundheitsbehörde CDC in Atlanta BPA
im Urin von 95 Prozent der untersuchten US-AmerikanerInnen. Im November
2006 warnten 38 führende wissenschaftliche BPA-ExpertInnen vor „potenziell
negativen Gesundheitseffekten“ eines
Kontakts mit Polycarbonat-Kunststoff.
Group 2005 testen ließ, entdeckten Wissenschaftler mehr als 280 Chemikalien.
Greenpeace lieferte ähnliche Zahlen für
Europa.(5)
Bei einer kanadischen Studie wiesen
Kinder eine geringere Belastung mit PCB
und chlororganischen Pestiziden auf als
ihre Eltern – ein Hinweis, dass behördliches Eingreifen hilft, denn die meisten
dieser Substanzen wurden vor ihrer Geburt verboten. Es ergab sich aber eine
höhere Belastung der Kinder mit Stoffen,
die noch verwendet werden, darunter
perfluorierte Verbindungen (verwendet
z.B. als Schmutz- und Wasserabweiser in
Bekleidung und Möbeln oder für nichthaftende Beschichtungen für Kochgeschirr) und PBDE (polybromierte Diphenylether – Flammschutzmittel).(6)
Viele dieser Substanzen stammen aus
der Petrochemie und stehen mit Produkten in Verbindung, die unser Alltagsleben erobern: Lösungsmittel, Waschmittel, Kosmetika, Herbizide, Pestizide –
Kunststoffe. So auch die Schlussfolgerung des Commonwealth Biomonitoring
Resource Center in seiner jüngsten Studie zu chemischer Kontamination: „Ein
Großteil unseres Risikos könnte auf Produkte zurückzuführen sein, die wir für
sicher gehalten haben.“(7)
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Haiku, China: Auf dem Weg zum Recycling.
Die Hälfte des anfallenden Plastikmülls landet
allerdings in der Umwelt.
Scheinbar unverzichtbar: Allgegenwärtige Plastiksackerl. In China sind sie seit heuer verboten.
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Dass BPA im Organismus wie Östrogen
wirken kann, wurde erstmals 1936 erkannt. Hunderte von Tierstudien zeigten, dass niedrige Dosen von BPA eine
Reihe gesundheitlicher Probleme beim
Menschen bewirken könnten, von Missbildungen von Geschlechtsorganen über
Brust- und Prostatakrebs bis zu spontanen Fehlgeburten, Typ-2-Diabetes und
Adipositas (Fettsucht). Ein Nachweis
liegt jedoch nicht vor, wie Frederick vom
Saal von der Universität von Missouri
einräumt, einer der führenden BPA-Experten. „Wir wissen es nicht mit Sicherheit ... einige dieser Trends sind so verbreitet, dass sie beinahe normal erscheinen: ungewöhnliche Pubertätsveränderungen, Fruchtbarkeitsprobleme sowohl
bei Männern als auch Frauen, Brustkrebs, Prostatakrebs. Alle diese Trends
fallen mit dem Beginn der Kunststoffrevolution zusammen ... Zum Teil geht es
bloß darum, die Dinge in Zusammenhang zu sehen.“
Obwohl die Industrie die Gefährlichkeit von BPA weiterhin bestreitet, beginnt sich das Blatt zu wenden. VertreterInnen der Branche wischten Kritik mit
dem Argument beiseite, die in Menschen
festgestellten Mengen seien zu gering, um
von Bedeutung zu sein. Tatsächlich haben ForscherInnen jedoch herausgefunden, dass endokrine Disruptoren in geringen Mengen gefährlicher sind – eine
Umkehrung der traditionellen Ansicht
der Pharmakologie, die Menge mache
das Gift. „In niedrigen Dosierungen sti- 4
mulieren Hormone ihre eigenen Rezep-
toren“, erklärt vom Saal. „In höheren
Dosierungen blockieren sie diese Reaktionen.“ (8)
Im April 2008 erließ Kanada Grenzwerte für BPA und klassifizierte die Chemikalie als „gefährliche Substanz“. Babyfläschchen aus Polycarbonat wurden
verboten, für die Migration von BPA in
den Inhalt von Babynahrungsbehältern
strikte Obergrenzen eingeführt. Binnen
Tagen warfen bedeutende BPA-Hersteller das Handtuch, darunter Wal-Mart,
Toys R Us und Playtex.
BPA ist eine von hunderten synthetischen Chemikalien, die das Verhalten
von Genen beeinflussen – „Gene hijacking“ sagt der Autor Pete Myers dazu.
(9) Die selben geschlechtsverändernden
Eigenschaften weisen auch andere
Kunststoffzusätze wie Phthalate und die
bereits erwähnten PBDE auf. Phthalate
sind ein unverzichtbarer Bestandteil von
PVC, einem der gebräuchlichsten Kunststoffe überhaupt. Sie dienen dazu, das
Nahrungsmittelkette in Tieren und Menschen an. Sie überwinden auch problemlos die Plazentaschranke, die mütterliches
und kindliches Blut voneinander trennt.
Sie können als endokrine Disruptoren
wirken, das Gehirn von Kindern schädigen und Lern- und Gedächtnisstörungen
hervorrufen. Sie wurden auch mit Fehlfunktionen der Schilddrüse, Unfruchtbar-
Nummer Sicher gehen, auch wenn keine
wissenschaftliche Klarheit besteht. Die
Chemieindustrie (und die Ölkonzerne)
argumentieren anders: Erst wenn jemand daran stirbt, sollten wir etwas tun.
Die Umweltschutzbehörde der USA
(EPA) genehmigt jedes Jahr 700 neue
Chemikalien auf Basis der Versicherungen der Industrie, sei seien sicher.
