Wasser mit Chlordioxid entkeimen

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Wasser mit Chlordioxid entkeimen
KULTURTECHNIK
Hygiene in der Produktion
Wasser mit
Chlordioxid entkeimen
Brauchen wir noch ein neues Verfahren zur Wasserentkeimung?
Erhitzung, UV-Bestrahlung und Biofiltration haben sich doch
bewährt und sind in den verschiedensten Bereichen der
geschlossenen Bewässerungssysteme im Einsatz. Dennoch stößt
Chlordioxid in der gärtnerischen Praxis auf großes Interesse.
D
ie Anwendung von
Chlordioxid darf nicht
mit der üblichen „Chlorierung“ von Wasser verwechselt
werden.
Chlordioxid
(ClO2) ist eine gasförmige
Chlorsauerstoffverbindung, die
sich als ganzes Molekül im Wasser löst und nicht wie Chlorgas
oder zum Beispiel Na-Hypochlorit in unterchlorige Säure,
so genanntes aktives Chlor, umgewandelt wird. Chlordioxid
wirkt überwiegend als Oxidationsmittel. In konzentrierter
Form ist Chlordioxid instabil
und kann nicht über längere
Zeit gelagert werden. Es wird
deshalb stets am Bedarfsort als
Reaktionsprodukt von Natriumchlorit mit Chlor oder Säure
hergestellt. Das gängigste Verfahren ist das so genannte Chlorit-Säure-Verfahren, bei dem
NOCH WENIG ERPROBT
Wasserentkeimung mit Chlordioxid ist ein im Gartenbau
noch wenig erprobtes Verfahren. Aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, der
einfachen Integration in bestehende Bewässerungsanlagen und den vergleichsweise
niedrigen Kosten könnte es
eine wirtschaftlich tragbare
Lösung für so manches Hygieneproblem darstellen. Vor
einer abschließenden Beurteilung sind jedoch weitere
Untersuchungen sowie Praxiserprobungen erforderlich.
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verdünnte Lösungen von Natriumchlorit (NaClO2) und Säure
(meist Salzsäure) in einem bestimmten Verhältnis gemischt
werden. Die Reaktion erfolgt
nach folgender Formel:
5 NaClO2 + 4 HCl -> 4 ClO2
+ 2 H2O + 5 NaCl
Damit diese Reaktion unter
kontrollierten Bedingungen mit
der nötigen Präzision und Sicherheit abläuft und in den
Wasserkreislauf
eingespeist
werden kann, bedarf es spezieller Geräte. Für den gartenbaulichen Bereich werden zurzeit nur von der Firma ProMinent, Heidelberg, entsprechende Dosiergeräte (Bello Zon CDVa-Anlagen) angeboten. Diese
Anlagen arbeiten nach dem
oben genannten Chlorit-SäureVerfahren. Dabei entstehen aus
je 1 l Salzsäure (9 %) und Natriumchlorit (7,5 %) in der Reaktionskammer des Geräts circa
40 g Chlordioxid. Über einen
elektronischen Wassermengenzähler kann das Chlordioxid
sehr präzise mengenproportional in den Wasserstrom dosiert
werden. Zur Überwachung der
Anlage dient ein Chlordioxidsensor, der sowohl bei
Über- als auch Unterdosierung
Alarm gibt und die Wasserzufuhr stoppt.
Einsatzgebiete für
Chlordioxid
Chlordioxid wird bereits seit
1947 insbesondere zur Behandlung von Bade- oder Trink-
wasser eingesetzt. Es gibt aber
auch andere Anwendungen,
beispielsweise im Bereich der
Lebensmitteltechnologie, Abwasserbehandlung oder zur
Kühlwasserdesinfektion
in
technischen Anlagen. Chlordioxidanlagen, die nach dem
Chlorit-Säure-Verfahren arbeiten, sind in den genannten Anwendungsbereichen schon seit
vielen Jahren Standard, so dass
hinsichtlich der technischen
Funktionsfähigkeit von Praxisreife ausgegangen werden
kann. Neu ist jedoch der Einsatz unter Gartenbaubedingungen. Nachgefragte oder mögliche Einsatzgebiete im Gartenbau sind beispielsweise:
➜ Wasserentkeimung in geschlossenen Kultursystemen
➜ Gießwasserbehandlung bei
„Überkopfbewässerung“ zur
Verhinderung der Übertragung
mit dem Spritzwasser und zur
Reduzierung von blattparasitischen Erregern
➜ Frischhaltung von Schnittblumen
➜ sonstige Desinfektionsmaßnahmen (Beispiel: Kombination
mit Kistenwaschanlagen)
Sichere Wirkung
gegen Pilzsporen
Chlordioxid wirkt bereits in
sehr niedriger Konzentrationen
von 1 bis 3 ppm. Erste Untersuchungen zum Einsatz von
Chlordioxid gegen Erreger von
Pflanzenkrankheiten wurden
in Australien durchgeführt. Labortests ergaben eine sichere
Wirkung gegen Sporen ver-
Bello-Zon-Anlage mit
Holzkasten
schiedener Pilze wie Phytophthora- und Fusarium-Arten.
Entsprechende Tests in Geisenheim haben diese Ergebnisse
bestätigt und gezeigt, dass auch
wichtige Bakterien wie Xanthomonas campestris oder Ralstonia solani sicher abgetötet werden können. Gegen Dauerformen (zum Beispiel Chlamydosporen oder Sklerotien) verschiedener Pilze war mit
Chlordioxid hingegen keine
ausreichende Wirkung zu erzielen. Ob auch pflanzenschädliche Viren oder Nematoden sicher zu eliminieren sind, lässt
sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen, da entsprechende Untersuchungen
fehlen. In anderen Anwendungsbereichen wurde jedoch
eine viruzide Wirkung von
Chlordioxid nachgewiesen.
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Eine Bello-ZonAnlage in einer
Gärtnerei
festgestellt. Eine Pilotstudie in
Geisenheim zeigte, dass vermutlich auch bei Anstaubewässerungsverfahren (zum Beispiel
Ebbe/Flut) das rezirkulierende
Wasser mit Chlordioxid behandelt werden kann. Weiterhin
gibt es Berichte über die Anwendung von Chlordioxid zur
Blumenfrischhaltung und zur
Tauchbehandlung von Blumenzwiebeln.
Störfaktoren und
Wechselwirkungen
Pflanzenverträglichkeit
Die Pflanzenverträglichkeit von
Chlordioxid hängt natürlich
sehr stark mit dem jeweiligen
Anwendungsgebiet und der Dosis zusammen. Aus der Praxis
sind verschiedene Anwendun-
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gen bekannt mit 1 bis 6 ppm
Chlordioxid zur Bewässerung
im Überkopf-Verfahren bei Pelargonien-Jungpflanzen (Sprühnebel), verschiedenen Schnittblumen und Gewürzkräutern.
In den USA hat man zudem eine gute Verträglichkeit bei einer Reihe von Topfpflanzen
Als Oxidationsmittel reagiert
Chlordioxid mit allen oxidierbaren Substanzen im Wasser,
insbesondere mit organischen
Verbindungen (zum Beispiel
Torfreste und Algen). Deshalb
kann Chlordioxd bei starker organischer Belastung des Wassers wegen vorzeitiger Abreaktion (Zehrung) nicht erfolgreich
eingesetzt werden. Aber auch
anorganische Verbindungen,
insbesondere Eisen- und Manganverbindungen, können mit
Chlordioxid reagieren. Allerdings haben erste Messungen
im Rahmen eines laufenden Pilotversuchs an der Forschungsanstalt Geisenheim ergeben,
dass Reaktionen von Chlordioxid mit den Spurenelementen
in der Nährlösung, insbesondere Eisen und Mangan, im Hinblick auf die Versorgung der
Pflanzen vermutlich unerheblich sind. Hingegen gibt es starke Reaktionen mit Nitrit, in deren Folge Chlordioxid gezehrt
werden und Chlorit entstehen
kann. Über die Pflanzenschädlichkeit von Chlorit gibt es bislang keine Erkenntnisse. Eine
Anreicherung von Chloriden
(zum Beispiel Kochsalz) ist auf
Grund der geringen Dosierung
nicht zu erwarten. Der pHWert der Düngerlösung ist in
einem weiten Bereich von pH 4
bis 8 für die biozide Wirkung
von Chlordioxid unerheblich.