Die Ausbreitung der Kunststoffe hat die Welt mit potenziell
tödlichen Chemikalien übersät.
keit und erhöhtem Hodenkrebsrisiko in
Verbindung gebracht. Menschen in Nordamerika haben bis zu 40-mal höhere
PBDE-Konzentrationen im Blut als Menschen in Europa oder Japan.
„Diese Verbindungen haben die selben Eigenschaften wie PCB und DDT“,
betont Ake Bergman, Leiter der Abteilung Umweltchemie an der Universität
Stockholm. „Es ist nur eine Frage der
Zeit, bis es zu Vergiftungen kommt. Als
Mittlerweile nimmt aber die Besorgnis
der Öffentlichkeit über die Giftbrühe zu,
die sich um uns zusammenbraut. Im Juni 2007 trat die neue „REACH“-Verordnung der EU in Kraft (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung
von Chemikalien), trotz intensivstem
Lobbying seitens der Industrie (besonders der deutschen Chemieindustrie)
und der US-Regierung. Es handelt sich
um einen Kompromiss: Unternehmen
haben ab Inkrafttreten je nach Jahresproduktionsmenge bis zu elf Jahre Zeit,
den Nachweis der Sicherheit zu erbringen, und für Chemikalien mit einer Jahresproduktionsmenge unter zehn Tonnen sind keine so genannten „Stoffsicherheitsberichte“ erforderlich. Doch
der Grundsatz der Verantwortlichkeit
der Hersteller wurde fest verankert.
Unternehmen können nun keine Chemikalie mehr verkaufen, ohne zuvor Informationen über ihre Sicherheit bereitzustellen – ein bedeutender Durchbruch,
der sich weltweit auswirken sollte.
l
Plastikfetzen an je-
thema
plastik
PCB verboten wurden, wussten
Vinyl weich und biegsam zu machen. Es
gibt sie in tausenden Produkten, vom dem Zweig: Eine ganz wir weniger über sie als heute
über PBDE ... Haben wir aus den
Kinderspielzeug über Duschvorhänge normale Schafweide
PCB nichts gelernt?“ (10) Die
bis hin zu medizinischen Schläuchen. in Südfrankreich?
Die Chemikalie wird auch für Körpernachweislich krebsauslösenden
pflegeprodukte wie Shampoos, Seifen,
PCB wurden in den 1970er Jahren verParfüms und für Beschichtungen von
boten. Als bioakkumulative Substanzen
Tabletten verwendet. Die EU hat Phthafindet man sie aber nach wie vor in der
late in Kinderspielzeug verboten, KaliUmwelt und in Tieren und Menschen.
fornien mittlerweile ebenfalls.
Schweden war eines der Länder, die
sich besonders für das dem gesunden
Menschenverstand entsprechende „VorDie PBDE (Flammschutzmittel) repräsensorgeprinzip“ einsetzten, das aber von
tieren die dritte größere Gruppe giftiger
der Chemieindustrie mit ihrem engstirKunststoffe. Zur Hälfte werden sie für die
nigen Streben nach Profit und WachsGehäuse elektronischer Geräte verwendet
tum bis aufs Messer bekämpft wurde.
– Computer, Mobiltelefone, Drucker,
Die Idee ist einfach: Wenn eine ChemiFernsehgeräte etc. PBDE sind sowohl perkalie eventuell Probleme verursachen
sistent – d.h., sie verbleiben lange in der
könnte, dann sollte man es sich gut überUmwelt, ohne zu zerfallen – und bioakkulegen, ob man sie verwendet. Lieber auf
mulativ, d.h. sie reichern sich über die
5
Südwind-Magazin PDF-Edition
1) Studie der Umwelt-NGO Ecojustice:
E. MacDonald, S. Rang, „Exposing Canada’s
Chemical Valley“, Toronto, Oktober 2007
(www.ecojustice.ca)
2)Deutsche Fassung „Der stumme Frühling“,
erstmals erschienen 1963 im Biederstein
Verlag
3) Robert Allen, The Dioxin War, Pluto Press,
London 2004
4)Mark Schapiro, Exposed: the toxic chemistry
of everyday products, Chelsea Green, White
River Junction, Vermont 2007
5)Libby McDonald, The Toxic Sandbox, Penguin,
New York 2007
6)Pollution in Canadian Families,
Environmental Defence, Toronto, Juni 2006
(www.toxicnation.ca)
7) Commonwealth Biomonitoring Resource
Center: „Is it in us? Chemical Contamination
in Our Bodies“, Bolinas, California, 2007
(www.isitinus.com)
8)Martin Mittelstaedt, „Inherently toxic chemical faces its future“, Globe & Mail, 8. April
2007
9)Pete Myers, „Good genes gone bad“,
American Prospect, April 2006
10) Maria Cone, „Cause for alarm over chemicals“, Los Angeles Times, 20. April 2003
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Foto: Jean-Paul Pelissier/Reuters
Copyright New Internationalist
plastik
thema
Plastik für die Ewigkeit
Es gibt mehr als 50 verschiedene Gruppen von Kunststoffen
und hunderte Kunststoffarten. Jedes Jahr werden weltweit
geschätzte 113 Mrd. Kilo Kunststoffpellets aus petrochemischen Grundstoffen hergestellt.
Plastiksackerln, Nein Danke!
l Weltweit werden jedes Jahr ca. 500 bis 1.000 Mrd. „Plastiksackerln“ verwendet, mehr als eine Million pro Minute oder bis zu 150 pro Mensch und Jahr .(1)
l Die kanadische Provinz Ontario verbot 2008 Tragtaschen aus Kunststoff in
staatlichen Läden für alkoholische Getränke, was rund 80 Millionen Stück pro
Jahr einsparen dürfte. (2)
l In China wurden „Plastiksackerln“ 2008 verboten, kurz davor in Hongkong; in
Bangladesch bereits 2002, da sie als eine der Hauptursachen von Überschwemmungen identifiziert wurden: sie verstopfen Abflüsse. Weitere Verbote bestehen in Papua Neuguinea, Bhutan, Taiwan und Botswana. (3)
l Irland führte 2002 eine Steuer auf Plastik-Tragtaschen ein. Innerhalb weniger
Monate sank die Zahl der in Supermärkten verkauften Taschen um 90%. (4)
l Zur Herstellung einer Tonne Plastik-Tragtaschen benötigt man rund elf Barrel
Rohöl. Vor dem Verbot war China Weltspitze im Plastiksackerl-Verbrauch und
vergeudete dafür jährlich 37 Millionen Barrel Öl. (5)
Kunststoffgranulat
Recycling-Symbol
Die Kunststoffindustrie hat ein Nummerierungssystem zur Identifizierung der
grundlegenden Kunststoffgruppen eingeführt. Dass die Nummern 1 bis 7 innerhalb des Recyclingsymbols dargestellt werden, kann als klassisches Beispiel
von „Grünwaschen“ bezeichnet werden: Der Konsument erhält den Eindruck,
die Stoffe wären wiederverwertbar – was sie aber oft nicht sind.
Produkte
Umweltwarnung
Giftwarnung
Polyethylen-Terephthalat
Wasser- und Erfrischungsgetränkeflaschen, Lebensmittelbehälter, Textilien, Teppichböden, Spritzgussteile
für PKWs und Fahrräder
High-Density Polyethylen
Milch-, Wasser- und Fruchtsaftflaschen, Abfalleimer,
Einkaufstaschen, Beschichtungen von Rohren, Draht
und Kabeln
Polyvinylchlorid
Baumaterial, Blisterverpackungen, zusammenklappbare Einwegbehälter, medizinische Schläuche, Isolierungen, Teppiche, Bodenbeläge
Plastikmüll im Meer wird – nicht nur
für Schildkröten - zur tödlichen Falle.
Plastikmeer
l Plastikmüll verursacht jedes Jahr den Tod von mehr als einer Million Seevögel und von mehr als 100.000 Meeressäugern
l 60-80% des in den Weltmeeren schwimmenden Mülls bestehen aus Kunststoff. Auf jeden Quadratkilometer Meer entfallen 13.000 bis 18.000 Plastikstückchen. (6)
Fotos: fotolia, wikipedia
Bedrohung mariner Arten
Bedrohung und betroffene Anteile (weltweit) (6)
Verschlucken
Sich verfangen
Meeresschildkröten
86%
86%
Meeressäuger
23%
28%
Seevögel
36%
16%
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Low-Density Polyethylen
Plastikhüllen, Spielzeug, Taschen, Klebstoffe,
Dichtungsmaterial, Draht- und Kabelbeschichtungen
Polypropylen
Yoghurt- und Margarinebecher, Ketchupdosen;
Haushaltsgeräte, Koffer, Autoteile
Polystyrol
Becher, Teller, Schaumstoffverpackungen
(u.a. Styropor), CD-Hüllen, Fleisch- und
Geflügelverpackungen, Isolierungen
Andere Kunststoffe
Stoffe, die meist aus mehr als einer Grundverbindung
bestehen; etwa Autorücklichter, Wasserkanister, einige
Getränke- und Lebensmittelbehälter.
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6
Geisternetze
Verlorene oder zurückgelassene Fischnetze aus Kunststoff, so genannte „Geisternetze“, können zu „Tötungsmaschinen“ für Fische und andere Arten werden. 1980 fanden WissenschaftlerInnen ein 1,5 km langes Netz, in dem sich
99 Seevögel, 2 Haie und 75 Lachse verfangen hatten. Das Netz trieb geschätzte 90 Tage über eine Strecke von 60 Seemeilen durchs Meer. (6)
Laut Greenpeace werden jährlich im Golf von Biscaya mehr als 18 Tonnen
Seeteufel durch Geisternetze gefangen, 1,46% des kommerziellen Fangs.
(Studie 2003)(6). US-Schätzungen zufolge geht durch Geisternetze jährlich
Hummer im Wert von 250 Mio. US-Dollar verloren. (2005)
Das toxische Trio
Diese Chemikalien sind Bestandteil tausender verbreiteter Haushaltsartikel
und werden mit Geburtsfehlern, Lernstörungen, Krebs, Leberschäden und
Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht.
Phthalate – „Weichmacher“ für Kunststoffe, insbesondere für PVC. Enthalten in Duschvorhängen, Farben, Pestiziden, Kinderspielzeug, Bodenbelägen,
Infusionsbeuteln und medizinischen Schläuchen, aber auch in Produkten wie
Parfüms, Body Lotions, Nagellacken, Shampoos und Lufterfrischern.
BPA (Bisphenol A) – Grundbestandteil von Polycarbonat-Kunststoff, einem harten, haltbaren Plastik, das für wiederverwendbare Sporttrinkflaschen, Kühlflaschen, Babyfläschchen, Zahnfüllungen und Beschichtungen in
Konserven und einigen Getränkebehältern, für CDs und DVDs verwendet
wird. Wurde zuerst als synthetisches Östrogen hergestellt; die Jahresproduktion beträgt derzeit rund 2,7 Mio. Tonnen.
PBDE (polybromierte Diphenylether) – verwendet als Flammschutzmittel; Bestandteil von Kunststoffgehäusen elektronischer Haushaltsgeräte
wie Mobiltelefone, Digitalkameras, iPods, Fernsehgeräte, Laptops; enthalten
auch in Textilien, Vorhängen, Schaumstoffpolsterungen, Matratzen, Polstermöbeln und Leiterplatten.