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KULTURTECHNIK
Bello-Zon-Chlordioxid-Anlage mit durchflussproportionaler Ansteuerung
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230 V. 50/60 Hz
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1 Wassermesser (Kontakt, analog),
2 Hauptwasserleitung,
3 Bypassleitung 1-2 m³/h,
4 Bypasspumpe,
5 Messwasserleitung,
6 Magnetdosierpumpe,
7 Durchflussüberwachung,
Dies ist ein wichtiger Vorteil im
Vergleich zur sonst üblichen
Chlorierung.
Schließlich muss noch bedacht werden, dass Chlordioxid
als gasförmige Verbindungen
bei hohen Temperaturen und
bei Ausbringung im Sprühverfahren zumindest teilweise aus
dem Wasser entweichen kann.
Eine Überschreitung der MAKWerte ist dabei jedoch nicht zu
erwarten.
Vorteil „Standzeit“
Den meisten Wasserentkeimungsverfahren für geschlossene Bewässerungssysteme ist gemeinsam, dass sie eine „spot“Desinfektion darstellen. Die Erreger werden an einer Stelle im
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8 Reaktor,
9 Reaktorgehäuse,
10 Dosierventil (druckbelastet),
11 Mischer,
12 Absperrhahn,
13 Belüftungsventil,
14 Absaugeinrichtung,
Kreislauf eliminiert, so dass lediglich die Ausbreitung von
Krankheitserregern zwischen
verschiedenen Bewässerungseinheiten (zum Beispiel von
Anstautisch zu Anstautisch)
verhindert werden kann. Die
mögliche Ausbreitung der
Krankheitserreger innerhalb
einzelner Bewässerungseinheiten (auf einem Tisch, in einer
Rinne) wird dadurch jedoch
nicht verhindert. Hier könnte
Chlordioxid einen entscheidenden Vorteil bieten. Chlordioxid hat, je nach Konzentration
von oxidierbaren Substanzen
(Schmutz) im Wasser, eine
Halbwertzeit von einigen Stunden bis Tagen. Somit ist nach
der Einspeisung auch noch auf
der Fläche eine gewisse Wir-
15 Bypassüberwachung,
16 Rückschlagventil,
17 Steuerung mit Leistungsanzeige,
18 Bello Zon® Säure in
Sicherheitswanne,
19 Bello Zon® Chlorit in
Sicherheitswanne,
kung zu erwarten. Dieser
Aspekt könnte vor allem für die
Anstaubewässerungsverfahren
bei der Topfpflanzenproduktion
von Interesse sein, insbesondere bei der Bekämpfung von
Fusariosen (zum Beispiel an
Elatiorbegonien oder Cyclamen). Auch bei verschiedenen
anderen Kulturen wäre dieser
Zusatzeffekt einer Wasserentkeimung hilfreich.
Wirtschaftliche
Aspekte
Die Wasserentkeimung mit
Chlordioxid kann, ähnlich wie
die Langsamfiltration, zu den
eher preiswerteren Verfahren
gezählt werden. Es sind keine
zusätzlichen Speicherbecken
20 D1C - Chlordioxid-Messwerterfassung,
21 Chlordioxid-Sonde,
22 Messwasserüberwachung,
23 Verriegelungskontakt,
24 Spülanschluss,
25 Verweilbehälter
erforderlich und die Anlagen
lassen sich problemlos in einen
Wasserkreislauf integrieren. Je
nach Größe und Ausstattung
liegen die Investitionskosten
bei circa 12 000 bis 20 000 e.
Bei einer Einsatzkonzentration
von 1 ppm ergeben sich Kosten
für Säure und Lauge von circa
0,05 e/m3. Zusätzlich empfiehlt der Hersteller eine jährliche Wartung, die Kosten von
circa 900 e pro Jahr verursachen kann.
Prof. Dr. Walter Wohanka,
Forschungsanstalt Geisenheim
Bilder: Labowksy (1), Werkbilder
ProMinent (2)
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