Wasserflaschenblues
l Die Herstellung einer 1-Liter-Flasche benötigt 7 Liter Wasser und emittiert
100g CO2. Allein in den reichen Ländern werden für Wasserflaschen schätzungsweise 2,4 Mio. Tonnen Kunststoff verwendet. (8)
l In den USA wird abgefülltes Wasser zu 96% in PET-Flaschen einheitlicher
Größe verkauft. Rund vier Mrd. davon landen im Müll und verursachen den
Kommunen jährlich Entsorgungskosten von 70 Mio. Dollar. (7)
l Die Herstellung der in den USA jedes Jahr verwendeten Plastikflaschen benötigt 17 Mio. Barrel Rohöl, was dem jährlichen Treibstoffverbrauch von einer
Million PKWs entspricht. (8)
l In Großbritannien wurden 2007 drei Mrd. Liter abgefülltes Wasser konsumiert, großteils in PET-Flaschen. Von den 13 Mrd. Flaschen wurden nur drei
Mrd. wiederverwertet. (8)
Weltweiter Markt für
abgefülltes Trinkwasser (9)
Verbrauch der führenden Länder
(2007)
Mrd. Liter
Rang
Land
2002
2007
1
USA
21,94
33,40
2
Mexiko
14,76
22,28
3
China
8,09
18,12
4
Brasilien
9,62
13,71
5
Italien
9,68
11,74
6
Deutschland
8,67
10,38
7
Indonesien
6,14
9,09
8
Frankreich
8,42
8,64
9
Thailand
4,83
5,80
10
Spanien
Top-Zehn:
4,51
96,68
4,86
138,02
Übrige:
34,27
50,75
Welt:
130,96
188,78
plastik
Vorreiter Kanada: Präsentation von
Babyfläschchen frei von Bisphenol A.
thema
Die Artikel dieses Themas wurden zuerst im Monatsmagazin „New Internationalist“ (Ausgabe 415, September 2008) veröffentlicht. Wir danken den KollegInnen
in Oxford für die gute Zusammenarbeit. Der „New Internationalist“ kann unter
der Adresse: Tower House, Lathkill Street, Market Harborough, Leicestershire
LE16 9EF, England, U.K., bezogen werden. (Jahresabo: 37,85 Pfund; Telefon: 0044/
171/82 28 99); www.newint.org. Redaktionelle Bearbeitung und Kürzung der Artikel: Irmgard Kirchner. Übersetzung: Robert Poth.
7
Südwind-Magazin PDF-Edition
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Fotos: fotolia, Chris Wattie/Reuters
Copyright New Internationalist
1) www.reusablebags.com/facts.php
2)„Plastics industry objects to bag ban“, Toronto Star, 28. Mai 2008
3) „China boosts war against menace of the plastic bag“, The Guardian, 12. Jänner
2008
4)„China joins war on plastic bags“, The Straits Times, 31. Mai 2008
5)„Ireland rids itself of plastic nuisance“, International Herald Tribune, 31. Jänner
2008
6)„Plastic debris in the world’s oceans“, Greenpeace International
(http://tinyurl.com/4q6pfm)
7) „The bottled water backlash“, Michael Blending (www.alternet.org/story/65520)
8)„UK: Eco-backlash against bottled water“ (http://tinyurl.com/3u3d6b)
9)Beverage Marketing Corporation
(www.bottledwater.org/public/statistics_main.htm)
Kamilo-Beach, Hawaii:
Der am stärksten
verschmutzte Strand
der USA.
plastik
thema
Besser kann man den Begriff nicht veranschaulichen, den Kapitän Charles
Moore für den Wirbel verwendet: „Plastiksuppe“. Es ist wirklich schwer, das
Ausmaß dieses Phänomens zu begreifen.
In der Öffentlichkeit stellt man sich den
Wirbel häufig fälschlich als „Platz“, als
identifizierbaren Ort vor, aber es handelt
sich tatsächlich um ein riesiges Gebiet,
das sich nur schwer eingrenzen lässt.
Dienstag, 29. Jänner.
32°09,2‘ N 165°28,5‘ W
Der Müllstrudel
Charles Moore und seine KollegInnen von der Algalita Marine Research Foundation in
Kalifornien segelten einen Monat lang mit dem Forschungsschiff Alguita von Hawaii
nach Los Angeles, auf den Spuren eines gigantischen Strudels von Plastikmüll mitten
im Pazifik. Nachfolgend ein Auszug aus dem Blog des Schiffes, großteils geschrieben
von Anna Cummins.
ienstag, 22. Jänner 2008. Wir ver-
Fotos: Agalita Marine Research Foundation
D
ließen Hilo, Hawaii Sonntag
abends in der Dämmerung, wenige
Stunden vor Einbruch der Nacht.
Der Vollmond tauchte die sanft rollenden Wogen in einen hellen, silbernen
Glanz und verwandelte die erste Nachtwache in ein grandioses Schauspiel. Der
Ort, wo wir unsere erste Probe entnehmen wollten, befand sich unmittelbar
vor Kamilo Beach, dem verschmutztesten Strand der USA. Ein paar Tage zuvor
hatten wir selbst die gefährliche zweistündige Autofahrt nach Kamilo gewagt,
um uns mit eigenen Augen zu überzeugen – entlang einer malerischen, vulkanisch geprägten, scheinbar völlig unberührten Küste, mit klarem blauen Wasser und herrlichen Stränden, allesamt
übersät mit Plastikmüll.
Orte wie dieser zeigen, welches Ausmaß das Problem mit dem Müll im
Meer angenommen hat – und sie erinnern uns plastisch daran, warum wir uns
überhaupt auf diese einmonatige Reise
begeben.
Donnerstag, 31. Jänner.
32°46,2‘ N 170°03,4‘ W
Montag, 28. Jänner. Breite: 30°08,4‘
Nord; Länge: 165°24,9‘ West
Wir sind in die zentrale Hochdruckzelle des Wirbels gelangt und haben mit
der Entnahme von Proben begonnen. Im
nebenstehenden Bild sieht man, was wir
in unserer ersten Probe gefunden haben.
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Heute morgen haben wir unser
Schleppnetz ausgebracht. Nach einer
Kurskorrektur Richtung Westen entdeckten wir mehr Müll, darunter eine
mit Algen und Moostierchen bedeckte
Reinigungsmittelflasche, die eine verärgerte Hochseekrabbe beherbergte. Dann
schwamm ein Gebilde aus ineinander
verwickelten alten Tauen vorbei, unter
dem sich ein ganzes Fischbiotop gebildet
hatte. Auch ein Effekt des Mülls im Meer
– er ist für Fische attraktiv.
Genauso interessant wie das, was wir
in unserer Probe fanden, war das, was
wir darin nicht fanden. Joel bemerkte,
dass der Großteil des Mülls, den er beim
Tauchen sah, sich in etwa einem Meter
Tiefe befand. Wenn schwimmende Plastikteile kleiner werden, verlieren sie etwas Auftrieb und sinken ab. Es ist also
möglich, dass wir große Mengen kleiner
Plastikteile nicht erwischen, da wir bloß
die Oberfläche abschöpfen. Obwohl wir
alle gut vorbereitet sind und erwarten,
große Mengen Plastik zu finden, sind wir
doch schockiert – das Zeug gehört einfach nicht hierher.
Vom Strand aufgehoben: Ein Gemisch
aus kleinen Plastikstückchen und Sand.
Unten: „Plastiksuppe“, aus dem Pazifik
geschöpft.
Südwind-Magazin PDF-Edition
Die Nachmittagsflaute wurde durch
eine neuerliche Sichtung einer Masse in
sich verschlungener Taue unterbrochen.
Als wir sie an Bord zogen, schlüpften
dutzende Fische und Krabben heraus.
Wir fingen sie mit der Hand und warfen
sie in ein Miniaquarium, um sie zu beobachten und zu fotografieren, bevor wir
sie wieder frei ließen.
Ein besorgter Familienangehöriger
fragte, ob es denn ungefährlich sei, hier
draußen, mitten in dieser Plastiksuppe,
Fisch zu essen. Ausgezeichnete Frage.
Die Wahrheit ist: Wir wissen es nicht.
Wie sich Chemikalien in Kunststoffen
auf lebende Organismen auswirken,
wurde noch nicht ausreichend erforscht.
Migrieren etwa die von den Plastikteilen
angezogenen Schadstoffe ihrerseits in die
Organismen, die sie konsumieren?
Je weiter oben in der Nahrungskette,
desto höher ist auch die Konzentration
von Schadstoffen. Je größer die Fische,
desto eher haben sie kleinere, kontaminierte Fische gegessen und die in ihnen
enthaltenen Toxine absorbiert. Am sichersten ist es, bloß die kleinen zu essen. 8
Samstag, 2. Februar.
So genannte Geisternetze werden zu
Tötungsmaschinen für Meereslebewesen.
Samstag, 9. Februar.
36°23,4‘ N 150°15,7‘ W
thema
plastik
Ständig werden wir gefragt, ob es
nicht möglich ist, diesen Müll abzuschöpfen, mit Netzen herauszufischen
oder herauszufiltern. Aber die Dimension des Problems ist einfach zu groß.
Genauso könnte man vorschlagen, die
USA reinzufegen. Oder die Sahara
durchzusieben. Und wie man an den Bildern unserer Proben erkennen kann, besteht ein Großteil des Mülls aus kleinen
Stückchen, die man nur mit einem feinmaschigen Netz erwischen könnte. Was
heißen würde, auch Tonnen von Plankton zu entfernen – die Basis der gesamten marinen Nahrungskette. Wäre der
Müll netterweise in Form einer großen
„Müllinsel“ konzentriert, könnten wir
ihn vielleicht entfernen. Aber er verteilt
sich über ein unfassbar großes Gebiet.
Begriffe wie „Müllgebiet“ oder „Misthaufen so groß wie Texas“ suggerieren
konkrete Gebiete, aber tatsächlich erstreckt sich diese „Plastiksuppe“ über
den gesamten Wirbel. Dazu kommen
noch einige Unbekannte: Wieviel Plastik
türmt sich am Meeresboden? Oder verteilt sich vertikal über die ganze Wassersäule? Wenn man noch die Kosten und
die Schwierigkeit bedenkt, überhaupt
hierher zu gelangen, sollte klar sein, dass
man den Wirbel nicht säubern kann.
Wir müssen uns auf die Vorbeugung
konzentrieren.
9
Gefangen im im Nordpazifikwirbel:
Müllstrudel– großteils aus Plastik.
Sonntag, 10. Februar
35°41,0‘ N 147°38,0‘ W
Wir sind wieder zurück in dem Gebiet, das Kapitän Moore 1997 überhaupt
zu seiner Initiative motivierte. Zwei
Stunden lang fischten wir so schnell wir
konnten, zogen Schwimmer von Fischnetzen, Zahnbürsten, Plastik- und Glasflaschen, einen Golfball, eine Billardkugel, einen ungebrauchten Klebestift und
mehrere Gebilde aus verschlungenen
Tauen heraus, gefüllt mit Krabben und
winzigen gestreiften Fischen. Am
schlimmsten war aber das Plastikkonfetti: ein scheinbar endloser Strom feiner,
weißer Schneeflocken, der den Ozean
wie Plastikpuder bedeckte.
Unser erstes „Geisternetz“ sichteten
wir früh am Abend, es wog mehr als eine
Tonne. Was an der Oberfläche wie ein
Wirrwarr aus Netzen samt darin verfangenem Müll aussah, erwies sich bloß als
Spitze des Eisbergs. Ein nautischer Alptraum, der sogar der gefährdeten Hawaii-Mönchsrobbe – der einzigen tropischen Robbe – zum Verhängnis werden
könnte, genauso wie anderen Lebewesen,
einschließlich Korallen.
Südwind-Magazin PDF-Edition
Dienstag, 13. Februar.
35°31,7‘ N 141°00,3‘ W
Eben haben wir 3.000 Seemeilen auf
unserer Fahrt hinter uns gebracht. Unsere heutige Probe enthielt etwas, was wir
an der Oberfläche noch nicht gesehen
hatten – viele dünne Fäden und kleine
Fragmente von Leinen. Diese Fasern machen den Hauptteil des Mülls aus, den
wir mit unseren bis zu 100 Meter tief reichenden Schleppnetzen gefunden hatten. Da sich das Wasser hier kaum bewegt, konnten diese Fragmente an die
Oberfläche aufsteigen, wo sie sich in unseren Netzen verfingen. Die Kleinheit
der Stücke könnte bedeuten, dass dieser
Müll schon geraume Zeit im Kreis herumschwamm und schließlich zu kleinen,
halbverfaulten Stückchen zerfiel.
Nach den Daten, die bei Säuberungsaktionen an der Küste erhoben wurden,
stammen 80 Prozent des marinen Mülls,
der auf den Stränden landet, vom Festland – etwa Straßenabfall, der durch die
Kanalisation ins Meer geschwemmt
wird. Hier draußen stammt ein großer
Teil des Mülls, den wir identifizieren
können, von der Fischerei – Schwimmer,
Seile, Teile von Netzen und anderes Fischereigerät. Bei der Mehrheit handelt es
sich jedoch um Plastikstücke.
Freitag, 15. Februar.
35°45,3‘ N 138°34,2‘ W
Heute haben wir unsere beiden letzten
Proben entnommen und damit die
Wiederholung unserer Forschungsfahrt
von 1999 abgeschlossen. Es ist zwar noch
zu früh, um Bilanz zu ziehen, aber wir
können mit Sicherheit sagen, dass die
Menge und Anzahl der Plastikstücke pro
Meeresoberfläche dramatisch zugenommen hat.
l
Copyright New Internationalist
Nähere Informationen zur Arbeit der Algalita
Foundation unter www.algalita.org
n o v e m b e r 2 0 0 8 • N r. 1 1
Fotos: Agalita Marine Research Foundation
Ahoi, hier Kapitän Moore. Ich löse
unsere Chefbloggerin Anna ab, um mit
euch darüber reden zu können, wie groß
der „Eastern Garbage Patch“ (der östliche „Müllstrudel“ im Nordpazifik, Anm.
d. Red.) ist und welche Art von Müll er
enthält. Modelle der Oberflächenströmungen zeigen Müllgebiete in der Größe
von Texas im östlichen und westlichen
Nordpazifik, wo ein Großteil des Mülls
jahrzehntelang verbleibt. Wir haben herausgefunden, dass Millionen von Quadratkilometern zwischen 20° bis 40°
nördlicher Breite und 135° westlicher
Länge bis zur internationalen Datumsgrenze (180° W, Anm. d. Red.) erheblich
betroffen sind.
Die Laysan-Albatrosse waren die ersten, die Proben der Plastikpest im
Nordpazifik lieferten. Nicht lange nach
Beginn des Wegwerfzeitalters begannen
sie, ihre aus natürlichen Abfällen und
Tintenfischen bestehende Nahrung mit
Plastikmüll zu ergänzen. Wir besitzen
dutzende Fotos von herausgewürgten
Mageninhalten von Laysan-Albatrossen
mit Gegenständen, die man an der Kasse
des lokalen Supermarkts finden könnte:
Verschlusskappen von Flaschen, kleine
Fläschchen, Feuerzeuge, Kugelschreiber
und Zahnbürsten, abgesehen von Plastikstückchen verschiedener Größe und
Farbe.
plastik
Falsche Versprechen
Henry Ford träumte von Kunststoffautos aus Soja, und heute träumen
auch Dow, DuPont und andere
Chemiekonzerne von einer „grünen“
Zukunft. Doch Biokunststoff, argumentiert NI-Autor Jim Thomas, ist
nicht die Öko-Lösung, zu der er
hochstilisiert wird.
B
iokunststoff ist eigentlich nichts
anderes als Kunststoff, der aus
pflanzlichen Rohstoffen und nicht
aus Erdöl hergestellt wird. Das ist
an sich weder neu noch unbedingt ökologisch sinnvoll. Die ersten Kunststoffe
wie etwa Zelluloid wurden aus Zellulose
hergestellt, bevor sich Erdöl als billigerer
Rohstoff erwies. Und heute, mit den
stark steigenden Ölpreisen, sind es ebenfalls die geringeren Rohstoffkosten und
nicht „grüne“ Grundsätze, die Biokunststoffe für Chemieunternehmen wieder
attraktiv machen.
„Grün“ bedeutet für die Kunststoffindustrie vor allem neues Geld – einen
ganzen Haufen davon. Der Marktanteil
von Biokunstststoffen liegt zwar nach
Branchenangaben noch weit unter einem Prozent. Doch der Umsatz beläuft
sich bereits auf eine Mrd. US-Dollar
jährlich, und er könnte bis 2012 auf
mehr als zehn Mrd. Dollar zunehmen.
Zwar wird versucht, Biokunststoffe als
„naturnah“ zu vermarkten; die Hersteller sind aber die selben Agroindustrieund Chemiekonzerne, die weiterhin toxische Produkte verkaufen und industrielle Monokulturen fördern. ADM und
Cargill – die zusammen einen Großteil
des Weltgetreidehandels kontrollieren –
Experimente mit Bio-Kunststoff
im Forschungslabor von Dupont
im US-Bundesstaat Delaware.
thema
der Petrochemie. Theoretisch zerfallen
sie innerhalb einiger Jahre durch die Einwirkung von Sonnenlicht und Sauerstoff.
In einem aktuellen Bericht der australischen Regierung heißt es dazu jedoch:
„Für viele abbaubare Polymere reichen
die vorliegenden Daten nicht aus, um mit
Sicherheit angeben zu können, wie lange
es dauert, bis sie völlig biologisch abgebaut sind.“ Im selben Bericht wird darauf
verwiesen, dass sie bloß in kleinere Teile
zerfallen könnten, die mit höherer Wahrscheinlichkeit von „kleineren Tieren wie
eben ausgeschlüpften Seeschildkröten“
verschluckt werden. Über den Wert abbaubarer Kunststoffe für die Umwelt
herrscht daher verbreitete Skepsis.
Biologisch abbaubare Biokunststoffe
kommen in den Medien etwas besser
weg. Diese Kunststoffe zerfallen – in der
Regel in industriellen Kompostwerken –
unter Einwirkung von Hitze und von
Mikroorganismen und Enzymen in ihre
Grundbestandteile und Mineralstoffe.
Die Verwesung muss mit standardisierten Tests gemessen werden und innerhalb eines bestimmten Zeitraums ablaufen, der sich je nach Kompostiermethode
unterscheidet. Leider gibt es derzeit so
wenige Kompostwerke, dass nur ein
Bruchteil der biologisch abbaubaren
Kunststoffe dort landet. Ingeo – ein von
NatureWorks entwickeltes Polylactid –
ist einer der „kompostierbaren“ Kunststoffe, der sich in gewöhnlichen Komposthaufen nicht zersetzt. Das Material
kann außerdem mit dem für Plastikflaschen verwendeten PET (Polyethylenterephthalat) verwechselt werden und dadurch existierende Recyclingkreisläufe
beeinträchtigen.
Soviel zum Abbau. Aber fossile Brennstoffe durch Pflanzen zu ersetzen, das
muss doch eine gute Idee sein, oder? Das
ist die Voraussetzung, auf der der „grüne“ Anspruch der Biokunststoffe großteils beruht. Doch wie sich am Beispiel
Foto: PRNewsFoto/DuPont, wikipedia/Christian Gahle/nova-Institut GmbH
Es sind die geringeren Rohstoffkosten und nicht „grüne“ Grundsätze,
die Biokunststoffe für Chemieunternehmen attraktiv machen.
sind mit den Produktlinien NatureWorks und Mirel zwei der wichtigsten
Akteure, ebenso wie DuPont, BASF und
Dow, drei der größten Chemieunternehmen der Welt.
Biokunststoffe können (biologisch) abbaubar sein oder auch nicht. Viele Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen – wie etwa Sorona von DuPont –
machen keine Anstalten, sich in der Umwelt zu zersetzen. Selbst jene, die angeblich abbaubar sind, wirken sich vielleicht
nur geringfügig auf den Umfang des Plastikmülls aus. Die „abbaubaren“ Tragtaschen, die in vielen Supermärkten angeboten werden, sind großteils Produkte
n o v e m b e r 2 0 0 8 • N r. 1 1
Verpackungschips aus pflanzlicher Stärke.
Südwind-Magazin PDF-Edition
der Agrotreibstoffe gezeigt hat, ist ein
Umstieg vom Öl auf Biomasse als Treibstoff unserer Industriegesellschaft auch
mit Problemen verbunden – mit Hunger
etwa. Wenn die Kunststoffproduktion
auf pflanzliche Rohstoffe umgestellt
wird, werden Land und Erträge, die ansonsten Menschen ernährt hätten, dem
Gewinnstreben der Kunststoffindustrie
geopfert. Wenn es bei herrschendem
Hunger inakzeptabel ist, Nahrungsmittel
in Treibstoffe zu verwandeln, sollte es
noch weit inakzeptabler sein, sie in Tragtaschen zu verwandeln.
Ein Beispiel ist der DuPont-Biokunststoff Sonora, eine Faser, die für Teppiche, Kleidung und Autoteile verwendet 10
wird. 2007 errichtete DuPont eine Bio-
raffinerie im US-Bundesstaat Tennessee,
die jährlich 6,4 Millionen Bushel Mais
(ca. 220.000m3) in rund 4.500 Tonnen
Kunststoff verwandelt. Die nötige Anbaufläche bloß für dieses Werk beläuft
sich auf 16.000 Hektar. 2010 will DuPont
25 Prozent seiner weltweiten Chemikalien- und Kunststoffproduktion auf
nachwachsende Rohstoffe umstellen, in
der Hoffnung, letztlich überhaupt aus
dem Erdöl auszusteigen.
Laut dem Beratungsunternehmen
bio-era handelt es sich um einen Branchentrend. Ein Fünftel der weltweiten
Produktion von Chemikalien und
Kunststoffen, ein 1.800 Mrd.-Dollar-Geschäft, könnte 2015 auf pflanzlichen
Rohstoffen basieren, großteils auf stärkeoder zuckerhaltigen Feldfrüchten. Addiert man das zu dem Mais und anderen
Agrarerzeugnissen, die bereits zur Treibstoffherstellung genutzt werden, ergibt
das eine gigantische Menge, mit der man
stattdessen Menschen ernähren könnte.
Wie um den Kreis zu schließen, scheinen
Agrotreibstoffe tatsächlich zum neuesten
Rohmaterial für Biokunststoffe zu werden. Ende 2009 will Brasiliens größtes
petrochemisches Unternehmen, Braskem, eine 150 Mio. Dollar teure Fabrik
eröffnen, die jährlich 200.000 Tonnen
Polyethylen (u.a. verwendet für Tragtaschen) aus Zuckerrohr-Ethanol erzeugen
soll. Die Zuckerrohrplantagen für die
Ethanolproduktion bedecken heute in
Brasilien bereits rund sechs Mio. Hektar
Land und stoßen wegen der Vernichtung
von Waldflächen und Sklavenarbeit auf
heftigen Widerstand. Das World Rainforest Movement warnt, dass der brasilianische Cerrado, ein zwei Millionen km2
großes Wald- und Savannengebiet mit
extrem hoher Biodiversität, von Zuckerrohrplantagen zerstört wird. Die Expansion von Zuckerrohr-Monokulturen
Über den ökologischen Wert
von so genanntem Biokunststoff
herrscht Skepsis.
mental Watch Group in den USA – die
Verbindungen zwischen Gentechnik und
zukünftigen Biokunststoffen sind allgegenwärtig. Neben Maissorten sind bereits vier gentechnisch modifizierte Kartoffelsorten zum Anbau in Nordamerika
zugelassen, und BASF hat auf gentechnischem Weg eine speziell auf den Biokunststoffmarkt ausgerichtete Kartoffel
entwickelt („Amflora“), die vor der Zulassung in der EU steht.
Tatsächlich bewerben nur zwei größere Biokunststoffhersteller, die italieni-
sondern neuartige, künstliche biologische Systeme zu erzeugen. Maschinell erzeugte DNA-Moleküle werden zu neuen
genetischen „Programmen“ zusammengefügt, die Organismen wie Bakterien,
Hefe oder andere Mikroben „übernehmen“, um derart Zucker in Kunststoff zu
verwandeln. Der Biokunststoff Sonora
von DuPont etwa wird ausschließlich
mittels Hefe erzeugt, die eine völlig
künstliche, von Genencor entwickelte
DNA enthält. Für den Biokunststoff Mirel von ADM wird eine synthetische
Mikrobe verwendet, die von Metabolix
gebastelt wurde. Alle Bedenken, die den
Vormarsch genveränderter Organismen
begleitet haben (genetische Kontamination, fehlende Sicherheitsprüfungen, Eigentumsansprüche von Unternehmen),
gelten umso mehr für die synthetische
Biologie, die bisher keiner Regulierung,
Auszeichnungspflicht oder obligatorischen Sicherheitsprüfung unterliegt.
Im Eigentum von Konzernen, keine
biologische Abbaubarkeit, Stärkung der
industriellen Landwirtschaft, immer
weitreichendere gentechnische Eingriffe:
Begeisterung über die grüne Zukunftsvision der Kunststoffindustrie will da nicht
so recht aufkommen. Immerhin aber
gibt es Versuche, die Entwicklung in vernünftigere Bahnen zu lenken. So arbeitet
das Netzwerk „Sustainable Biomaterials
Collaborative“ (SBC), in dem sich 16 zivilgesellschaftliche Organisationen und
ethisch verantwortliche Unternehmen
zusammengeschlossen haben, an der Definition eines tatsächlich „nachhaltigen“
Biokunststoffs.
Warum das Netzwerk ins Leben gerufen
wurde, erklärt einer der Gründer, Tom
Lent, so: „Die Versprechungen der Biokunststoffe wurde nicht umgesetzt.“ SBC
hat ein Grundsatzdokument, die „Sustainable Bioplastics Guidelines“*) veröffentlicht, das auf zwölf vernünftigen
thema
plastik
durch mächtige Oligopole liegt „beinahe
allen sozial-ökologischen Konflikten in
Brasilien und im gesamten übrigen Lateinamerika“ zugrunde, versichert die
Aktivistin und Anwältin Camila Moreno
von der brasilianischen Nichtregierungsorganisation Terra de Direitos.
An den meisten agroindustriellen
Rohstoffen ist nichts nachhaltig und
schon gar nichts biologisch. Stärke für
Biokunststoffe wird heute wahrscheinlich hauptsächlich aus gentechnisch modifiziertem Mais hergestellt. Kunststoffe
aus Kartoffeln – wie die Marke Bioplast
der britischen Stanelco – sind ebenso
problematisch. Kartoffeln weisen eine
der höchsten Pestizid-Belastungen aller
Nahrungsmittel auf, warnt die Environ11
sche Novamont und die kanadische
EarthCycle, ihre Produkte als „gentechnik-frei“. NatureWorks von Cargill bietet KonsumentInnen u.a. die skurrile
Option, die Verwendung von genveränderten Rohstoffen durch einen Aufpreis
zu „kompensieren“. Die Gentechnik
wird vielleicht bald soweit sein, Kunststoffe direkt in den Pflanzen zu erzeugen.
Sollten solche „Plastik-Pflanzen“ in die
Nahrungsmittelversorgung gelangen,
würde dies ernsthafte Umwelt- und Gesundheitsprobleme aufwerfen.
Prinzipien beruht – von der Vermeidung
von Pestiziden und genveränderten
Pflanzen bis zur Unterstützung kleinerer
Landwirtschaftsbetriebe. Ein anspruchsvolles und erfrischendes Dokument, das
sich markant vom nichtssagenden
„Greenwash“ der Biokunststoffindustrie
unterscheidet. Es mag nicht viele „nachhaltige Biokunststoffe“ geben, auf die
verwiesen werden könnte – aber es ist
immerhin ein ehrlicher Beginn.
l
Copyright New Internationalist
Schließlich gibt es die synthetische Bio-
Jim Thomas arbeitet als Rechercheur und Autor für
die ETC Group in Ottawa (www.etcgroup.org).
logie. Anders als der bisherigen Gentechnik geht es ihr nicht darum, etwa bloß
Gene zwischen Arten zu transferieren,
*) Download unter www.sustainablebiomaterials.org/documents.htm
Südwind-Magazin PDF-Edition
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Foto: wikipedia/Christian Gahle//nova-Institut GmbH
Die Hersteller von Biokunststoffen sind die selben Agroindustrie- und Chemiekonzerne,
die weiterhin toxische Produkte verkaufen und industrielle Monokulturen fördern.
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